Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2892/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig vom 11. November 2010 bis zum Eintritt der Bestandskraft der Bescheide vom 16. September 2010 und 3. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2010, längstens jedoch bis 28. Februar 2011, Leistungen in Höhe von 80 v. H. der gesetzlichen Höhe der Regelleistung zu gewähren.
Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm ab 1. September 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
I. Mit Bescheid vom 13. April 2010 (Verwaltungsakten Bl. 2 ff.) bewilligte die Antragsgegnerin dem Kläger bis 31. August 2010 Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359 EUR monatlich. Am 13. August 2010 wollte die Antragsgegnerin den Antragsteller laden. Das Aktenexemplar der Einladung (Verwaltungsakten Bl. 64) trägt den handschriftlichen Vermerk, dass kein Briefkasten und keine Klingel mit dem Namen xxxxx versehen sei. Ein Briefkasten mit Klingel sei ohne Name und der Brief dort eingeworfen worden.
Am 16. August 2010 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag (Verwaltungsakten Bl. 20 ff.). Am 8. September 2010 teilte der Kläger ausweislich eines Vermerks in der elektronischen Akte (Ausdruck Verwaltungsakten Bl. 72) mit, er halte sich überwiegend bei seiner Freundin in xxxxx auf. Nach einem weiteren Aktenvermerk vom selben Tage (Verwaltungsakten Bl. 88) äußerte sich der Antragsteller gegenüber einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin in einem persönlichen Gespräch dahingehend, dass er seit ca. drei Jahren eine partnerschaftliche Beziehung zu Frau xxxxx in xxxxx pflege. Diese arbeite als Altenpflegerin zu 70 Prozent bei der xxxxx-Stiftung in xxxxx. Unter der Woche halte sich der Antragsteller so zwei bis dreimal über Nacht dort auf, die Wochenenden verbringe er ebenfalls bei Frau xxxxx. Finanzielle Unterstützung erhalte er von ihr nicht.
Mit Bescheid vom 16. September 2010 (Verwaltungsakten Bl. 73) lehnte die Agentur für Arbeit Ravensburg den Leistungsantrag ab, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, denn der Antragsteller habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht unter der angegebenen Anschrift. Hiergegen erhob der Antragsteller am 4. Oktober 2010 Widerspruch (Verwaltungsakten Bl. 75). Die Antragsgegnerin leitete daraufhin Ermittlungen ihres Außendienstes ein (vgl. Ermittlungsbericht Verwaltungsakten Bl. 84/85). Sodann lehnte die Antragsgegnerin mit weiterem Bescheid vom 3. November 2010 den "Antrag vom 01.09.10" nochmals ab, wobei ergänzend ausgeführt wurde, die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 4 a Halbsatz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Gemäß der Erreichbarkeits-Anordnung habe der Leistungsempfänger sicher zu stellen, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Dies treffe beim Antragsteller nicht zu, da er erklärt habe, dass er Post der Agentur für Arbeit nicht oder verspätet erhalten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2010 (Verwaltungsakten Bl. 95 ff.) wies die An-tragsgegnerin den Widerspruch "nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 03.11.2010" zurück und führte aus, gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung habe der Arbeitslose sicher zu stellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Dies treffe auf den Antragsteller nicht zu, denn er habe selbst erklärt, Post der Agentur für Arbeit nicht oder verspätet erhalten zu haben. Außerdem habe er, wie der Außendienst der Antragsgegnerin festgestellt habe, keinen ordnungsgemäß beschrifteten Briefkasten. Es sei somit nicht sichergestellt, dass er täglich durch Briefpost erreicht werden könne. Diese Verpflichtung obliege dem Antragsteller indessen, da der dafür Sorge zu tragen habe, dass ein ordnungsgemäßer Briefkasten oder eine sonstige Postzugangseinrichtung vorhanden sei. Nur dann sei sichergestellt, dass er jederzeit erreichbar und somit der effektiven Arbeitsvermittlung schnell zur Verfügung stehe. Bis zum Datum dieses Beschlusses war eine Klage hiergegen beim Sozialgericht Konstanz nicht zu verzeichnen.
Am 11. November 2010 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und führt aus, er habe keinerlei finanzielle Mittel und ihm drohe nun noch der Verlust seiner Unterkunft.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit derselben Begründung wie im Widerspruchsbescheid entgegen getreten.
Dem Gericht liegt die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Ravensburg vor, auf welche ebenso wie auf die Gerichtsakte wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird.
