Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 5272/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 106/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 2. Juli 2008 bis zum 23. Juli 2008.
Der 1967 geborene Kläger war vom 1. September 2001 bis zum 25. Juni 2008 bei der P GmbH versicherungspflichtig beschäftigt und hatte Anspruch auf ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.000,- EUR, welches für die Monate Februar, März und April 2008 zunächst lediglich in Höhe von je 2.400,- EUR und für den Monat Juni 2008 nur in Höhe von 2.500,- EUR abgerechnet und gezahlt worden ist.
Mit Aufhebungsvereinbarung vom 25. Juni 2008 beendeten der Kläger sowie seine Arbeitgeberin das bestehende Arbeitsverhältnis zum selben Tage. In der Aufhebungsvereinbarung wurde u.a. festgelegt, dass die Arbeitgeberin die ausstehende Vergütung auf der Basis eines monatlichen Bruttogehalts von 3.000,- EUR bis zum Beendigungszeitpunkt zahlt und ordnungsgemäß hierüber abrechnet und überdies, dass sie dem Kläger entsprechend den §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine einmalige Abfindung von 14.000,- EUR zahlt, welche zum Beendigungszeitpunkt fällig wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufhebungsvereinbarung des Klägers mit der P GmbH vom 25. Juni 2008 Bezug genommen.
Am 2. Juli 2008 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ausweislich der auf Veranlassung der Beklagten ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 7. Juli 2008 betrug die Frist zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwei Monate zum Monatsende. In Ergänzung dieser Arbeitsbescheinigung teilte die Arbeitgeberin mit, dass "Herr J auch so gekündigt worden wäre, Termin siehe Aufhebungsvertrag".
Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis 31. August 2008 ab, da der Anspruch wegen des Erhalts einer Arbeitgeberleistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ruhe (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 21. Juli 2008). Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden. Im Falle einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin hätte diese bei Ausspruch der Kündigung unter Einhaltung der für sie geltenden Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende des Monats frühestens zum 31. August 2008 das Arbeitsverhältnis kündigen können. Somit liege ein Tatbestand des § 143a Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III) vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem er im Wesentlichen vortrug, das Arbeitsverhältnis nicht freiwillig beendet sowie ausstehende Gehaltsforderungen in Höhe von 2.850,- EUR brutto gehabt zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2008 als unbegründet zurück, wobei sie vorher mit endgültigem Bescheid vom 12. August 2008 über den Leistungsanspruch des Klägers abschließend entschieden hatte und der Kläger sich mit Wirkung zum 24. Juli 2008 wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte.
Die auf Gewährung von Alg für die Zeit vom 2. bis 23. Juli 2008 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin abgewiesen (Urteil vom 13. Januar 2010). Zur Begründung hat das SG auf die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt, die gezahlte Abfindung sei als Entlassungsentschädigung zu qualifizieren, wofür der Aufhebungsvertrag spreche sowie der Umstand, dass bezüglich der Ansprüche des Klägers auf rückständiges Arbeitsentgelt eine eigenständige Regelung getroffen worden sei.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: die Abfindung sei ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden und sei analog § 1a KSchG berechnet worden. Er habe eine Beschäftigungsalternative nicht gehabt und wäre durch den in der GmbH verbliebenen Geschäftsführer gekündigt worden. Soweit im Rahmen von Kündigungen nach § 1a KSchG durch die Arbeitsgerichte die Wirksamkeit einer Kündigung nicht überprüft werde, müsse dies auch für die SGe bei Streitigkeiten um die Gewährung von Alg gelten. Gleiches sei der Fall, wenn zwar nicht gekündigt werde, aber aus betriebsbedingten Gründen ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 18. Juli 2008, 21. Juli 2008 und 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 2. Juli 2008 bis zum 23. Juli 2008 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Dem Kläger steht ein Alg-Anspruch für die Zeit vom 2. bis 23. Juli 2008 nicht zu. Denn die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 25. Juni 2008 gewährte Abfindung hat zum Ruhen seines Anspruchs auf Alg für die streitige Zeit vom 2. Juli 2008 bis zum 23. Juli 2008 geführt. Die insoweit mit den Bescheiden vom 18. Juli 2008, 21. Juli 2008 und 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 getroffene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig.
Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die tatbestandlichen Vorausaussetzungen der genannten Vorschrift sind in der Person des Klägers in dem in Rede stehenden Zeitraum erfüllt. Denn der Kläger hat wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten und das Arbeitsverhältnis ist ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Dabei werden alle Fälle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasst (BSG, Urteil vom 20. Januar 2000 - B 7 AL 48/99 R – juris -).
