L 4 P 2767/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 P 1685/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2767/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Der am 1967 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied in der sozialen Pflegeversicherung der beklagten Pflegekasse und in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bahn-BKK. Er ist kinderlos.

Die Bahn-BKK zahlte dem Kläger im Auftrag der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Verletztengeld für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 01. Mai 2006 unter Abzug der Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (Bescheid der Bahn-BKK vom 04. Januar 2005). Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft den Widerspruch zurück. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) änderte den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 17. März 2006 (S 2 U 1884/05), mit dem das SG die Klage des Klägers abgewiesen hatte, ab, hob den Widerspruchsbescheid der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft vom 12. Mai 2005 auf und wies im Übrigen die Berufung zurück (Urteil vom 24. April 2007 - L 9 1767/06 -), weil die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft für die Entscheidung, ob der Kläger den Beitragszuschlag für Kinderlose zu tragen habe, nicht zuständig sei. Die beim SG erhobene Untätigkeitsklage gegen die Beklagte auf Bescheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04. Januar 2005 (S 1 P 1883/05) erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung des SG am 09. Mai 2008 für erledigt.

Des Weiteren bewilligte die Bahn-BKK dem Kläger vom 10. bis 17. November 2007 Krankengeld in Höhe von brutto EUR 45,90 täglich, nach Abzug der Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (insoweit EUR 0,56) EUR 39,81 täglich (Bescheid vom 13. Dezember 2007) sowie ab 18. November 2007 Verletztengeld im Auftrag der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft in Höhe von brutto EUR 51,00 täglich, nach Abzug der Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (insoweit EUR 0,17) EUR 44,69 täglich (Bescheid vom 13. Dezember 2007). In diesen beiden Bescheiden wies die Bahn-BKK darauf hin, dass kinderlose Versicherte, die das 23. Lebensjahr vollendet hätten, seit 01. Januar 2005 einen zusätzlichen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 v.H. zahlten, der vom Mitglied allein zu tragen sei. Der Kläger erhob gegen diese Bescheide Widerspruch wegen des zusätzlichen Beitrags zur Pflegeversicherung für kinderlose Versicherte. Er sei aus Härtegründen von dem Beitragszuschlag für Kinderlose auszunehmen. Er leide seit Geburt an einem Klinefelter-Syndrom. Dies bedeute, dass er keine Kinder zeugen könne. Es sei eine ausgesprochene Härte, zusätzlich zur fehlenden Fortpflanzungsmöglichkeit auch noch einen erhöhten Beitrag zur Pflegepflichtversicherung leisten zu müssen. Auch seien die Bescheide aus formalen Gründen rechtswidrig, weil sie von der Bahn-BKK erlassen worden seien und nicht von der beklagten Pflegekasse, die zuständig sei. Die Bahn-BKK nahm mit Bescheiden vom 18. Januar 2008 die Bescheide vom 13. Dezember 2007 zurück und ersetzte sie durch die Bescheide vom 18. Januar 2008. Sie bewilligte wiederum vom 10. bis 17. November 2007 Krankengeld sowie ab 18. November 2007 im Auftrag der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Verletztengeld in derselben Höhe wie in den Bescheiden vom 13. Dezember 2007. Die Bescheide vom 18. Januar 2008 enthielten den Hinweis, dass in ihnen bezüglich der Beiträge zur Pflegeversicherung lediglich über die Berechnung und Abführung entschieden werde, nicht jedoch über das Bestehen der Versicherungspflicht und der Rechtmäßigkeit der Erhebung des Zusatzbeitrags für Kinderlose. Hierzu ergehe ein gesonderter Bescheid der "Pflegekasse".

Mit drei Bescheiden vom 22. Januar 2008 setzte die beklagte Pflegekasse unter Bezugnahme auf das von der Bahn-BKK (Krankenkasse) für die genannten Zeiträume gezahlte Kranken- und Verletztengeld die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung fest (Krankengeld vom 10. bis 17. November 2007 EUR 0,56 kalendertäglich sowie Verletztengeld vom 01. Januar 2005 bis 01. Mai 2006 EUR 0,15 kalendertäglich und ab 18. November 2007 EUR 0,17 kalendertäglich). Sie führte jeweils aus, der Bescheid beziehe sich auf die Berechnung und Festsetzung des Zusatzbeitrags der gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose. Da der Kläger keine Kinder und das 23. Lebensjahr bereits vollendet habe, zahle er einen zusätzlichen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 v.H ... Diesen trage er allein.

