L 4 KR 5196/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1478/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5196/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die gegenüber einem Arzt ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine ärztliche Tätigkeit gilt nicht für eine Tätigkeit als so genannter Fachreferent bei einem Pharmaunternehmen (vgl. bereits Urteil des Senats vom 23.01.2009 - L 4 R 738/06 -).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf EUR 13.016,26 festgesetzt.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird darüber geführt, ob der Beigeladene als Pharmaberater ("Fachreferent") von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) befreit ist oder die Beklagte von der Klägerin für den Beigeladenen zu Recht Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR 13.016,26 fordert.

Die Klägerin ist ein deutsches Tochterunternehmen eines israelischen Pharmakonzerns. Schwerpunkt des Unternehmens ist die Bekämpfung der Multiplen Sklerose (im Folgenden MS). In diesem Rahmen beschäftigt die Klägerin Pharmaberater/Pharmareferenten, von ihr als Wissenschaftliche Fachreferenten bezeichnet.

Der am 1964 geborene Beigeladene ist approbierter Arzt und seit 01. September 1991 nach Aufnahme einer Tätigkeit an einem Forschungsinstitut für Lungenkrankheiten und Tuberkulose in Berlin Mitglied des Versorgungswerks der Ärztekammer Berlin. Die Beklagte befreite ihn durch Bescheid vom 17. Dezember 1991 wegen dieser Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bescheid enthält den Hinweis, die Befreiung sei grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstrecke sich auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus auf längstens ein Jahr zeitlich begrenzt seien und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt würden.

Aufgrund Anstellungsvertrags vom 29./31. August 2003 nahm der Beigeladene zum 01. September 2003 eine Angestelltentätigkeit bei der Klägerin auf. Gemäß § 1 des Anstellungsvertrags sollte er als Wissenschaftlicher Fachreferent für Spezial-Außendienst Neurologie tätig sein (Nr. 1). Das Aufgabengebiet des Beigeladenen umfasse (Nr. 3) im Wesentlichen die umfassende Betreuung selektierter Zentren und Meinungsbildner für MS, die operative Umsetzung der entsprechenden Strategien, die Kooperation mit den Bereichen Marketing und Medizinische Wissenschaft der Klägerin und mit den Außendienstkollegen des Partners Aventis, die Organisation von Fortbildungsveranstaltungen und die Teilnahme an nationalen Fachkongressen. Das Bearbeitungsgebiet des Beigeladenen umfasse den Großraum Niedersachsen West und Teile Nordrhein-Westfalens (Nr. 4). Nebentätigkeiten waren untersagt oder jedenfalls genehmigungspflichtig (Nrn. 5 und 6 des Vertrags). Vereinbart war ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von EUR 5.500,00 und ein variabler Prämienanteil (§ 3 des Anstellungsvertrags). Die weiteren Bestimmungen des Vertrags entsprachen den Üblichkeiten des Arbeitsrechts; besondere Bestimmungen über Sozialversicherung wurden nicht getroffen. Die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin endete am 31. März 2005. Seitdem ist der Beigeladene als Arzt tätig. Wegen der erfolgten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führte die Klägerin keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab.