Die Beklagte ist wie das SG zutreffend davon ausgegangen, dass danach ein Ruhen immer dann eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden ist und dem Arbeitnehmer eine der in § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III genannten Leistungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht oder gewährt worden ist. Beide Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers belief sich auf zwei Monate zum Monatsende, so dass eine wirksame ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wäre sie am 25. Juni 2008, dem Tag des Abschlusses des Aufhebungsvertrages erklärt worden, frühestens zum 31. August 2008 möglich gewesen wäre. Das Arbeitsverhältnis ist demnach ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet worden.
Die Abfindungszahlung in Höhe von 14.000,- EUR erfolgte auch in ursächlichem Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger die Abfindung ohne die Beendigung nicht erhalten hätte. Bei einer Aufhebungsvereinbarung – wie hier – unter Vereinbarung einer Abfindung ist dies zweifelsfrei der Fall (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 20). Eine Kausalität zwischen Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zuwendung, dh dass die Zuwendung ursächlich nur wegen der vorzeitigen Beendigung gezahlt worden ist, ist hingegen nicht erforderlich (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 1, 12; Düe in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage, § 143a Rn 15 mwN). Die dem § 143a Abs. 1 SGB III zugrunde liegende unwiderlegbare Vermutung, dass derartige Leistungen (Abfindungen etc.) nicht allein Entschädigung für sozialen Besitzstandsverlust sind, sondern auch Arbeitsentgeltansprüche abdecken, besteht nämlich in jedem Fall immer dann, wenn der Arbeitnehmer vorzeitig ausscheidet. Eine Kausalität zwischen Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zuwendung ist hingegen nicht erforderlich, weil eine Prüfung, ob eine Zuwendung im Einzelfall ausnahmsweise nicht einen Lohnausgleich, also die Widerlegung der § 143a Abs. 1 SGB III zugrunde liegenden Vermutung, nach dem Regelungskonzept gerade ausgeschlossen ist (vgl BSG, Urteil vom 14. März 1996 – 7 RAr 24/95 = DBlR § 117 Nr 4247). Der Gesetzgeber hat sich ganz bewusst für eine vereinfachte, typisierende Regelung entschieden und dementsprechend ist es u.a. unbeachtlich, ob die Abfindung auch gezahlt worden wäre, wenn die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden wäre (vgl BSG SozR 3 - 4100 § 117 Nr. 12).
Darüber hinaus muss der Senat die Frage, ob eine Anwendung der Regelung des § 143a SGB III im Fall der Gewährung einer Abfindung im Sinne des § 1a KSchG ausscheidet, nicht entscheiden, denn vorliegend ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die dem Kläger gewährte Abfindung sei nach § 1a KSchG gewährt worden. In der Tat hat das Bundessozialgericht (BSG) in Erwägung gezogen, in Fällen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung und Abfindungsgewährung nach § 1a KSchG im Rahmen der Prüfung des § 144 SGB III (Ruhen bei Sperrzeit) zugunsten des Arbeitnehmers das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu unterstellen, ohne die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu prüfen (BSG, Urteil vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 47/05 R – juris -). Allerdings weist die Abfindung, die der Kläger vorliegend erhalten hat, keinerlei Bezug zu der Regelung des § 1a KSchG auf. Der Kläger ist nicht betriebsbedingt gekündigt worden, sondern hat eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen. Auch war der Kläger sechs Jahre und nahezu zehn Monate beschäftigt, weshalb sich unter Beachtung von § 1a Abs. 2 Satz 1 und 3 KSchG eine Abfindung in Höhe von 10.500,- EUR (7 Jahre x 1.500,- EUR) ergeben würde, der Kläger indes hat 14.000,- EUR erhalten. In der Aufhebungsvereinbarung vom 25. Juni 2008 nehmen die Vertragsparteien ausdrücklich Bezug auf die Regelungen der §§ 9, 10 KSchG, wonach ein Abfindungsbetrag von bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen ist (§ 10 Abs. 1 KSchG). Abfindungen, die nach §§ 9, 10 KSchG geleistet werden, fallen unter den Anwendungsbereich des § 143a SGB III (vgl. für § 117 AFG: BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 48/86 – juris -). Für die Behauptung, der Abfindungsbetrag von 14.000,- EUR setze sich aus 10.500,- EUR Abfindungssumme und weiteren 3.500,- EUR für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt zusammen, findet sich kein Anhalt. Zum einen haben die Vertragsparteien zum rückständigen Arbeitsentgelt unter § 2 der Aufhebungsvereinbarung eine gesonderte Vereinbarung getroffen. Auch beträgt der von dem Kläger bezifferte Rückstand ausweislich seines Schreibens vom 04. August 2008 nur 2.850,- EUR und nicht, wie nunmehr behauptet, 3.500,- EUR. Andererseits ist auch nicht erkennbar, dass auf einen Teilbetrag der Abfindungssumme Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden sind, vielmehr sollte nach der Vereinbarung der Parteien des Vertrages hinsichtlich der Abfindungssumme die besondere Bestimmung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zur Besteuerung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen iSd § 24 Nr. 1a EStG Anwendung finden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen; dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Die Abfindung darf sich nicht als die bloße, ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen (BFH, Urteil vom 25. August 1993 - XI R 8/93 = BFHE 172, 338; BFH , Urteil vom 10. Oktober 2001 - XI R 54/00 – juris -).
