L 22 R 17/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 R 3853/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 17/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 08. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Anrechnung einer Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 als rentenrechtliche Zeit und der Zeit vom 01. Januar 2009 bis 10. Juli 2009 als weitere Zurechnungszeit ungemindert nach einem Zugangsfaktor 1,0.

Die 1949 geborene Klägerin pflegte nach den Eintragungen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) – Verwaltung der Sozialversicherung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung vom 06. September 1983 einen Familienangehörigen vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991.

Nachdem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt) die Zeiten bis 31. Dezember 1995 erstmals nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) als für die Beteiligten verbindlich festgestellt hatte (Bescheid vom 09. August 2002), lehnte sie mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 die Anerkennung der Zeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 als Beitragszeit ab, weil nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung nicht bestanden habe.

Auf den im April 2003 gestellten Rentenantrag, mit dem erneut die Berücksichtigung der Zeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 geltend gemacht wurde und der zunächst abgelehnt worden war, bewilligte die Beklagte ihrem Anerkenntnis vor dem Sozialgericht Berlin (S 9 RA 6189/04) entsprechend der Klägerin mit Bescheid vom 11. Oktober 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Mai 2003 nach einem am 09. April 2003 eingetretenen Leistungsfall mit 0,5048 persönlichen Entgeltpunkten und 11,0625 persönlichen Entgeltpunkten (Ost), die sie jeweils unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,913 ermittelte. Sie verminderte den Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat nach dem 28. Februar 2010 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003, also für 29 Kalendermonate um insgesamt 0,087, auf 0,913 und vervielfältigte damit die Summe aller aus rentenrechtlichen Zeiten ermittelten Entgeltpunkte von 0,5529 und Entgeltpunkten (Ost) von 12,1166. Der Rentenberechnung legte sie eine Zurechnungszeit vom 09. April 2003 bis 31. Dezember 2008 zugrunde. Die Zeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 wurde nicht angerechnet. Die Beklagte führte im Bescheid außerdem aus: Nachfolgend wird dargestellt, welche früheren Entscheidungen aufgrund von Gesetzesänderungen nicht mehr gelten. Ob und ggf. welche Zeiten und Daten stattdessen zu berücksichtigen sind, entnehmen sie bitte dem beigefügten Versicherungsverlauf. Zudem sind wir aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung gehalten, ggf. früher getroffene Aufhebungsentscheidungen zu konkretisieren. Änderungen gegenüber dem letzten Versicherungsverlauf ergeben sich dadurch nicht. Die Beklagte hob jedoch den Bescheid vom 09. August 2002 über die Feststellung der Zeit vom 10. Juli 1965 bis 09. Juli 1966 (Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres) insoweit nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ab Rentenbeginn auf.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch begehrte die Klägerin Berücksichtigung der zu DDR-Zeiten erworbenen Rentenansprüche durch nachgewiesene Pflege eines Familienangehörigen vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991. Sie wies darauf hin, dass sie nach damaligem Rentenrecht in dieser Zeit beitragsfrei rentenversichert gewesen sei; die Pflege habe als versicherungspflichtige Tätigkeit gemäß der Rentenverordnung der DDR gegolten. Ihr Rentenanspruch aus dieser Zeit sei ein rechtmäßig erworbener Besitzstand. Sie verlangte außerdem die Berücksichtigung einer weiteren Zurechnungszeit bis zum 10. Juli 2009. Schließlich wandte sie sich gegen die Rentenabschläge bei Inanspruchnahme der Rente vor dem 60. Lebensjahr unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG). Die Klägerin legte verschiedene Unterlagen, u. a. die Bescheinigung der AOK Berlin vom 26. Februar 1992 über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit und Pflegetätigkeit im Sinne von § 177 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI ab 01. Januar 1991, vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Zeit der Pflege eines Familienangehörigen in der ehemaligen DDR sei beitragsfrei gewesen, so dass eine Beitragszeit im Sinne des § 248 SGB VI nicht habe entstehen können. Die Ermittlung der Zurechnungszeit bei einem Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 2003 bestimme sich nach § 253 a SGB VI, wonach die Zurechnungszeit mit dem vollendeten 55. Lebensjahr ende. Die darüber hinausgehende Zeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr werde erst bei einem Rentenbeginn ab dem 01. Januar 2004 in vollem Umfang als Zurechnungszeit berücksichtigt. Bei einem Rentenbeginn in der Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Dezember 2003 bestimme sich der Umfang der über das 55. Lebensjahr hinausgehenden Zurechnungszeit in Abhängigkeit vom jeweiligen Rentenbeginn nach Maßgabe der Anlage 23 zum SGB VI. Diese schrittweise Erhöhung des Umfangs der anzurechnenden Zurechnungszeit korrespondiere mit der ebenfalls schrittweisen Einführung des Rentenabschlags bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in dem Übergangszeitraum vom 01. Januar 2001 bis 31. Dezember 2003 nach § 264 c SGB VI. Der Rechtsprechung des BSG vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R zur Rechtsfrage des Rentenabschlages werde nicht gefolgt. Dagegen hat die Klägerin am 10. Mai 2007 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.

Sie ist der Ansicht gewesen, ihr würden die durch Pflegezeiten begründeten Rentenanwartschaftszeiten genommen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestehe. Sie begreife dies als Enteignung, zumindest als enteignungsgleichen Eingriff. Eine Berücksichtigung solcher Zeiten im Sinne einer Besserstellung gegenüber Bürgern der alten Bundesländer verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, da es an vergleichbaren Lebenssachverhalten in den alten Bundesländern fehle. Die Klägerin habe zur Kenntnis genommen, dass nach dem Urteil des BSG vom 21. November 2001 – B 8 KN 6/00 R (abgedruckt in SozR 3-2600 § 248 Nr. 9) keine Erfolgsaussicht bestehe. Dieses Urteil führe jedoch zu einer nicht hinzunehmenden Härte und Ungerechtigkeit. Die Herabsetzung des Zugangsfaktors bedeute eine Enteignung. Mit einer Rentenkürzung bestraft zu werden, empfinde sie als ungerecht und als Verletzung ihrer Menschenwürde.

Mit Bescheid vom 08. August 2008 berechnete die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Januar 2005 wegen Änderung des Beitragssatzes zur Kranken- und zur Pflegeversicherung neu.

Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 08. Dezember 2009 die Klage abgewiesen: Der Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 in der Fassung des nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Verfahrensgegenstand gewordenen Bescheides vom 08. August 2008 sei rechtmäßig. Eine höhere Rente stehe nicht zu. Pflegezeiten vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 könnten nicht als Pflichtbeitrags- oder Berücksichtigungszeiten anerkannt werden. Auf rentenrechtliche Regelungen der DDR könne die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Ein entsprechender Anspruch sei auch nicht durch einen nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) weiterhin wirksamen Verwaltungsakt der DDR begründet. Nach Bundesrecht seien weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge gezahlt worden oder würden als gezahlt gelten (§ 54, § 55 SGB VI). Auch scheide der Tatbestand einer gleichgestellten Beitragszeit nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI aus, denn für diese Zeit seien auch keine Beiträge nach dem Recht der DDR gezahlt worden. Die Pflegezeiten könnten nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, da § 249 b SGB VI nur Zeiten der Pflege vom 01. Januar 1992 bis 31. März 1995 erfasse. Die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R sei zwischenzeitlich aufgrund des Urteils des BSG vom 14. August 2008 – B 5 R 88/07 R überholt. Der Zugangsfaktor sei nach § 264 c SGB VI i. V. m. der Anlage 23 zum SGB VI (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) mit 0,913 ebenso wie die Zurechnungszeit nach § 253 a SGB VI i. V. m. Anlage 23 zum SGB VI mit 68 Monaten zutreffend ermittelt. Diese Rechtslage verletze weder Art. 30 EV noch Grundrechte.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Dezember 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 07. Januar 2010 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie hält die Entscheidung des BSG vom 16. Mai 2004 – B 4 RA 22/05 R weiterhin für zutreffend. Das Urteil des BSG vom 14. August 2008 – B 5 R 88/07 R sei Gegenstand einer beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfassungsbeschwerde. Die Klägerin sehe anders als das Sozialgericht die Rechtslage zur Pflegezeit wegen § 14 der DDR-Rentenverordnung, der mit der Anerkennung von Pflegezeiten in der Rentenversicherung in bundesdeutsches Recht übernommen worden sei. Es stelle eine unvertretbare und unverhältnismäßige Ungleichbehandlung dar, dass die Pflegezeiten aus der Vertrauensschutzregelung für den Zeitraum vom 01. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 herausfalle. Auch bei einem Rentenbeginn vor dem 01. Januar 2004 müsse eine Zurechnungszeit bis zum 60. Lebensjahr angerechnet werden, da die Berücksichtigung der Zurechnungszeit ja wohl die geringe Rente durch Verminderung des Rentenfaktors in gewisser Hinsicht ausgleichen solle.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 08. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 zu verurteilen, bei der Rentenberechnung die Zeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 als rentenrechtliche Zeit (Pflichtbeitragszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Pflege oder sonstige Zeit) anzuerkennen und eine Zurechnungszeit über den 31. Dezember 2008 bis zum 10. Juli 2009 zu berücksichtigen sowie die Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage, soweit diese den Streitgegenstand erfasst, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Anrechnung der Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 als Pflichtbeitragszeit, Berücksichtigungszeit oder sonstige rentenrechtliche Zeit, der Berücksichtigung der Zeit über den 31. Dezember 2008 bis 10. Juli 2009 als weitere Zurechnungszeit sowie unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist nicht über den Bescheid vom 08. August 2008 zu entscheiden. Dieser Bescheid ist weder nach § 96 Abs. 1 SGG noch im Wege einer Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG zum Streitgegenstand geworden.