II.
Der Antrag ist als solcher auf Erlass einer einsteiligen Anordnung statthaft, auch im übrigen zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Reglung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist hierbei, dass vom Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs, d. h. eines materiellen Rechtsanspruchs, und eines Anordnungsgrundes, also der besonderen Dringlichkeit der erstrebten Regelung, glaubhaft gemacht werden (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
1. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht von vorneherein kein Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf die Übernahme von Kosten der Unterkunft. Da im Landkreis Ravensburg keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44 b SGB II besteht, bleibt es bei der Grundregel des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, wonach die kreisfreien Städte und Kreise (u. a.) für die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II zuständig sind. Insoweit ist die Antragsgegnerin also nicht passiv legitimiert.
Ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist jedoch hinsichtlich der Regelleistung.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Le-bensjahr vollendet und die Altersgrenze noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Allerdings erhält nach der Ausnahmeregel des Absatzes 4 a Leistungen nach diesem Buch nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend.
Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes sind nach Auffassung des Gerichtes voraussichtlich nicht gegeben. Das Gericht folgt dabei vorläufig der Auffassung von Spellbrink (in: Eicher / Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 76 ff.), wonach § 7 Abs. 4 a SGB II nur eine Regelung über die Ortsabwesenheit trifft und die Erreichbarkeits-Anordnung auch nur insoweit entsprechend gilt, soweit es für diesen Regelungszweck erforderlich ist. Dieser Regelungszweck besteht nach dem Willen des Gesetzgebers darin, ungenehmigte Ortsabwesenheiten über die Absenkung in § 31 SGB II hinaus härter zu sanktionieren. Auch der entsprechenden Geltung der Erreichbarkeits-Anordnung kann abgleitet werden, wie der orts- und zeitnahe Bereich zu bestimmen ist und wann und für wie lange eine Abwesenheit genehmigt werden kann. Die Norm sanktioniert darüber hinaus jedoch nicht den - mangels postalischer Erreichbarkeit wohl vorliegenden - Verstoß gegen § 1 Erreichbarkeits-Anordnung. Nach der dort getroffenen Reglung im Rahmen der arbeitsförderungsrechtlichen Verfügbarkeit müsste der Grundsicherungsempfänger sicher stellen, dass der Träger ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen kann (vgl. Spellbrink, a. a. O., Rdnr. 80).
Hieraus folgt, dass das hier wohl vorliegende Fehlen der Verfügbarkeit im Sinne des Rechtes der Arbeitsförderung alleine noch nicht ausreicht, um die Leistung nach dem Zweiten Buch zu versagen (so auch SG Hildesheim, Urteil vom 18. Februar 2009 - S 43 AS 1230/07 -; in diese Richtung tendierend: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Januar 2009 - L 20 B 135/08 AS -). Vielmehr müsste der Antragsteller auch gegen § 3 Erreichbarkeits-Anordnung verstoßen haben, indem er sich außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches der Agentur für Arbeit Ravensburg aufgehalten hätte. Zeit- und ortsnah ist dabei ein Aufenthalt im Nahbereich des Trägers. Hierzu gehören alle Orte in der Umgebung von dessen Sitz, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage ist, den Träger täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Dies wäre bei einem tatsächlichen Aufenthalt in xxxxx (Landkreis Ravensburg) ohne weiteres der Fall.
Hält sich der Antragsteller - wofür vieles spricht - überwiegend bei seiner Partnerin dort auf, so könnte sich allerdings die Frage seiner Hilfebedürftigkeit neu stellen, denn nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Der Antragsteller könnte mit Frau xxxxx in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen leben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen, so dass eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen wäre (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II). Ein solcher wechselseitiger Wille wird vom u. a. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben (§ 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II). Im vorliegenden Verfahren spricht zwar einiges dafür, dass der Antragsteller seit drei Jahren mit Frau xxxxx eine partnerschaftliche Beziehung pflegt, jedoch ist weder dargetan, dass sie seit mindestens einem Jahr in einem gemeinsamen Haushalt leben, noch, dass das Einkommen von Frau xxxxx zur Deckung des Bedarfs des Antragstellers ausreichen würde. Das Gericht geht deshalb vorläufig weiterhin von einer Hilfebedürftigkeit des Antragstellers aus.
Nachdem die übrigen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II unstreitig sind, ist ein Leistungsanspruch derzeit glaubhaft gemacht.
