Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 262/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zeigt ein Röntgenbefund nach fünfjähriger ergebnisloser kieferorthopädischer Behandlung eine beginnende Wurzelresorption und besteht bei unveränderter Fortsetzung der Behandlung die Gefahr, dass die Resorption zunimmt und/oder auch andere Zähne gefährdet werden, so ist die kieferorthopädische Behandlung abzubrechen. Wird die Therapie unverändert fortgesetzt, so liegt darin ein zum Schadensersatz verpflichtender Behandlungsfehler.
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Regress wegen kieferorthopädischer Behandlung der bei der Beigeladenen versicherten und 1987 geborenen Patientin C. in Höhe von 60 % der Behandlungskosten bzw. 2.561,01 EUR.
Die Klägerin war im strittigen Zeitraum als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in X-Stadt zugelassen.
Die Klägerin behandelte die Versicherte vom 17.05.1999 bis zum 14.12.2006 kieferorthopädisch. Die Versicherte brach die Behandlung ab und begab sich ab dem 12.07.2007 in die Behandlung der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie Frau Dr. med. dent. D.
Dr. E. vom medizinischen Dienst der Krankenkassen fertigte für die Beigeladene unter Datum vom 29.10.2007 ein Gutachten an. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, dass ein erneuter kieferorthopädischer Behandlungsbedarf bei der Versicherten bestehe (schwere Zahnstellungsanomalie). Im Rahmen der Untersuchung habe die Versicherte umfangreiche Probleme bezüglich der bisher vorgenommenen kieferorthopädischen Behandlung bzw. dem bisherigen Ergebnis geäußert. Insbesondere habe sich im Bereich der oberen Schneidezähne eine dauerhafte Zahnlockerung infolge Wurzelresorption ergeben; gleichfalls sei eine erhebliche Funktionsstörung infolge des verbliebenen Tiefbisses vorhanden. Die Patientenangaben hätten sich bei der Untersuchung und Unterlagensichtung bestätigt. Aus allgemein zahnmedizinischer Sicht stelle sich im Bereich der Zähne 12 – 22 und auch bei 16 die Situation mit extrem fragwürdiger Prognose bezüglich einer weiteren Zahnerhaltung dar, da die resorptionsbedingten Veränderungen der Zahnwurzel nicht reversibel bzw. nicht therapierbar erschienen. Die Patientin wünsche nunmehr eine erfolgversprechenden Behandlung sowie Korrektur der vorgenannten Probleme. Mangels eigener Fachkompetenz werde vorgeschlagen, eine erneute kieferorthopädische Begutachtung (nach Aktenlage) bzgl. des Ergebnisses der ausgeführten kieferorthopädischen Behandlung sowie auch zur Notwendigkeit und den Umfang einer erneuten kieferorthopädischen Behandlung sowie eine sozialmedizinische Beurteilung bezüglich einer möglichen Kostenübernahmeverpflichtung der GKV einzuleiten.
Die Beigeladene wandte sich unter Datum vom 08.09.2008 an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung eines Behandlungsfehlers sowie der Möglichkeit der Geltendmachung einer Forderung gem. § 21 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte. Für die Behandlung der Versicherten bei der Klägerin seien zwei Verlängerungsanträge über jeweils sechs Behandlungsquartale gestellt worden. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 14.12.2006 angezeigt, dass die Behandlung abgebrochen werde. Die Behandlung sei jedoch von der Nachfolgerin, Frau Dr. D. bis zum Quartal III/07 fortgeführt worden. Nach Auffassung der Versicherten sowie in den beigefügten MDK-Gutachten bestätigt seien durch die Behandlung der Klägerin die Zahnwurzeln der Front- und Seitenzähne geschädigt worden. Dadurch sei eine erneute kieferorthopädische Behandlung erforderlich geworden, die mittlerweile bei Frau F. begonnen worden sei.
Die hierüber informierte Klägerin trug gegenüber der Beklagten vor, während der gesamten Behandlung sei die Mitarbeit der Versicherten deutlich reduziert gewesen. Es seien mehrfach Termine nicht wahrgenommen worden. Dies sei in entsprechenden Mitteilungen der Krankenkasse erstmals im Juni 2000 mitgeteilt worden. Weitere Mitteilungen wegen schlechter Mitarbeit der Versicherten sowie Terminsversäumnissen seien im Februar 2001, am 28.08.2001 sowie am 24.06.2002 erfolgt. Der letzte Kontakt sei am 29.06.2004 erfolgt. Obwohl weitere Termine vereinbart gewesen seien, sei die Versicherte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Praxis erschienen. Es dürfte auf jeden Fall Verjährung eingetreten sein.
Die Beklagte legte eine fachliche Stellungnahme ihres Beauftragten für Kieferorthopädie mit Datum vom 10.12.2008 vor. Dieser gelangte in seiner fachlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, die Anfangsdiagnostik sei im Umfang unvollständig, da die Befundmodelle fehlten. Die vorgelegten Anfangsunterlagen seien in der Qualität ausreichend und belegten die Beschreibung des Krankheitsbildes im Behandlungsplan. Der Therapieplan sei in seiner Grundaussage fehlbildungsgerecht. Die Behandlungsdurchführung sei aufgrund der Karteieintragungen nur oberflächlich nachvollziehbar, da die therapeutischen Ziele der abgerechneten Einzelleistungen nicht dargestellt seien. Die Behandlung sei mit aktiven Platten im Mai 1999 begonnen worden. Im Dezember 1999 seien festsitzende Apparaturen in beiden Kiefern eingesetzt worden, obwohl sie im Behandlungsplan nicht vorgesehen gewesen seien und nach den vorliegenden Unterlagen nicht beantragt worden seien. Die eigentlich geplante Behandlung mit einem funktionskieferorthopädischen Gerät sei unterlassen worden. Seit Juli 2000 sei die Anwendung von Klasse II-Gummizügen dokumentiert. Bis Mai 2004 seien regelmäßige Kontrollen mit Bogenwechseln, Reparaturen und Anwendung von Gummizügen notiert. Eine Verschlechterung der Mitarbeit der Versicherten sei seit März 2005 in der Kartei vermerkt. Seitdem sei es häufiger zu Terminabsagen gekommen. Letztmals habe laut Kartei eine Kontrolle am 23.02.2006 stattgefunden. Nach Beratung beim Kieferchirurgen hätte sich die Patientin wieder vorstellen sollen. Dies sei trotz telefonischer Anmahnung am 30.11.2006 nicht geschehen, so dass die Behandlung am 14.12.2006 abgebrochen worden sei. Der Vergleich der Zwischenbefunde dokumentiere keinerlei Behandlungsfortschritte. Große Frontzahnstufe und Rücklage des Unterkiefers in Verbindung mit Tiefbiss bestehe nahezu unverändert seit Behandlungsbeginn. Schon in den Röntgenbefunden vom 18.05.2004 seien beginnende Wurzelresorptionen zu erkennen. Der Röntgenbefund vom 12.07.2007 zeige eine erhebliche Ausweitung der generalisierten Wurzelresorptionen. Es sei ein sonstiger Schaden festzustellen. Er empfehle die Rückerstattung in Höhe von 60 % der Behandlungskosten. Die Behandlung sei über lange Zeit durchgeführt worden, ohne dass der Befund verbessert worden wäre. Dies sei zwar auch auf die mangelhafte Mitarbeit der Patientin zurückzuführen, es hätte jedoch viel früher eine Umplanung oder ein Behandlungsabbruch erfolgen müssen. Für die Schädigungen der Zahnwurzeln sei die Behandlerin nicht alleine verantwortlich. Die Patientin sei zwischen dem 23.02.2006 und dem 12.07.2007 aus eigenem Verschulden nicht in kieferorthopädischer Kontrolle gewesen. Die Schäden an den Zahnwurzeln seien vermutlich dadurch erheblich verschärft worden.