Nach § 96 Abs. 1 SGG gilt: Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Maßgebend dafür, ob eine Änderung vorliegt, ist der jeweilige Verfügungssatz.

Mit dem Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 wurde die Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung, nämlich der Monatsbetrag der Rente, der sich ergibt, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI), festgesetzt. Gegen diese Festsetzung richtet sich die Klage, denn die Klägerin begehrt einen anderen Zugangsfaktor und höhere Entgeltpunkte unter Anrechnung weiterer rentenrechtlicher Zeiten. Mit dem Bescheid vom 08. August 2008 verfügte die Beklagte hingegen lediglich die Neuberechung der Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen Beitragssatzänderungen in der Kranken- und Pflegeversicherung, also die Änderung der Beträge, die deswegen von der monatlichen Rente abzuziehen sind. Sie traf damit keine Regelung zum Monatsbetrag der Rente.

Die Klägerin hat die Klage auch nicht im Wege einer Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG im Sinne einer Klageerweiterung auf den Bescheid vom 08. August 2008 erstreckt. Mit Schriftsatz vom 27. August 2008 hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid nichts mit dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt zu tun hat. Sie hat damit nicht einmal andeutungsweise eine Klage gegen diesen Bescheid gerichtet.

Es wird daher durch den Senat klargestellt, dass im anhängigen gerichtlichen Verfahren über den Bescheid vom 08. August 2008 nicht entschieden ist.

Der Senat hat zum Begehren der Klägerin auf höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung im anhängigen Rechtsstreit gegen den Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 auch insoweit inhaltlich zu befinden, als Anrechnung der Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 begehrt wird. Der bestandskräftige Bescheid vom 25. Oktober 2002, mit dem die Vormerkung dieser Zeit abgelehnt wurde, steht dem nicht entgegen.

Das Begehren auf höhere Rente unter Berücksichtigung einer rentenrechtlichen Zeit ist nach Eintritt des Leistungsfalles auch dann, wenn in Bezug auf diese rentenrechtliche Zeit bereits ein bindend gewordener (ablehnender) Vormerkungsbescheid erlassen wurde, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zum Erlass des Rentenbescheides und nicht im Wege eines gesonderten Verfahrens zur Korrektur des Vormerkungsbescheides zu verfolgen. Im Rentenbescheid sind sämtliche für die Berechnung der Rente bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgebenden Rechts zu berücksichtigen. Stehen einer solchen Entscheidung Feststellungen eines Vormerkungsbescheides entgegen, sind diese im Rentenbescheid (§ 149 Abs. 5 Satz 2 erster Halbsatz zweite Alternative SGB VI) aufzuheben, und zwar entweder nach § 44 Abs. 2 SGB X (bei rechtswidrig nicht begünstigenden Feststellungen) oder nach § 45 SGB X (bei rechtswidrig begünstigenden Feststellungen);

im Falle einer Änderung der zugrunde liegenden Vorschriften hat die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit ohne Anwendung von § 24 und § 48 SGB X zu erfolgen (§ 149 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB VI). Dem Erfordernis einer Aufhebung entgegenstehender Feststellungen eines Vormerkungsbescheides im Rentenbescheid ist allerdings auch Genüge getan, wenn eine solche Regelung während eines laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Rentenbescheid in einem gesonderten Bescheid getroffen wird, der sodann nach § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wird (BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 13 R 43/07 R, zitiert nach juris), oder wenn dies im Widerspruchsbescheid selbst geschieht (BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 13 R 77/07 R, zitiert nach juris), denn, wie letztgenannter Entscheidung des BSG zu entnehmen ist, ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 95 SGG). Wenn jedoch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zum Erlass des Rentenbescheids alle (insbesondere die ausdrücklich geltend gemachten) Zeiten daraufhin zu überprüfen sind, ob sie als rentenrechtliche Zeiten der Rentenberechnung zugrunde zu legen sind, erweist sich ein daneben durchzuführendes gesondertes Rechtsbehelfsverfahren in Bezug auf einen Vormerkungsbescheid als im Ergebnis überflüssig, so dass ein solches mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist (BSG, Urteil vom 06. Mai 2010 – B 13 R 118/08 R, zitiert nach juris; m. w. N.).

Nach dieser Rechtsprechung kann dahinstehen, ob über die Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 bereits im Rentenbescheid vom 11. Oktober 2006 (erneut ablehnend) entschieden wurde. Diese Zeit machte die Klägerin mit ihrem Rentenantrag ausdrücklich geltend, so dass ausgehend von einem objektiven Empfängerhorizont deren Nichtberücksichtigung im Rentenbescheid vom 11. Oktober 2006 als Verwaltungsakt im Sinne einer konkludenten Ablehnung dieser Zeit zu verstehen sein könnte. Jedenfalls wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 16. April 2007 der von § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI geforderten Entscheidung mit der Ablehnung dieser Zeit Genüge getan.

Der Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 ist rechtmäßig, denn weitere rentenrechtliche Zeiten sind der Rentenberechnung nicht zugrunde zu legen. Der Zugangsfaktor ist gleichfalls zutreffend ermittelt.

Nach § 64 SGB VI unter Berücksichtigung der für das Beitrittsgebiet geltenden Regelungen der §§ 254 b bis 254 d, §§ 255 a, 255 b SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte bzw. persönlichen Entgeltpunkte (Ost), der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert bzw. der aktuelle Rentenwert (Ost) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.

Der Rentenanspruch richtet sich mithin nach den Vorschriften des SGB VI, die zu diesem Zeitpunkt maßgebend sind. Nach § 300 Abs. 1 SGB VI sind Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften sind nach § 300 Abs. 2 SGB VI auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten geltend gemacht wird.

Ein anderweitiger Anspruch auf Rente, der mit dem Rentenantrag im April 2003 bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung von Vorschriften hätte geltend gemacht werden können, bestand nicht. Das BSG hat im Urteil vom 21. November 2001 – B 8 KN 6/00 R insoweit ausgeführt:

Auf rentenrechtliche Regelungen der DDR kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Recht der DDR gilt nur weiter, soweit dies im EV angeordnet ist. Das ist hier nicht der Fall. § 14 der Zweiten Rentenverordnung vom 26. Juli 1984 (2. RentenVO – GBl DDR I 1984, 281) über die Anrechnung von Zeiten der Pflege als versicherungspflichtige Tätigkeit blieb aufgrund des EV i.V.m. der Ersten Durchführungsbestimmung zur 2. RentenVO vom 8. April 1985 (GBl DDR I 1985, 115) nur bis 31. Dezember 1991 in Kraft (EV Anlage II Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 7). Soweit diese Regelung inhaltlich in die Bestimmung der rentenrechtlichen Zeiten nach Art 2 RÜG übernommen wurde (Art 2 § 19 Abs. 3 Rentenüberleitungsgesetz - RÜG), kommt sie nur zur Anwendung, wenn ein Rentenanspruch nach Art 2 RÜG besteht. Das setzt insbesondere einen - hier nicht gegebenen - Rentenbeginn in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 voraus (Art 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG).

