Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2722/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3902/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 6.922,89 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids im Rahmen der Veranlagung der Klägerin zu den Gefahrklassen des 1. Gefahrtarifs der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.
Die Klägerin gehört seit 1983 mit einem Rohrreinigungsunternehmen der Rechtsvorgängerin der Beklagten an. Bis 31.12.2005 war sie von der Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft dem Unternehmenszweig "Reinigungen an und in Gebäuden" zugeordnet und zur Gefahrklasse 2,5 veranlagt, kaufmännisches und technisches Personal zur Gefahrklasse 1,0 (Bescheid vom 04.03.1999). Zum 01.01.2006 trat der 1. Gefahrtarif der Beklagten in Kraft. Im Rahmen dieser Umstellung veranlagte die Beklagte die Klägerin - mit Ausnahme des Büroteils - neu. Mit Bescheid vom 09.12.2005 ordnete sie die Klägerin ohne deren Widerspruch ab 01.01.2006 der Tarifstelle 400 und damit dem Gewerbezweig "Gebäude- und Straßenreinigung" mit der Gefahrklasse 4,5 zu, der als Teilbereich "Reinigungen aller Art an oder in Gebäuden" umfasst. In der Folge stellte die Beklagte fest, dass die automatisch erfolgte Zuordnung der Klägerin fehlerhaft war. Mit Schreiben vom 24.02.2006, dem eine Rechtsmittelbelehrung nicht angefügt war, wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Rohrreinigungsunternehmen nunmehr zur Tarifstelle 200 "Bauausbau - Teilbereich Installation - Rohrreinigung in Gebäuden" gehörten. Diese neue Zuordnung sei bei der maschinellen Umsetzung leider unberücksichtigt geblieben. In der Anlage erhalte die Klägerin den neuen Veranlagungsbescheid, der den Bescheid vom 09.12.2005 ersetze. Im Bescheid über die Neuveranlagung vom 24.02.2006 ordnete die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2006 der Tarifstelle 200 mit der Gefahrklasse 7,3 zu.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und berief sich auf die Bindungswirkung des Bescheids vom 09.12.2005 sowie auf Vertrauensschutz. Im Schreiben vom 29.03.2006 erläuterte die Beklagte die getroffene Entscheidung und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass auch ein bindend gewordener Verwaltungsakt unter bestimmten hier vorliegenden Voraussetzungen zurückgenommen werden könne. Ein schutzwürdiges Vertrauen stehe der Beklagten nicht zur Seite, da zwischen dem Bescheid vom 09.12.2005 und der Neuveranlagung gemäß Bescheid vom 24.02.2006 erst knapp zwei Monate vergangen seien. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Andernfalls würden die beitragsrechtlichen Folgen zu nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Rohrreinigungsunternehmen führen. Die im Bescheid vom 24.02.2006 fehlende Ermessensentscheidung und die vorherige Anhörung seien mit Schreiben vom 29.03.2006 wirksam nachgeholt worden. Im Übrigen sei die Zuordnung des Unternehmens zum Gewerbezweig "Bauausbau" nicht zu beanstanden.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und sich weiterhin auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Unabhängig davon sei die Neuveranlagung zur Tarifstelle 200 mit der Gefahrklasse 7,3 falsch, da der Gefährdungsgrad bei den Reinigungstätigkeiten der Klägerin, die ausschließlich im Rahmen von Haus- und Hofentwässerungen überwiegend durch Kamerasuchtechnik, Rohrreinigung, Innenrohrbeschichtung ausgeführt werden, nicht mit dem Gefährdungspotenzial des Bauausbaus vergleichbar sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Klägerin in den letzten Jahren keinen einzigen Arbeitsunfall zu verzeichnen gehabt habe. Die Zuordnung zur Tarifstelle 400 mit Gebäude- und Straßenreinigung sei richtig. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Die Rohrreinigung stelle eine Teiltätigkeit des Installationshandwerkes dar. Deshalb müsse sie der gleichen Gefahrtarifstelle zugeordnet werden, auch wenn die Klägerin nur eine einzelne Teiltätigkeit ausführe. Eine eigene Gefahrtarifstelle für ihre Tätigkeit scheide mangels ausreichend großer Gruppe aus.
Die Beteiligten haben sich durch Teilvergleich darauf geeinigt, der Beitragsberechnung für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 den Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zugrunde zu legen (Erörterungstermin am 31.08.2007).
Mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2009 hat das SG den Bescheid vom 24.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2006 aufgehoben. In der Begründung hat es sich darauf gestützt, dass zwar einerseits die Vertrauensabwägung zulasten der Klägerin ausfalle und zur Vermeidung von Wettbewerbsvorteilen auch ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Rücknahme bestehe. Die Beklagte habe jedoch auch nicht ansatzweise die gesetzlich vorgeschriebene Ermessensentscheidung getroffen. Der Bescheid vom 24.02.2006 bestimme lediglich, dass die Tarifstelle 200 für die Beitragsberechnung maßgeblich sei. Im Widerspruchsbescheid vom 21.07.2006 werde zwar ausführlich rechtstheoretisch ausgeführt, welche Ermessensfehler nicht gemacht werden dürften, ansonsten werde aber auf die Darlegungen vom 29.03.2009 verwiesen, in denen sich tatsächlich nicht einmal ein einziger Satz zu den maßgeblichen Kriterien fände. Vielmehr sei dort nur auf die Vertrauensabwägung und die materielle Rechtslage eingegangen worden. Eine Ermessensreduzierung auf Null scheide aus, weil der rechtswidrige Bescheid vom 09.12.2005 ausschließlich aufgrund eines Verschuldens der Beklagten erlassen worden sei. Gegen den ihr gegen Empfangsbekenntnis am 29.07.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 26.08.2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, den Begründungsmangel des Bescheids vom 24.02.2006 mit dem Schreiben vom 29.03.2006 korrigiert zu haben, weil darin die tragenden Gründe der Entscheidung, die sich teilweise mit der Vertrauensschutzabwägung deckten, mitgeteilt worden seien. Im Übrigen dürften die Anforderungen nicht überspitzt werden. Es genüge, wenn hinreichend erkennbar sei, dass eine Abwägung der einander gegenüber stehenden Interessen stattgefunden habe und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen sei. Unabhängig davon sei gem. § 41 Abs. 1 Ziff. 2 iVm Abs. 2 SGB X noch die Nachholung der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens möglich gewesen, was erfolgt sei. Hinzu komme, dass der Beklagten kein besonders grobes Verschulden am Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsakts anzulasten sei. Bei der Neuveranlagung nach dem 1. Gefahrtarifvertrag habe es sich um eine Massenaktion gehandelt, die nur unter Zuhilfenahme einer maschinellen Umstellung habe erfolgen können. Dabei sei bei der Programmierung der Umsetzungstabellen für die kleine Gruppe der Rohrreiniger ein Fehler unterlaufen, weil alle Reinigungsbetriebe automatisch auch nach dem neuen Gefahrtarifvertrag als "Reiniger" nach Tarifstelle 400 veranlagt worden seien, was zur Falschveranlagung der Rohrreiniger mit bedeutenden Auswirkungen auf der Beitragsseite insgesamt geführt habe. Auch habe die wirtschaftliche Situation der Klägerin einer Änderung nicht im Wege gestanden. An der materiellen Richtigkeit der Korrektur habe das SG keinen Zweifel gehabt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2006 zu Unrecht aufgehoben. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat damit die Zuordnung der Klägerin zum 1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in zulässiger Weise geändert.