Aufgrund einer Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum September 2001 bis September 2004 setzte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Oktober 2004 gegenüber der Klägerin eine Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung in Höhe von EUR 14.387,94 fest. Von den nachgeforderten Beiträgen entfielen auf den Beigeladenen für den Zeitraum vom 01. September 2003 bis 30. September 2004 EUR 13.016,26. Der Beigeladene sei als Pharmareferent seit 01. September 2003 rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen und berufsfremde Beschäftigungen würden hiervon nicht erfasst. Pharmaberater/Pharmareferenten übten keinen von dem Recht auf Befreiung erfassten Kammerberuf aus. Hiergegen erhoben die Klägerin und der Beigeladene Widerspruch. Der Beigeladene vertrat die Auffassung, er unterliege nicht der Rentenversicherungspflicht. Eine berufsfremde Tätigkeit liege nicht vor. Die berufliche Tätigkeit eines Arztes umfasse nicht nur die reine Tätigkeit der Behandlung von Patienten, sondern auch Tätigkeiten, bei welchen Kenntnisse verwertet würden, die aufgrund der ärztlichen Tätigkeit erworben worden seien und die Gegenstand der ärztlichen Ausbildung, Fort- und Weiterbildung seien. Im Übrigen sei er nur vorübergehend tätig. Die Beschäftigung sei als Übergangslösung gedacht und nicht auf Dauer angelegt. Mit zwei an die Klägerin und an den Beigeladenen gerichteten Widerspruchsbescheiden vom 15. Februar 2006 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2004 - auch bezüglich eines weiteren hier nicht beteiligten Mitarbeiters - zurück. Die Wirksamkeit einer Befreiung richte sich nach der konkret ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit. Soweit es sich um eine dem jeweiligen Kammerberuf - eines Arztes oder Apothekers - entsprechende Tätigkeit handle, sei die Befreiung wirksam. Sie wirke hingegen nicht, soweit eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt werde. Die Befreiung sei insoweit gegenstandslos. Die Tätigkeit als Pharmaberater sei grundsätzlich nicht eine dem Kammerberuf entsprechende und damit zur Befreiung berechtigende Tätigkeit. Eine Tätigkeit werde nicht schon deshalb zu einer berufsspezifischen eines Arztes, nur weil sie von einem solchen ausgeübt werde. Pharmaberater/Pharmareferenten seien Außendienst- und Vertriebsmitarbeiter pharmazeutischer Unternehmen, deren Tätigkeit dadurch geprägt sei, dass sie die Angehörigen der Heilberufe informierten und berieten. Voraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit sei eine entsprechende Fortbildung zum Pharmaberater, für die lediglich eine abgeschlossene Ausbildung und entsprechende Berufspraxis in einschlägigen Tätigkeiten vorausgesetzt werde. Es handle sich nicht um eine berufsspezifische nur von einem approbierten Arzt auszuübende Beschäftigung. Im Übrigen sei das Beschäftigungsverhältnis weder nach seiner Eigenart noch vertraglich im Voraus befristet gewesen.

Mit der am 28. März 2006 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Beigeladene (Beschluss des SG vom 21. August 2007) sei als Mitglied des Versorgungswerks der Ärztekammer Berlin von der Rentenversicherungspflicht befreit. Es sei verfehlt anzunehmen, die Tätigkeit habe nicht der eines Kammerberufs entsprochen. Vielmehr sei sie berufsspezifisch gewesen. Der Beigeladene sei neben dem Vertrieb dafür verantwortlich gewesen, wissenschaftliche Vorträge und Beratungen zum Themenkreis der MS zu halten. Er habe Vortragsveranstaltungen nicht nur vor Patienten- oder Selbsthilfegruppen, Schwestern und Pflegepersonal abgehalten, sondern auch in neurologischen Qualitätszirkeln und Abteilungen von Krankenhäusern vor Fachärzten. Die Vorbildung als praktizierender Facharzt sei unabdingbare Voraussetzung gewesen. Der Beigeladene habe fachkompetent den Zuhörern Rede und Antwort stehen müssen. Dies habe allein aus der vorangegangenen Tätigkeit als Arzt und entsprechender Erfahrung resultiert. Die Kompetenz habe weit über das hinausgehen müssen, was zum Verkauf des vertriebenen Produkts erforderlich gewesen sei. Die Veranstaltungen hätten die gesamte Indikation und die besonderen medizinischen Problemkreise im Zusammenhang mit der Behandlung von MS-Patienten umfasst. Mithin sei die Tätigkeit weit über die eines Pharmaberaters hinausgegangen. Letztere würden nicht ohne Weiteres Wissenschaftlichkeit in Anspruch nehmen. Hierdurch sei die Tätigkeit des Beigeladenen nicht gekennzeichnet gewesen. Es sei dabei zu verbleiben, dass von der ärztlichen Tätigkeit auch solche Tätigkeiten erfasst würden, bei welchen Kenntnisse vorausgesetzt und angewandt würden, die aufgrund praktizierter ärztlicher Tätigkeit und Behandlung erworben worden seien. Nur aufgrund des abgeschlossenen Medizinstudiums sowie jahrelanger einschlägiger Behandlung sei es dem Beigeladenen möglich gewesen, wissenschaftliche Vorträge zu halten. Der Umstand, dass Produkte der Klägerin angeboten worden seien, bedinge dann keine berufsfremde Tätigkeit. Etwa die Beitragsordnung der Sächsischen Landesärztekammer erfasse als ärztliche Tätigkeit auch solche in Lehre und Forschung, in Industrie, Wirtschaft und Medien, in der Verwaltung und im öffentlichen Dienst. Letztlich sei auch im Hinblick auf die Kontinuität der Rentenanwartschaft angezeigt, möglichst weitgehend die Anwartschaft im Versorgungswerk zu belassen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Gemäß § 75 Abs. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) könnten auch Personen mit einem anderen beruflichen Werdegang als Pharmaberater tätig sein. Demgemäß handele es sich nicht um eine berufsgruppenspezifische Beschäftigung von Ärzten. Dass diese besonders gute Voraussetzungen mitbrächten, reiche im Befreiungsrecht nicht aus, um von einer berufsgruppenspezifischen Beschäftigung auszugehen. Auf die Begriffsdefinition in den Satzungen der Versorgungswerke könne nicht abgestellt werden. Diese sähen regelmäßig jede Tätigkeit, bei der die im Studium erworbenen Kenntnisse vorausgesetzt und eingesetzt würden, als ärztliche Tätigkeit an. Dies gehe über den Tätigkeitsbezug des Befreiungsrechts hinaus. Es habe sich nicht um die Ausübung des ärztlichen Berufs im Sinne der Heilkunde am Menschen gehandelt. Pharmaberater seien dagegen Außendienst- oder Vertriebsmitarbeiter, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestehe, die Heilberufsangehörigen über die Produkte des Unternehmens zu informieren. Dass es zu Überschneidungen mit den Aufgaben eines Arztes komme, reiche nicht aus, von einer berufsgruppenspezifischen Beschäftigung auszugehen.