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch einen nach Art 19 Satz 1 EV weiterhin wirksamen Verwaltungsakt der DDR begründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Vermerk des FDGB auf der der Klägerin erteilten Arbeitgeberbescheinigung vom 20. Mai 1986 um einen Verwaltungsakt handelt und - wenn ja - ob dieser inhaltlich mit dem damals geltenden Recht übereinstimmte. Denn er enthielt jedenfalls in seinem Verfügungssatz nur die Feststellung, dass die Zeit der Pflege in der Sozialversicherung der DDR als Zeit der Pflichtversicherung angerechnet, mithin ein Tatbestand des Rentenrechts der DDR erfüllt werde. Eine solche Feststellung kann bundesrechtlich Bedeutung nur insoweit haben, als das Bundesrecht an die Erfüllung eines derartigen Tatbestands anknüpft (vgl. BSG Urteile vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 121/95, abgedruckt in SozR 3-2600 § 58 Nr. 10 und vom 30. August 2000 - B 5/4 RA 87/97 R - veröffentlicht in Juris - jeweils zur Berücksichtigung von nach DDR-Recht versicherungspflichtigen Zeiten einer Hochschulausbildung). Dies ist jedoch - wie dargelegt - nur in Art 2 § 19 Abs. 3 RÜG geschehen. Der zu dessen Anwendung in Art 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG festgelegte Stichtag hebt ebenso wie Art 30 Abs. 5 EV den in der DDR ergangenen Verwaltungsakt nicht auf, sondern bestimmt, in welchem zeitlichen Umfang ihm nach Außerkrafttreten des Rechts, für dessen Anwendung der Verwaltungsakt erlassen war, noch Bedeutung für einen Rentenanspruch nach Bundesrecht zukommen kann.

Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat in vollem Umfang an. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des auch vorliegend im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung vom 06. September 1983 vom FDGB vorgenommenen Vermerks zur Pflege eines Familienangehörigen im Zeitraum vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991.

Bestand somit im April 2003 kein anderweitiger Anspruch auf Rente, beurteilt sich ein im Beitrittsgebiet zurückgelegter Sachverhalt hinsichtlich der Frage, ob er als rentenrechtliche Zeit zu behandeln ist, für die persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln sind, ausschließlich nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht des SGB VI. Nach § 54 Abs. 1 SGB VI sind rentenrechtliche Zeiten Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Berücksichtigungszeiten. Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§ 54 Abs. 4 SGB VI).

Die persönlichen Entgeltpunkte bzw. persönlichen Entgeltpunkte (Ost) für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich nach § 66 Abs. 1 SGB VI, indem die Summe aller Entgeltpunkte für u. a. 1. Beitragszeiten und 2. beitragsfreie Zeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird. Für Berücksichtigungszeiten sind hingegen keine persönlichen Entgeltpunkte zu ermitteln; Berücksichtigungszeiten entfalten nur im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Rechtswirkung insoweit, als ihnen fiktiv Entgeltpunkte zugeordnet werden (§ 71 Abs. 3 SGB VI), um zu verhindern, dass sie als ansonsten nicht belegungsfähige Kalendermonate bei der Grundbewertung (§ 72 Abs. 3 SGB VI) oder der Vergleichsbewertung (§ 73 SGB VI) außer Betracht bleiben und sich mindernd auf die Bewertung der beitragsfreien Zeiten und der beitragsgeminderten Zeiten (§ 71 Abs. 1 und 2 SGB VI) auswirken (vgl. Polster in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 67. Ergänzungslieferung 2010, § 71 SGB VI Rdnr. 14).

Die Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 ist weder eine Beitragszeit nach § 55 Satz 1 (jetzt Abs. 1 Satz 1) SGB VI noch eine Beitragszeit nach § 55 Satz 2 (jetzt Abs. 1 Satz 2) SGB VI, denn für diese Zeit sind weder nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden noch gelten insoweit Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften (des Bundesrechts) als gezahlt.

Diese Zeit steht auch den Beitragszeiten nach Bundesrecht nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nicht gleich. Nach dieser Vorschrift ist dafür Voraussetzung, dass für Zeiten nach dem 08. Mai 1945 Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem In-Kraft-Treten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind.

Nach § 14 Abs. 1 2. RentenVO wurden die Zeiten der Betreuung ständig pflegebedürftiger Familienangehöriger (bei der Rente nach dem Recht der DDR) als versicherungspflichtige Tätigkeit angerechnet, ohne dass hierfür Beiträge gezahlt wurden. Vorliegend gilt nichts anderes, denn nicht einmal die Klägerin behauptet eine entsprechende Beitragszahlung.

Nicht ausreichend ist, dass die Zeit der Pflege nach dem Recht der DDR als versicherungspflichtige Tätigkeit behandelt wurde. Da § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI dieselbe Formulierung wie § 55 Satz 1 (jetzt Abs.1 Satz 1) SGB VI verwendet, während eine § 55 Satz 2 (jetzt Abs. 1 Satz 2) SGB VI entsprechende Regelung fehlt, wird auf die tatsächliche Beitragszahlung abgestellt (BSG, Urteil vom 21. November 2001 – B 8 KN 6/00 R m. w. N.).

Zur Anerkennung einer solchen Zeit der Pflege als Berücksichtigungszeit hat das BSG in letztgenanntem Urteil ausgeführt:

§ 249b SGB VI erfasst als Berücksichtigungszeiten überhaupt nur Zeiten der Pflege vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995. Diese durch das PflegeVG vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1994, 1014) gleichzeitig mit der Versicherungspflicht wegen Pflege (§ 3a SGB VI) ab 1. April 1995 eingefügte Vorschrift knüpft an § 57 Abs. 2 SGB VI i. d. F. des Rentenreformgesetzes - RRG - (SGB VI a. F.) an. Danach war die Zeit einer nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag eine Berücksichtigungszeit. Die durch das PflegeVG abgelöste Regelung erfasste allerdings die am 1. Dezember 1991 endenden Pflegezeiten der Klägerin ebenfalls nicht. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der erforderliche Antrag der Pflegeperson nach § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. Rückwirkung nur für längstens drei Monate hatte. Zum anderen setzte § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a. F. u. a. voraus, dass die Pflegeperson "wegen der Pflege berechtigt" war, "Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen (§ 177 SGB VI)"; die in § 177 SGB VI a. F. vorgesehene besondere Beitragszahlung wegen Pflege wurde aber ebenfalls erstmals mit dem SGB VI eingeführt. Damit konnte der Tatbestand der Pflegeberücksichtigungszeit - anders als der Tatbestand der Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (§ 57 Abs. 1, § 249a SGB VI) - mit Pflegezeiten vor dem 1. Januar 1992 nicht erfüllt werden (ebenso BSG Urteil vom 1. Februar 2001 - B 13 RJ 37/00 R, abgedruckt in SozR 3-2600 § 58 Nr. 16, S 89; Niesel in Kasseler Kommentar § 57 SGB VI RdNr 10, Stand: Oktober 1991; Klattenhoff in Hauck, SGB VI-Kommentar, K § 249b RdNr 9, Stand: Februar 1996; eingehend LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 13. Juli 1994 - L 13 J 397/94, abgedruckt in E-LSG J-029 m. w. N.).

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung.

Eine sonstige Vorschrift, die es erlauben würde, die Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 als rentenrechtliche Zeit bei der Rente anzurechnen, gibt es nicht.

Der Hinweis der Klägerin im Rentenantrag von April 2003, aus Unkenntnis über die Möglichkeit einer freiwilligen Beitragszahlung davon für die Zeit vom 01. Januar 1991 bis 31. Dezember 1991 keinen Gebrauch gemacht zu haben, führt nicht weiter. Wegen des In-Kraft-Tretens des SGB VI im Beitrittsgebiet erst zum 01. Januar 1992 bestimmte sich das Recht zur freiwilligen Versicherung bis zu diesem Zeitpunkt nach § 21 Satz 1 SVG. Danach konnten sich in der Rentenversicherung Personen, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielten und ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik hatten, freiwillig versichern, wenn sie nicht pflichtversichert waren. Die Klägerin hatte somit kein Recht zur freiwilligen Versicherung.

