L 20 AS 2022/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 168 AS 21634/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 2022/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. November 2009 aufgehoben und die Klage abge-wiesen. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten betreffend den Leistungszeitraum 29. Dezember 2008 bis 31. März 2009.

Der 1977 geborene Kläger bezog von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensun-terhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit September 2007. Er bewohnte eine 51 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Bruttokaltmiete von 328 EUR. Die für die Heizung an den Gasversorger zu entrichtenden Abschläge betrugen 75 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 13. August 2008 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 in Höhe von 679 Euro monatlich, die sich aus der Regelleistung in Höhe von 351 EUR und Kosten der Un-terkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 328 EUR zusammensetzten. Am 4. Februar 2009 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag für den anschließenden Bewilligungszeitraum und gab hierbei an, dass sich in seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere was den Familienstand und die Wohnverhältnisse betrifft, keine Änderungen ergeben hätten (Verwaltungsvorgang Blatt 80 R). Mit Bescheid vom 6. Februar 2009 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. September 2008 bis zum 28. Februar 2009 und gewährte Leistungen in Hö-he von 747,36 EUR monatlich, wobei sich die KdU auf 396,36 EUR beliefen. Mit weiterem Bescheid vom 6. Februar 2009 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhaltes für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 ebenfalls in Höhe von 747,36 EUR monatlich.

Am 10. Dezember 2008 schloss der Kläger in den USA die Ehe mit der australischen Staatsan-gehörigen TS. Am 29. Dezember 2008 zog Frau S., die weder über Einkommen noch über eine Arbeit verfügte, in die Wohnung des Klägers ein. Nachdem die Eheleute am 12. März 2009 eine vom Standesamt F von B ausgestellte Eheurkunde erhalten hatten, beantragte und erhielt Frau S. am 16. März 2009 eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Am 12. März 2009 beantragte sie beim Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld).

Der Beklagte hob daraufhin ohne vorherige Anhörung mit Aufhebungs- und Erstattungsbe-scheid vom 24. März 2009 die Bescheide vom 6. Februar 2009 über die Bewilligung von Leis-tungen an den Kläger für die Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 31. März 2009 teilweise auf und forderte die Erstattung von insgesamt 580,67 EUR. Aufgrund der Aufnahme der Ehefrau in die Bedarfsgemeinschaft habe dem Kläger nur die Hälfte der Kosten der Unterkunft sowie die Re-gelleistung eines Ehegatten zugestanden. Ein Anspruch der Ehefrau sei erst mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ab 16. März 2009 entstanden. Mit weiterem, als Änderungsbescheid be-zeichnetem Bescheid vom 24. März 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehe-frau Leistungen für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 und hierbei Leistungen an die Ehefrau des Klägers ab dem 16. März 2009 und Leistungen an den Kläger für die Zeit vom 1. bis 15. März 2009 in Höhe von 158 Euro unter Zugrundelegung des Mischregelsatzes sowie KdU in Höhe des hälftigen Mietanteils von 99,09 Euro. Dieser Bescheid wurde bestandskräf-tig.