2. Ein Anordnungsgrund, also die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung, ist indessen erst ab Antragseingang am 11. November 2010 anzunehmen.
Das einstweilige Rechtschutzverfahren im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) wird von dem Rechtsgedanken der Abwendung gegenwärtiger Notlagen bestimmt (vgl. zum früheren Sozialhilferecht: BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 5 C 14/87 -, BVerwGE 89, 81 [85]). Hieraus folgt, dass einstweilige Regelungen über die Bewilligung laufender Leistungen grundsätzlich nur für die Gegenwart und Zukunft, nicht jedoch für im Zeitpunkt des Antragseingangs bereits vergangene Zeiträume getroffen werden können, weil in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass in der Vergangenheit liegende Notsituationen von dem Betroffenen bereits bewältigt worden sind (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 1993 - 6 S 2371/93 -, VBlBW 1994, 109; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B -, vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72). Von einer Bewältigung der Notlage in diesem Sinne kann höchstens dann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn durch die Versagung der Leistung in der Vergangenheit ein Tatbestand ausgelöst wurde, der eine aktuelle Notlage verursacht.
Ein derartiger Nachholbedarf, der den Antragsteller in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht, ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal für Kosten der Unterkunft die Antragsgegnerin nicht zuständig ist.
Im übrigen ist der Erlass einer Regelungsanordnung jedoch besonders dringlich, weil ein Anspruch auf Leistungen glaubhaft gemacht ist und die Antragsgegnerin diese nicht einmal teilweise bewilligt hat.
Die Geltungsdauer der demnach zu erlassenden einsteiligen Anordnung ist jedoch zunächst auf den Zeitpunkt der Bestandskraft der Ablehnungsbescheide zu begrenzen, denn sobald diese eintritt, steht sie dem Anordnungsanspruch entgegen. Äußerstenfalls hält das Gericht jedoch eine Verpflichtung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für sechs Monate für geboten; im vorliegenden Fall orientiert es sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an dem am 1. September 2010 beginnenden Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten, um die gerichtliche Regelung mit diesen Bezugszeiträumen zu harmonisieren.
Um der Vorläufigkeit der hier getroffenen Regelung weiter Rechnung zu tragen, hat das Gericht die Höhe der ausgesprochenen Zahlungspflicht auf 80 Prozent der gesetzlichen Leistung begrenzt.
Nach alldem hat der Antrag nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist er abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG (analog). Sie orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits.
Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm ab 1. September 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
I. Mit Bescheid vom 13. April 2010 (Verwaltungsakten Bl. 2 ff.) bewilligte die Antragsgegnerin dem Kläger bis 31. August 2010 Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359 EUR monatlich. Am 13. August 2010 wollte die Antragsgegnerin den Antragsteller laden. Das Aktenexemplar der Einladung (Verwaltungsakten Bl. 64) trägt den handschriftlichen Vermerk, dass kein Briefkasten und keine Klingel mit dem Namen xxxxx versehen sei. Ein Briefkasten mit Klingel sei ohne Name und der Brief dort eingeworfen worden.
Am 16. August 2010 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag (Verwaltungsakten Bl. 20 ff.). Am 8. September 2010 teilte der Kläger ausweislich eines Vermerks in der elektronischen Akte (Ausdruck Verwaltungsakten Bl. 72) mit, er halte sich überwiegend bei seiner Freundin in xxxxx auf. Nach einem weiteren Aktenvermerk vom selben Tage (Verwaltungsakten Bl. 88) äußerte sich der Antragsteller gegenüber einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin in einem persönlichen Gespräch dahingehend, dass er seit ca. drei Jahren eine partnerschaftliche Beziehung zu Frau xxxxx in xxxxx pflege. Diese arbeite als Altenpflegerin zu 70 Prozent bei der xxxxx-Stiftung in xxxxx. Unter der Woche halte sich der Antragsteller so zwei bis dreimal über Nacht dort auf, die Wochenenden verbringe er ebenfalls bei Frau xxxxx. Finanzielle Unterstützung erhalte er von ihr nicht.