Der Senat vermag in der Nichtberücksichtigung der Pflegezeit vom 01. April 1984 bis 31. Dezember 1991 keine nicht hinzunehmende Härte und Ungerechtigkeit und keine unvertretbare und unverhältnismäßige Ungleichbehandlung wegen der nur begrenzten Vertrauensschutzregelung zu erkennen. Wegen der Begründung schließt sich der erkennende Senat dem Urteil des BSG vom 21. November 2001 – B 8 KN 6/00 R in vollem Umfang an, der dazu Folgendes ausgeführt hat:

Der Ausschluss einer Berücksichtigung von vor dem 1. Januar 1992 liegenden, nicht mit Beiträgen belegten Zeiten einer Pflegetätigkeit als rentenrechtliche Zeiten verletzt weder Art 30 EV noch Grundrechte der Klägerin, insbesondere auch nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.

a) Nach Art 30 Abs. 5 Satz 1 EV werden die Einzelheiten der Überleitung des SGB VI in einem Bundesgesetz geregelt. Dabei wird für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt, die Rente grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrags geleistet, der sich am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrecht ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ergeben hätte (Art 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EV), und es wird ihnen eine Rente auch dann bewilligt, wenn nach dem am 30. Juni 1990 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrecht ein Rentenanspruch bestanden hätte (Art 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EV). Die Überleitung soll im übrigen von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet an diejenigen der übrigen Länder auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen (a.a.O. Satz 3). Die Bestimmung in Art 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EV hat hier keine Bedeutung. Im Übrigen aber begründet auch Art 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EV einen Vertrauensschutz hinsichtlich der Höhe der Rentenleistungen nur für die hiervon erfassten rentennahen Jahrgänge. Dazu gehört die Klägerin ebenso wenig wie sie unter die Stichtagsregelung in Art 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG fällt. Dass ihre Pflegetätigkeit nach den Berechnungsvorschriften des SGB VI keinen rentenrechtlichen Tatbestand erfüllt, steht mithin nicht in Widerspruch zu Art 30 Abs. 5 EV, sondern ist eine Folge der dort vorgegebenen Einführung eines bundeseinheitlichen Rentenrechts nach Auslaufen der hierin enthaltenen Übergangsregelung.

b) Der Umstand, dass sich die Pflegezeiten der Klägerin ebenso wenig rentensteigernd auswirken wie entsprechende Pflegezeiten in den alten Bundesländern, verletzt auch keine Grundrechte der Klägerin. Insbesondere kann darin, dass das Bundesrecht diese Zeiten - anders als das Recht der DDR - nicht als Beitragszeiten gleichstellt, keine Verletzung der Eigentumsgarantie oder des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes gesehen werden. Die in der DDR erworbenen Rentenanwartschaften sind als Rechtspositionen i. S. der gesamtdeutschen Rechtsordnung nur insoweit anerkannt, als dies der EV regelt. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz, der auch den dem Rechtsstaatsgebot aus Art 20 GG immanenten Vertrauensschutz umfasst, kommt ihnen nur in der Form zu, die sie aufgrund der Regelungen des EV erhalten haben (BVerfG Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/96, abgedruckt in BVerfGE 100, 1, 33 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3). Die verfassungsrechtliche Überprüfung ist dabei darauf beschränkt, ob der Gesetzgeber seinen durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG begrenzten Spielraum zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums oder seinen Gestaltungsraum nach Art 3 Abs. 1 GG überschritten hat (BVerfG a.a.O., BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3 S 51; vgl. auch BSG Urteil vom 20. August 2000 - B 5/4 RA 87/97 R - veröffentlicht in Juris). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Der Gesetzgeber des RÜG war insbesondere nicht verpflichtet, zu Lasten der Versichertengemeinschaft allein für Berechtigte im Beitrittsgebiet Pflegezeiten vor dem 1. Januar 1992 dauerhaft mit Pflichtbeitragszeiten gleichzustellen oder den Tatbestand der Berücksichtigungszeit wegen Pflege für derartige Zeiten auszuweiten.

c) Der Gesetzgeber war auch nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, die Übergangsregelung des Art 2 RÜG so weit auszudehnen, dass auch die Klägerin hiervon erfasst wird. Der in Art 2 § 1 Nr. 3 RÜG festgelegte Stichtag (31. Dezember 1996) - der zeitlich sogar über die Vorgabe des Art 30 Abs. 5 Satz 1 EV (30. Juni 1995) hinausgeht - orientiert sich mit dem Zeitpunkt des Rentenbeginns an einem sachlich gerechtfertigten Kriterium. Die damit verbundene Begünstigung von Personen rentennaher Jahrgänge gegenüber jüngeren Personen rechtfertigt sich daraus, dass erstere regelmäßig weniger Möglichkeiten haben, Vorsorge zum Ausgleich von Nachteilen zu treffen, die mit der Rechtsänderung verbunden sein können. Aus der Stichtagsregelung folgende Härten sind hinzunehmen (vgl. Senatsurteile vom 6. Mai 1999 - B 8 KN 10/98 R, abgedruckt in SozR 3-8575 Art 2 § 44 Nr. 1 und vom 16. Mai 2001 - B 8 KN 10/00 R - SozR 3-2600 § 254a Nr. 1 - jeweils m. w. N.).

d) Schließlich folgt auch daraus nichts für die Klägerin, dass Pflegepersonen in den alten Bundesländern, die zur selben Zeit wie sie ein behindertes Kind zu versorgen hatten, diese Pflegezeiten durch freiwillige Beiträge belegen konnten, während sie hierzu keinen Anlass hatte. Es ist einzuräumen, dass die Ausgangssituation für den Erwerb von Beitragszeiten während einer Pflegetätigkeit, derentwegen keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt werden konnte, für Versicherte im alten Bundesgebiet eine andere war als für Versicherte im Beitrittsgebiet. Versicherte in den alten Bundesländern konnten sich seit Inkrafttreten des RRG 1972 für diese Zeit rentenrechtlich durch Zahlung freiwilliger Beiträge absichern (§ 1233 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung - RVO). Soweit die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung im Beitrittsgebiet überhaupt gegeben war (vgl. § 2 Abs. 3 Verordnung über die Neuregelung der freiwilligen Versicherung vom 25. Juni 1953 (GBl DDR I, 1953, 823), ab 1. Juni 1990 i.V.m. §§ 7 und 21 Gesetz über die Sozialversicherung - SVG vom 28. Juni 1990 (GBl DDR I 1990, 486)), bestand zu einer entsprechenden Beitragszahlung jedenfalls für Pflegetätigkeiten i.S. von § 14 der 2. RentenVO seit dem 1. Dezember 1985 aber kein Anlass, weil nunmehr diese Pflegezeiten wie Pflichtversicherungszeiten behandelt wurden (§ 14 der 2. RentenVO i.V.m. § 3 der Ersten Durchführungsbestimmung zur 2. RentenVO).

Der Gesetzgeber war jedoch verfassungsrechtlich weder verpflichtet, diese Ungleichheit dadurch aufzufangen, dass er Personen wie der Klägerin ein Nachentrichtungsrecht für freiwillige Beiträge bezüglich der Pflegezeit eingeräumt hätte, noch dadurch, jene Zeiten ohne Beitragsentrichtung rentensteigernd zu berücksichtigen. Denn der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers war bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Anwartschaften besonders weit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88, abgedruckt in BVerfGE 95, 143, 157 f und Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/96, abgedruckt in BVerfGE 100, 1, 37 f = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3). Die Herstellung der Rechtseinheit liegt im öffentlichen Interesse. In Anbetracht der dafür erforderlichen finanziellen Aufwendungen war es sowohl sachgerecht als auch - angesichts der insgesamt mit der Überleitung des SGB VI für die Versicherten im Beitrittsgebiet verbundenen Vorteile - verhältnismäßig, wenn dabei grundsätzlich nur solche Zeiten berücksichtigt werden, die auch bei Zugrundelegung des Bundesrechts rentenrechtliche Zeiten gewesen wären, und auch keine neuen - verwaltungsaufwendigen - Nachentrichtungsmöglichkeiten eröffnet wurden.

Eine weitere Zurechnungszeit, die beitragsfreie Zeit ist (§ 54 Abs. 4 SGB VI), ist neben der Zeit vom 09. April 2003 bis 31. Dezember 2008 (68 Kalendermonate) bei der Rente nicht anzurechnen. Die Zeit vom 01. Januar 2009 bis 10. Juli 2009 kann daher nicht berücksichtigt werden.

Nach § 59 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI gilt zwar: Zurechnungszeit ist die Zeit, die bei einer Rente wegen Erwerbsminderung hinzugerechnet wird, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Zurechnungszeit beginnt bei einer Rente wegen Erwerbsminderung mit dem Eintritt der hierfür maßgebenden Erwerbsminderung. Die Zurechnungszeit endet mit Vollendung des 60. Lebensjahres.