Gegen die drei genannten Bescheide vom 22. Januar 2008 legte der Kläger drei Widersprüche ein und wiederholte die Begründung seiner früheren Widersprüche, er sei aus Härtegründen von dem Beitragszuschlag für Kinderlose auszunehmen.

Mit Bescheid vom 05. März 2008 (Betreffangabe "Feststellung der Elterneigenschaft und Beitragspflicht des Zusatzbeitrags Pflegeversicherung") stellte die Beklagte die Beitragspflicht des Zusatzbeitrags zur Pflegeversicherung fest und nahm ihre Bescheide vom 22. Januar 2008 zurück. Zum 01. Januar 2005 sei nach § 55 Abs. 3 SGB XI der Beitragssatz für kinderlose Mitglieder in der sozialen Pflegeversicherung ab Vollendung des 23. Lebensjahres um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht worden. Da der Kläger keine Kinder habe, sei er zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose verpflichtet. Somit sei die Festsetzung des zusätzlichen Pflegeversicherungsbeitrags im Bescheid der Bahn-BKK vom 04. Januar 2005 zu Recht erfolgt. Dieser Bescheid betreffe die Beitragsfestsetzung für folgenden Zeitraum: Verletztengeld vom 01. Januar 2005 bis 01. Mai 2006. Zuständig für die Bescheiderteilung im Rahmen von Entgeltersatzleistungen sei die Krankenkasse, und zwar für die Zahlung von Krankengeld in eigener Zuständigkeit und von Verletztengeld im Auftrag der Unfallversicherung. Ihre (der Beklagten) Bescheide vom 22. Januar 2008 seien daher rechtswidrig und würden zurückgenommen. Diese Bescheide beträfen die Beitragsfestsetzung für folgende Zeiträume: &61485; Verletztengeld vom 01. Januar 2005 bis 01. Mai 2006. &61485; Krankengeld vom 10. November bis 17. November 2007. &61485; Verletztengeld ab 18. November 2007. Zu den beiden letztgenannten Zeiträumen erhalte der Kläger noch Post von der Krankenkasse. Zudem wies die Beklagte auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Februar 2008 (B 12 P 2/07 R = SozR 4-3300 § 55 Nr 2) hin. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend versehen worden, es könne innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden.

Mit Schreiben vom 13. März 2008, bei der Beklagten am 14. März 2008 eingegangen, legte der Kläger gegen den Bescheid vom 05. März 2008 Widerspruch ein. Er führte aus, nach seiner Auffassung sei der Änderungsbescheid vom 05. März 2008 gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand der anhängigen Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 22. Januar 2008 geworden. Da die Beklagte eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt habe, werde rein fürsorglich Widerspruch eingelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05. März 2008 zurück. Die Prüfung der Sach- und Rechtslage habe ergeben, dass dem Widerspruch nicht stattgegeben werden könne. Aus diesem Grunde könnten auch keine zusätzlichen Kosten (z. B. für Porto, Kopien, Telefonate) erstattet werden, die dem Kläger durch das Widerspruchsverfahren entstanden seien (§ 63 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI erhöhe sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet hätten, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Dies gelte nicht für Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Hintergrund für die Einführung des § 55 Abs. 3 SGB XI sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gewesen, wonach eine gleichhohe Beitragsbelastung von Mitgliedern mit Kindern und ohne Kinder mit dem Grundgesetz unvereinbar sei (SozR 3-3300 § 54 Nr. 2). Am 27. Februar 2008 habe das BSG entschieden, dass die Vorschrift über die Erhebung dieses Beitragszuschlags nicht verfassungswidrig sei, soweit sie Mitglieder, die unfreiwillig kinderlos seien, weil sie bzw. ihr Partner aus medizinischen Gründen kein Kind bekommen könnten, von der Erhebung des Beitragszuschlags nicht ausnehme. Der Kläger sei damit verpflichtet, den erhöhten Beitragssatz für Kinderlose zu entrichten.