Hierauf erwiderte die Klägerin, die fachliche Stellungnahme könne keine fehlerhafte oder unwirtschaftliche Behandlung belegen. Es werde festgestellt, dass der Therapieplan fehlbildungsgerecht sei. Die auch in ihrer Aufstellung aufgeführten Therapieänderungen vom 12.07.2002 sowie vom 12.12.2003 würden überhaupt nicht erwähnt werden. Gleichwohl werde auf eine "Umplanung" hingewiesen. Unberücksichtigt bleibe auch, dass die Mitarbeit der Versicherten bereits erheblich früher nachgelassen habe. Einen Erfolg der Behandlung schulde sie nicht. Es werde auch eingeräumt seitens der Beklagten, dass die Wurzelresorptionen durch die mangelhafte Mitwirkung der Versicherten verursacht bzw. verschlimmert worden seien. Wurzelresorptionen stellten jedoch grundsätzlich keine Kontraindikation für die Fortsetzung einer kieferorthopädischen Behandlung dar. Weshalb sie hierfür verantwortlich sein solle, erschließe sich ihr nicht. Selbst bei einer Verantwortlichkeit sei der Anteil unterhalb von 60 %. In welcher Form eine "Umplanung" hätte erfolgen sollen, werde in der Stellungnahme nicht mitgeteilt. Ein Abbruch könne aber nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Trotz der schlechten Mitarbeit habe sie die Fortführung der Behandlung aufgrund der mangelnden Mitwirkung nicht als aussichtslos eingeschätzt. Sie sei auch weiterhin der Auffassung, dass Verjährung vorliege. Die jedenfalls unzweifelhaft fehlerfrei erbrachten Leistungen könnten von der Rückforderung gar nicht betroffen sein. Die bis zum Quartal IV/03 erbrachten Leistungen von insgesamt 2.947,27 EUR dürften aufgrund der Verjährung gar nicht vom Regress erfasst werden. Es blieben 1.045,79 EUR für die Behandlung vom Quartal I/04 bis zum Quartal IV/06. Sie sei zur vergleichsweisen Regelung allenfalls bereit, einen Betrag von 300,00 EUR zu leisten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 09.11.2009 den strittigen Regressbetrag in Höhe von 2.561,01 EUR (60 % der abgerechneten Leistungen) fest. Zur Begründung führte sie aus, die Behandlung sei vertragswidrig mit einer nicht genehmigten festsitzenden Apparatur begonnen worden. Die geplante und durch den Kostenträger befürwortete Therapie mit einem funktionskieferorthopädischen Gerät sei unterlassen worden. Eine fehlende oder unvollständige Mitarbeit der Versicherten im Zeitraum Mai 1999 bis März 2005 sei nicht dokumentiert. Für die von der Klägerin angegebenen Daten Juni 2000 und Februar 2001 fänden sich überhaupt keine Hinweise in den Karteikartendokumentationen. Die Mitteilungen vom 28.08.2001 sowie 24.06.2002 seien in der Kartei lediglich mit "Mittlg. Kasse" und "Mittlg Eltern" ohne Angaben zum Inhalt der Mitteilung vermerkt. Jeder Zahnarzt sei aber verpflichtet, alle ausgeführten Leistungen gewissenhaft zu dokumentieren (§ 7 Abs. 3 EKV-Z). Die Behandlungsdurchführung sei aufgrund der Karteikartenführung nur oberflächlich nachvollziehbar, was einen weiteren erheblichen Dokumentationsmangel darstelle. Die Behandlung sei über Jahre fortgeführt worden, ohne dass der Befund verbessert worden wäre. Die Wurzelresorption sei schon auf dem Röntgenbefund vom 18.05.2004 zu erkennen. Es hätte eine Umplanung oder ein Behandlungsabbruch erfolgen müssen.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.12.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der Bescheid sei bereits unzureichend begründet. Ihr Vortrag sei nicht berücksichtigt worden. Eine Pflichtverletzung liege nicht vor. Sie habe bei der Beigeladenen eine Umstellung auf Multibandbehandlung beantragt, die auch am 14.12.1999 genehmigt worden sei. Diese reiche sie zur Verwaltungsakte. Erst nach Therapieänderung habe sie die Leistungen im Rahmen der Multibandbehandlung erbracht und abgerechnet. Sie habe die mangelnde Mitwirkung der Versicherten ausreichend dokumentiert. Im Übrigen sei nicht erkennbar, wie sich aus einem Dokumentationsmangel ein kausaler Schaden ergeben könne. Für einen mangelnden Behandlungserfolg habe sie nicht einzustehen. Für einen Regress reiche der Hinweis auf einen angeblichen Röntgenbefund nicht aus. Eine Wurzelresorption stelle auch keine absolute Kontraindikation für die kieferorthopädische Behandlung dar. Der Vorwurf, durch ihre Behandlung seien die Zahnwurzeln geschädigt worden, gehe nach dem Gutachten des Dr. G. ins Leere, da die Zähne der Versicherten dann bereits vorgeschädigt gewesen seien. Die Schadenshöhe sei nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2010 als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, bei Behandlungsbeginn sei zunächst eine nicht genehmigte Apparatur eingesetzt worden. Für die Therapieänderung sei erst am 12.07.2002 eine nachträgliche Änderung auf Multibandbehandlung sowohl im Unterkiefer als auch im Oberkiefer beantragt worden. Bereits am 18.05.2004 seien auf den Röntgenaufnahmen erste Wurzelresorptionsansätze zu erkennen. Der letzte Kontrollgang der Patientin sei im Dezember 2005 erfolgt. Die Apparatur sei nicht entfernt worden. Am 12.07.2007 sei eine massive irreversible Wurzelresorption bei den Oberkiefer-Incisivi und bei Zahn 16 festgestellt worden. Dadurch sei eine Versorgung mit festsitzenden Retainern sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer medizinisch erforderlich geworden. Andernfalls wäre es innerhalb von wenigen Stunden zu einer massiven Verschiebung der Zähne gekommen. Der Behandlungsplan der Frau F. beinhalte voraussichtliche Gesamtkosten in Höhe von 2.267,80 EUR. Der Bescheid sei ausreichend begründet worden. Es habe bereits ein Schriftwechsel zuvor stattgefunden. Die Behandlung hätte sehr viel früher aufgrund des begonnenen Wurzelabbauprozesses der bereits zu diesem Zeitpunkt fehlenden Mitarbeit der Patientin umgeplant oder abgebrochen werden müssen. Die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung vom 04.06.2003 in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung bestimmten in Abschnitt B Punkt 12 Absatz 2, dass die Behandlung von der Mitarbeit eines Patienten abhängig sei. Es seien insgesamt 2 ½ Jahre zwischen den ersten Schadensanzeichen und einer entsprechenden Reaktion vergangen. Noch am 21.09.2004 sei ein weiterer Verlängerungsantrag gestellt worden, obwohl die vorhandenen Probleme inzwischen hinlänglich offenbart gewesen seien. Zwar könne der Klägerin kein Vorwurf für die Zeit, in der die Patientin sich nicht vorgestellt habe, gemacht werden. Die Kausalität liege aber darin, dass es zu dieser Situation nicht hätte kommen dürfen. Aufgrund der erheblichen Schädigung der Zahnwurzeln sei es medizinisch notwendig gewesen, so schnell wie möglich zu entbändern. Die Weiterbehandlung habe zu dem Schaden geführt. Es gelte eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese beginne mit Erstellung der Abschlussbescheinigung nach § 29 Abs. 3 SGB V bzw. mit der letzten Abrechnung zu laufen.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.04.2010 die Klage erhoben. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, die Beklagte setze sich nicht mit der von ihr vorgelegten Genehmigung der Behandlungsänderung auseinander. Es sei anzuzweifeln, ob Mitteilungen an die Krankenkasse dokumentationspflichtig seien. Aufzeichnungspflichtig seien nur solche Umstände, die aus medizinischer Sicht für die Behandlung von Bedeutung sein könnten. Sie sei weiterhin der Auffassung, dass erste Wurzelresorptionsansätze keine Kontraindikation für eine kieferorthopädische Behandlung darstellten. Die Versicherte habe zwischen dem 23.02.2006 und dem 12.07.2007 kieferorthopädische Kontrolluntersuchungen nicht wahrgenommen. Der Behandlungsabbruch sei der Krankenkasse am 12.06.2006 mitgeteilt worden. Der Rückforderungsbetrag übersteige auch den von Frau F. veranschlagten Betrag um 293,21 EUR. Ein Zivilverfahren der Versicherten sei nicht rechtshängig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