Am 15. April 2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbe-scheid und machte geltend, er sei durch Fehlinformationen davon ausgegangen, dass sich seine Ehefrau erst im Arbeitsamt anmelden könne, nachdem die Ehe in Deutschland beurkundet wur-de. Aufgrund von Problemen wegen der Nachbeurkundung von Geburtsurkunden und der Hochzeiturkunde habe er die Eheurkunde erst am 12. März 2009 erhalten und seine Frau auch erst am 15. März 2009 die eigentliche Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten können. Lei-der sei es nicht möglich, eine Bedarfsgemeinschaft rückwirkend zu melden, sonst hätte er dies getan.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2009 zurück. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 45 i. V. m. § 50 Abs. 1 SGB X. Der Kläger habe es unterlassen mitzuteilen, dass er zum einen geheiratet hatte und zum anderen, dass seit dem 29. Dezember 2009 seine Ehefrau bei ihm in der Wohnung wohnte. Die Entscheidung vom 6. Feb-ruar 2009 habe somit auf Angaben beruht, die der Kläger unvollständig gemacht habe. Der Kläger hätte jedenfalls bei Antragstellung am 4. Februar 2009 die Frage nach der Änderung in den persönlichen Verhältnissen korrekt beantworten müssen, dies habe er nicht getan. Damit habe er grob fahrlässig seine Mitteilungspflicht verletzt und sei sein Vertrauen nicht schutz-würdig. Der Kläger habe unter Beachtung der tatsächlichen Verhältnisse nur Anspruch auf eine Regelleistung gemäß § 20 Abs. 3 SGB II in Höhe von 316 EUR gehabt. Ferner habe dem Kläger nach Einzug der Ehefrau lediglich noch ein hälftiger Bedarf an Unterkunftskosten zugestanden, tatsächlich bewilligt worden seien jedoch die gesamten Unterkunftskosten. Der Bedarf sei in-dividuell für jedes Bedarfsgemeinschaftsmitglied zu bestimmen.

Hiergegen hat der Kläger am 10. Juli 2009 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt und ergänzend vorgetragen hat, er habe nicht gewusst, dass seine Ehefrau als Ausländerin ein Recht auf Leistungen habe. Dass er seine Ehefrau nicht sofort an-gemeldet habe, hätte dem Beklagten Geld gespart. Seit der Anmeldung seiner Ehefrau würden sie mehr Geld erhalten, als er allein erhalten hatte.

Der Beklagte hat erstinstanzlich auf seine Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchs-bescheiden verwiesen. Mit Schriftsatz vom 20. August 2009 hat der Beklagte erklärt, er sei grundsätzlich bereit, auf die Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Regelleistungen in Höhe von 72 EUR zu verzichten, nicht jedoch auf die Rückforderung der Kosten der Unterkunft in Höhe von 509 EUR. Diesen Vergleichsvorschlag hat der Kläger nicht angenommen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 2. November 2009 den Aufhebungs- und Erstattungsbe-scheid des Beklagten vom 24. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2009 aufgehoben, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt und wegen der Abweichung von der Rechtsprechung des BSG die Berufung zugelassen.

Die Aufhebung der Regelleistung in Höhe von 2 Euro für Dezember 2008 und in Höhe von jeweils 35 Euro in den Monaten Januar und Februar 2009 sei rechtswidrig, da dem Kläger die Regelleistung ungekürzt in Höhe von 100% zugestanden habe. Zur Begründung hat es im we-sentlichen unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des 18. Senats des LSG Berlin-Brandenburg betreffend eine Bedarfsgemeinschaft, in der ein Partner Alg II und der andere Partner nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hatte (Beschluss vom 3. Mai 2007 – L 18 B 472/07 AS ER), ausgeführt dass auf den Kläger nach dem Sinn und Zweck der Norm der in § 20 Abs. 3 SGB II festgelegte so genannte Mischregelsatz ebenfalls nicht anzuwenden sei. Denn im Falle des Klägers würde eine Absenkung der Regelleistung bei ihm nicht durch Leistungen seines Partners, hier seiner Ehefrau, kompensiert werden. Die Ehe-frau hätte zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II gehabt, jedoch bei dem Beklagten keinen Antrag gestellt. Aus Gleichheitsgründen und wegen des verfassungs-rechtlich gebotenen Schutzes von Ehe und Familie dürfe der Kläger nicht gegenüber einem allein Stehenden schlechter gestellt werden und dürfe die Aufnahme seine Ehefrau nicht zu einer Kürzung seiner Regelleistung führen.