Mit Schriftsatz vom 25. April 2008, eingegangen beim SG am 06. Mai 2008, erhob der Kläger Klage. Zu deren Begründung trug er vor, bei der Beklagten scheine es sich um eine "Chaosbehörde" zu handeln. Die Bescheide müssten als nichtig angesehen werden, weil für einen Außenstehenden angesichts der verschiedenen, ergangenen Bescheide überhaupt nicht klar sei, ob und was geregelt werden solle. Rechtswidrig sei auch, dass die beklagte Pflegekasse erstmalig mit dem Widerspruchsbescheid Feststellungen zum Beitragszuschlag und zur Elterneigenschaft getroffen habe. Im Bescheid vom 05. März 2008 habe sie sich noch auf den Standpunkt gestellt, hierfür sei die Krankenkasse zuständig. Es liege eine unzulässige Verböserung durch den Widerspruchsbescheid vor und es sei auch nicht die erforderliche Anhörung durchgeführt worden. Schließlich habe die Beklagte § 86 SGG verletzt, weil sie die früheren Bescheide und die später ergangenen Bescheide mit in das Verwaltungsverfahren hätte einbeziehen müssen. Materiell müsse die medizinisch bedingte Zeugungsunfähigkeit als Härte berücksichtigt werden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, es sei anlässlich gerichtlicher Hinweise Konsens darüber erzielt worden, dass sie als Pflegekasse für die Feststellung der Elterneigenschaft sowie der Beitragspflicht des Zusatzbeitrags zur Pflegeversicherung dem Grunde nach zuständig sei. Die Beitragsfestsetzung (Beitragsberechnung) des Zusatzbeitrags zur Pflegeversicherung aus Verletztengeld und Krankengeld (der Höhe nach) obliege jedoch in eigener Zuständigkeit oder durch Auftragsgeschäft der Krankenkasse. Wegen dieser Zuständigkeitsabgrenzung sei auch die Bescheidaufhebung der durch sie erlassenen Bescheide vom 22. Januar 2008 nötig gewesen. Mit dem Bescheid vom 05. März 2008 sei die eigentlich nicht erforderliche aber tatsächlich begehrte Entscheidung durch sie über die grundsätzliche Beitragspflicht des kinderlosen Klägers hinsichtlich des Zusatzbeitrags zur Pflegeversicherung aus Krankengeld und Verletztengeld getroffen worden. Angesichts der klaren Ausrichtung des BSG zu der klagerelevanten Frage der Beitragspflicht ungewollt Kinderloser, habe sie auch nicht die Möglichkeit, eine Ausnahmeentscheidung zu treffen.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins wies das SG mit Urteil vom 11. Februar 2009 die Klage ab. Der gesamte Verfahrensablauf sei einigermaßen kompliziert geworden. Dies führe aber nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vom 05. März 2008, auch wenn dieser Bescheid eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalte, weil er nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 22. Januar 2008 geworden sei. In der Sache entspreche die Feststellung, der Kläger sei seit 01. Januar 2005 grundsätzlich zur Zahlung des Beitragszuschusses für Kinderlose verpflichtet, dem Gesetz. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig, insbesondere auch nicht soweit sie keine Ausnahme für Personen vorsehe, deren Kinderlosigkeit auf medizinischen Gründen beruhe (Verweis auf das Urteil des BSG vom 27. Februar 2008, a.a.O.). Maßgebend sei hier vor allem, dass der Beitragszuschlag für Kinderlose eine beitragsrechtliche Kompensation der Vorteile der Kinderlosigkeit im System der sozialen Pflegeversicherung darstelle und dafür die Gründe der Kinderlosigkeit unerheblich seien.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 08. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08. Juni 2009, eingegangen am gleichen Tage beim SG, Berufung zum LSG eingelegt. Eine Berufungsbegründung hat der Kläger trotz wiederholter Aufforderung nicht vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 aufzuheben, hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2009 sowie des Bescheids der Beklagten vom 05. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 die Beklagte zu verurteilen festzustellen, dass er nicht zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose gemäß § 55 Abs. 1 SGB XI verpflichtet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Angesichts der Rechtsprechung des BSG sei keine andere Entscheidung möglich. Das Urteil des SG sei daher zu bestätigen.