Allerdings bestimmt § 253 a SGB VI davon abweichend: Bei Beginn einer Rente vor dem 01. Januar 2004 endet die Zurechnungszeit mit dem vollendeten 55. Lebensjahr. Die darüber hinausgehende Zeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr wird in Abhängigkeit vom Beginn der Rente in dem in Anlage 23 (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 – BGBl I 2002, 754) geregelten Umfang zusätzlich als Zurechnungszeit berücksichtigt. Nach dieser Anlage wird eine Zurechnungszeit bei einem Rentenbeginn ab Mai 2003 im Umfang von 47/54 zusätzlich berücksichtigt.

Danach ist die Zeit vom 01. Mai 2003 bis 31. Juli 2004 mit 15 Kalendermonaten anzurechnen. Da die Zeit bis zum Eintritt der Erwerbsminderung am 09. April 2003 bereits mit einer Beitragszeit belegt ist und deswegen nach § 54 Abs. 4 SGB VI keine Zurechnungszeit als beitragsfreie Zeit sein kann, beginnt die Zurechnungszeit erst mit dem 01. Mai 2003. Da das 55. Lebensjahr am 10. Juli 2004 vollendet wird, nach § 122 Abs. 1 SGB VI jedoch ein Kalendermonat, der nur zum Teil mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist, als voller Monat zählt, endet die in vollem Umfang zu berücksichtigende Zurechnungszeit erst am 31. Juli 2004.

Zusätzlich sind von den 60 Kalendermonaten vom 01. August 2004 bis 31. Juli 2009, der Vollendung des 60. Lebensjahres am 10. Juli 2009 (§ 122 Abs. 1 SGB VI), 47/54, also 52,2222, mithin 53 Kalendermonate anzurechnen, denn nach § 121 Abs. 3 SGB VI wird bei einer Berechnung, die auf volle Werte vorzunehmen ist, wie dies § 122 Abs. 1 SGB VI anordnet, der Wert vor der ersten Dezimalstellung um 1 erhöht, wenn sich in den ersten vier Dezimalstellen einer der Zahlen 1 bis 9 ergeben würde.

Diesen Vorschriften entsprechend hat die Beklagte insgesamt 68 Kalendermonate Zurechnungszeit der Rentenberechnung zugrunde gelegt.

Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass die zusätzliche Berücksichtigung einer Zurechnungszeit über das 55. Lebensjahr hinaus bis zum 60. Lebensjahr einen Ausgleich für die Verminderung des Zugangsfaktors darstellt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die fehlenden Kalendermonate vom 01. Januar 2009 bis 31. Juli 2009 ebenfalls als Zurechnungszeit zu berücksichtigen sind. Die Klägerin übersieht möglicherweise, dass ihrer Rente bei der Ermittlung des Zugangsfaktors nicht das 60. Lebensjahr, sondern ein um 7 Kalendermonate hinausgeschobenes Lebensjahr zugrunde gelegt wird, wodurch sich die Auswirkungen des Zugangsfaktors mindern.

Die Ermittlung des Zugangsfaktors ist in § 77 SGB VI geregelt. Maßgebend ist vorliegend § 77 SGB VI in der Fassung des Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1827), die bis zum 31. Juli 2004 und damit bei Beginn der der Klägerin bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Mai 2003 galt. Nach § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor (zwar) nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Der Zugangsfaktor ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI).

Allerdings bestimmt § 264 c SGB VI (in der bis zum 31. Dezember 2007 maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 – BGBl I 2002, 754): Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 01. Januar 2004, ist bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 – BGBl I 2002, 754) angegebenen Lebensalters maßgebend. Nach dieser Anlage ist bei einem Rentenbeginn ab Mai 2003 das Lebensalter von 60 Jahren und 7 Monaten maßgebend.

Diesen Vorschriften entsprechend hat die Beklagte nicht für jeden Kalendermonat nach dem 31. Juli 2009 (dem Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres), sondern erst für jeden Kalendermonat nach dem 28. Februar 2010 (dem Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres und weiterer 7 Kalendermonate) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,087 auf 0,913 vermindert und damit die ermittelten 0,5529 persönlichen Entgeltpunkte und 12,1166 persönlichen Entgeltpunkte (Ost) vervielfältigt, woraus die der Rente wegen voller Erwerbsminderung zugrunde zu legenden 0,5048 persönlichen Entgeltpunkte und 11,0625 persönlichen Entgeltpunkte (Ost) resultieren.

Allein diese Auslegung entspricht dem Gesetz. Dies stellt weder eine Verletzung der Menschenwürde dar, noch wird dadurch gegen andere Grundrechte verstoßen.

Das BSG hat im Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R (vgl. auch die weiteren Urteile vom selben Tag B 5 R 88/07 R, B 5 R 140/07 R und B 5 R 98/07 R) dazu wie folgt ausgeführt:

"Im Ergebnis ist der Zugangsfaktor bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres um maximal 0,108 zu mindern und somit auf mindestens 0,892 festzulegen. Dafür sprechen Wortlaut und systematische Stellung des § 77 SGB VI wie auch Sinn und Zweck, systematischer Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm.

Indem die Grundregel des § 77 Abs. 1 SGB VI für die Rentenberechnung zum einen das Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder Tod für maßgebend erklärt und zum anderen das rechnerische Verhältnis zwischen EP und persönlichen EP festlegt, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass der Zugangsfaktor und somit die nach § 77 Abs. 2, 3 SGB VI zu ermittelnden "Abschläge" oder "Zuschläge" für die gesamte Dauer des ununterbrochenen Rentenbezugs gelten sollen. Falls dieselben EP einer weiteren Rente zu Grunde zu legen sind, ist durch § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI eine erneute Ermittlung des Zugangsfaktors grundsätzlich ausgeschlossen.

§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestimmt die Höhe des Zugangsfaktors für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Danach sinkt der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird. Ein Rentenbeginn nach dem 63. Lebensjahr hat somit keine Absenkung des Zugangsfaktors zur Folge. Ein sehr früher Rentenbeginn würde demgegenüber bei isolierter Anwendung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu einer Absenkung des Zugangsfaktors auf null führen. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses ergänzt § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die genannte Vorschrift dahingehend, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend sein soll, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bereits vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Bei jüngeren erwerbsgeminderten Versicherten wird hinsichtlich des Zugangsfaktors so getan, als habe der Versicherte das 60. Lebensjahr bereits vollendet. Entgegen der Grundregel des § 77 Abs. 1 SGB VI, wonach sich der Zugangsfaktor nach dem (tatsächlichen) Alter des Versicherten bei Rentenbeginn bestimmt, ordnet das Gesetz eine Rentenberechnung unter der (fiktiven) Annahme an, der Versicherte habe das 60. Lebensjahr bereits vollendet, um auf diese Weise die Minderung des Zugangsfaktors entsprechend der 36 Monate zwischen dem vollendeten 60. und dem vollendeten 63. Lebensjahr auf maximal 36 x 0,003 = 0,108 zu begrenzen Eine zusätzliche Herabsetzung des Zugangsfaktors mit Rücksicht auf eine tatsächliche Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres ist ausgeschlossen. Dass es bei der Bezugnahme auf das 60. Lebensjahr des Versicherten um eine Fiktion für die Bestimmung des Zugangsfaktors und nicht etwa um die Festlegung des Beginns der Rentenminderung geht, wird insbesondere daran deutlich, dass dieselbe Vorschrift auch bei der Hinterbliebenenrente auf die Vollendung des 60. Lebensjahres abstellt, um die Höhe des Zugangsfaktors zu bestimmen. Andernfalls müsste dem Gesetz unterstellt werden, es wolle die Rentenhöhe für den Zeitraum regeln, nachdem der verstorbene Versicherte das genannte Lebensalter erreicht haben würde.