Das Schreiben vom 24.02.2006, das äußerlich nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist inhaltlich jedoch als rücknehmender Verwaltungsakt zu qualifizieren. Indem die Beklagte unter Angabe des Grundes mitteilt, dass der neue Veranlagungsbescheid den Bescheid vom 09.12.2005 ersetze, hat sie eine Verfügung zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des Rechts der Unfallversicherung getroffen (§ 31 SGB X). Insofern liegt eine Rücknahme des Bescheids vom 09.12.2005 und die Neuveranlagung durch den weiteren Bescheid vom 24.02.2006 vor.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids richtet sich nach § 45 SGB X; § 160 SGB VII ist nicht einschlägig, da eine Änderung nicht im Unternehmen vorliegt. Nach § 45 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist, nur unter den in den Absätzen 2 bis 4 genannten Einschränkungen zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an seiner Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts trägt grundsätzlich die Behörde nach dem Grundsatz, dass jeder diejenigen Umstände zu beweisen hat, aus denen er Rechtsfolgen herleitet (BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R, zitiert nach juris).
Ein begünstigender Verwaltungsakt lag vor, da der zurückgenommene Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 jedenfalls insofern für die Klägerin begünstigend war, als ihr darin durch die Zuordnung zur Tarifstelle 400 mit der Gefahrklasse 4,5 gegenüber der Zuordnung zur Tarifstelle 200 mit der Gefahrklasse 7,3 eine für die darauf beruhende Beitragserhebung günstigere Rechtsposition eingeräumt worden war (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rn. 22, 24).
Nach dem im Erörterungstermin vor dem SG geschlossenen Teilvergleich haben sich die Beteiligten geeinigt, der Beitragsberechnung für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 noch den Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zugrunde zu legen; der Neuveranlagungsbescheid vom 24.02.2006 entfaltet daher erst ab dem 01.07.2006 Rechtswirkung. Da die Beklagte der Klägerin den Rücknahmebescheid jedenfalls bis zum 02.03.2006 (Datum des Widerspruchs) iS von § 37 SGB X bekannt gegeben hat, ist damit nur noch die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme des Veranlagungsbescheids streitig.
Formale Gesichtspunkte stehen der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24.02.2006 nicht entgegen. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung, die vor dem Erlass des angefochtenen Bescheids unterblieben war, ist wirksam im Widerspruchsverfahren nachgeholt und insoweit der Verfahrensfehler geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Das Widerspruchsverfahren ersetzt die förmliche Anhörung, wenn dem Beteiligten die Möglichkeit gegeben war, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu äußern. Dem ist genügt, wenn die Begründung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides selbst alle Tatsachen enthält, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde für den Verfügungssatz objektiv ankommt und dem Beteiligten dadurch Gelegenheit gegeben wird, sich mit Einlegung des Widerspruchs zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern. (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 41 Rn. 15 mit Hinweis auf die Rechtsprechung). Vorliegend enthielt zwar nicht schon der Bescheid vom 24.02.2006 die letztlich für die Behörde maßgeblichen Gründe. Diese hat sie der Klägerin jedoch im Widerspruchsverfahren mit dem Schreiben vom 29.03.2006 mitgeteilt und ihr nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit war rechtliches Gehör gegeben, der Verfahrensfehler der Beklagten ist dadurch "unbeachtlich" (§ 41 Abs. 1 SGB X) geworden.
Der Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 war auch von Anfang an rechtwidrig, weil er nicht dem ab 01.01.2006 gültigen Gefahrtarif der Beklagten entsprach. Der Unternehmenszweig "Rohrreinigung in Gebäuden", wie ihn die Klägerin ausübt, ist namentlich erfasst. Nach der Neuzusammenstellung der Gewerbezweige ist der Teilbereich nicht mehr wie nach dem bisherigen Gefahrtarif dem Unternehmenszweig "Reinigungen an und in Gebäuden" (mit der Gefahrklasse 2,5), sondern dem "Bauausbau, Teilbereich Installation" (mit der Gefahrklasse 7,3) zugeordnet worden. Zudem ist unter der Tarifstelle 400 ausdrücklich bestimmt, dass "Rohrreinigung in Gebäuden" nicht hier, sondern in Tarifstelle 200 erfasst ist. Von daher besteht an der Zuordnung nach dem Gefahrtarif kein Zweifel.
Die Neuzusammenstellung durch die Beklagte ist in Bezug auf die Tarifstelle 200 auch nicht zu beanstanden. Zu Unrecht beansprucht die Klägerin mit dem Argument der geringeren Risikosphäre die Zuordnung als Rohrreiniger zur Tarifstelle 400 im 1. Gefahrtarif der Beklagten.
Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt, die mit die Grundlage für die Beitragshöhe bilden (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest, in dem zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen gebildet werden (§ 157 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII).
Unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. § 158 SGB VII) ist der Gefahrtarif durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur beschränkt daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet, also dem SGB VII, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. Den Unfallversicherungsträgern ist damit ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt. Als gesetzliche Vorgaben sind die in §§ 152 f, 157, 162 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt dem Unfallversicherungsträger. Aufgrund dieser eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis kann nicht jeder Fehler Beachtung finden. Die Bildung des Gefahrtarifs muss aber auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R, m. w. N.; Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05R nach juris).
Nach der og Rechtsprechung zulässig hat die Beklagte als Anknüpfungspunkt für die Gefahrtarifstellen an die Gewerbezweige angeknüpft, weil diese eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellen. Um eine möglichst gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen zu gewährleisten, kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einbezieht. Auch unter Berücksichtigung der veränderten Bedingungen der heutigen Berufs- und Arbeitswelt sind in erster Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend, da sie den zuverlässigsten Aufschluss über die Unfallgefahren der Unternehmen geben (BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R, m. w. N.; Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05R nach juris).
Die Beklagte hat diese gesetzlichen Vorgaben in ihrem am 01.01.2006 in Kraft getretenen Gefahrtarif in der Weise umgesetzt, dass sie als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen die Gewerbezweige gewählt hat. Ein solcher Gewerbezweigtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufweisen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellt. Die Risikobewertung nach dem Gewerbezweigprinzip ist damit im Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidungen des Gesetzes und der Verfassung vereinbar, wie das Bundessozialgericht (BSG) in zahlreichen Entscheidungen bekräftigt hat (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 157 Nr. 2 und Urteil vom 21. März 2006 – B 2 U 2/05 R -, zitiert nach juris).
Ein Unternehmen kann nur dann mit Aussicht auf Erfolg fordern, einem anderen Gewerbezweig bzw. einer anderen Unternehmensart zugeteilt zu werden, wenn der Gefahrtarif mehrere für die betreffende Unternehmensart in Betracht kommende Gefahrtarifstellen ausweist und unklar ist, welcher von ihnen er nach Art und Gegenstand zuzurechnen ist. Steht die nach technologischen Kriterien richtige Zuordnung fest, kann die Zugehörigkeit zu dem Gewerbezweig bzw. der Unternehmensart nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation infrage gestellt werden. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gibt. Dass alle gewerbezweigzugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (BSG, Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R m.w.Hinw.).
Da ein gewerbezweigorientierter Gefahrtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben bezieht, kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt werden. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte beschränken, sondern muss alle das Gefährdungsrisiko beeinflussende Faktoren einbeziehen. Zu prüfen sind hierfür der Unternehmensgegenstand und Unternehmenszweck, die Art der angebotenen Dienstleistungen und die näheren Umstände ihrer Erbringung (BSG, Urteil vom 21. März 2006, Az.: B 2 U 2/05 R, zitiert nach juris).
Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Rohrreiniger der Tarifstelle 200 zugeordnet hat. Leitende Gesichtspunkte für die Neustrukturierung des Gefahrtarifs waren zum einen die Fusion der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft. Durch den Zusammenschluss zum 01.05.2005 von 8 Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft - darunter auch die Tiefbau-Berufsgenossenschaft mit einem unterschiedlichen Risikopotential - wurde es notwendig, einen für alle Mitgliedsunternehmen gültigen Gefahrtarif zu erlangen. Des weiteren erforderten die gerade in der Bauwirtschaft in den letzten Jahren eingetretenen gravierenden strukturellen Änderungen eine Anpassung der historisch gewachsenen Gefahrtarife. Insbesondere die Entwicklung hin zu Unternehmen, die viele unterschiedliche Tätigkeiten aus den verschiedensten Bereichen des Baugewerbes ausführen, hat eine Änderung der eher nach Handwerken und in Einzelbereichen sogar nach Tätigkeiten strukturierten Gefahrtarife erforderlich gemacht. Zur Erstellung der neuen Systematik hat sich die Beklagte nach ihrem Bekunden durchgehend an den faktischen Verhältnissen der jeweiligen Wirtschaftszweige orientiert. Insoweit kam es zur Bildung größerer Einheiten und Zusammenfassung verschiedener Gewerke um eine Verschlankung und Vereinfachung des Gefahrtarifs zu erreichen. Technologische, wirtschaftliche oder handwerkliche Verzahnungen waren hierbei maßgebend (vgl. http://www.bgbau.de/d/pages/ tools/ images/gefahrtarif 2006 i.pdf). Diese Leitmotive sind nicht zu beanstanden.
Zudem ist der Gefahrtarif auf der Basis eines gemeinsamen Zahlenwerkes der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen für eingetretene Versicherungsfälle zu den Arbeitsentgelten im Beobachtungszeitraum zwischen 1999 und 2003 berechnet worden. Er fußt daher auf gesichertem Zahlenmaterial.
Nach Art und Gegenstand des Unternehmens der Klägerin begegnet es keinen Bedenken, sie der neustrukturierten Tarifstelle 200 dem Gewerbezweig Bauausbau zuzuordnen. Hierunter erfasst sind: Malerarbeiten aller Art, Isolierung und Abdichtung, Ofenbau, Luftheizungsbau, Verfugarbeiten, Verputzarbeiten, Stuckarbeiten, Wand- und Bodenbelagsarbeiten aller Art, Glaserarbeiten, Montagearbeiten, Dekorationsarbeiten und eben Installation mit dem Teilbereich Rohrreinigung in Gebäuden. Der maßgebliche Unternehmensgegenstand der Klägerin besteht nach ihrem Internetauftritt in der Darbietung von Dienstleistungen, die nicht nur in der Reinigung von Rohren bestehen, sondern sich vielfältig gestalten. Sie bietet daneben folgende Leistungen an: abwassertechnische Beratung, Arbeiten an Hebeanlagen, Dichtheitsprüfung, Entwässerungsplan- Erstellung, Hilfe im Versicherungsfall, Lüftungsreinigung, Ortung, Rigolen (Regenwasserversickerung), Rückstausicherung, TV-Inspektion, Wartung bis hin zur Rohr- und Kanalreparatur (http://www.abfluss-as-allianz.de/). Der Unternehmensgegenstand geht damit weit über bloße Reinigungstätigkeiten hinaus.