hilfsweise
den Bescheid vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Genehmigung zur Umstellung der Therapie auf Multibandbehandlung sei anhand der vorliegenden Dokumentationen nicht nachvollziehbar, sei aber für die Entscheidung von untergeordneter Bedeutung. Im Kern gehe es um den Vorwurf, dass die Klägerin es pflichtwidrig unterlassen habe, in zahnmedizinisch-fachlich richtiger Weise auf den Röntgenbefund vom 18.05.2004 zu reagieren. Die Versicherte werde voraussichtlich lebenslang unter den schweren Folgen des Vorfalls zu leiden haben. Wurzelresorptionen seien als Nebenwirkung von Zahnbewegungen nicht unbekannt. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Behandlung bis dahin seit fast sieben Jahren keinerlei Fortschritte gemacht habe, sei ein Behandlungsabbruch in Verbindung mit einer kieferchirurgischen Weiterbehandlung dringend indiziert gewesen. Nach Auswertung des Röntgenbefundes im Mai 2004 hätte die Klägerin nicht wie bis dahin weiterbehandeln dürfen. Hierin liege der eigentliche Pflichtverstoß. Der KFO-Verlängerungsantrag enthalte nichts zum Röntgenbefund. Die Quotenbildung hinsichtlich der Höhe des Regresses beruhe auf einer Abwägungsentscheidung. Von einem überwiegenden Mitverschulden der Versicherten oder ihrer Eltern habe nicht ausgegangen werden können.
Die Beigeladene teilt die Auffassung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden. Bei einer entsprechenden Motivationsproblematik sei ein Abbruch der Behandlung notwendig.
Mit Beschluss vom 17.11.2010 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 ist rechtmäßig und war weder abzuändern noch aufzuheben. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Die Beklagte ist zuständig. Sie stellt Ansprüche von Ersatzkassen gegen einen Vertragszahnarzt auf Grund mangelhafter prothetischer oder kieferorthopädischer Leistungen fest (§ 21 Abs. 2 EKV-Z i. d. F. mit Geltung ab 01.01.2005 bzw. § 12 Nr. 6 EKV-Z a. F.) (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.1997 – 6 RKa 40/96 – SozR 3-5555 § 12 Nr. 5 = USK 97149, juris Rdnr. 15 ff. m. w. N.). Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich; die Beklagte kann von Amts wegen tätig werden.
Voraussetzung für den Anspruch einer Krankenkasse auf Ersatz eines sonstigen Schadens durch einen Vertragszahnarzt ist die Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht, ein hieraus resultierender Schaden sowie ein schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragszahnarztes (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 15 m. w. N.). Aus dem aus Rechten und Pflichten bestehenden Kassenzahnarztverhältnis ergibt sich, dass der Kassenzahnarzt gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, hier die Klägerin gegenüber der Beklagten, verpflichtet ist, durch Einhaltung der Regeln der zahnärztlichen Kunst Vermögensnachteile, die typischerweise mit solchen Regelverletzungen verbunden sind, vom Versicherungsträger, den Krankenkassen, abzuhalten (vgl. BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368 RVO Nr. 26; SozR 3 - 5555 § 12 Nr. 1 und 2). Ein Schadenersatzanspruch setzt voraus, dass der Versicherte aufgrund eines schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Zahnarztes zur Kündigung veranlasst worden ist. Hierfür reicht allein die Tatsache, dass eine im Rahmen der Dienstleistung erbrachte Leistung mit Mängeln behaftet ist, nicht aus, jedoch liegt ein zur Kündigung berechtigendes schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Zahnarztes dann vor, wenn dessen Arbeitsergebnis vollständig unbrauchbar und eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Versicherten nicht zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.1992 - 14 a RK a 43/91 - SozR 3 - 5555 § 9 Nr. 1).
Die kieferorthopädische Behandlung war mangelhaft. Die insoweit mit einer Vertragszahnärztin und einem Facharzt für Kieferorthopädie fachkundig besetzte Kammer folgt dem urkundenbeweislich verwertbaren Gutachten des Dr. E. vom 29.10.2007 und der urkundenbeweislich verwertbaren fachlichen Stellungnahme des Dr. G. vom 10.12.2008. Herr Dr. E. hat insbesondere festgestellt, dass sich im Bereich der oberen Schneidezähne eine dauerhafte Zahnlockerung infolge Wurzelresorption ergeben hat. Herr Dr. G. hat diesen Befund bestätigt. Er hat weiter dargelegt, dass schon in den Röntgenbefunden vom 18.05.2004 beginnende Wurzelresorptionen zu erkennen gewesen seien. Die Kammer konnte sich durch eigene Ansicht des Röntgenbefunds vom Mai 2004 davon überzeugen, dass an den Zähnen 15, 12, 11 und 21 eine Wurzelresorption eindeutig zu erkennen ist. Für den Zahn 22 konnte sie dies wegen einer Knochenverdichtung (Fleck auf dem Röntgenbild) nicht mit Sicherheit feststellen, worauf es aber auch nicht ankommt. Damit stand jedenfalls im Mai 2004 fest, dass bei unveränderter Fortsetzung der Behandlung die Gefahr bestand, dass die Resorption zunahm und/oder auch andere Zähne gefährdet waren. Dies bestätigt dann auch das OPG aus dem Jahre 2007. Auf diesem Röntgenbild war die Resorption an den Zähnen 11, 12 und 21 noch schlimmer geworden und weiter eindeutig nunmehr auch bei den Zähnen 22 und 16 vorhanden. Mit einer Wurzelresorption ist bei einer kieferorthopädischen Behandlung immer zu rechnen. Die Klägerin hatte daher auch zu Recht im Mai 2004 das OPG angefertigt, aber offensichtlich keine oder eine fehlerhafte Befundung vorgenommen. Weder hat sie hieraus vertretbare Behandlungsschritte gezogen noch die Patientin und/oder deren Eltern aufgeklärt noch den Befund in der Karteikarte vermerkt. Stattdessen hat sie die Therapie unverändert fortgesetzt. Die fachkundig besetzte Kammer geht davon aus, dass bei diesem Röntgenbefund im Mai 2004 eine Fortsetzung der insofern bisher, nach fünf Jahren, auch ergebnislosen Therapie nicht mehr möglich war. Es war vielmehr dringend geboten, den jetzigen Zustand der Zähne zu halten, damit sich die Resorption nicht mehr verschlimmern konnte und nicht weitere Folgeschäden eintreten würden. Die Kammer folgt insoweit auch der Auffassung der Beklagten, dass der eigentliche Pflichtverstoß in der Weiterbehandlung der Patientin wie bis dahin trotz des Röntgenbefundes vom 18.05.2004 liegt. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Behandlung bis dahin seit fünf Jahren keinerlei Fortschritte gemacht hat, war ein Behandlungsabbruch dringend indiziert gewesen.