Mit Bescheid vom 16. September 2010 (Verwaltungsakten Bl. 73) lehnte die Agentur für Arbeit Ravensburg den Leistungsantrag ab, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, denn der Antragsteller habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht unter der angegebenen Anschrift. Hiergegen erhob der Antragsteller am 4. Oktober 2010 Widerspruch (Verwaltungsakten Bl. 75). Die Antragsgegnerin leitete daraufhin Ermittlungen ihres Außendienstes ein (vgl. Ermittlungsbericht Verwaltungsakten Bl. 84/85). Sodann lehnte die Antragsgegnerin mit weiterem Bescheid vom 3. November 2010 den "Antrag vom 01.09.10" nochmals ab, wobei ergänzend ausgeführt wurde, die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 4 a Halbsatz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Gemäß der Erreichbarkeits-Anordnung habe der Leistungsempfänger sicher zu stellen, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Dies treffe beim Antragsteller nicht zu, da er erklärt habe, dass er Post der Agentur für Arbeit nicht oder verspätet erhalten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2010 (Verwaltungsakten Bl. 95 ff.) wies die An-tragsgegnerin den Widerspruch "nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 03.11.2010" zurück und führte aus, gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung habe der Arbeitslose sicher zu stellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Dies treffe auf den Antragsteller nicht zu, denn er habe selbst erklärt, Post der Agentur für Arbeit nicht oder verspätet erhalten zu haben. Außerdem habe er, wie der Außendienst der Antragsgegnerin festgestellt habe, keinen ordnungsgemäß beschrifteten Briefkasten. Es sei somit nicht sichergestellt, dass er täglich durch Briefpost erreicht werden könne. Diese Verpflichtung obliege dem Antragsteller indessen, da der dafür Sorge zu tragen habe, dass ein ordnungsgemäßer Briefkasten oder eine sonstige Postzugangseinrichtung vorhanden sei. Nur dann sei sichergestellt, dass er jederzeit erreichbar und somit der effektiven Arbeitsvermittlung schnell zur Verfügung stehe. Bis zum Datum dieses Beschlusses war eine Klage hiergegen beim Sozialgericht Konstanz nicht zu verzeichnen.
Am 11. November 2010 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und führt aus, er habe keinerlei finanzielle Mittel und ihm drohe nun noch der Verlust seiner Unterkunft.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit derselben Begründung wie im Widerspruchsbescheid entgegen getreten.
Dem Gericht liegt die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Ravensburg vor, auf welche ebenso wie auf die Gerichtsakte wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird.
II.
Der Antrag ist als solcher auf Erlass einer einsteiligen Anordnung statthaft, auch im übrigen zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Reglung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist hierbei, dass vom Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs, d. h. eines materiellen Rechtsanspruchs, und eines Anordnungsgrundes, also der besonderen Dringlichkeit der erstrebten Regelung, glaubhaft gemacht werden (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
1. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht von vorneherein kein Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf die Übernahme von Kosten der Unterkunft. Da im Landkreis Ravensburg keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44 b SGB II besteht, bleibt es bei der Grundregel des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, wonach die kreisfreien Städte und Kreise (u. a.) für die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II zuständig sind. Insoweit ist die Antragsgegnerin also nicht passiv legitimiert.
Ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist jedoch hinsichtlich der Regelleistung.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Le-bensjahr vollendet und die Altersgrenze noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Allerdings erhält nach der Ausnahmeregel des Absatzes 4 a Leistungen nach diesem Buch nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend.
Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes sind nach Auffassung des Gerichtes voraussichtlich nicht gegeben. Das Gericht folgt dabei vorläufig der Auffassung von Spellbrink (in: Eicher / Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 76 ff.), wonach § 7 Abs. 4 a SGB II nur eine Regelung über die Ortsabwesenheit trifft und die Erreichbarkeits-Anordnung auch nur insoweit entsprechend gilt, soweit es für diesen Regelungszweck erforderlich ist. Dieser Regelungszweck besteht nach dem Willen des Gesetzgebers darin, ungenehmigte Ortsabwesenheiten über die Absenkung in § 31 SGB II hinaus härter zu sanktionieren. Auch der entsprechenden Geltung der Erreichbarkeits-Anordnung kann abgleitet werden, wie der orts- und zeitnahe Bereich zu bestimmen ist und wann und für wie lange eine Abwesenheit genehmigt werden kann. Die Norm sanktioniert darüber hinaus jedoch nicht den - mangels postalischer Erreichbarkeit wohl vorliegenden - Verstoß gegen § 1 Erreichbarkeits-Anordnung. Nach der dort getroffenen Reglung im Rahmen der arbeitsförderungsrechtlichen Verfügbarkeit müsste der Grundsicherungsempfänger sicher stellen, dass der Träger ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen kann (vgl. Spellbrink, a. a. O., Rdnr. 80).