Schließlich ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass mit der Bildung der Gefahrtarifstelle 200 derart inhomogene Gefährdungsrisiken in eine Gefahrtarifstelle zusammengefasst worden wären, dass dies unter Berücksichtigung des Gebots, vergleichbare Gefährdungsrisiken zusammenzufassen, für die Klägerin nicht mehr hinnehmbar wäre. Allein die Tatsache, dass die Klägerin in den letzten Jahren unfallfrei geblieben ist, rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Nachdem sich auf Grund technologischer Kriterien die Zuordnung zur Tarifstelle 200 als richtig erweist, kommt es auf den Grad der Unfallgefahr nicht mehr an.
Die Zuordnung zur Tarifstelle 400 war damit von Anfang an rechtswidrig gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X setzt die Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsakts die Ausübung von Ermessen voraus, dessen tragende Gesichtspunkte sich in der Begründung des Verwaltungsakts wiederfinden müssen (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Ermessensgesichtspunkte enthielten die Bescheide vom 24.02.2006 nicht. Der im Rücknahmebescheid gegebenen Begründung ist lediglich zu entnehmen, dass in Bezug auf die Rohrreiniger ein Fehler bei der maschinellen Umsetzung des 1. Gefahrtarifs unterlaufen ist, der korrigiert werden soll. Anhand dessen lässt sich nicht unterscheiden, ob die Beklagte überhaupt Ermessen ausgeübt hat bzw. fehlerhaft von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist oder ob es sich lediglich um das vollständige Fehlen einer Ermessensbegründung gehandelt hat. Diese Unterscheidung braucht vorliegend nicht getroffen zu werden, denn selbst der Mangel der Ermessensbetätigung (vgl. § 39 SGB I) kann jedenfalls bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens korrigiert werden (Schütze in v. Wulffen, aaO § 41, Rn. 11). Dies hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 29.03.2006 und spätestens im Widerspruchsbescheid in zulässiger Weise nachgeholt.
Die Klägerin kann für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach den bereits vom SG im Erörterungstermin erhobenen Feststellungen hat die Klägerin im Hinblick auf die durch den Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zu erwartende Beitragslast jedenfalls keine Vermögensdisposition i.S. des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X getroffen.
Im Rahmen der Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind die Belange des vom rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigten mit dem öffentlichen Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände abzuwägen (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 6/00 R mit Hinweis auf BSGE 81, 156, 159 f = SozR 3-1300 § 45 Nr. 37 S 116; SozR 1300 § 45 Nr. 9 S 25 f; BSGE 59, 157, 163 ff = SozR 1300 § 45 Nr. 19 S 58; BSGE 60, 147, 152 = SozR 1300 § 45 Nr. 24 S 77).
Im vorliegenden Fall ist zunächst zu beachten, dass der Veranlagungsbescheid zum ab 01.01.2006 gültigen Gefahrtarif der Beklagten weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen hat. Denn er ist die Grundlage für die Beitragserhebung (s.o) über die Geltungsdauer von längstens 6 Jahren. Vergleichbar mit einer Dauerleistung, bei der das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands in der Regel höher einzuschätzen ist als bei der Gewährung einmaliger Leistungen (BSG Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 6/00 R), ist dies auch vorliegend der Fall, weil die Gemeinschaft der Unternehmer durch eine länger dauernde zu geringe Beitragsbelastung der Beklagten stärker belastet wird, als durch eine einmalige. Dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Die Stellung des durch die rechtswidrige Leistung Begünstigten wird nach der Rechtsprechung zwar mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der Bewilligung gestärkt (BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 118). Dieses Argument kann die Klägerin für sich jedoch nicht beanspruchen, da die Zeitspanne zwischen der fehlerhaften Veranlagung am 09.12.2005 und der Rücknahmeentscheidung und Neuveranlagung am 24.02.2006 nur gut 2 Monate betrug. Dieser Zeitraum ist nicht ausreichend, um in die Vertrauensschutzprüfung zugunsten der Klägerin einzufließen. Das Vertrauen der Klägerin war auch nicht deshalb schützenswert, weil die Rechtswidrigkeit der Bewilligung allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten fiel. Das BSG hat dementsprechend bereits entschieden, allein die Tatsache, dass die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheids auf einer unrichtigen Rechtsanwendung seitens der Beklagten beruht, rechtfertige noch nicht ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand dieser rechtswidrigen Entscheidung (BSGE 59, 157, 164 f = SozR 1300 § 45 Nr. 19, S 58; ebenso BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 37 S 117 ff). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in die Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines gesetzesmäßigen Zustandes und den Belangen des betroffenen Versicherten einzubeziehen (BSG aaO; vgl. hierzu auch BSG Urteil vom 28. November 1994 - 4 RJ 37/84 = DRV 1985, 319). Im Rahmen dieser Einzelabwägung aller Belange könnte eine Stärkung des Vertrauens der Klägerin in den Bestand der fehlerhaften Bewilligung allenfalls dann angenommen werden, wenn der Beklagten über den bloßen Fehler bei der ursprünglichen Bewilligung hinaus noch weitere Fehler unterlaufen wären, die ein zusätzliches Vertrauen begründet hätten (etwa durch die Erteilung zusätzlicher falscher Auskünfte, weiterer Bescheide oder die Anforderung weiterer Unterlagen, ohne Hinweis auf die Rechtswidrigkeit der Bewilligung; vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 45 Nr. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere war noch kein Beitragsbescheid erlassen worden, was als Vertiefung des ursprünglich gemachten Fehlers gewertet werden könnte. Andererseits wird die Klägerin durch in der Folge höhere Beiträge nicht wirtschaftlich besonders schwer getroffen, da es sich um ein gesundes Unternehmen handelt.
Da weitere für eine Vertrauensschutzprüfung i.S. des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X relevante Sachverhaltselemente nicht ersichtlich sind und von der Klägerin auch nicht vorgetragen wurden, war hier das Interesse der Allgemeinheit daran, dass die Klägerin nicht für eventuell 6 Jahre geringere Beiträge zur Beklagten aufgrund einer rechtswidrigen Zuordnung zum Gefahrtarif zahlt, höher zu bewerten als das bei ihr durch die Rechtswidrigkeit der Bewilligung möglicherweise entstandene Vertrauen.