§ 77 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI dient für die aktuell zu berechnende Rente ausschließlich der Bestimmung eines einheitlichen Zugangsfaktors für die gesamte Zeit des Rentenbezugs und nicht etwa eines variablen Zugangsfaktors in Abhängigkeit von verschiedenen Bezugszeiträumen. Das auf einer möglichen "Vorzeitigkeit" der Rente wegen Erwerbsminderung beruhende gegenteilige Konzept des 4. Senats des BSG findet im Gesetz keine Stütze. Eine "vorzeitige" Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Sinne einer freien Entscheidung des Versicherten, vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu wollen, ist nicht möglich, da der Leistungsfall (Eintritt der Erwerbsminderung) in der Regel unabhängig vom Willen des Versicherten eintritt. Streng genommen kann somit in Bezug auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht von einer vorzeitigen, sondern allenfalls von einer früheren oder späteren Inanspruchnahme gesprochen werden. Dessen war sich der Gesetzgeber auch bewusst, wie nicht nur die Auseinandersetzung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zeigt, sondern auch im Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zum Ausdruck kommt. Denn das Gesetz spricht von einer "vorzeitigen" Inanspruchnahme nur in Satz 1 Nr. 2a, der sich ausschließlich auf Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht. Mit der Einführung des abgesenkten Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, durch das RRErwerbG vom 20.12.2000 wurde der Begriff der "Vorzeitigkeit" auch in § 63 Abs. 5 SGB VI gestrichen. Während vor dem 1.1.2001 eine Bezugnahme auf die "vorzeitige Inanspruchnahme " enthalten war, heißt es jetzt nur noch: "Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch einen Zugangsfaktor vermieden."

Dieses Ergebnis wird durch die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht in Frage gestellt. Danach "gilt" die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme. Mit dieser Fiktion wird im Interesse des Versicherten eine Ausnahme von dem sich aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB VI ergebenden Grundsatz geschaffen, dass ein früherer Zugangsfaktor auch für spätere Renten maßgeblich bleibt. § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI schließt eine (Neu-)Berechnung des Zugangsfaktors aus, soweit die EP des Versicherten bereits Grundlage von persönlichen EP einer Rente gewesen sind. Damit korrespondiert die in Abs. 3 Satz 1 derselben Vorschrift angeordnete Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Berechnung einer Folgerente. Dadurch wird das gesetzgeberische Anliegen verwirklicht , Rentenleistungen an jüngere Versicherte mit Rücksicht auf die längere Bezugszeit auch in denjenigen Fällen zu begrenzen, in denen eine Erwerbsminderungsrente mangels Besserung im Gesundheitszustand des Versicherten ohne Unterbrechung wiederholt zu bewilligen ist, weil sie gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI grundsätzlich längstens für drei Jahre und nicht auf Dauer gewährt werden darf; ohne die genannten Vorschriften wäre der Zugangsfaktor für jede Folgerente als eigenständiger Leistungsfall neu zu ermitteln.

Die Fiktion des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI durchbricht die beschriebene "Perpetuierung" des Zugangsfaktors bei Rentenbezug aufgrund mehrerer aufeinander folgender Rentenbewilligungen für diejenigen Fälle, in denen ein früherer Rentenbezug endet - wenn der Versicherte also beispielsweise lediglich zwischen dem 42. und 44. Lebensjahr Rente bezieht, dann aber bis zum 65. Lebensjahr (oder darüber hinaus) wieder erwerbstätig ist. Obwohl die vor dem 42. Lebensjahr erworbenen EP anlässlich der früheren Rentenbewilligung mittels abgesenktem Zugangsfaktor zu persönlichen EP umgerechnet und der Rente zugrunde gelegt worden waren, weil es sich um einen Rentenbezug vor dem 63. Lebensjahr gehandelt hatte, ist die Altersrente des Versicherten nach § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI so zu berechnen, als sei die frühere Rente nicht "vorzeitig" gewährt und infolgedessen auch nicht abgesenkt worden; infolgedessen bestimmt sich der Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Buchst b SGB VI und nicht nach Abs. 3. Schon nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ("gilt") wird der Rentenabschlag nicht auf die Zeit nach dem 60. Lebensjahr verschoben; vielmehr wird der frühere Bezug einer abgesenkten Rente als ungeschehen fingiert, um den nur vorübergehend erwerbsgeminderten Versicherten vor einem "immerwährenden Abschlag" zu schützen.

Gestützt wird dieses Normverständnis durch die Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI. Danach wird der Zugangsfaktor für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht. Die Normierung dieses "Zuschlags" nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bei einem Zugangsfaktor "kleiner als 1,0" wäre sinnlos, hätte die gesetzgeberische Absicht tatsächlich darin bestanden, die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Rentenbezugszeiten ab dem 60. Lebensjahr zu beschränken.

Ein weiteres systematisches Argument hat der 13. Senat im Beschluss vom 26.6.2008 aufgezeigt. Gleichzeitig mit dem RRErwerbG hat der Gesetzgeber einen Rentenabschlag bei der Alterssicherung für Landwirte eingeführt, der demjenigen in der allgemeinen Rentenversicherung entsprechen sollte. Da die Renten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ohne Zugangsfaktor berechnet werden, musste die Neuregelung anders formuliert werden als im SGB VI. Infolgedessen ordnete § 23 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 ALG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung eine Minderung des (dortigen) allgemeinen Rentenwerts um 0,3 % für jeden Kalendermonat an, für den eine Rente wegen Erwerbsminderung vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird; § 23 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 ALG begrenzte den Abschlag (grundsätzlich) auf höchstens 10,8 %. Zwischen Rentenbezugszeiten vor und nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde dabei nicht unterschieden, sodass Erwerbsminderungsrenten nach dem ALG auch dann abzusenken sind, wenn sie vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten beginnen. Das muss infolgedessen auch im Rahmen von § 77 SGB VI gelten. Diese Vorschrift ist in diesem Punkt nicht anders zu verstehen als die Parallelregelung im ALG, nachdem die angeordnete Rentenkürzung in allen übrigen Punkten in beiden Bereichen gleich ist.

Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen die Auffassung, dass § 77 Abs. 2 SGB VI die Minderung des Zugangsfaktors auch für Zeiten des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres regelt.

Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme von Renten wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres durch die Neufassung des § 77 SGB VI in Art 1 Nr. 22 RRErwerbG vom 20.12.2000 ist Teil einer Gesamtstrategie, mit der in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten auf die demografische Entwicklung reagiert und die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung gesichert werden soll. Sie enthielt zunächst die Anhebung des Renteneintrittsalters und die Minderung des Zugangsfaktors für vorzeitige Altersrenten durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) und wurde mit einer nochmaligen Anhebung der regelmäßigen Altersgrenze durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 in jüngster Vergangenheit fortgeführt. Damit soll eine sozial angemessene und finanziell tragfähige Alterssicherungspolitik verwirklicht und ein wichtiger Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung geleistet werden.

In dieses Gesamtkonzept fügt sich die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungs-, Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten nur dann ohne gravierende Widersprüche ein, wenn sie auch in den Fällen angewandt wird, in denen der Leistungsfall vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten liegt. Die Höhe des Zugangsfaktors hängt seit 1992 bei den Altersrenten vom Zeitpunkt des Rentenbeginns ab, damit Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer vermieden werden. Der Vorteil einer früheren Inanspruchnahme einer Rente liegt darin, dass die Summe der gezahlten Rentenleistungen (statistisch gesehen) höher ist als bei einem späteren Rentenbeginn, weil die Rentenlaufzeit (statistisch) insgesamt länger ist. Ein früher Renteneintritt bedeutet trotz der durch fehlende Beitragszeiten bedingten geringeren Rente eine Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft, die durch einen abgesenkten Zugangsfaktor begrenzt werden soll; dieser ist so bestimmt, dass der jeweilige Gesamtwert der lebenslangen Rente unabhängig vom Rentenbeginn im statistischen Durchschnitt gleich hoch ist Denn die möglichst frühzeitige Inanspruchnahme einer Rente entspricht nicht dem eine Versicherung prägenden Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Eine wesentliche Durchbrechung dieses Äquivalenz- bzw. Versicherungsprinzips lag im früheren Recht darin, dass Versicherte die Altersrente ohne Abschlag bis zu fünf Jahre vor der regulären Altersgrenze erhalten konnten und durch den (statistisch) verlängerten Rentenbezug die insgesamt zu zahlende Rentensumme beträchtlich erhöhten.