Der Gesetzgeber geht indes in § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. in § 143a SGB III in typisierender Wertung davon aus, dass jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, in einem bestimmten, durch § 117 Abs. 3 AFG bzw. § 143a Abs. 2 SGB III pauschalierten Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält (vgl BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 4100 § 117 Nr 26, S 142; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6, S 36 ff; zustimmend der 11. Senat in BSGE 76, 294, 298 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12). § 117 Abs. 2 AFG enthielt bzw. § 143a Abs. 1 SGB III enthält damit die unwiderlegliche Vermutung, dass Abfindungen, die unter den Voraussetzungen dieser Regelung gewährt werden, in bestimmtem Umfang eine Entschädigung für Lohnausfall enthalten. Dies rechtfertigt es zur Vermeidung von Doppelleistungen (Lohn neben Lohnersatzleistungen), den Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen gewissen Zeitraum ruhen zu lassen (vgl BSG, Urteil vom 29. August 1991 - 7 RAr 68/90 = SozR 3-4100 § 117 Nr 5 S 29).
Da die ordentliche Kündigung frühestens zum 31. August 2008 möglich gewesen wäre, ruht der Anspruch des Klägers auf Alg jedenfalls im Streitzeitraum bis zum 23. Juli 2008 gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB III. Denn im Hinblick auf die mindestens zu 25 Prozent zu berücksichtigende Entlassungsentschädigung und ein nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr.1 SGB III gegenüber zu stellendes kalendertägliches Arbeitsentgelt von 93,86 EUR ergibt sich bereits ein Ruhenszeitraum von 37 Tagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 2. Juli 2008 bis zum 23. Juli 2008.
Der 1967 geborene Kläger war vom 1. September 2001 bis zum 25. Juni 2008 bei der P GmbH versicherungspflichtig beschäftigt und hatte Anspruch auf ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.000,- EUR, welches für die Monate Februar, März und April 2008 zunächst lediglich in Höhe von je 2.400,- EUR und für den Monat Juni 2008 nur in Höhe von 2.500,- EUR abgerechnet und gezahlt worden ist.
Mit Aufhebungsvereinbarung vom 25. Juni 2008 beendeten der Kläger sowie seine Arbeitgeberin das bestehende Arbeitsverhältnis zum selben Tage. In der Aufhebungsvereinbarung wurde u.a. festgelegt, dass die Arbeitgeberin die ausstehende Vergütung auf der Basis eines monatlichen Bruttogehalts von 3.000,- EUR bis zum Beendigungszeitpunkt zahlt und ordnungsgemäß hierüber abrechnet und überdies, dass sie dem Kläger entsprechend den §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine einmalige Abfindung von 14.000,- EUR zahlt, welche zum Beendigungszeitpunkt fällig wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufhebungsvereinbarung des Klägers mit der P GmbH vom 25. Juni 2008 Bezug genommen.
Am 2. Juli 2008 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ausweislich der auf Veranlassung der Beklagten ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 7. Juli 2008 betrug die Frist zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwei Monate zum Monatsende. In Ergänzung dieser Arbeitsbescheinigung teilte die Arbeitgeberin mit, dass "Herr J auch so gekündigt worden wäre, Termin siehe Aufhebungsvertrag".
Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis 31. August 2008 ab, da der Anspruch wegen des Erhalts einer Arbeitgeberleistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ruhe (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 21. Juli 2008). Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden. Im Falle einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin hätte diese bei Ausspruch der Kündigung unter Einhaltung der für sie geltenden Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende des Monats frühestens zum 31. August 2008 das Arbeitsverhältnis kündigen können. Somit liege ein Tatbestand des § 143a Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III) vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem er im Wesentlichen vortrug, das Arbeitsverhältnis nicht freiwillig beendet sowie ausstehende Gehaltsforderungen in Höhe von 2.850,- EUR brutto gehabt zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2008 als unbegründet zurück, wobei sie vorher mit endgültigem Bescheid vom 12. August 2008 über den Leistungsanspruch des Klägers abschließend entschieden hatte und der Kläger sich mit Wirkung zum 24. Juli 2008 wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte.