Der Beigeladene äußerte sich nicht.

Durch Urteil vom 18. September 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, bei der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin habe es sich um keine Beschäftigung als Arzt gehandelt. Diese werde vielmehr in ihren wesentlichen Punkten durch die Vertriebstätigkeit geprägt. Die wissenschaftlichen Vorträge, zu welchen Vorbildung und Fachwissen benötigt worden seien, hätten nur einen geringen Teil der Tätigkeit eingenommen. Dies ergebe sich schon aus der Beschreibung des Aufgabengebiets in § 1 Nr. 3 des Anstellungsvertrages. Hiermit sei das typische Berufsbild eines Pharmareferenten umrissen, das sich von demjenigen eines Arztes wesentlich unterscheide. Der wissenschaftliche Fachreferent, wie die Bezeichnung nach dem Anstellungsvertag laute, unterliege von vornherein einem anderen Berufsethos als der Arzt, der einzig und allein das Wohl seiner Patienten im Auge zu haben habe. Die als unabdingbar betrachtete ärztliche Kompetenz mache die Tätigkeit nicht zu einer ärztlichen.

Gegen das am 13. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. November 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie verbleibt dabei, der Beigeladene sei in seiner Eigenschaft als Arzt als "Fachreferent" für Spezial-Außendienst Neurologie tätig gewesen. Schon diese Bezeichnung deute auf ein wesentlich anderes Berufsbild als das des Pharmareferenten hin. Die vom Beigeladenen zu haltenden wissenschaftlichen Vorträge seien ohne die ärztliche Ausbildung und Tätigkeit nicht denkbar gewesen. Vertrieb und die damit einhergehende Information und Beratung hätten nicht den wesentlichen Teil der Tätigkeit ausgemacht. Für die Referate in Qualitätszirkeln und Kliniken sei die Vorbildung als praktizierender Facharzt unabdingbare Voraussetzung gewesen. Es habe eine medizinisch-wissenschaftlich ausgerichtete und damit ärztliche Tätigkeit in Bezug auf das Krankheitsbild der MS vorgelegen. Ob eine ärztliche Tätigkeit vorliege, dürfe nicht mit Blick auf die reine Patientenbehandlung gesehen werden. Auch sei nochmals auf den Grundsatz der Kontinuität der Rentenanwartschaften hinzuweisen. In der Person des Beigeladenen sei der Außendienst der Klägerin speziell mit einem Arzt zu verstärken gesucht worden. Demgemäß seien die Aufgaben speziell auf medizinische Erfordernisse abgestimmt gewesen, die von den normalen Außendienstlern nicht hätten erledigt werden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. September 2008 und den Bescheid vom 28. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2006 aufzuheben, soweit für den Beigeladenen Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR 13.016,26 nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Fachkenntnisse des Arztes seien für den Vertrieb von Produkten von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich. Zu den Aufgaben des wissenschaftlichen Fachreferenten zähle die optimale Bewerbung medizinischer Produkte mit dem Ziel einer Umsatzsteigerung. Auf die Sachkenntnisse als Arzt dürfe es nicht ankommen (Verweis auf Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2009 - L 4 R 738/06 - in Juris). Die Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses entspreche nicht dem Berufsethos als Arzt.

Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 18. September 2008 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 28. Oktober 2004 (Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006) ist, soweit - wie hier angefochten - von der Klägerin für den Beigeladenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von EUR 13.016,26 gefordert werden, als rechtmäßig zu bestätigen.

Versicherungspflichtig und damit beitragspflichtig in der Rentenversicherung sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Zu diesem Personenkreis hat der Beigeladene in der hier streitigen Zeit vom 01. September 2003 bis 30. September 2004 gehört. Versicherungs- und Beitragspflicht gilt jedoch nicht für Personen, die nach besonderen Vorschriften von der Versicherungspflicht befreit sind. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der seit 01. Januar 1996 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824) gilt: Von der Versicherungspflicht werden befreit Angestellte oder selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI entscheidet über die Befreiung der Träger der Rentenversicherung, nachdem die für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständige oberste Verwaltungsbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt hat. Die Befreiung wirkt nach § 6 Abs. 4 SGB VI vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nur dann auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet (Satz 2 der Vorschrift).

Hiernach gilt die Befreiung, auch wenn sie - wie im Fall des Beigeladenen durch Bescheid vom 17. Dezember 1991 - bereits vor dem 01. Januar 1992 ausgesprochen wurde (vgl. § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), nicht personen-, sondern beschäftigungs- oder tätigkeitsbezogen. Sie gilt nur für diejenige Tätigkeit, für die sie erteilt worden ist. Lediglich eine nur vorübergehende berufsfremde Tätigkeit führt nicht zum Wechsel des Alterssicherungssystems (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 22. Oktober 1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr. 12). Wird eine berufsfremde Tätigkeit ausgeübt, für welche die Befreiung nicht erteilt worden ist, wird der Befreiungsbescheid für diese andere Tätigkeit gegenstandslos und bedarf verfahrensrechtlich keiner Aufhebung wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse, um Versicherungs- und Beitragspflicht zur Rentenversicherung für die berufsfremde Tätigkeit entstehen zu lassen (BSG a.a.O.).

Der Beigeladene ist vor der Aufnahme der hier zu beurteilenden Tätigkeit von der Beklagten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI - obgleich zum Zeitpunkt der Erlasses des entsprechenden Bescheids vom 17. Dezember 1991 noch die (im wesentlichen inhaltsgleiche) Bestimmung des § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) galt - von der Versicherungspflicht befreit worden, weil er seit 01. September 1991 Mitglied des Versorgungswerks der Ärztekammer Berlin war. Die Befreiung des Beigeladenen als approbierter Arzt ab 01. September 1991 gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung (Versorgungswerk der Ärztekammer Berlin), soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung (der Angestellten) zu zahlen wären. Die Befreiung ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Dies war gemäß Bescheid vom 17. Dezember 1991 und dem zugrunde liegenden Antrag die Tätigkeit beim Forschungsinstitut für Lungenkrankheiten und Tuberkulose in Berlin.