Auch die Ermessenserwägungen der Beklagten sind entgegen der Auffassung des SG zureichend und zutreffend. Die Beklagte hat zunächst im vorliegenden Fall Ermessen betätigt. Dies folgt insbesondere aus der Begründung des Widerspruchsbescheids, dem sich entnehmen lässt, dass die Beklagte sich des ihr zustehenden Ermessensspielraums bewusst war, also nicht von einer Rücknahmepflicht ausgegangen ist. Im Rahmen der Ermessenserwägungen hat die Beklagte nicht nur rechtstheoretische Erwägungen genannt, sondern ist auf die wesentlichen Gründe inhaltlich - wenn auch kurz - eingegangen. So hat sie sich im Schreiben vom 29.03.2006 und im Widerspruchsbescheid mit der Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Klägerin auseinandergesetzt und hier das Zeitmoment der Neuveranlagung angeführt. Sie hat die Gleichbehandlung aller Unternehmer für die Begründung des öffentlichen Interesses an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes benannt und auf die ansonsten nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteile hingewiesen. Dies sind alles Gesichtspunkte, die schon oben angeführt worden sind und verdeutlichen, dass die Beklagte das ihr zustehende Rücknahmeermessen ausgeübt hat.
Da die weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids (Einhaltung der Frist nach § 45 Abs. 3 Satz 1 und § 45 Abs. 3 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die Rücknahme des Veranlagungsbescheids vom 09.12.2005 mit Wirkung für die Zukunft rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO).
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Streitwert für das Verfahren wird gem. § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Nr. 4 GKG sowie § 52 Abs. 1 GKG auf 6.922,89 EUR festgesetzt. Für die Festsetzung des Streitwerts ist die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache maßgebend, d. h. in der Regel das wirtschaftliche Interesse an der erstrebten Entscheidung (§ 52 Abs. 1 GKG). Bei einer Klage gegen einen Bescheid über die Veranlagung eines Unternehmens nach dem Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft orientiert sich der Streitwert an der Beitragslast für die ersten 3 Umlagejahre; bei Nichtfestellbarkeit der erstrebten Beitragsersparnis wird der Streitwert aus der Hälfte der Beitragslast der ersten 3 Beitragsjahre berechnet (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2006 - L 10 U 1403/06 W m.w.N.). Die Klägerin begehrt, in einer bestimmten anderen, niedrigeren Gefahrklasse - Gefahrklasse 4,5 statt 7,3 - eingestuft zu werden. Die Differenz der Beitragsschuld errechnet sich wie folgt: die jeweilige Beitragsschuld bei Gefahrklasse 200 (für 2006 - 4.335,53 EUR; für 2007 - 7.548,04 EUR; für 2008 - 7.579,87 EUR) abzüglich der jeweiligen Beitragsschuld bei Gefahrklasse 400 (für 2006 - 3.215,13 EUR; für 2007 - 4.652,90 EUR; für 2008 - 4.672,52 EUR). Die hier erstrebte Beitragsersparnis würde somit für 2006 1.120,40 EUR, für 2007 2.895,14 EUR und für 2008 2.907,35 EUR betragen. Dies hat auf die ersten 3 Umlagejahre bezogen eine Beitragsersparnis/Streitwert in Höhe von 6.922,89 EUR zur Folge.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 6.922,89 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids im Rahmen der Veranlagung der Klägerin zu den Gefahrklassen des 1. Gefahrtarifs der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.
Die Klägerin gehört seit 1983 mit einem Rohrreinigungsunternehmen der Rechtsvorgängerin der Beklagten an. Bis 31.12.2005 war sie von der Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft dem Unternehmenszweig "Reinigungen an und in Gebäuden" zugeordnet und zur Gefahrklasse 2,5 veranlagt, kaufmännisches und technisches Personal zur Gefahrklasse 1,0 (Bescheid vom 04.03.1999). Zum 01.01.2006 trat der 1. Gefahrtarif der Beklagten in Kraft. Im Rahmen dieser Umstellung veranlagte die Beklagte die Klägerin - mit Ausnahme des Büroteils - neu. Mit Bescheid vom 09.12.2005 ordnete sie die Klägerin ohne deren Widerspruch ab 01.01.2006 der Tarifstelle 400 und damit dem Gewerbezweig "Gebäude- und Straßenreinigung" mit der Gefahrklasse 4,5 zu, der als Teilbereich "Reinigungen aller Art an oder in Gebäuden" umfasst. In der Folge stellte die Beklagte fest, dass die automatisch erfolgte Zuordnung der Klägerin fehlerhaft war. Mit Schreiben vom 24.02.2006, dem eine Rechtsmittelbelehrung nicht angefügt war, wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Rohrreinigungsunternehmen nunmehr zur Tarifstelle 200 "Bauausbau - Teilbereich Installation - Rohrreinigung in Gebäuden" gehörten. Diese neue Zuordnung sei bei der maschinellen Umsetzung leider unberücksichtigt geblieben. In der Anlage erhalte die Klägerin den neuen Veranlagungsbescheid, der den Bescheid vom 09.12.2005 ersetze. Im Bescheid über die Neuveranlagung vom 24.02.2006 ordnete die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2006 der Tarifstelle 200 mit der Gefahrklasse 7,3 zu.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und berief sich auf die Bindungswirkung des Bescheids vom 09.12.2005 sowie auf Vertrauensschutz. Im Schreiben vom 29.03.2006 erläuterte die Beklagte die getroffene Entscheidung und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass auch ein bindend gewordener Verwaltungsakt unter bestimmten hier vorliegenden Voraussetzungen zurückgenommen werden könne. Ein schutzwürdiges Vertrauen stehe der Beklagten nicht zur Seite, da zwischen dem Bescheid vom 09.12.2005 und der Neuveranlagung gemäß Bescheid vom 24.02.2006 erst knapp zwei Monate vergangen seien. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Andernfalls würden die beitragsrechtlichen Folgen zu nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Rohrreinigungsunternehmen führen. Die im Bescheid vom 24.02.2006 fehlende Ermessensentscheidung und die vorherige Anhörung seien mit Schreiben vom 29.03.2006 wirksam nachgeholt worden. Im Übrigen sei die Zuordnung des Unternehmens zum Gewerbezweig "Bauausbau" nicht zu beanstanden.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und sich weiterhin auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Unabhängig davon sei die Neuveranlagung zur Tarifstelle 200 mit der Gefahrklasse 7,3 falsch, da der Gefährdungsgrad bei den Reinigungstätigkeiten der Klägerin, die ausschließlich im Rahmen von Haus- und Hofentwässerungen überwiegend durch Kamerasuchtechnik, Rohrreinigung, Innenrohrbeschichtung ausgeführt werden, nicht mit dem Gefährdungspotenzial des Bauausbaus vergleichbar sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Klägerin in den letzten Jahren keinen einzigen Arbeitsunfall zu verzeichnen gehabt habe. Die Zuordnung zur Tarifstelle 400 mit Gebäude- und Straßenreinigung sei richtig. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Die Rohrreinigung stelle eine Teiltätigkeit des Installationshandwerkes dar. Deshalb müsse sie der gleichen Gefahrtarifstelle zugeordnet werden, auch wenn die Klägerin nur eine einzelne Teiltätigkeit ausführe. Eine eigene Gefahrtarifstelle für ihre Tätigkeit scheide mangels ausreichend großer Gruppe aus.