Aufgrund ihrer fachkundigen Besetzung und der vorliegenden Beweismittel konnte die Kammer von der Einholung eines kieferorthopädischen Gutachtens absehen.
Soweit die Klägerin auf eine unzureichende Mitarbeit der Patientin verweist, ist ihr Vortrag unsubstantiiert und vermag insbesondere ihre Pflichtverletzung nicht zu mindern. Soweit die Klägerin behauptet, die Patientin habe mehrfach Termine nicht wahrgenommen, was sie der Krankenkasse erstmals im Juni 2000 mitgeteilt habe, weitere Mitteilungen wegen schlechter Mitarbeit der Versicherten sowie Terminsversäumnissen seien im Februar 2001, am 28.08.2001 sowie am 24.06.2002 erfolgt, so hat die Klägerin dies nur teilweise nachgewiesen. Sie hat im Verwaltungsverfahren eine Kopie der Meldung vom 28.08.2001 vorgelegt, wonach die Patientin die G.züge nicht genügend trage, weshalb sich die Behandlungsdauer entsprechend verlängern werde, und ferner ein Schreiben der Beigeladenen vom 25.09.2001, wonach diese die Eltern angeschrieben und um bessere Mitarbeit gebeten habe. Die Mitteilungen vom 24.06.2002 ist in der Karteikarte lediglich mit "Mttlg. Kasse" und "Mittlg Eltern" ohne Angaben zum Inhalt der Mitteilung vermerkt. Letztlich kommt es aber darauf nicht an, da der entscheidende Fehler in der fehlerhaften bzw. Nichtbefundung des OPG vom Mai 2004 liegt. Hier fehlt es auch an jeglicher Aufklärung gegenüber der Patientin oder ihren Eltern über die – nunmehr noch entscheidend gewachsenen - Gefahren einer unzureichenden Mitarbeit.
Ein Schaden ist eingetreten. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Schaden nach den abgerechneten Leistungen bemisst (vgl. zur Schadenshöhe BSG, Urt. v. 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R – juris Rdnr. 23 m. w. N.). Hier hat sie 60 % (2.561,01 EUR) der abgerechneten Leistungen (4.268,36 EUR) als Schaden festgesetzt und ist insoweit hinter der Gesamtabrechnung zurückgeblieben. Die pflichtwidrige Weiterbehandlung ist auch ursächlich für den weiteren Schaden, weshalb die Klägerin grundsätzlich für den Ersatz des gesamten Schadens einzustehen hat. Die Behandlung kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in eine bis zum Mai 2004 – standardgerecht –und eine danach erfolgte Behandlung aufgespalten werden, da es sich um eine Dauerbehandlung handelt. Die Weiterbehandlung trotz der beginnenden Wurzelresorptionen hat auch dann, wenn die Behandlung bis zum Mai 2004 standardgerecht erfolgt ist, die Gesamtbehandlung unbrauchbar gemacht. Aber auch wenn man nicht auf die Behandlungskosten abstellen wollte, so besteht jedenfalls ein Schaden im hier strittigen Umfang aufgrund des Umstandes, dass in den nächsten Jahren mit dem Verlust der Zähne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist und die Beigeladene hierfür Kosten aufzuwenden hat. Im Rahmen des Schadensersatzes hat der Vertragsbehandler gerade für etwaige Zusatzkosten im Sinne von Mangelfolgeschäden einzustehen; er kann höher liegen als das dem erstbehandelnden Zahnarzt, hier der Klägerin, ausbezahlte Honorar (vgl. Clemens, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, Krankenversicherungsrecht, München 1994, § 36, S. 975, Rdnr. 55).
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt eine vierjährige Verjährungsvorschrift (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 - SozR 3-5545 § 23 Nr. 1 = BSGE 79, 97 = NJW 1997, 3116 = USK 96151, juris Rdnr. 16). Das Bundessozialgericht hat es bisher offen gelassen, ob die Verjährung wie bei anderen Ansprüchen aus dem Bereich des Sozialrechts (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB I ; § 25 Abs. 1 , § 27 Abs. 2 SGB IV ; § 50 Abs. 4 , § 113 SGB X ) mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, oder wie bei deliktischen Ansprüchen des Zivilrechts ( § 852 Abs. 1 BGB ) erst mit der Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem eingetretenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen beginnt (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 -, aaO., juris Rdnr. 17).
Auf die Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem eingetretenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen kann nach Auffassung der Kammer allerdings nicht abgestellt werden. Dies würde, da typischerweise die Krankenkasse gerade keine Kenntnis von etwaigen Abweichungen des behandelnden Arztes von den Vorgaben des genehmigten Behandlungsplanes hat, den Vertragszahnarzt über einen langen Zeitraum hinweg dem Risiko eines Regresses aussetzen (vgl. ausführlich LSG Niedersachsen, Urt. v. 27.09.2000 - L 3/5 KA 64/97 – juris Rdnr. 38). Ob die Verjährung wie bei anderen Ansprüchen aus dem Bereich des Sozialrechts mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, wofür einiges spricht, kann hier dahinstehen, da es hierauf nicht ankommt.
Für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist folgt die Kammer insoweit der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass Verjährungsbeginn der Zeitpunkt des Abschlusses der kieferorthopädischen Behandlung ist. Dies ist hier der 14.12.2006, der Zeitpunkt des Abbruchs der Behandlung. Danach war zum Zeitpunkt der Regressfestsetzung durch den Bescheid vom 09.11.2009 Verjährung in keinem Fall angetreten, so dass dahinstehen kann, ob die Verjährung nicht erst zum Jahresende, also mit Ablauf des 31.12.2006 zu laufen begonnen hat. Für diesen Zeitpunkt, den 14.12.2006, hat die Klägerin die Behandlung als abgebrochen und damit für sie als beendet erklärt. Die insoweit fachkundig besetzte Kammer geht hierbei davon aus, dass bei kieferorthopädischen Behandlung eine einzelne, bestimmte Pflichtverletzung und insbesondere deren Zeitpunkt nicht oder nur erschwert und im Regelfall vage bestimmt werden kann. Die kieferorthopädische Behandlung beruht auch auf der Überwachung eingeleiteter Maßnahmen und der Herbeiführung eines Erfolges dieser Maßnahmen. Ob die Behandlung insoweit regelgerecht war, kann erst nach deren Abschluss bzw. Beendigung durch den Vertragszahnarzt beurteilt werden, da bis dahin unter Umständen die Einleitung weiterer oder korrigierender Maßnahmen noch zu einem regelgerechten Erfolg führen können. Damit hat der Vertragszahnarzt auch keine Garantiehaftung für einen bestimmten Erfolg seiner Behandlung zu übernehmen, da Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch in jedem Fall eine schuldhafte Pflichtverletzung ist. Gerade bei kieferorthopädischen Behandlungen, die im Regelfall über mehrere Jahre erfolgen, wird sich ein Pflichtenverstoß aber erst am Ende der Behandlung feststellen lassen. Von daher kann ein Pflichtenverstoß erst am Ende der Behandlung festgestellt werden und kann zuvor die Verjährung nicht zu laufen beginnen.
Soweit das LSG Niedersachsen maßgeblich für die Entstehung des Schadensersatzanspruches den Zeitpunkt ansieht, in dem der Vertragszahnarzt schuldhaft seine kassenzahnärztlichen Pflichten verletzt und insoweit eine Gesamtbetrachtung des Behandlungszeitraumes nicht zulässig sein soll (vgl. LSG Niedersachsen, Urt. v. 27.09.2000 - L 3/5 KA 64/97 – juris Rdnr. 38 f.), war dem aus den genannten Gründen nicht zu folgen (so bereits Urteil der Kammer vom 21.03.2007 S 12 KA 840/06 -).
Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Regress wegen kieferorthopädischer Behandlung der bei der Beigeladenen versicherten und 1987 geborenen Patientin C. in Höhe von 60 % der Behandlungskosten bzw. 2.561,01 EUR.
Die Klägerin war im strittigen Zeitraum als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in X-Stadt zugelassen.
Die Klägerin behandelte die Versicherte vom 17.05.1999 bis zum 14.12.2006 kieferorthopädisch. Die Versicherte brach die Behandlung ab und begab sich ab dem 12.07.2007 in die Behandlung der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie Frau Dr. med. dent. D.
Dr. E. vom medizinischen Dienst der Krankenkassen fertigte für die Beigeladene unter Datum vom 29.10.2007 ein Gutachten an. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, dass ein erneuter kieferorthopädischer Behandlungsbedarf bei der Versicherten bestehe (schwere Zahnstellungsanomalie). Im Rahmen der Untersuchung habe die Versicherte umfangreiche Probleme bezüglich der bisher vorgenommenen kieferorthopädischen Behandlung bzw. dem bisherigen Ergebnis geäußert. Insbesondere habe sich im Bereich der oberen Schneidezähne eine dauerhafte Zahnlockerung infolge Wurzelresorption ergeben; gleichfalls sei eine erhebliche Funktionsstörung infolge des verbliebenen Tiefbisses vorhanden. Die Patientenangaben hätten sich bei der Untersuchung und Unterlagensichtung bestätigt. Aus allgemein zahnmedizinischer Sicht stelle sich im Bereich der Zähne 12 – 22 und auch bei 16 die Situation mit extrem fragwürdiger Prognose bezüglich einer weiteren Zahnerhaltung dar, da die resorptionsbedingten Veränderungen der Zahnwurzel nicht reversibel bzw. nicht therapierbar erschienen. Die Patientin wünsche nunmehr eine erfolgversprechenden Behandlung sowie Korrektur der vorgenannten Probleme. Mangels eigener Fachkompetenz werde vorgeschlagen, eine erneute kieferorthopädische Begutachtung (nach Aktenlage) bzgl. des Ergebnisses der ausgeführten kieferorthopädischen Behandlung sowie auch zur Notwendigkeit und den Umfang einer erneuten kieferorthopädischen Behandlung sowie eine sozialmedizinische Beurteilung bezüglich einer möglichen Kostenübernahmeverpflichtung der GKV einzuleiten.
Die Beigeladene wandte sich unter Datum vom 08.09.2008 an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung eines Behandlungsfehlers sowie der Möglichkeit der Geltendmachung einer Forderung gem. § 21 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte. Für die Behandlung der Versicherten bei der Klägerin seien zwei Verlängerungsanträge über jeweils sechs Behandlungsquartale gestellt worden. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 14.12.2006 angezeigt, dass die Behandlung abgebrochen werde. Die Behandlung sei jedoch von der Nachfolgerin, Frau Dr. D. bis zum Quartal III/07 fortgeführt worden. Nach Auffassung der Versicherten sowie in den beigefügten MDK-Gutachten bestätigt seien durch die Behandlung der Klägerin die Zahnwurzeln der Front- und Seitenzähne geschädigt worden. Dadurch sei eine erneute kieferorthopädische Behandlung erforderlich geworden, die mittlerweile bei Frau F. begonnen worden sei.
Die hierüber informierte Klägerin trug gegenüber der Beklagten vor, während der gesamten Behandlung sei die Mitarbeit der Versicherten deutlich reduziert gewesen. Es seien mehrfach Termine nicht wahrgenommen worden. Dies sei in entsprechenden Mitteilungen der Krankenkasse erstmals im Juni 2000 mitgeteilt worden. Weitere Mitteilungen wegen schlechter Mitarbeit der Versicherten sowie Terminsversäumnissen seien im Februar 2001, am 28.08.2001 sowie am 24.06.2002 erfolgt. Der letzte Kontakt sei am 29.06.2004 erfolgt. Obwohl weitere Termine vereinbart gewesen seien, sei die Versicherte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Praxis erschienen. Es dürfte auf jeden Fall Verjährung eingetreten sein.
Die Beklagte legte eine fachliche Stellungnahme ihres Beauftragten für Kieferorthopädie mit Datum vom 10.12.2008 vor. Dieser gelangte in seiner fachlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, die Anfangsdiagnostik sei im Umfang unvollständig, da die Befundmodelle fehlten. Die vorgelegten Anfangsunterlagen seien in der Qualität ausreichend und belegten die Beschreibung des Krankheitsbildes im Behandlungsplan. Der Therapieplan sei in seiner Grundaussage fehlbildungsgerecht. Die Behandlungsdurchführung sei aufgrund der Karteieintragungen nur oberflächlich nachvollziehbar, da die therapeutischen Ziele der abgerechneten Einzelleistungen nicht dargestellt seien. Die Behandlung sei mit aktiven Platten im Mai 1999 begonnen worden. Im Dezember 1999 seien festsitzende Apparaturen in beiden Kiefern eingesetzt worden, obwohl sie im Behandlungsplan nicht vorgesehen gewesen seien und nach den vorliegenden Unterlagen nicht beantragt worden seien. Die eigentlich geplante Behandlung mit einem funktionskieferorthopädischen Gerät sei unterlassen worden. Seit Juli 2000 sei die Anwendung von Klasse II-Gummizügen dokumentiert. Bis Mai 2004 seien regelmäßige Kontrollen mit Bogenwechseln, Reparaturen und Anwendung von Gummizügen notiert. Eine Verschlechterung der Mitarbeit der Versicherten sei seit März 2005 in der Kartei vermerkt. Seitdem sei es häufiger zu Terminabsagen gekommen. Letztmals habe laut Kartei eine Kontrolle am 23.02.2006 stattgefunden. Nach Beratung beim Kieferchirurgen hätte sich die Patientin wieder vorstellen sollen. Dies sei trotz telefonischer Anmahnung am 30.11.2006 nicht geschehen, so dass die Behandlung am 14.12.2006 abgebrochen worden sei. Der Vergleich der Zwischenbefunde dokumentiere keinerlei Behandlungsfortschritte. Große Frontzahnstufe und Rücklage des Unterkiefers in Verbindung mit Tiefbiss bestehe nahezu unverändert seit Behandlungsbeginn. Schon in den Röntgenbefunden vom 18.05.2004 seien beginnende Wurzelresorptionen zu erkennen. Der Röntgenbefund vom 12.07.2007 zeige eine erhebliche Ausweitung der generalisierten Wurzelresorptionen. Es sei ein sonstiger Schaden festzustellen. Er empfehle die Rückerstattung in Höhe von 60 % der Behandlungskosten. Die Behandlung sei über lange Zeit durchgeführt worden, ohne dass der Befund verbessert worden wäre. Dies sei zwar auch auf die mangelhafte Mitarbeit der Patientin zurückzuführen, es hätte jedoch viel früher eine Umplanung oder ein Behandlungsabbruch erfolgen müssen. Für die Schädigungen der Zahnwurzeln sei die Behandlerin nicht alleine verantwortlich. Die Patientin sei zwischen dem 23.02.2006 und dem 12.07.2007 aus eigenem Verschulden nicht in kieferorthopädischer Kontrolle gewesen. Die Schäden an den Zahnwurzeln seien vermutlich dadurch erheblich verschärft worden.