Die auf Gewährung von Alg für die Zeit vom 2. bis 23. Juli 2008 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin abgewiesen (Urteil vom 13. Januar 2010). Zur Begründung hat das SG auf die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt, die gezahlte Abfindung sei als Entlassungsentschädigung zu qualifizieren, wofür der Aufhebungsvertrag spreche sowie der Umstand, dass bezüglich der Ansprüche des Klägers auf rückständiges Arbeitsentgelt eine eigenständige Regelung getroffen worden sei.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: die Abfindung sei ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden und sei analog § 1a KSchG berechnet worden. Er habe eine Beschäftigungsalternative nicht gehabt und wäre durch den in der GmbH verbliebenen Geschäftsführer gekündigt worden. Soweit im Rahmen von Kündigungen nach § 1a KSchG durch die Arbeitsgerichte die Wirksamkeit einer Kündigung nicht überprüft werde, müsse dies auch für die SGe bei Streitigkeiten um die Gewährung von Alg gelten. Gleiches sei der Fall, wenn zwar nicht gekündigt werde, aber aus betriebsbedingten Gründen ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 18. Juli 2008, 21. Juli 2008 und 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 2. Juli 2008 bis zum 23. Juli 2008 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Dem Kläger steht ein Alg-Anspruch für die Zeit vom 2. bis 23. Juli 2008 nicht zu. Denn die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 25. Juni 2008 gewährte Abfindung hat zum Ruhen seines Anspruchs auf Alg für die streitige Zeit vom 2. Juli 2008 bis zum 23. Juli 2008 geführt. Die insoweit mit den Bescheiden vom 18. Juli 2008, 21. Juli 2008 und 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 getroffene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig.
Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die tatbestandlichen Vorausaussetzungen der genannten Vorschrift sind in der Person des Klägers in dem in Rede stehenden Zeitraum erfüllt. Denn der Kläger hat wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten und das Arbeitsverhältnis ist ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Dabei werden alle Fälle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasst (BSG, Urteil vom 20. Januar 2000 - B 7 AL 48/99 R – juris -).
Die Beklagte ist wie das SG zutreffend davon ausgegangen, dass danach ein Ruhen immer dann eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden ist und dem Arbeitnehmer eine der in § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III genannten Leistungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht oder gewährt worden ist. Beide Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers belief sich auf zwei Monate zum Monatsende, so dass eine wirksame ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wäre sie am 25. Juni 2008, dem Tag des Abschlusses des Aufhebungsvertrages erklärt worden, frühestens zum 31. August 2008 möglich gewesen wäre. Das Arbeitsverhältnis ist demnach ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet worden.
Die Abfindungszahlung in Höhe von 14.000,- EUR erfolgte auch in ursächlichem Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger die Abfindung ohne die Beendigung nicht erhalten hätte. Bei einer Aufhebungsvereinbarung – wie hier – unter Vereinbarung einer Abfindung ist dies zweifelsfrei der Fall (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 20). Eine Kausalität zwischen Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zuwendung, dh dass die Zuwendung ursächlich nur wegen der vorzeitigen Beendigung gezahlt worden ist, ist hingegen nicht erforderlich (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 1, 12; Düe in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage, § 143a Rn 15 mwN). Die dem § 143a Abs. 1 SGB III zugrunde liegende unwiderlegbare Vermutung, dass derartige Leistungen (Abfindungen etc.) nicht allein Entschädigung für sozialen Besitzstandsverlust sind, sondern auch Arbeitsentgeltansprüche abdecken, besteht nämlich in jedem Fall immer dann, wenn der Arbeitnehmer vorzeitig ausscheidet. Eine Kausalität zwischen Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zuwendung ist hingegen nicht erforderlich, weil eine Prüfung, ob eine Zuwendung im Einzelfall ausnahmsweise nicht einen Lohnausgleich, also die Widerlegung der § 143a Abs. 1 SGB III zugrunde liegenden Vermutung, nach dem Regelungskonzept gerade ausgeschlossen ist (vgl BSG, Urteil vom 14. März 1996 – 7 RAr 24/95 = DBlR § 117 Nr 4247). Der Gesetzgeber hat sich ganz bewusst für eine vereinfachte, typisierende Regelung entschieden und dementsprechend ist es u.a. unbeachtlich, ob die Abfindung auch gezahlt worden wäre, wenn die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden wäre (vgl BSG SozR 3 - 4100 § 117 Nr. 12).