Die Beteiligten haben sich durch Teilvergleich darauf geeinigt, der Beitragsberechnung für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 den Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zugrunde zu legen (Erörterungstermin am 31.08.2007).
Mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2009 hat das SG den Bescheid vom 24.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2006 aufgehoben. In der Begründung hat es sich darauf gestützt, dass zwar einerseits die Vertrauensabwägung zulasten der Klägerin ausfalle und zur Vermeidung von Wettbewerbsvorteilen auch ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Rücknahme bestehe. Die Beklagte habe jedoch auch nicht ansatzweise die gesetzlich vorgeschriebene Ermessensentscheidung getroffen. Der Bescheid vom 24.02.2006 bestimme lediglich, dass die Tarifstelle 200 für die Beitragsberechnung maßgeblich sei. Im Widerspruchsbescheid vom 21.07.2006 werde zwar ausführlich rechtstheoretisch ausgeführt, welche Ermessensfehler nicht gemacht werden dürften, ansonsten werde aber auf die Darlegungen vom 29.03.2009 verwiesen, in denen sich tatsächlich nicht einmal ein einziger Satz zu den maßgeblichen Kriterien fände. Vielmehr sei dort nur auf die Vertrauensabwägung und die materielle Rechtslage eingegangen worden. Eine Ermessensreduzierung auf Null scheide aus, weil der rechtswidrige Bescheid vom 09.12.2005 ausschließlich aufgrund eines Verschuldens der Beklagten erlassen worden sei. Gegen den ihr gegen Empfangsbekenntnis am 29.07.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 26.08.2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, den Begründungsmangel des Bescheids vom 24.02.2006 mit dem Schreiben vom 29.03.2006 korrigiert zu haben, weil darin die tragenden Gründe der Entscheidung, die sich teilweise mit der Vertrauensschutzabwägung deckten, mitgeteilt worden seien. Im Übrigen dürften die Anforderungen nicht überspitzt werden. Es genüge, wenn hinreichend erkennbar sei, dass eine Abwägung der einander gegenüber stehenden Interessen stattgefunden habe und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen sei. Unabhängig davon sei gem. § 41 Abs. 1 Ziff. 2 iVm Abs. 2 SGB X noch die Nachholung der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens möglich gewesen, was erfolgt sei. Hinzu komme, dass der Beklagten kein besonders grobes Verschulden am Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsakts anzulasten sei. Bei der Neuveranlagung nach dem 1. Gefahrtarifvertrag habe es sich um eine Massenaktion gehandelt, die nur unter Zuhilfenahme einer maschinellen Umstellung habe erfolgen können. Dabei sei bei der Programmierung der Umsetzungstabellen für die kleine Gruppe der Rohrreiniger ein Fehler unterlaufen, weil alle Reinigungsbetriebe automatisch auch nach dem neuen Gefahrtarifvertrag als "Reiniger" nach Tarifstelle 400 veranlagt worden seien, was zur Falschveranlagung der Rohrreiniger mit bedeutenden Auswirkungen auf der Beitragsseite insgesamt geführt habe. Auch habe die wirtschaftliche Situation der Klägerin einer Änderung nicht im Wege gestanden. An der materiellen Richtigkeit der Korrektur habe das SG keinen Zweifel gehabt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2006 zu Unrecht aufgehoben. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat damit die Zuordnung der Klägerin zum 1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in zulässiger Weise geändert.
Das Schreiben vom 24.02.2006, das äußerlich nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist inhaltlich jedoch als rücknehmender Verwaltungsakt zu qualifizieren. Indem die Beklagte unter Angabe des Grundes mitteilt, dass der neue Veranlagungsbescheid den Bescheid vom 09.12.2005 ersetze, hat sie eine Verfügung zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des Rechts der Unfallversicherung getroffen (§ 31 SGB X). Insofern liegt eine Rücknahme des Bescheids vom 09.12.2005 und die Neuveranlagung durch den weiteren Bescheid vom 24.02.2006 vor.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids richtet sich nach § 45 SGB X; § 160 SGB VII ist nicht einschlägig, da eine Änderung nicht im Unternehmen vorliegt. Nach § 45 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist, nur unter den in den Absätzen 2 bis 4 genannten Einschränkungen zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an seiner Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts trägt grundsätzlich die Behörde nach dem Grundsatz, dass jeder diejenigen Umstände zu beweisen hat, aus denen er Rechtsfolgen herleitet (BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R, zitiert nach juris).
Ein begünstigender Verwaltungsakt lag vor, da der zurückgenommene Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 jedenfalls insofern für die Klägerin begünstigend war, als ihr darin durch die Zuordnung zur Tarifstelle 400 mit der Gefahrklasse 4,5 gegenüber der Zuordnung zur Tarifstelle 200 mit der Gefahrklasse 7,3 eine für die darauf beruhende Beitragserhebung günstigere Rechtsposition eingeräumt worden war (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rn. 22, 24).