Der Berichterstatter des Senats hat durch Verfügung vom 21. Juni 2010 ausführliche Hinweise zum Streitgegenstand gegeben und darauf hingewiesen, dass das Gericht beabsichtige durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Die Verfügung ist der Beklagten am 01. Juli 2010 zugestellt worden, dem klägerischen Bevollmächtigten (spätestens) am 06. Oktober 2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat hat über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die mit dem Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 11. Februar 2009 ist nicht zu beanstanden.

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 05. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide der Beklagten vom 22. Januar 2008. Streitgegenstand ist das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung. Der Streitgegenstand wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, d. h. durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts bestimmt (BSG SozR 4-1500 § 51 Nr. 4 m.w.N.). Dem Klageantrag liegt die Rechtsbehauptung zugrunde, das Gericht habe im Sinne des Antrags zu entscheiden. Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG). Demgemäß wird der Streitgegenstand vorliegend dadurch bestimmt, dass der Kläger ausdrücklich nur die Aufhebung des Bescheids vom 05. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 bzw. hilfsweise unter Aufhebung dieser Bescheide die Verurteilung der Beklagten zu der Feststellung begehrt, er sei nicht zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose gemäß § 55 Abs. 1 SGB XI verpflichtet.

Regelungsgehalt des Bescheids vom 05. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 ist zweierlei: Zum einen hat die Beklagte ihre drei Bescheide vom 22. Januar 2008 betreffend die Beitragsfestsetzung für die Zeiträume vom 01. Januar 2005 bis 01. Mai 2006 (Verletztengeld), 10. November bis 17. November 2007 (Krankengeld) und ab 18. November 2007 (Verletztengeld) zurückgenommen. Zum anderen enthält der Bescheid vom 05. März 2008 die Regelung, der Kläger sei ab 01. Januar 2005, da er die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 SGB XI erfülle, zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose zur Pflegeversicherung dem Grunde nach verpflichtet. Diese Ausführungen hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 wiederholt und ausführlicher begründet.

Der Kläger hat seine Klage und seine Berufung auf keine der beiden Regelungen des Bescheids vom 05. März 2008 begrenzt, sondern diesen Bescheid in vollem Umfang im gerichtlichen Verfahren angegriffen.

2. Soweit sich der Kläger gegen die im Bescheid der Beklagten vom 05. März 2008 enthaltene Rücknahme der Bescheide vom 22. Januar 2008 wendet, ist die Klage bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass eigene Rechte des Klägers dadurch verletzt worden sind, dass seinem mit drei Widersprüchen geltend gemachten Begehren, die Bescheide der Beklagten vom 22. Januar 2008 aufzuheben, entsprochen worden ist.

3. Soweit mit dem Bescheid vom 05. März 2008 und dem Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 die Beklagte festgestellt hat, der Kläger sei dem Grunde nach zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose nach Maßgabe des § 55 Abs. 3 SGB XI verpflichtet, ist die Klage zulässig, denn eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten durch diesen belastenden Verwaltungsakt ist nicht ausgeschlossen. Klage und Berufung sind indes unbegründet, denn die beklagte Pflegekasse hat - wie vom SG zutreffend ausgeführt - zu Recht festgestellt, dass der Kläger ab 01. Januar 2005 zur Zahlung eines Beitragszuschlags in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten zur Pflegeversicherung verpflichtet ist.

Gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI (eingefügt durch Art. 1 Kinderberücksichtigungsgesetz vom 15. Dezember 2004, BGBl. I S. 3448) erhöht sich ab 01. Januar 2005 der nach § 55 Abs. 1 SGB XI geltende Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung von 1,7 Prozent um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose) mit dem Ablauf des Monats, in dem das Mitglied das 23. Lebensjahr vollendet hat. Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Versicherten (§ 58 Abs. 1 Satz 3, 59 Abs. 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist von versicherten Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und § 3 SGB I (§ 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI) zu entrichten. Gemäß § 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI zahlen vor dem 01. Januar 1940 geborene Versicherte den Beitragszuschlag nicht, auch von Wehr- und Zivildienstleistenden sowie von Beziehern von Arbeitslosengeld II ist er nicht zu erheben.

Die beklagte Pflegekasse war für die getroffene Entscheidung zuständig (BSG SozR 3-3300 § 20 Nr. 5).

Entgegen dem klägerischen Vorbringen enthält der Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 gegenüber dem Bescheid vom 05. März 2008 keine neuen oder dem Bescheid vom 05. März 2008 widersprechenden Regelungen. Vielmehr wird jeweils festgestellt, der Kläger sei zur Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose zur sozialen Pflegeversicherung verpflichtet. Der Bescheid vom 05. März 2008 enthält nicht etwa, wie vom Kläger beanstandet, die Feststellung, für diese Entscheidung sei die Krankenkasse zuständig. Vielmehr hat die Beklagte lediglich ausgeführt, dass für die Beitragsfestsetzung, also die Berechnung des Beitrags der Höhe nach die Krankenkasse zuständig sei. Für die Feststellung der Pflicht des Klägers zur Zahlung des Beitragszuschlags als solcher dem Grunde nach hat die beklagte Pflegekasse bereits im Bescheid vom 05. März 2008 ebenso wie im Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 zutreffend ihre Zuständigkeit bejaht. Die Beklagte hat somit mit dem Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 keine neuen Regelungsgegenstände in das Verfahren eingeführt, die eine zusätzliche Beschwer des Klägers gegenüber dem Bescheid vom 05. März 2008 mit sich gebracht hätten und zu denen eine gesonderte Anhörung erforderlich gewesen wäre.

Der 1967 geborene Kläger hat seit dem 01. Januar 2005 gemäß § 60 Abs. 5 i. V. mit § 59 Abs. 5 SGB XI aus seinen beitragspflichtigen Einnahmen Pflegeversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung des zusätzlichen Beitragszuschlags für Kinderlose zu zahlen. Er gehört nicht zu den Personen, die von dieser Verpflichtung ausgenommen sind. Er ist kinderlos, hat das 23. Lebensjahr vollendet und die Ausnahmen des § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI liegen nicht vor. Auf die Gründe der Kinderlosigkeit kommt es nach dem gesetzlichen Wortlaut nicht an.

§ 55 Abs. 3 SGB XI ist auch nicht verfassungswidrig, insoweit er ungewollt kinderlos gebliebene Versicherte zur Zahlung des Beitragszuschlags von 0,25 Beitragssatzpunkten verpflichtet (vgl. BSG SozR 4-3300 § 55 Nr. 2; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG durch Beschluss vom 02. September 2009 - Az. 1 BvR 1997/08 - nicht zur Entscheidung angenommen; BSG, Urteil vom 05. Mai 2010 - B 12 KR 14/09 R -, in juris; Urteile des erkennenden Senats vom 05. Oktober 2007- L 4 R 394/07 -, nicht veröffentlicht und vom 26. Oktober 2007 - L 4 P 5935/06 -, in juris). Das Grundgesetz (GG) verpflichtet den Gesetzgeber entsprechend dem Urteil des BVerfG vom 03. April 2001 (SozR 3-3300 § 54 Nr. 2 S. 12 m.w.N.) dazu, bei der gebotenen Differenzierung der Beitragshöhe den so genannten generativen Beitrag zu berücksichtigen und die beitragspflichtigen Mitglieder mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Die gebotene Berücksichtigung des so genannten generativen Beitrags rechtfertigt es, an die Stellung als Eltern anzuknüpfen, ohne danach zu differenzieren, ob und inwieweit Eltern in der Erziehungsphase tatsächlich im Einzelfall Nachteile entstehen und inwieweit Kinder tatsächlich später zur sozialen Pflegeversicherung Beiträge leisten. Das BVerfG hat in dem genannten Urteil ausgeführt, Art. 3 Abs. 1 i. V. mit Art. 6 Abs. 1 GG sei dadurch verletzt, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch werde die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die aus dieser Betreuungs- oder Erziehungsleistung im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen würden, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Da auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen sei und an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit bestehe, seien Erziehungsleistungen zugunsten der Familie in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen. In Umsetzung der Vorgaben des BVerfG hat der Gesetzgeber die hier anzuwendenden Regelungen zum Beitragszuschlag für Kinderlose geschaffen und dabei auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 2 GG verletzt (BSG SozR 4-3300 § 55 Nr. 2). Insbesondere sind die Nachteile von Eltern durch den so genannten generativen Beitrag, also durch die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder, bzw. die Vorteile kinderlos gebliebener Versicherter dadurch, dass sie diesen Beitrag nicht leisten, unabhängig davon, auf welchen Ursachen die Kinderlosigkeit beruht. Es handelt sich bei dem Beitragszuschlag für Kinderlose somit nicht um eine Vorschrift mit Strafcharakter, sondern um die beitragsrechtliche Kompensation der Erziehungs- und Betreuungsleistung, bei deren Berücksichtigung eine gewisse Pauschalierung aus Gründen der Verwaltungspraxis zulässig ist.