Hierauf erwiderte die Klägerin, die fachliche Stellungnahme könne keine fehlerhafte oder unwirtschaftliche Behandlung belegen. Es werde festgestellt, dass der Therapieplan fehlbildungsgerecht sei. Die auch in ihrer Aufstellung aufgeführten Therapieänderungen vom 12.07.2002 sowie vom 12.12.2003 würden überhaupt nicht erwähnt werden. Gleichwohl werde auf eine "Umplanung" hingewiesen. Unberücksichtigt bleibe auch, dass die Mitarbeit der Versicherten bereits erheblich früher nachgelassen habe. Einen Erfolg der Behandlung schulde sie nicht. Es werde auch eingeräumt seitens der Beklagten, dass die Wurzelresorptionen durch die mangelhafte Mitwirkung der Versicherten verursacht bzw. verschlimmert worden seien. Wurzelresorptionen stellten jedoch grundsätzlich keine Kontraindikation für die Fortsetzung einer kieferorthopädischen Behandlung dar. Weshalb sie hierfür verantwortlich sein solle, erschließe sich ihr nicht. Selbst bei einer Verantwortlichkeit sei der Anteil unterhalb von 60 %. In welcher Form eine "Umplanung" hätte erfolgen sollen, werde in der Stellungnahme nicht mitgeteilt. Ein Abbruch könne aber nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Trotz der schlechten Mitarbeit habe sie die Fortführung der Behandlung aufgrund der mangelnden Mitwirkung nicht als aussichtslos eingeschätzt. Sie sei auch weiterhin der Auffassung, dass Verjährung vorliege. Die jedenfalls unzweifelhaft fehlerfrei erbrachten Leistungen könnten von der Rückforderung gar nicht betroffen sein. Die bis zum Quartal IV/03 erbrachten Leistungen von insgesamt 2.947,27 EUR dürften aufgrund der Verjährung gar nicht vom Regress erfasst werden. Es blieben 1.045,79 EUR für die Behandlung vom Quartal I/04 bis zum Quartal IV/06. Sie sei zur vergleichsweisen Regelung allenfalls bereit, einen Betrag von 300,00 EUR zu leisten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 09.11.2009 den strittigen Regressbetrag in Höhe von 2.561,01 EUR (60 % der abgerechneten Leistungen) fest. Zur Begründung führte sie aus, die Behandlung sei vertragswidrig mit einer nicht genehmigten festsitzenden Apparatur begonnen worden. Die geplante und durch den Kostenträger befürwortete Therapie mit einem funktionskieferorthopädischen Gerät sei unterlassen worden. Eine fehlende oder unvollständige Mitarbeit der Versicherten im Zeitraum Mai 1999 bis März 2005 sei nicht dokumentiert. Für die von der Klägerin angegebenen Daten Juni 2000 und Februar 2001 fänden sich überhaupt keine Hinweise in den Karteikartendokumentationen. Die Mitteilungen vom 28.08.2001 sowie 24.06.2002 seien in der Kartei lediglich mit "Mittlg. Kasse" und "Mittlg Eltern" ohne Angaben zum Inhalt der Mitteilung vermerkt. Jeder Zahnarzt sei aber verpflichtet, alle ausgeführten Leistungen gewissenhaft zu dokumentieren (§ 7 Abs. 3 EKV-Z). Die Behandlungsdurchführung sei aufgrund der Karteikartenführung nur oberflächlich nachvollziehbar, was einen weiteren erheblichen Dokumentationsmangel darstelle. Die Behandlung sei über Jahre fortgeführt worden, ohne dass der Befund verbessert worden wäre. Die Wurzelresorption sei schon auf dem Röntgenbefund vom 18.05.2004 zu erkennen. Es hätte eine Umplanung oder ein Behandlungsabbruch erfolgen müssen.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.12.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der Bescheid sei bereits unzureichend begründet. Ihr Vortrag sei nicht berücksichtigt worden. Eine Pflichtverletzung liege nicht vor. Sie habe bei der Beigeladenen eine Umstellung auf Multibandbehandlung beantragt, die auch am 14.12.1999 genehmigt worden sei. Diese reiche sie zur Verwaltungsakte. Erst nach Therapieänderung habe sie die Leistungen im Rahmen der Multibandbehandlung erbracht und abgerechnet. Sie habe die mangelnde Mitwirkung der Versicherten ausreichend dokumentiert. Im Übrigen sei nicht erkennbar, wie sich aus einem Dokumentationsmangel ein kausaler Schaden ergeben könne. Für einen mangelnden Behandlungserfolg habe sie nicht einzustehen. Für einen Regress reiche der Hinweis auf einen angeblichen Röntgenbefund nicht aus. Eine Wurzelresorption stelle auch keine absolute Kontraindikation für die kieferorthopädische Behandlung dar. Der Vorwurf, durch ihre Behandlung seien die Zahnwurzeln geschädigt worden, gehe nach dem Gutachten des Dr. G. ins Leere, da die Zähne der Versicherten dann bereits vorgeschädigt gewesen seien. Die Schadenshöhe sei nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2010 als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, bei Behandlungsbeginn sei zunächst eine nicht genehmigte Apparatur eingesetzt worden. Für die Therapieänderung sei erst am 12.07.2002 eine nachträgliche Änderung auf Multibandbehandlung sowohl im Unterkiefer als auch im Oberkiefer beantragt worden. Bereits am 18.05.2004 seien auf den Röntgenaufnahmen erste Wurzelresorptionsansätze zu erkennen. Der letzte Kontrollgang der Patientin sei im Dezember 2005 erfolgt. Die Apparatur sei nicht entfernt worden. Am 12.07.2007 sei eine massive irreversible Wurzelresorption bei den Oberkiefer-Incisivi und bei Zahn 16 festgestellt worden. Dadurch sei eine Versorgung mit festsitzenden Retainern sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer medizinisch erforderlich geworden. Andernfalls wäre es innerhalb von wenigen Stunden zu einer massiven Verschiebung der Zähne gekommen. Der Behandlungsplan der Frau F. beinhalte voraussichtliche Gesamtkosten in Höhe von 2.267,80 EUR. Der Bescheid sei ausreichend begründet worden. Es habe bereits ein Schriftwechsel zuvor stattgefunden. Die Behandlung hätte sehr viel früher aufgrund des begonnenen Wurzelabbauprozesses der bereits zu diesem Zeitpunkt fehlenden Mitarbeit der Patientin umgeplant oder abgebrochen werden müssen. Die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung vom 04.06.2003 in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung bestimmten in Abschnitt B Punkt 12 Absatz 2, dass die Behandlung von der Mitarbeit eines Patienten abhängig sei. Es seien insgesamt 2 ½ Jahre zwischen den ersten Schadensanzeichen und einer entsprechenden Reaktion vergangen. Noch am 21.09.2004 sei ein weiterer Verlängerungsantrag gestellt worden, obwohl die vorhandenen Probleme inzwischen hinlänglich offenbart gewesen seien. Zwar könne der Klägerin kein Vorwurf für die Zeit, in der die Patientin sich nicht vorgestellt habe, gemacht werden. Die Kausalität liege aber darin, dass es zu dieser Situation nicht hätte kommen dürfen. Aufgrund der erheblichen Schädigung der Zahnwurzeln sei es medizinisch notwendig gewesen, so schnell wie möglich zu entbändern. Die Weiterbehandlung habe zu dem Schaden geführt. Es gelte eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese beginne mit Erstellung der Abschlussbescheinigung nach § 29 Abs. 3 SGB V bzw. mit der letzten Abrechnung zu laufen.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.04.2010 die Klage erhoben. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, die Beklagte setze sich nicht mit der von ihr vorgelegten Genehmigung der Behandlungsänderung auseinander. Es sei anzuzweifeln, ob Mitteilungen an die Krankenkasse dokumentationspflichtig seien. Aufzeichnungspflichtig seien nur solche Umstände, die aus medizinischer Sicht für die Behandlung von Bedeutung sein könnten. Sie sei weiterhin der Auffassung, dass erste Wurzelresorptionsansätze keine Kontraindikation für eine kieferorthopädische Behandlung darstellten. Die Versicherte habe zwischen dem 23.02.2006 und dem 12.07.2007 kieferorthopädische Kontrolluntersuchungen nicht wahrgenommen. Der Behandlungsabbruch sei der Krankenkasse am 12.06.2006 mitgeteilt worden. Der Rückforderungsbetrag übersteige auch den von Frau F. veranschlagten Betrag um 293,21 EUR. Ein Zivilverfahren der Versicherten sei nicht rechtshängig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
hilfsweise
den Bescheid vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Genehmigung zur Umstellung der Therapie auf Multibandbehandlung sei anhand der vorliegenden Dokumentationen nicht nachvollziehbar, sei aber für die Entscheidung von untergeordneter Bedeutung. Im Kern gehe es um den Vorwurf, dass die Klägerin es pflichtwidrig unterlassen habe, in zahnmedizinisch-fachlich richtiger Weise auf den Röntgenbefund vom 18.05.2004 zu reagieren. Die Versicherte werde voraussichtlich lebenslang unter den schweren Folgen des Vorfalls zu leiden haben. Wurzelresorptionen seien als Nebenwirkung von Zahnbewegungen nicht unbekannt. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Behandlung bis dahin seit fast sieben Jahren keinerlei Fortschritte gemacht habe, sei ein Behandlungsabbruch in Verbindung mit einer kieferchirurgischen Weiterbehandlung dringend indiziert gewesen. Nach Auswertung des Röntgenbefundes im Mai 2004 hätte die Klägerin nicht wie bis dahin weiterbehandeln dürfen. Hierin liege der eigentliche Pflichtverstoß. Der KFO-Verlängerungsantrag enthalte nichts zum Röntgenbefund. Die Quotenbildung hinsichtlich der Höhe des Regresses beruhe auf einer Abwägungsentscheidung. Von einem überwiegenden Mitverschulden der Versicherten oder ihrer Eltern habe nicht ausgegangen werden können.