Auch die teilweise Aufhebung der Leistungen für Unterkunft und Heizung sei rechtswidrig gewesen. Vom Kopfteilprinzip des BSG sei ausnahmsweise abzuweichen. Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe allein der Kläger getragen, seiner Ehefrau hätten die Mittel gefehlt, einen Anteil beizutragen. Sie habe diese auch nicht durch eine Nebentätigkeit erwerben können. Soweit der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen sein solle, dass ein Abweichen vom Kopfteilprinzip generell nicht möglich sei, da die zur Deckung des eigenen Lebensunter-halts vorgesehenen Leistungen des SGB II nicht dazu bestimmt seien, den Empfänger in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber Dritten nach-zukommen, könne die Kammer dem im vorliegenden Fall nicht folgen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 18. November 2009 zugestellte Urteil am 3. Dezember 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend zu seinen Ausführungen im Wider-spruchsbescheid geltend gemacht, dass sich der Leistungsanspruch für jeden Hilfebedürftigen als Einzelanspruch darstelle und sich mithin die Beurteilung eines Anspruchs der Ehefrau auch nicht mittelbar auf den Einzelanspruch des Klägers auswirken könne. Der Einzelanspruch des Klägers sei niedriger gewesen als das tatsächlich an ihn Geleistete, so dass die Rückforderung korrekt erfolgt sei. Im Übrigen sei die Ehefrau des Klägers auch von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen.

Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt. Er sei mehrfach darüber belehrt worden, dass er tatsächliche Änderungen umgehend mitzuteilen habe. Es habe ihm oblegen, mitzuteilen dass eine Person bei ihm eingezogen sei. Diese Veränderung habe er erkennen können.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. November 2009 aufzuhe-ben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen In-halt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat den angefochtenen Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu Unrecht aufgehoben. Die Klage ist unbegründet. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 24. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage des Aufhebungsbescheides ist – wovon auch das Sozialgericht zu Recht aus-gegangen ist – § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs.1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –. Danach ist ein Leistungen bewilligender Verwal-tungsakt, der schon im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen ist (rechtswidriger be-günstigender Verwaltungsakt) auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Die fehlende Anhörung ist gemäß § 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 SGB X im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden (insoweit grundlegend BSG SozR 1200 § 34 a.F. Nr.1).

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtswidriger begünstigender Ver-waltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, sofern das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig ist, weil der Verwal-tungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentli-cher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Bei fehlendem Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X handelt es sich gemäß § 40 Abs.1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III um eine gebundene Entscheidung, d.h. die Behörde ist zur Aufhebung des Be-willigungsbescheides verpflichtet und darf keine Ermessenserwägungen anstellen.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Bewilligungsbescheide des Beklagten vom 6. Februar 2009, in der Gestalt des Änderungs-bescheides vom 24. März 2009, mit denen dem Kläger Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2009 gewährt wor-den waren, waren bezogen auf den Zeitraum 29. Dezember 2008 bis zum 15. März 2009 be-reits bei ihrem Erlass rechtswidrig. Denn dem Kläger standen wegen der Aufnahme seiner Ehe-frau in die gemeinsame Wohnung die ihm gewährten Leistungen nicht in der vollen Höhe zu.

a) Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum entgegen der Auffassung des Sozialge-richts keinen Anspruch auf Gewährung der Regelleistung für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Ihm stand "nur" eine Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II zu.

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II betrug die monatliche Regelleistung für eine Person, die allein stehend oder allein erziehend ist oder deren Partner minderjährig ist, 351 EUR. Weder war der Kläger allein stehend noch allein erziehend noch war seine Partnerin minderjährig. Er lebte im streitgegenständlichen Zeitraum vielmehr mit seiner volljährigen Ehegattin zusam-men.