Unter dem Gesichtspunkt des Versicherungsprinzips gilt für die übrigen Rentenarten nichts anderes, soweit der Berechtigte die Rente (oder weitere Renten) durchgehend bis zu seinem Tode in Anspruch nimmt. Nachdem das Missverhältnis zwischen Beitrag und Leistung bei einem vorzeitigen Altersrentner zur Absenkung des Zugangsfaktors führte, war es im Grunde nur schwer verständlich, dass ein gleichaltriger Erwerbsminderungsrentner von jeglicher Kürzung verschont bleiben sollte, zumal bei erheblich gesenkten Altersrenten in der betroffenen Altersgruppe mit einer massiven Zunahme der Anträge auf Erwerbsminderungsrente zu rechnen war. Deshalb forderte der Bundesrat bei den Beratungen über das RRG 1992 die Bundesregierung zu einer Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten auf, "die zu einer sachgerechten und sozial ausgewogenen Risikoabgrenzung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung führt und gleichzeitig verhindert, dass die im RRG 1992 vorgesehene Heraufsetzung der Altersgrenzen unterlaufen wird". Sowohl der Äquivalenzgedanke als auch der Hinweis auf die Gefahr von Ausweichreaktionen finden sich in der Gesetzesbegründung zum RRErwerbG wieder. Die in allen Rentenarten vergleichbare Mehrbelastung durch einen frühen Renteneintritt würde allerdings eine völlige Angleichung des Zugangsfaktors der übrigen Rentenarten an denjenigen der Altersrente kaum rechtfertigen können. Denn die Altersrente darf erst ab einem bestimmten Mindestalter in Anspruch genommen werden, während die anderen Renten schon in sehr jungen Jahren beginnen können. Zudem können die Versicherten (außer in bestimmten Fällen der Arbeitslosigkeit) regelmäßig frei wählen, ab wann sie eine Altersrente beziehen wollen. Im Lichte dieser Unterschiede passen die im RRErwerbG getroffenen Regelungen in die Gesamtstrategie zur Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung; gleichzeitig wurde vermieden, dass sich der Zugangsfaktor im Laufe der Rentenbezugszeit ändert, was das überkommene System der Rentenberechnung mit einer grundsätzlich einmalig zu ermittelnden konstanten Rechengröße und nur einem dynamischen Faktor durchbrochen hätte.

Infolgedessen ging es dem Gesetzgeber des RRErwerbG nur um eine "Anpassung" und nicht um eine "Gleichstellung" von Erwerbsminderungsrenten und Altersrenten. Dabei werden der Versicherte und seine Hinterbliebenen - wie bereits dargelegt - vor einer allzu empfindlichen Minderung geschützt, indem der Zugangsfaktor bei jüngeren Versicherten so festgesetzt wird, als habe der Versicherte das Mindestalter für eine Altersrente (in der hier anwendbaren Fassung 60 Jahre) bereits erreicht, und indem die Absenkung auf einen Renteneintritt vor dem 63. Lebensjahr beschränkt wird, während der Anspruch auf Altersrente erst ab dem 65. Lebensjahr in voller Höhe besteht; dadurch beträgt die Absenkung maximal 10,8 % im Vergleich zu 18 % bei der Altersrente. Darüber hinaus wird der Versicherte mit Hilfe zusätzlicher Zurechnungszeiten jetzt so gestellt, als ob er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres weitergearbeitet hätte ; vorher wurde die Zeit ab dem 55. Lebensjahr lediglich zu einem Drittel berücksichtigt. Die weitergehende Anrechnung von Zurechnungszeiten soll die Anpassung der Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten zusätzlich begrenzen. Bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Alter von 56 Jahren und acht Monaten reduziert sich die Rentenminderung bei einem "Eckrentner" dadurch auf 3,3 % - je nach Versicherungsbiografie kann sie geringer oder höher ausfallen. Jedenfalls kommt der effektive Abschlag dem Maximalwert von 10,8 % umso näher, je mehr sich der Rentenbeginn dem 60. Lebensjahr des Versicherten nähert; bei späterem Renteneintritt sinkt der prozentuale Rentenabschlag allmählich wieder, bis er bei 63 Jahren ganz entfällt. Die Fokussierung der Rentenminderung auf den Renteneintritt mit 60 stellt insofern ein schlüssiges Konzept dar, als sich gerade die Versicherten dieser Altersgruppe unter der Geltung des bisherigen Rechts z.B. insbesondere bei Arbeitslosigkeit vor die Frage gestellt sehen konnten, ob sie statt der vorzeitigen Altersrente mit einem Abschlag von 18 % eine wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts mögliche Erwerbsminderungsrente ohne Abschlag anstreben sollten.

Ein ganz wesentliches Element dieses Konzepts ist die Abschwächung des Rentenabschlags durch die zusätzliche Zurechnungszeit bei einem Renteneintritt vor dem 60. Lebensjahr. Wäre der nach § 77 Abs. 2 SGB VI abgesenkte Zugangsfaktor nur bei Renteneintritt bzw. Rentenbezug ab dem 60. Lebensjahr anwendbar, würde der Rentenabschlag gerade nicht abgeschwächt, sondern das RRErwerbG hätte bei früherem Renteneintritt im Vergleich zum bisherigen Recht zu einer Rentenerhöhung geführt und entgegen den dargestellten Bemühungen des Gesetzgebers um eine Anhebung des Renteneintrittsalters einen Anreiz geschaffen, mittels frühen Rentenantrags zu versuchen, zumindest vorübergehend den Abschlag zu vermeiden. Infolgedessen bestätigt die Neuregelung der Zurechnungszeit die mit den Absichten des Gesetzgebers im Einklang stehende Auslegung, nach der die Rentenminderung auch Renten erfasst, die vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten gewährt werden. Die § 59 Abs. 2 Satz 2, § 63 Abs. 5, §§ 77, 253a, 264c SGB VI bilden ein aufeinander abgestimmtes "Gesamtpaket". Dies wird besonders deutlich in der Anlage 23 zum SGB VI, die übergangsweise je nach Zeitpunkt des Rentenbeginns festlegt, in welchem Umfang der Zugangsfaktor zu senken bzw. - in darauf abgestimmten Stufen - die Zurechnungszeit zu verlängern ist.

Schließlich bestätigt die Einfügung von Abs. 4 in § 77 SGB VI durch Art 1 Nr. 23 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 ab dem 1.1.2008 das dargestellte Gesamtkonzept und führt es fort, indem für langjährig Versicherte die Weitergeltung der bisherigen Altersgrenzen angeordnet wird. Folgte man der Auffassung, wonach der Rentenabschlag erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres greifen soll, so würde diese zu Zwecken des Vertrauensschutzes geschaffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt: Versicherte mit mindestens 40 Pflichtbeitragsjahren würden durch die Herabsetzung des 62. auf das 60. Lebensjahr nicht begünstigt, sondern benachteiligt.

Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI nicht gegen das GG ...

Rentenansprüche und -anwartschaften werden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art 14 Abs. 1 GG erfasst. Der Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG ist vorliegend dadurch tangiert, dass im Vergleich zur früheren Rechtslage mit der Rechtsänderung durch das RRErwerbG eine Verschlechterung für den Kläger insoweit eingetreten ist, als nunmehr bei einer Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres der Zugangsfaktor gemindert wird.

Der Kläger wird jedoch nicht in seinem Grundrecht aus Art 14 GG verletzt. Bei der in Streit stehenden Vorschrift handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber. Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers erweist sich gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung als geeignet und erforderlich und ist andererseits gemessen an der vom Kläger erworbenen Rechtsposition sowie Art und Umfang seiner Beitragsleistung verhältnismäßig und zumutbar.

Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften sind zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind. Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind. Die eigene Leistung findet vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen ihren Ausdruck. Sie rechtfertigt es, dass der durch sie begründeten rentenrechtlichen Rechtsposition ein höherer Schutz gegen staatliche Eingriffe zuerkannt wird als einer Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen beruht. Knüpft der Gesetzgeber an ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen begründete Anwartschaft zum Nachteil des Versicherten, so ist darüber hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter und damit auch für die rentenrechtliche Anwartschaft in Art 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat.

Wie bereits näher dargelegt, wollte der Gesetzgeber mit den in Rede stehenden Regelungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 SGB VI idF des RRErwerbG zum einen der Gefahr begegnen, dass im Hinblick auf die gesetzlich normierten Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrenten unverhältnismäßig viele Anträge auf Erwerbsminderungsrenten gestellt würden; zum anderen hat er das Ziel verfolgt, das Versicherungsrisiko der unterschiedlich langen Rentenbezugsdauer mit Hilfe versicherungsmathematischer Abschläge zu neutralisieren.

Die mit dem RRErwerbG normierte Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres stellt allein schon deshalb eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, weil sie ersichtlich dazu dient, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und den – u. a. durch die demografische Entwicklung - veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Wie der Hochrechnung der finanziellen Auswirkungen der im RRG 1992 und im RRErwerbG beschlossenen Maßnahmen zu entnehmen ist, geht es dabei in erster Linie um eine Verlangsamung der nach früherem Recht zu erwarten gewesenen Erhöhungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung und der entsprechenden Mehrausgaben des Bundes. Sind allein die finanziellen Erwägungen ein legitimer Grund für den Eingriff, so kann offen bleiben, ob auch andere mit der Regelung vom Gesetzgeber verfolgte Ziele für sich oder zusätzlich die in Frage stehende Regelung rechtfertigen könnten.