Die Beigeladene teilt die Auffassung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden. Bei einer entsprechenden Motivationsproblematik sei ein Abbruch der Behandlung notwendig.
Mit Beschluss vom 17.11.2010 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 ist rechtmäßig und war weder abzuändern noch aufzuheben. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Die Beklagte ist zuständig. Sie stellt Ansprüche von Ersatzkassen gegen einen Vertragszahnarzt auf Grund mangelhafter prothetischer oder kieferorthopädischer Leistungen fest (§ 21 Abs. 2 EKV-Z i. d. F. mit Geltung ab 01.01.2005 bzw. § 12 Nr. 6 EKV-Z a. F.) (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.1997 – 6 RKa 40/96 – SozR 3-5555 § 12 Nr. 5 = USK 97149, juris Rdnr. 15 ff. m. w. N.). Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich; die Beklagte kann von Amts wegen tätig werden.
Voraussetzung für den Anspruch einer Krankenkasse auf Ersatz eines sonstigen Schadens durch einen Vertragszahnarzt ist die Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht, ein hieraus resultierender Schaden sowie ein schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragszahnarztes (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 15 m. w. N.). Aus dem aus Rechten und Pflichten bestehenden Kassenzahnarztverhältnis ergibt sich, dass der Kassenzahnarzt gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, hier die Klägerin gegenüber der Beklagten, verpflichtet ist, durch Einhaltung der Regeln der zahnärztlichen Kunst Vermögensnachteile, die typischerweise mit solchen Regelverletzungen verbunden sind, vom Versicherungsträger, den Krankenkassen, abzuhalten (vgl. BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368 RVO Nr. 26; SozR 3 - 5555 § 12 Nr. 1 und 2). Ein Schadenersatzanspruch setzt voraus, dass der Versicherte aufgrund eines schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Zahnarztes zur Kündigung veranlasst worden ist. Hierfür reicht allein die Tatsache, dass eine im Rahmen der Dienstleistung erbrachte Leistung mit Mängeln behaftet ist, nicht aus, jedoch liegt ein zur Kündigung berechtigendes schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Zahnarztes dann vor, wenn dessen Arbeitsergebnis vollständig unbrauchbar und eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Versicherten nicht zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.1992 - 14 a RK a 43/91 - SozR 3 - 5555 § 9 Nr. 1).
Die kieferorthopädische Behandlung war mangelhaft. Die insoweit mit einer Vertragszahnärztin und einem Facharzt für Kieferorthopädie fachkundig besetzte Kammer folgt dem urkundenbeweislich verwertbaren Gutachten des Dr. E. vom 29.10.2007 und der urkundenbeweislich verwertbaren fachlichen Stellungnahme des Dr. G. vom 10.12.2008. Herr Dr. E. hat insbesondere festgestellt, dass sich im Bereich der oberen Schneidezähne eine dauerhafte Zahnlockerung infolge Wurzelresorption ergeben hat. Herr Dr. G. hat diesen Befund bestätigt. Er hat weiter dargelegt, dass schon in den Röntgenbefunden vom 18.05.2004 beginnende Wurzelresorptionen zu erkennen gewesen seien. Die Kammer konnte sich durch eigene Ansicht des Röntgenbefunds vom Mai 2004 davon überzeugen, dass an den Zähnen 15, 12, 11 und 21 eine Wurzelresorption eindeutig zu erkennen ist. Für den Zahn 22 konnte sie dies wegen einer Knochenverdichtung (Fleck auf dem Röntgenbild) nicht mit Sicherheit feststellen, worauf es aber auch nicht ankommt. Damit stand jedenfalls im Mai 2004 fest, dass bei unveränderter Fortsetzung der Behandlung die Gefahr bestand, dass die Resorption zunahm und/oder auch andere Zähne gefährdet waren. Dies bestätigt dann auch das OPG aus dem Jahre 2007. Auf diesem Röntgenbild war die Resorption an den Zähnen 11, 12 und 21 noch schlimmer geworden und weiter eindeutig nunmehr auch bei den Zähnen 22 und 16 vorhanden. Mit einer Wurzelresorption ist bei einer kieferorthopädischen Behandlung immer zu rechnen. Die Klägerin hatte daher auch zu Recht im Mai 2004 das OPG angefertigt, aber offensichtlich keine oder eine fehlerhafte Befundung vorgenommen. Weder hat sie hieraus vertretbare Behandlungsschritte gezogen noch die Patientin und/oder deren Eltern aufgeklärt noch den Befund in der Karteikarte vermerkt. Stattdessen hat sie die Therapie unverändert fortgesetzt. Die fachkundig besetzte Kammer geht davon aus, dass bei diesem Röntgenbefund im Mai 2004 eine Fortsetzung der insofern bisher, nach fünf Jahren, auch ergebnislosen Therapie nicht mehr möglich war. Es war vielmehr dringend geboten, den jetzigen Zustand der Zähne zu halten, damit sich die Resorption nicht mehr verschlimmern konnte und nicht weitere Folgeschäden eintreten würden. Die Kammer folgt insoweit auch der Auffassung der Beklagten, dass der eigentliche Pflichtverstoß in der Weiterbehandlung der Patientin wie bis dahin trotz des Röntgenbefundes vom 18.05.2004 liegt. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Behandlung bis dahin seit fünf Jahren keinerlei Fortschritte gemacht hat, war ein Behandlungsabbruch dringend indiziert gewesen.