§ 20 Abs. 3 SGB II lautet: "Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Abs. 2". Der Kläger und seine Ehefrau waren und sind Partner einer Bedarfsgemeinschaft und volljäh-rig. Gemäß § 7 Abs. 3 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft der erwerbsfähige Hilfebe-dürftige (Nr. 1) und "als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen a) der nicht dauernd ge-trennt lebende Ehegatte " (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Dass die Ehefrau des Klägers mangels Antragstellung keine Leistungen nach dem SGB II erhielt, ist insofern unerheblich. Unerheblich ist auch, ob die Ehefrau von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war oder ob ihr grundsätzlich ein Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II zugestanden hätte. Die Frage der Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft einerseits und die Frage eines Leistungsausschlusses andererseits sind unabhängig voneinander zu beantworten (vgl. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommen-tar, 2. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 57). Das Gesetz geht davon aus, dass der – durch Leistungen der Grundsicherung zu deckende - Bedarf desjenigen, der mit einer oder weiteren Personen ge-meinsam wirtschaftet, aufgrund der Synergieeffekte des gemeinsamen Wirtschaftens vermin-dert ist gegenüber dem Bedarf eines Alleinstehenden (vgl. BSG, Urteile vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - RdNr 24, und vom 29. März 2007- B 7b AS 2/06 R – jeweils veröf-fentlicht in Juris). Der individuelle Bedarf des Partners einer Bedarfsgemeinschaft erhöht sich nicht dadurch, dass sein Partner - wegen eines Leistungsausschlusses - nicht zu den General-kosten des Haushalts beitragen kann. Auch in diesem Fall ist daher nach § 20 Abs. 3 SGB 2 die Regelleistung auf 90 v. H. zu mindern.

Dieses Ergebnis ist auch nicht durch eine einschränkende Auslegung von § 20 Abs. 3 SGB II bzw. eine analoge Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu korrigieren (vgl. für den Fall einer Bedarfsgemeinschaft aus Alg II- und AsylbLG-Leistungsempfängern: wie hier SG Duis-burg, Urteil vom 19. November 2009 - S 31 AS 261/08 - Juris; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03. Mai 2007 - L 18 B 472/07 AS ER – Juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. April 2010 - L 10 AS 1228/09 – Juris; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 20 RdNr 69).

Eine Regelungslücke ist nicht anzunehmen, da der Gesetzgeber in § 20 SGB II zwingende Re-gelsätze festgelegt und gleichzeitig mit § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Abs. 4a und 5 SGB II diverse Leistungsausschlüsse kodifiziert hat, ohne für diese Fälle eine abweichende Bemessung der Regelsätze vorzusehen. Das BSG hat wiederholt entschieden, dass der für einen Kläger als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst a SGB II) zu ermittelnde Grund-sicherungsbedarf den einschlägigen Regelungen der §§ 19 ff SGB II zu entnehmen ist, und zwar auch dann, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - RdNr 24, sowie Urteil v. 29. März 2007- B 7b AS 2/06 R – jeweils Juris). Denn der der Reduzierung der Regelleistung in § 20 Abs. 3 SGB II zugrunde liegende Gedanke der Haushaltsersparnis bei Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund der Synergieeffekte bei der Bedarfsdeckung (vgl. BSG a.a.O.) greift unabhängig davon, ob den Partnern Leistungen bzw. welche Leistun-gen diesen gewährt werden.

So ist beispielsweise auch wenn ein Partner einer Bedarfsgemeinschaft wegen der grundsätzli-chen Förderungsfähigkeit einer von ihm betriebenen Ausbildung nach dem BAföG gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen ist, ist nicht im Einzelnen zu ermitteln, ob und in welcher Höhe dieser Partner seine Bedarfe decken kann und ob in der Folge eine Anpassung der Regelleistung des im SGB II-Leistungsbezugs stehenden Partners vorzunehmen ist (vgl. SG Duisburg a.a.O.).