Die im öffentlichen Interesse liegende Minderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne (d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar).

Die Regelung war geeignet, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele zu erreichen. Ihm steht - wie dies das BVerfG erneut in seinem Beschluss vom 27.2.2007 zum Ausdruck gebracht hat - im Sozialversicherungsrecht wie in allen komplexen, von künftigen Entwicklungen abhängigen Regelungsbereichen ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Bei der Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse benötigt der Rentengesetzgeber Flexibilität, die ihm nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht verwehrt werden kann. Mit Rücksicht auf das unterschiedliche Versicherungsrisiko von in niedrigerem oder höherem Alter beginnenden Renten und auf die dadurch gebotene Annäherung von Erwerbsminderungs- und Altersrenten bewegt sich die Vorschrift über die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraums.

Die Regelung genügt auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht des Klägers nicht oder doch weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können. Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, eine Einsparung in anderen, von dem betroffenen Gesetz nicht erfassten Bereichen zu erzielen. Unter dem Gesichtspunkt des Erforderlichkeitsgrundsatzes war er nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen auszuweichen, insbesondere - im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen - die Beitragssätze zu erhöhen, die Bestandsrenten abzusenken oder auf eine Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu verzichten. Um dem Erforderlichkeitsgebot Rechnung zu tragen, war er ebenso wenig gehalten, einen höheren Bundeszuschuss vorzusehen und ggf. für diesen Zweck Steuern einzuführen oder zu erhöhen.

Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist für den Kläger auch zumutbar. Hierbei ist zu beachten, dass das Gesetz nicht in einen schon bestehenden Rentenanspruch des Klägers, sondern in seine Rentenanwartschaft eingegriffen hat. Anwartschaften sind aber wegen des großen Zeitraums zwischen ihrem Erwerb und der Aktivierung des Rentenanspruchs naturgemäß stärker einer Veränderung der für die Rentenberechnung maßgeblichen Verhältnisse unterworfen und genießen nicht denselben eigentumsrechtlichen Schutz wie die Rente. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Übergangsregelung des § 264c SGB VI und die Kompensation über die verlängerte Zurechnungszeit nach §§ 59, 253a SGB VI die Wirkung der Absenkung des Zugangsfaktors abgemildert hat ...

Die Neuregelung durch das RRErwerbG genügt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die hier für den Eingriff - Absenkung des Zugangsfaktors - maßgebliche Regelung des § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI idF des RRErwerbG greift nicht im Sinne einer (echten) Rückwirkung zu Ungunsten des Klägers in eine Rechtsposition ein, die dieser bereits vor deren Inkrafttreten am 1.1.2001 inne hatte. Im Übrigen war die Änderung der Rechtslage für die Versicherten nicht völlig überraschend, nachdem der Bundesrat bereits im April 1989 die Bundesregierung zu einer Reform der Erwerbsminderungsrenten in diesem Sinne aufgefordert hatte.

Die Regelungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 SGB VI verstoßen auch nicht gegen Art 3 Abs. 1 GG.

Der darin enthaltene allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem gemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten ; Entsprechendes gilt für eine Gleichbehandlung trotz Bestehens gewichtiger Unterschiede. Nachdem die getroffenen Maßnahmen durch das Ziel gerechtfertigt sind, die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, ist es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, dass die Versichertengruppe, zu welcher der Kläger gehört, gegenüber derjenigen anders behandelt wird, die wegen eines Rentenbeginns vor dem 1.1.2001 noch nicht von der Absenkung des Zugangsfaktors betroffen war. Mit jeglicher Anpassung des Rechts an geänderte Verhältnisse ist zwangsläufig eine ungleiche Behandlung von Betroffenen vor und nach dem Inkrafttreten einer Rechtsänderung verbunden und kann daher für sich allein nicht zur Verfassungswidrigkeit führen.

Der Gesetzgeber war durch das im Gleichheitssatz enthaltene Differenzierungsgebot nicht gehalten, Erwerbsminderungsrenten wegen gewichtiger Unterschiede zu den Altersrenten von den dort eingeführten Rentenabschlägen ganz auszunehmen. Dem Kläger ist zuzustimmen, dass ein Versicherter es letztlich nicht in der Hand hat, den Zeitpunkt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung selbst zu bestimmen. Jedoch kann es bei länger währender Arbeitslosigkeit im rentennahen Alter ebenfalls kaum noch praktische Alternativen zu einem Antrag auf vorgezogene Altersrente mit Rentenabschlägen geben; bei Entlassungen gegen Abfindung kann sogar eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu einem solchen Antrag bestehen. Insofern haben die Unterschiede nicht das ihnen vom Kläger beigemessene Gewicht. Sie sind durch den geringeren Abschlag in Höhe von maximal 10,8 statt 18 % und die erhöhte Zurechnungszeit bei jüngeren Erwerbsminderungsrentnern angemessen berücksichtigt. Aus Sicht des Senats war es im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht nur gerechtfertigt, sondern möglicherweise sogar geboten, die Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversicherung durch längere Rentenlaufzeiten nicht allein zu Lasten der Altersrentner zu lösen, nachdem der Bundesrat im Jahre 1989 auf diese Problematik hingewiesen hatte.

Schließlich greift der Einwand nicht, der Gesetzgeber habe auch für Erwerbsminderungsrentner eine dem § 187a SGB VI entsprechende Möglichkeit schaffen müssen, die bei Anwendung von § 77 Abs. 2 SGB VI entstehende Rentenminderung durch Beitragszahlungen auszugleichen. Ein diesbezügliches Verfassungsgebot ist schon deshalb zu verneinen, weil die Erwerbsminderungsrente in deutlich geringerem Ausmaß abgesenkt wird als die Altersrente, sodass die unterschiedlich hohen Versorgungslücken eine unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigen. Im Übrigen sind keine Gründe ersichtlich, die den Erwerbsminderungsrentner an der Entrichtung freiwilliger Beiträge hindern würden, um seine künftig zu erwartende Altersrente aufzubessern ; da § 7 Abs. 3 SGB VI das Recht zur freiwilligen Versicherung ausschließt, wenn eine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt ist, bedarf es lediglich für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten der Sonderregelung des § 187a SGB VI.

Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt ebenfalls nicht vor.

Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG bezweckt die Stärkung der Stellung behinderter Menschen in Recht und Gesellschaft. Sie enthält ein Gleichheitsrecht zu Gunsten Behinderter sowie einen Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken. Es ist bereits fraglich, ob der Schutzbereich des Grundrechts, der zunächst eine Ungleichbehandlung voraussetzt, tangiert ist. Jedenfalls liegt eine Benachteiligung wegen Behinderung nicht vor. Die Absenkung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 SGB VI betrifft seit dem RRErwerbG alle Rentenarten, wenn die jeweilige Rente vor der im Gesetz normierten Altersgrenze in Anspruch genommen wird. Damit sollen Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer bei allen Rentenarten ausgeglichen werden. Eine Benachteiligung des Klägers wegen einer Behinderung liegt somit nicht vor."

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Die Rechtsfrage, wie § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auszulegen ist, ist zwischenzeitlich mit dem oben genannten Urteil des BSG abschließend geklärt, nachdem auch der 13. Senat des BSG in dem im Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R erwähnten Beschluss vom 26. Juni 2008 – B 13 R 9/08 S sich der Rechtsprechung des 4. Senats im Urteil vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R nicht angeschlossen hat. Der für die Alterssicherung der Landwirte zuständige 10. Senat des BSG hat im Urteil vom 25. Februar 2010 – B 10 LW 3/09 R unter Hinweis auf die jetzt maßgebliche Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI durch die zuständigen Rentensenate des BSG die vergleichbare Vorschrift des § 23 Abs. 8 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) im gleichen Sinne wie diese Rentensenate ausgelegt.

Ein Ruhen des Verfahrens nach § 202 SGG i. V. m. § 251 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kommt auch im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG vom 14. August 2008 – B 5 R 140/07 R beim BVerfG (1 BvR 3588/08) nicht in Betracht, denn die Beklagte hat nicht gleichfalls wie die Klägerin das Ruhen des Verfahrens als insoweit unabdingbare Voraussetzung beantragt.

Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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