L 11 SB 902/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 02648/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 SB 902/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Februar 2001 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 30. Der am 19.01.1952 geborene Kläger, der die kroatische Staatsangehörigkeit besitzt und sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, stellte am 04.02.2000 einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen und des GdB. Das Versorgungsamt Karls-ruhe (VA) zog hierauf ärztliche Unterlagen bei. Hierzu wird in einer versorgungsärzt¬lichen Stellungnahme ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei Wirbelgleiten, wofür ein GdB von 20 zugrundezulegen sei. Die be¬ginnende Hüftgelenksarthrose beiderseits bedinge keinen GdB von mindestens 10. Die vom Kläger geltend gemachten Schulterbeschwerden seien nicht belegt. Mit Bescheid vom 20.03.2000 stellte sodann das VA einen GdB von 20 seit 04.02.2000 fest. Den vom Kläger nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte, gestützt auf eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme, mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2000 zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit der Begrün-dung, daß er unter zusätzlicher Berücksichtigung von Ischialgien, Schmerzen in den Schultergelenken und einer Hüftarthrose beiderseits schwerbehindert sei. Das SG hörte den Allgemeinmediziner Dr. K. und den Orthopäden Dr. F. als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde Dr. M. erstattete ein Gutachten. Er führte aus, die Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule durch Wirbelgleiten, Skoliose und Bandscheibendegeneration bedinge einen GdB von 20. Ein höherer GdB komme diesbezüglich nicht in Frage, weil schwere funktionelle Auswirkungen oder gar eine Instabilität schweren Grades nicht feststellbar seien. Für die linksseitige Knie-gelenksbehinderung sei ein GdB von 10 in Ansatz zu bringen. Über Schultergelenks-beschwerden habe der Kläger trotz intensiver Befragung nichts berichtet. Die Funktion beider Schultergelenke sei ungestört, so daß insoweit eine Behinderung mit Sicherheit nicht vorliege. Die Beweglichkeit und Belastungsfähigkeit der Hüftgelenke sei nicht ein¬geschränkt. Der Gesamt-GdB betrage 20.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2001, zum Zwecke der Zustellung an die Prozeßbe-vollmächtigte des Klägers als Übergabe-Einschreiben zur Post gegeben am 13.02.2001, an den Beklagten ebenfalls am 13.02.2001 zur Post gegeben, änderte das SG die ange¬fochtenen Bescheide ab und stellte als Behinderungen fest: "Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule durch Wirbelgleiten, Skoliose, Bandscheibendegeneration; Patella¬spitzensyndrom, degenerative mediale Meniscopathie und Cystenbildung am linken Knie¬gelenk." Im übrigen wies es die Klage ab. In den Entscheidungsgründen folgte es dem Gutachten von Dr. M ... Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2001, der Beklagte am 01.03.2001 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, daß die Hüftarthrose beidseits zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Der Kläger beantragt teilweise sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Februar 2001 abzuändern und unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 20. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2000 "Hüftarthrose beiderseits" mit einem Gesamt-GdB von mindestens 30 ab 4. Februar 2000 festzustellen und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Der Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Februar 2001 abzuändern, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Er trägt vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei im Ver-fügungsteil eines Feststellungsbescheides nur über die Höhe des GdB zu entscheiden; lediglich im Begründungsteil eines Feststellungsbescheides seien die dem GdB zugrunde- liegenden Behinderungen aufzuführen. Der angefochtene Gerichtsbescheid könne daher keinen Bestand haben. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einver¬standen erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, die ebenfalls zulässige Berufung des Beklagten hingegen begründet. Die Voraussetzungen für die Feststellung des GdB sind im Gerichtsbescheid des SG zu¬treffend dargestellt. Darauf wird verwiesen. Zutreffend hat das SG entschieden, daß ein höherer GdB als 20 nicht feststellbar ist. Im Vordergrund des Beschwerdebildes steht die Funktionseinschränkung der Lenden¬wirbelsäule, die gemäß den Befunden des Dr. M. als mittelgradig einzustufen ist. Gemäß den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädi¬gungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, Ausgabe 1996 (AP), die der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten anwendet, ist hierfür ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Die linksseitige Kniegelenkserkrankung rechtfertigt, wie Dr. M. nachvollziehbar dargelegt hat, die Annahme eines GdB von 10. Ein höherer Gesamt-GdB resultiert hieraus nicht. Die röntgenologischen Veränderungen der Hüftgelenke stellen keine Behinderung dar. Behinderung ist gemäß Nr. 17 Abs. 1 der AP die Auswirkung einer nicht nur vorüber¬gehenden Funktionsbeeinträchtigung. Eine Funktionsbeeinträchtigung seitens der Hüft¬gelenke liegt aber gemäß den Befunden des Dr. M. bei dem Kläger nicht vor. Die Beweglichkeit und die Belastungsfähigkeit der Hüftgelenke sind nicht eingeschränkt.

Die vom SG vorgenommene Feststellung von Behinderungen im Tenor des Gerichts-bescheides ist indes rechtsfehlerhaft. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), wonach auf Antrag des Behinderten das Vorliegen einer Behinderung und des GdB festgestellt wird, ist dahingehend auszulegen, daß die Versorgungsverwaltung lediglich verpflichtet ist, das Vorliegen einer - unbenannten - Behinderung und den daraus resultierenden GdB festzustellen (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeein-trächtigungen und deren Auswirkungen sind ausschließlich in der Begründung des Feststellungsbescheides anzugeben. Die Feststellung benannter Behinderungen kann die wirtschaftliche oder rechtliche Position des Behinderten nicht verbessern. Eine Klage auf Feststellung benannter Behin-derungen ist damit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig (BSG a.a.O.). Auf die Berufung des Beklagten war hiernach der angefochtene Gerichtsbescheid abzu¬ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Berufung des Klägers war zurückzu¬weisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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