Der Senat folgt aus den genannten Gründen nicht der vereinzelt gebliebenen Rechtsauffassung, wonach der unmittelbare Anwendungsbereich des § 20 Abs. 3 SGB II auf Bedarfsgemeinschaf-ten aus zwei nach dem SGB II leistungsberechtigten Partnern begrenzt ist (LSG Berlin-Brandenburg - L 10 AS 1228/09 - a.a.O.). Insbesondere ist den Absätzen 2 und 3 des § 20 SGB II bereits nach deren Wortlaut nicht ein "Normzusammenhang" zu entnehmen, wonach Absatz 3 der Vorschrift lediglich eine (Verteilungs-) Regelung bei aus Leistungsberechtigten nach dem SGB II bestehenden Bedarfsgemeinschaft darstellt. Vielmehr kodifizieren die Absät-ze des § 20 SGB II jeweils unabhängig voneinander die Höhe der Regelleistung für bestimmte Personengruppen, wobei nicht etwa Absatz 2 Satz 1 einen "Grund-Regelsatz" und Absatz 3 die hiervon bestehenden Ausnahmen oder Verteilungsregelungen festlegt.

b) Dem Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum auch keinen Anspruch auf Übernahme der vollen Miete. Die ursprünglichen Bewilligungsbescheide waren insoweit rechtswidrig als bei der Bedarfsberechnung für den Kläger im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II die volle Wohnungsmiete berücksichtigt worden war. Nach Einzug seiner Ehefrau in die gemeinsame Wohnung waren für den Kläger nach dem Kopfteilprinzip (vgl. BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07 R – Juris) nur die hälftigen Kosten der Unter-kunft zu berücksichtigen.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, sind die Kosten für eine Unterkunft, die Hilfebedürftige gemeinsam mit anderen Personen nutzen, aus Praktikabili-tätsgründen im Regelfall anteilig pro Kopf aufzuteilen. Die gemeinsame Nutzung der Woh-nung lässt in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung nicht zu (Urteil des BSG vom 25. Juni 2008, B 11 b AS 45/06 R, m. w. Nachw.). Die für Unterkunft und Heizung erforderlichen Aufwendungen sind anteilmäßig auf alle Bewohner zu verteilen, sodass unabhängig von der (vertraglichen) Zahlungsverpflichtung auf jeden Bewohner ein (im Regelfall gleicher) Kosten-anteil entfällt.

Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der Wohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Das Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - (vgl. BVerwGE 79, 17) hat im Bereich der Sozial-hilfe eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen, wenn und soweit der Hilfefall durch sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände gekennzeichnet war, die ohne weiteres objektivierbar waren. Das konnte sowohl ein über das normale Maß hinausgehender Bedarf des Hilfesuchenden als auch eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft sein. Genannt wurden insbesondere Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit. Auch im Rah-men des § 22 SGB II kann in Sonderfällen ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl gerechtfertigt sein (BSGE 97, 265 = Urteil vom 23. Novem-ber 2006 - B 11b AS 1/06 R – Juris). Einen solchen Ausnahmefall begründet aber nicht, dass zu der die Unterkunft gemeinsam bewohnenden Bedarfsgemeinschaft eine weitere Person ge-hört, die von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist oder – wie hier – mangels An-tragstellung derartige, ihr grundsätzlich zustehende Leistungen nicht erhält (vgl. zur Haushalts-gemeinschaft mit einem Ausbildungsförderung beziehenden Kind: BSG, Urteil vom 27. Febru-ar 2008 - B 14/11b AS 55/06 R - Juris RdNr 19). Auch das SG hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, dass "die Ehefrau des Klägers durch eine frühzeitigere Antragstellung bei dem Beklagten für die Deckung ihres hälftigen Unterkunftsbedarfs [hätte] sorgen können".

Auch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen der § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III für die Rücknahme der Bewilligungsbe-scheide lagen vor. Insbesondere ist auch der Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt. Denn die Bewilligungsbescheide beruhten auf den vorsätzlich falschen Angaben des Klägers im Fortzahlungsantrag vom 4. Februar 2009, dass sich in seinen persönlichen Verhält-nissen, insbesondere was den Familienstand und die Wohnverhältnisse betrifft, keine Änderun-gen ergeben hätten.

Die Rückforderung der überzahlten Beträge ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sind zwingend, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreites.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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