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten die Gründe, warum jemand keine Kinder hat, für die Zuschlagspflicht keine Rolle spielen; eine Motivforschung, warum jemand keine Kinder hat, könne und solle es nicht geben; es gehe auch nicht darum, Kinderlose zu bestrafen (vgl. Bundestags-Drucksache 15/3671 S. 5). Das BVerfG hat vor allem auch darauf abgestellt, dass Kinder erziehende Versicherte nicht nur einen zeitlichen Aufwand für die Kindererziehung erbringen müssen, sondern auch finanzielle Belastungen zu tragen haben, die bei kinderlosen Versicherten nicht auftreten. Hieran hat das BVerfG in erster Linie die verfassungswidrige Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen festgemacht. Dieser Umstand tritt allerdings in allen Gruppen der kinderlosen Versicherten auf, unabhängig davon, ob die Kinderlosigkeit auf einer eigenen Entscheidung, auf medizinischen oder sonstigen Gründen beruht. Auch Versicherte die zwar Kinder wünschen, sie aber aus den verschiedensten Gründen nicht bekommen können, sind im Regelfall weder daran gehindert, durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt zu sein, noch sind sie in finanzieller Hinsicht hierdurch eingeschränkt. Eine weitere Differenzierung der Beitragslast innerhalb der Gruppe der Kinderlosen ist deshalb aus der Sicht des Senats nicht angezeigt (vgl. bereits Urteile des Senats vom 05. Oktober 2007 und 26. Oktober 2007, Az. L 4 P 5935/06, a.a.O.).

4. Im Hilfsantrag ist die Berufung zulässig, jedoch ebenfalls nicht begründet. Insoweit ist bereits die Klage unzulässig und vom SG im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden. Der Kläger hat ausdrücklich nicht eine Feststellungsklage erhoben, sondern die Verurteilung der Beklagten zu einer Feststellung begehrt. Klageziel ist insoweit, dass die Beklagte das Nichtbestehen der Pflicht zur Zahlung des Beitragszuschlags feststellen soll. Dieses Klageziel kann aber bereits mit der reinen Anfechtungsklage dahingehend, den die Beitragspflicht feststellenden Verwaltungsakt aufzuheben, erreicht werden. In einem solchen Fall ist eine zusätzliche Leistungsklage unzulässig (BSGE 59, 227).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenentscheidung umfasst auch das gesamte Widerspruchsverfahren, das zu dem Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 führte. Denn zu den Kosten, über deren Erstattung das Gericht zu befinden hat, gehören die gesamten (außergerichtlichen) Kosten des Rechtsstreits und daher nach § 193 Abs. 2 SGG auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen für ein Vorverfahren (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 15/10 R -, in juris).

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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