Der Beigeladene ist Mitglied der Berliner Ärztekammer aufgrund einer Beschäftigung als Arzt nach § 2 Abs. 1 Berliner Kammergesetz in der Fassung vom 04. September 1978 (GVBL S. 1937) geworden. Er war demgemäß verpflichtet, Mitglied der Versorgungseinrichtung der Ärztekammer zu werden (§ 4b Abs. 3 des zitierten Gesetzes und entsprechende Satzung der Kammer). Die Befreiung gilt ausdrücklich nur für Angestellte für die Beschäftigung, wegen der sie Mitglied der Kammer und der berufsständischen Versorgungseinrichtung dieser Kammer geworden sind. Die hier streitige Beschäftigung, gleich ob diejenige eines Pharmaberaters/Pharmareferenten oder, wie von der Klägerin bezeichnet, "Wissenschaftlichen Fachreferenten" ist nicht diejenige eines Arztes. Eine Approbation als Arzt ist rechtlich nicht gefordert. Insoweit handelte sich jeweils um eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, bei der auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI nicht vorlagen. Diese Tätigkeit erforderte nicht zwingend die Approbation als Arzt, d.h. die Befugnis, die Berufsbezeichnung Arzt führen zu dürfen, wie sie für die Tätigkeit erforderlich war, die der Beigeladenen ausgeübt hatte, als er befreit worden war. Die Aufgabe besteht, wie von der Beklagten zutreffend zitiert, gemäß der gesetzlichen Definition des § 75 Abs. 1 Satz 1 und 2 AMG darin, dass der Beschäftigte hauptberuflich Angehörige von Heilberufen aufsucht, um diese über Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AMG fachlich zu informieren. Diese Tätigkeit entspricht nicht dem typischen, durch Hochschulausbildung und Ausbildungsabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich eines Arztes, unabhängig davon, dass es für den approbierten Arzt im Einzelfall durchaus auch im Kern berufstypische, d.h. an die umfassende Hochschulausbildung anknüpfende und durch die Approbation dokumentierte umfassende Sachkenntnis erfordernde Tätigkeitsfelder in der Pharmaindustrie gibt. Insoweit ist, abgesehen vom "Geprüften Pharmareferenten" im Sinne der Verordnung vom 02. Mai 1978, Pharmaberater keine Berufs-, sondern eine Tätigkeitsbezeichnung, die eine typische (Mindest-)Sachkenntnis verlangt, um Angehörige von Heilberufen entsprechend informieren zu können. Inhalt und Umfang der Informationen, die der Referent an Angehörige der Heilberufe weiterzugeben hat, werden in der Regel vom Auftraggeber (hier der Klägerin) festgelegt. Dass für die Tätigkeit eine typische Sachkenntnis vorliegen muss, wird durch das mittlere Ausbildungsniveau der in § 75 Abs. 2 Nr. 2 AMG genannten Assistenten dokumentiert, nämlich der Apothekenassistenten sowie der Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung als Technischer Assistent in der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- und Veterinärmedizin. Diesem typischerweise mittleren Ausbildungsniveau entsprechen auch die Personen mit einer beruflichen Fortbildung als Geprüfter Pharmareferent nach § 75 Abs. 2 Nr. 3 AMG und der entsprechenden Verordnung über die berufliche Fortbildung zum Geprüften Pharmaberater. Daraus, dass nach § 75 Abs. 2 Nr. 1 AMG diese entsprechende typische Sachkenntnis auch Apothekern oder Personen mit einem Zeugnis über eine nach abgeschlossenem Hochschulstudium der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- oder Veterinärmedizin abgelegten Prüfung zugestanden wird, ergibt sich nicht, dass diese qualifizierten Hochschulausbildungen rechtlich zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit sind. Eine Informationstätigkeit über bestimmte Arzneimittel gehört nicht zum wesentlichen Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit. Der Gesetzgeber lässt es bei akademischem Ausbildungsniveau nach § 75 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AMG lediglich zu, dass ein approbierter Arzt als Berater arbeitet, ohne als Sachkundenachweis eine gesonderte Prüfung ablegen zu müssen. Allein der Umstand, dass die für die Tätigkeit als Pharmaberater oder Fachreferent typischerweise erforderliche Sachkenntnis als so genannte Teilmenge auch aufgrund der nach der Bundesärtzeordnung erforderlichen umfassenden Ausbildung (mit Prüfung) als Arzt unterstellt wird, rechtfertigt die Erstreckung der Befreiung eines Arztes, der später die Tätigkeit als Pharmaberater oder Fachreferent ausübt, auch auf diese andere Tätigkeit nicht. Die Berater- oder Referententätigkeit wird, auch wenn sie von einem approbierten Arzt ausgeübt wird, nicht zu einem typischen Kammerberuf (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 23. Januar 2009 - L 4 R 738/06 - in Juris, nach Rücknahme der zugelassenen Revision rechtskräftig).

Auf die für den Beigeladenen geltend gemachte überragende und singuläre Sachkompetenz bezüglich der Bekämpfung der Krankheit MS kann es nach alledem nicht ankommen. Auf den für den Beigeladenen noch geltend gemachten Grundsatz einer Kontinuität der Versorgungsanwartschaft kann es ebenfalls nicht ankommen, nachdem die Ausnahmebestimmung einer im Voraus begrenzten Tätigkeit (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI) ersichtlich nicht erfüllt war. Die hier streitige Tätigkeit war von der nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogenen Befreiung nicht erfasst

Da mithin die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die hier streitige Beschäftigung nicht gilt, hat die Beklagte zu Recht Beiträge zur Rentenversicherung für den Beigeladenen für die Zeit vom 01. September 2003 bis 30. September 2004 in Höhe von EUR 13.016,26 nachgefordert. Einwendungen gegen die Berechnung der Beiträge sind nicht ersichtlich und auch nicht erhoben worden. Die vierjährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs.1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist eingehalten. Sonstige Umstände, welche die Erhebung der Beiträge hindern würden, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Nachdem über den feststehenden Betrag von EUR 13.016,26 zu befinden war, ist dieser Betrag maßgeblich.
Rechtskraft
Aus
Saved