Darüber hinaus muss der Senat die Frage, ob eine Anwendung der Regelung des § 143a SGB III im Fall der Gewährung einer Abfindung im Sinne des § 1a KSchG ausscheidet, nicht entscheiden, denn vorliegend ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die dem Kläger gewährte Abfindung sei nach § 1a KSchG gewährt worden. In der Tat hat das Bundessozialgericht (BSG) in Erwägung gezogen, in Fällen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung und Abfindungsgewährung nach § 1a KSchG im Rahmen der Prüfung des § 144 SGB III (Ruhen bei Sperrzeit) zugunsten des Arbeitnehmers das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu unterstellen, ohne die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu prüfen (BSG, Urteil vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 47/05 R – juris -). Allerdings weist die Abfindung, die der Kläger vorliegend erhalten hat, keinerlei Bezug zu der Regelung des § 1a KSchG auf. Der Kläger ist nicht betriebsbedingt gekündigt worden, sondern hat eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen. Auch war der Kläger sechs Jahre und nahezu zehn Monate beschäftigt, weshalb sich unter Beachtung von § 1a Abs. 2 Satz 1 und 3 KSchG eine Abfindung in Höhe von 10.500,- EUR (7 Jahre x 1.500,- EUR) ergeben würde, der Kläger indes hat 14.000,- EUR erhalten. In der Aufhebungsvereinbarung vom 25. Juni 2008 nehmen die Vertragsparteien ausdrücklich Bezug auf die Regelungen der §§ 9, 10 KSchG, wonach ein Abfindungsbetrag von bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen ist (§ 10 Abs. 1 KSchG). Abfindungen, die nach §§ 9, 10 KSchG geleistet werden, fallen unter den Anwendungsbereich des § 143a SGB III (vgl. für § 117 AFG: BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 48/86 – juris -). Für die Behauptung, der Abfindungsbetrag von 14.000,- EUR setze sich aus 10.500,- EUR Abfindungssumme und weiteren 3.500,- EUR für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt zusammen, findet sich kein Anhalt. Zum einen haben die Vertragsparteien zum rückständigen Arbeitsentgelt unter § 2 der Aufhebungsvereinbarung eine gesonderte Vereinbarung getroffen. Auch beträgt der von dem Kläger bezifferte Rückstand ausweislich seines Schreibens vom 04. August 2008 nur 2.850,- EUR und nicht, wie nunmehr behauptet, 3.500,- EUR. Andererseits ist auch nicht erkennbar, dass auf einen Teilbetrag der Abfindungssumme Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden sind, vielmehr sollte nach der Vereinbarung der Parteien des Vertrages hinsichtlich der Abfindungssumme die besondere Bestimmung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zur Besteuerung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen iSd § 24 Nr. 1a EStG Anwendung finden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen; dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Die Abfindung darf sich nicht als die bloße, ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen (BFH, Urteil vom 25. August 1993 - XI R 8/93 = BFHE 172, 338; BFH , Urteil vom 10. Oktober 2001 - XI R 54/00 – juris -).
Der Gesetzgeber geht indes in § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. in § 143a SGB III in typisierender Wertung davon aus, dass jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, in einem bestimmten, durch § 117 Abs. 3 AFG bzw. § 143a Abs. 2 SGB III pauschalierten Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält (vgl BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 4100 § 117 Nr 26, S 142; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6, S 36 ff; zustimmend der 11. Senat in BSGE 76, 294, 298 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12). § 117 Abs. 2 AFG enthielt bzw. § 143a Abs. 1 SGB III enthält damit die unwiderlegliche Vermutung, dass Abfindungen, die unter den Voraussetzungen dieser Regelung gewährt werden, in bestimmtem Umfang eine Entschädigung für Lohnausfall enthalten. Dies rechtfertigt es zur Vermeidung von Doppelleistungen (Lohn neben Lohnersatzleistungen), den Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen gewissen Zeitraum ruhen zu lassen (vgl BSG, Urteil vom 29. August 1991 - 7 RAr 68/90 = SozR 3-4100 § 117 Nr 5 S 29).
Da die ordentliche Kündigung frühestens zum 31. August 2008 möglich gewesen wäre, ruht der Anspruch des Klägers auf Alg jedenfalls im Streitzeitraum bis zum 23. Juli 2008 gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB III. Denn im Hinblick auf die mindestens zu 25 Prozent zu berücksichtigende Entlassungsentschädigung und ein nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr.1 SGB III gegenüber zu stellendes kalendertägliches Arbeitsentgelt von 93,86 EUR ergibt sich bereits ein Ruhenszeitraum von 37 Tagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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