Hieraus folgt, dass das hier wohl vorliegende Fehlen der Verfügbarkeit im Sinne des Rechtes der Arbeitsförderung alleine noch nicht ausreicht, um die Leistung nach dem Zweiten Buch zu versagen (so auch SG Hildesheim, Urteil vom 18. Februar 2009 - S 43 AS 1230/07 -; in diese Richtung tendierend: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Januar 2009 - L 20 B 135/08 AS -). Vielmehr müsste der Antragsteller auch gegen § 3 Erreichbarkeits-Anordnung verstoßen haben, indem er sich außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches der Agentur für Arbeit Ravensburg aufgehalten hätte. Zeit- und ortsnah ist dabei ein Aufenthalt im Nahbereich des Trägers. Hierzu gehören alle Orte in der Umgebung von dessen Sitz, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage ist, den Träger täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Dies wäre bei einem tatsächlichen Aufenthalt in xxxxx (Landkreis Ravensburg) ohne weiteres der Fall.
Hält sich der Antragsteller - wofür vieles spricht - überwiegend bei seiner Partnerin dort auf, so könnte sich allerdings die Frage seiner Hilfebedürftigkeit neu stellen, denn nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Der Antragsteller könnte mit Frau xxxxx in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen leben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen, so dass eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen wäre (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II). Ein solcher wechselseitiger Wille wird vom u. a. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben (§ 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II). Im vorliegenden Verfahren spricht zwar einiges dafür, dass der Antragsteller seit drei Jahren mit Frau xxxxx eine partnerschaftliche Beziehung pflegt, jedoch ist weder dargetan, dass sie seit mindestens einem Jahr in einem gemeinsamen Haushalt leben, noch, dass das Einkommen von Frau xxxxx zur Deckung des Bedarfs des Antragstellers ausreichen würde. Das Gericht geht deshalb vorläufig weiterhin von einer Hilfebedürftigkeit des Antragstellers aus.
Nachdem die übrigen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II unstreitig sind, ist ein Leistungsanspruch derzeit glaubhaft gemacht.
2. Ein Anordnungsgrund, also die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung, ist indessen erst ab Antragseingang am 11. November 2010 anzunehmen.
Das einstweilige Rechtschutzverfahren im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) wird von dem Rechtsgedanken der Abwendung gegenwärtiger Notlagen bestimmt (vgl. zum früheren Sozialhilferecht: BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 5 C 14/87 -, BVerwGE 89, 81 [85]). Hieraus folgt, dass einstweilige Regelungen über die Bewilligung laufender Leistungen grundsätzlich nur für die Gegenwart und Zukunft, nicht jedoch für im Zeitpunkt des Antragseingangs bereits vergangene Zeiträume getroffen werden können, weil in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass in der Vergangenheit liegende Notsituationen von dem Betroffenen bereits bewältigt worden sind (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 1993 - 6 S 2371/93 -, VBlBW 1994, 109; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B -, vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72). Von einer Bewältigung der Notlage in diesem Sinne kann höchstens dann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn durch die Versagung der Leistung in der Vergangenheit ein Tatbestand ausgelöst wurde, der eine aktuelle Notlage verursacht.
Ein derartiger Nachholbedarf, der den Antragsteller in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht, ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal für Kosten der Unterkunft die Antragsgegnerin nicht zuständig ist.
Im übrigen ist der Erlass einer Regelungsanordnung jedoch besonders dringlich, weil ein Anspruch auf Leistungen glaubhaft gemacht ist und die Antragsgegnerin diese nicht einmal teilweise bewilligt hat.
Die Geltungsdauer der demnach zu erlassenden einsteiligen Anordnung ist jedoch zunächst auf den Zeitpunkt der Bestandskraft der Ablehnungsbescheide zu begrenzen, denn sobald diese eintritt, steht sie dem Anordnungsanspruch entgegen. Äußerstenfalls hält das Gericht jedoch eine Verpflichtung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für sechs Monate für geboten; im vorliegenden Fall orientiert es sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an dem am 1. September 2010 beginnenden Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten, um die gerichtliche Regelung mit diesen Bezugszeiträumen zu harmonisieren.
Um der Vorläufigkeit der hier getroffenen Regelung weiter Rechnung zu tragen, hat das Gericht die Höhe der ausgesprochenen Zahlungspflicht auf 80 Prozent der gesetzlichen Leistung begrenzt.
Nach alldem hat der Antrag nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist er abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG (analog). Sie orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits.
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