Aufgrund ihrer fachkundigen Besetzung und der vorliegenden Beweismittel konnte die Kammer von der Einholung eines kieferorthopädischen Gutachtens absehen.
Soweit die Klägerin auf eine unzureichende Mitarbeit der Patientin verweist, ist ihr Vortrag unsubstantiiert und vermag insbesondere ihre Pflichtverletzung nicht zu mindern. Soweit die Klägerin behauptet, die Patientin habe mehrfach Termine nicht wahrgenommen, was sie der Krankenkasse erstmals im Juni 2000 mitgeteilt habe, weitere Mitteilungen wegen schlechter Mitarbeit der Versicherten sowie Terminsversäumnissen seien im Februar 2001, am 28.08.2001 sowie am 24.06.2002 erfolgt, so hat die Klägerin dies nur teilweise nachgewiesen. Sie hat im Verwaltungsverfahren eine Kopie der Meldung vom 28.08.2001 vorgelegt, wonach die Patientin die G.züge nicht genügend trage, weshalb sich die Behandlungsdauer entsprechend verlängern werde, und ferner ein Schreiben der Beigeladenen vom 25.09.2001, wonach diese die Eltern angeschrieben und um bessere Mitarbeit gebeten habe. Die Mitteilungen vom 24.06.2002 ist in der Karteikarte lediglich mit "Mttlg. Kasse" und "Mittlg Eltern" ohne Angaben zum Inhalt der Mitteilung vermerkt. Letztlich kommt es aber darauf nicht an, da der entscheidende Fehler in der fehlerhaften bzw. Nichtbefundung des OPG vom Mai 2004 liegt. Hier fehlt es auch an jeglicher Aufklärung gegenüber der Patientin oder ihren Eltern über die – nunmehr noch entscheidend gewachsenen - Gefahren einer unzureichenden Mitarbeit.
Ein Schaden ist eingetreten. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Schaden nach den abgerechneten Leistungen bemisst (vgl. zur Schadenshöhe BSG, Urt. v. 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R – juris Rdnr. 23 m. w. N.). Hier hat sie 60 % (2.561,01 EUR) der abgerechneten Leistungen (4.268,36 EUR) als Schaden festgesetzt und ist insoweit hinter der Gesamtabrechnung zurückgeblieben. Die pflichtwidrige Weiterbehandlung ist auch ursächlich für den weiteren Schaden, weshalb die Klägerin grundsätzlich für den Ersatz des gesamten Schadens einzustehen hat. Die Behandlung kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in eine bis zum Mai 2004 – standardgerecht –und eine danach erfolgte Behandlung aufgespalten werden, da es sich um eine Dauerbehandlung handelt. Die Weiterbehandlung trotz der beginnenden Wurzelresorptionen hat auch dann, wenn die Behandlung bis zum Mai 2004 standardgerecht erfolgt ist, die Gesamtbehandlung unbrauchbar gemacht. Aber auch wenn man nicht auf die Behandlungskosten abstellen wollte, so besteht jedenfalls ein Schaden im hier strittigen Umfang aufgrund des Umstandes, dass in den nächsten Jahren mit dem Verlust der Zähne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist und die Beigeladene hierfür Kosten aufzuwenden hat. Im Rahmen des Schadensersatzes hat der Vertragsbehandler gerade für etwaige Zusatzkosten im Sinne von Mangelfolgeschäden einzustehen; er kann höher liegen als das dem erstbehandelnden Zahnarzt, hier der Klägerin, ausbezahlte Honorar (vgl. Clemens, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, Krankenversicherungsrecht, München 1994, § 36, S. 975, Rdnr. 55).
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt eine vierjährige Verjährungsvorschrift (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 - SozR 3-5545 § 23 Nr. 1 = BSGE 79, 97 = NJW 1997, 3116 = USK 96151, juris Rdnr. 16). Das Bundessozialgericht hat es bisher offen gelassen, ob die Verjährung wie bei anderen Ansprüchen aus dem Bereich des Sozialrechts (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB I ; § 25 Abs. 1 , § 27 Abs. 2 SGB IV ; § 50 Abs. 4 , § 113 SGB X ) mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, oder wie bei deliktischen Ansprüchen des Zivilrechts ( § 852 Abs. 1 BGB ) erst mit der Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem eingetretenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen beginnt (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 -, aaO., juris Rdnr. 17).
Auf die Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem eingetretenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen kann nach Auffassung der Kammer allerdings nicht abgestellt werden. Dies würde, da typischerweise die Krankenkasse gerade keine Kenntnis von etwaigen Abweichungen des behandelnden Arztes von den Vorgaben des genehmigten Behandlungsplanes hat, den Vertragszahnarzt über einen langen Zeitraum hinweg dem Risiko eines Regresses aussetzen (vgl. ausführlich LSG Niedersachsen, Urt. v. 27.09.2000 - L 3/5 KA 64/97 – juris Rdnr. 38). Ob die Verjährung wie bei anderen Ansprüchen aus dem Bereich des Sozialrechts mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, wofür einiges spricht, kann hier dahinstehen, da es hierauf nicht ankommt.
Für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist folgt die Kammer insoweit der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass Verjährungsbeginn der Zeitpunkt des Abschlusses der kieferorthopädischen Behandlung ist. Dies ist hier der 14.12.2006, der Zeitpunkt des Abbruchs der Behandlung. Danach war zum Zeitpunkt der Regressfestsetzung durch den Bescheid vom 09.11.2009 Verjährung in keinem Fall angetreten, so dass dahinstehen kann, ob die Verjährung nicht erst zum Jahresende, also mit Ablauf des 31.12.2006 zu laufen begonnen hat. Für diesen Zeitpunkt, den 14.12.2006, hat die Klägerin die Behandlung als abgebrochen und damit für sie als beendet erklärt. Die insoweit fachkundig besetzte Kammer geht hierbei davon aus, dass bei kieferorthopädischen Behandlung eine einzelne, bestimmte Pflichtverletzung und insbesondere deren Zeitpunkt nicht oder nur erschwert und im Regelfall vage bestimmt werden kann. Die kieferorthopädische Behandlung beruht auch auf der Überwachung eingeleiteter Maßnahmen und der Herbeiführung eines Erfolges dieser Maßnahmen. Ob die Behandlung insoweit regelgerecht war, kann erst nach deren Abschluss bzw. Beendigung durch den Vertragszahnarzt beurteilt werden, da bis dahin unter Umständen die Einleitung weiterer oder korrigierender Maßnahmen noch zu einem regelgerechten Erfolg führen können. Damit hat der Vertragszahnarzt auch keine Garantiehaftung für einen bestimmten Erfolg seiner Behandlung zu übernehmen, da Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch in jedem Fall eine schuldhafte Pflichtverletzung ist. Gerade bei kieferorthopädischen Behandlungen, die im Regelfall über mehrere Jahre erfolgen, wird sich ein Pflichtenverstoß aber erst am Ende der Behandlung feststellen lassen. Von daher kann ein Pflichtenverstoß erst am Ende der Behandlung festgestellt werden und kann zuvor die Verjährung nicht zu laufen beginnen.
Soweit das LSG Niedersachsen maßgeblich für die Entstehung des Schadensersatzanspruches den Zeitpunkt ansieht, in dem der Vertragszahnarzt schuldhaft seine kassenzahnärztlichen Pflichten verletzt und insoweit eine Gesamtbetrachtung des Behandlungszeitraumes nicht zulässig sein soll (vgl. LSG Niedersachsen, Urt. v. 27.09.2000 - L 3/5 KA 64/97 – juris Rdnr. 38 f.), war dem aus den genannten Gründen nicht zu folgen (so bereits Urteil der Kammer vom 21.03.2007 S 12 KA 840/06 -).
Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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