Nach dem im Erörterungstermin vor dem SG geschlossenen Teilvergleich haben sich die Beteiligten geeinigt, der Beitragsberechnung für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 noch den Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zugrunde zu legen; der Neuveranlagungsbescheid vom 24.02.2006 entfaltet daher erst ab dem 01.07.2006 Rechtswirkung. Da die Beklagte der Klägerin den Rücknahmebescheid jedenfalls bis zum 02.03.2006 (Datum des Widerspruchs) iS von § 37 SGB X bekannt gegeben hat, ist damit nur noch die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme des Veranlagungsbescheids streitig.
Formale Gesichtspunkte stehen der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24.02.2006 nicht entgegen. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung, die vor dem Erlass des angefochtenen Bescheids unterblieben war, ist wirksam im Widerspruchsverfahren nachgeholt und insoweit der Verfahrensfehler geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Das Widerspruchsverfahren ersetzt die förmliche Anhörung, wenn dem Beteiligten die Möglichkeit gegeben war, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu äußern. Dem ist genügt, wenn die Begründung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides selbst alle Tatsachen enthält, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde für den Verfügungssatz objektiv ankommt und dem Beteiligten dadurch Gelegenheit gegeben wird, sich mit Einlegung des Widerspruchs zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern. (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 41 Rn. 15 mit Hinweis auf die Rechtsprechung). Vorliegend enthielt zwar nicht schon der Bescheid vom 24.02.2006 die letztlich für die Behörde maßgeblichen Gründe. Diese hat sie der Klägerin jedoch im Widerspruchsverfahren mit dem Schreiben vom 29.03.2006 mitgeteilt und ihr nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit war rechtliches Gehör gegeben, der Verfahrensfehler der Beklagten ist dadurch "unbeachtlich" (§ 41 Abs. 1 SGB X) geworden.
Der Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 war auch von Anfang an rechtwidrig, weil er nicht dem ab 01.01.2006 gültigen Gefahrtarif der Beklagten entsprach. Der Unternehmenszweig "Rohrreinigung in Gebäuden", wie ihn die Klägerin ausübt, ist namentlich erfasst. Nach der Neuzusammenstellung der Gewerbezweige ist der Teilbereich nicht mehr wie nach dem bisherigen Gefahrtarif dem Unternehmenszweig "Reinigungen an und in Gebäuden" (mit der Gefahrklasse 2,5), sondern dem "Bauausbau, Teilbereich Installation" (mit der Gefahrklasse 7,3) zugeordnet worden. Zudem ist unter der Tarifstelle 400 ausdrücklich bestimmt, dass "Rohrreinigung in Gebäuden" nicht hier, sondern in Tarifstelle 200 erfasst ist. Von daher besteht an der Zuordnung nach dem Gefahrtarif kein Zweifel.
Die Neuzusammenstellung durch die Beklagte ist in Bezug auf die Tarifstelle 200 auch nicht zu beanstanden. Zu Unrecht beansprucht die Klägerin mit dem Argument der geringeren Risikosphäre die Zuordnung als Rohrreiniger zur Tarifstelle 400 im 1. Gefahrtarif der Beklagten.
Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt, die mit die Grundlage für die Beitragshöhe bilden (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest, in dem zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen gebildet werden (§ 157 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII).
Unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. § 158 SGB VII) ist der Gefahrtarif durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur beschränkt daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet, also dem SGB VII, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. Den Unfallversicherungsträgern ist damit ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt. Als gesetzliche Vorgaben sind die in §§ 152 f, 157, 162 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt dem Unfallversicherungsträger. Aufgrund dieser eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis kann nicht jeder Fehler Beachtung finden. Die Bildung des Gefahrtarifs muss aber auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R, m. w. N.; Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05R nach juris).
Nach der og Rechtsprechung zulässig hat die Beklagte als Anknüpfungspunkt für die Gefahrtarifstellen an die Gewerbezweige angeknüpft, weil diese eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellen. Um eine möglichst gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen zu gewährleisten, kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einbezieht. Auch unter Berücksichtigung der veränderten Bedingungen der heutigen Berufs- und Arbeitswelt sind in erster Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend, da sie den zuverlässigsten Aufschluss über die Unfallgefahren der Unternehmen geben (BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R, m. w. N.; Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05R nach juris).
Die Beklagte hat diese gesetzlichen Vorgaben in ihrem am 01.01.2006 in Kraft getretenen Gefahrtarif in der Weise umgesetzt, dass sie als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen die Gewerbezweige gewählt hat. Ein solcher Gewerbezweigtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufweisen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellt. Die Risikobewertung nach dem Gewerbezweigprinzip ist damit im Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidungen des Gesetzes und der Verfassung vereinbar, wie das Bundessozialgericht (BSG) in zahlreichen Entscheidungen bekräftigt hat (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 157 Nr. 2 und Urteil vom 21. März 2006 – B 2 U 2/05 R -, zitiert nach juris).
Ein Unternehmen kann nur dann mit Aussicht auf Erfolg fordern, einem anderen Gewerbezweig bzw. einer anderen Unternehmensart zugeteilt zu werden, wenn der Gefahrtarif mehrere für die betreffende Unternehmensart in Betracht kommende Gefahrtarifstellen ausweist und unklar ist, welcher von ihnen er nach Art und Gegenstand zuzurechnen ist. Steht die nach technologischen Kriterien richtige Zuordnung fest, kann die Zugehörigkeit zu dem Gewerbezweig bzw. der Unternehmensart nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation infrage gestellt werden. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gibt. Dass alle gewerbezweigzugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (BSG, Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R m.w.Hinw.).
Da ein gewerbezweigorientierter Gefahrtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben bezieht, kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt werden. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte beschränken, sondern muss alle das Gefährdungsrisiko beeinflussende Faktoren einbeziehen. Zu prüfen sind hierfür der Unternehmensgegenstand und Unternehmenszweck, die Art der angebotenen Dienstleistungen und die näheren Umstände ihrer Erbringung (BSG, Urteil vom 21. März 2006, Az.: B 2 U 2/05 R, zitiert nach juris).
Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Rohrreiniger der Tarifstelle 200 zugeordnet hat. Leitende Gesichtspunkte für die Neustrukturierung des Gefahrtarifs waren zum einen die Fusion der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft. Durch den Zusammenschluss zum 01.05.2005 von 8 Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft - darunter auch die Tiefbau-Berufsgenossenschaft mit einem unterschiedlichen Risikopotential - wurde es notwendig, einen für alle Mitgliedsunternehmen gültigen Gefahrtarif zu erlangen. Des weiteren erforderten die gerade in der Bauwirtschaft in den letzten Jahren eingetretenen gravierenden strukturellen Änderungen eine Anpassung der historisch gewachsenen Gefahrtarife. Insbesondere die Entwicklung hin zu Unternehmen, die viele unterschiedliche Tätigkeiten aus den verschiedensten Bereichen des Baugewerbes ausführen, hat eine Änderung der eher nach Handwerken und in Einzelbereichen sogar nach Tätigkeiten strukturierten Gefahrtarife erforderlich gemacht. Zur Erstellung der neuen Systematik hat sich die Beklagte nach ihrem Bekunden durchgehend an den faktischen Verhältnissen der jeweiligen Wirtschaftszweige orientiert. Insoweit kam es zur Bildung größerer Einheiten und Zusammenfassung verschiedener Gewerke um eine Verschlankung und Vereinfachung des Gefahrtarifs zu erreichen. Technologische, wirtschaftliche oder handwerkliche Verzahnungen waren hierbei maßgebend (vgl. http://www.bgbau.de/d/pages/ tools/ images/gefahrtarif 2006 i.pdf). Diese Leitmotive sind nicht zu beanstanden.
Zudem ist der Gefahrtarif auf der Basis eines gemeinsamen Zahlenwerkes der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen für eingetretene Versicherungsfälle zu den Arbeitsentgelten im Beobachtungszeitraum zwischen 1999 und 2003 berechnet worden. Er fußt daher auf gesichertem Zahlenmaterial.
Nach Art und Gegenstand des Unternehmens der Klägerin begegnet es keinen Bedenken, sie der neustrukturierten Tarifstelle 200 dem Gewerbezweig Bauausbau zuzuordnen. Hierunter erfasst sind: Malerarbeiten aller Art, Isolierung und Abdichtung, Ofenbau, Luftheizungsbau, Verfugarbeiten, Verputzarbeiten, Stuckarbeiten, Wand- und Bodenbelagsarbeiten aller Art, Glaserarbeiten, Montagearbeiten, Dekorationsarbeiten und eben Installation mit dem Teilbereich Rohrreinigung in Gebäuden. Der maßgebliche Unternehmensgegenstand der Klägerin besteht nach ihrem Internetauftritt in der Darbietung von Dienstleistungen, die nicht nur in der Reinigung von Rohren bestehen, sondern sich vielfältig gestalten. Sie bietet daneben folgende Leistungen an: abwassertechnische Beratung, Arbeiten an Hebeanlagen, Dichtheitsprüfung, Entwässerungsplan- Erstellung, Hilfe im Versicherungsfall, Lüftungsreinigung, Ortung, Rigolen (Regenwasserversickerung), Rückstausicherung, TV-Inspektion, Wartung bis hin zur Rohr- und Kanalreparatur (http://www.abfluss-as-allianz.de/). Der Unternehmensgegenstand geht damit weit über bloße Reinigungstätigkeiten hinaus.
Schließlich ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass mit der Bildung der Gefahrtarifstelle 200 derart inhomogene Gefährdungsrisiken in eine Gefahrtarifstelle zusammengefasst worden wären, dass dies unter Berücksichtigung des Gebots, vergleichbare Gefährdungsrisiken zusammenzufassen, für die Klägerin nicht mehr hinnehmbar wäre. Allein die Tatsache, dass die Klägerin in den letzten Jahren unfallfrei geblieben ist, rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Nachdem sich auf Grund technologischer Kriterien die Zuordnung zur Tarifstelle 200 als richtig erweist, kommt es auf den Grad der Unfallgefahr nicht mehr an.
Die Zuordnung zur Tarifstelle 400 war damit von Anfang an rechtswidrig gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X setzt die Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsakts die Ausübung von Ermessen voraus, dessen tragende Gesichtspunkte sich in der Begründung des Verwaltungsakts wiederfinden müssen (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Ermessensgesichtspunkte enthielten die Bescheide vom 24.02.2006 nicht. Der im Rücknahmebescheid gegebenen Begründung ist lediglich zu entnehmen, dass in Bezug auf die Rohrreiniger ein Fehler bei der maschinellen Umsetzung des 1. Gefahrtarifs unterlaufen ist, der korrigiert werden soll. Anhand dessen lässt sich nicht unterscheiden, ob die Beklagte überhaupt Ermessen ausgeübt hat bzw. fehlerhaft von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist oder ob es sich lediglich um das vollständige Fehlen einer Ermessensbegründung gehandelt hat. Diese Unterscheidung braucht vorliegend nicht getroffen zu werden, denn selbst der Mangel der Ermessensbetätigung (vgl. § 39 SGB I) kann jedenfalls bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens korrigiert werden (Schütze in v. Wulffen, aaO § 41, Rn. 11). Dies hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 29.03.2006 und spätestens im Widerspruchsbescheid in zulässiger Weise nachgeholt.
Die Klägerin kann für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach den bereits vom SG im Erörterungstermin erhobenen Feststellungen hat die Klägerin im Hinblick auf die durch den Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zu erwartende Beitragslast jedenfalls keine Vermögensdisposition i.S. des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X getroffen.
Im Rahmen der Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind die Belange des vom rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigten mit dem öffentlichen Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände abzuwägen (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 6/00 R mit Hinweis auf BSGE 81, 156, 159 f = SozR 3-1300 § 45 Nr. 37 S 116; SozR 1300 § 45 Nr. 9 S 25 f; BSGE 59, 157, 163 ff = SozR 1300 § 45 Nr. 19 S 58; BSGE 60, 147, 152 = SozR 1300 § 45 Nr. 24 S 77).
Im vorliegenden Fall ist zunächst zu beachten, dass der Veranlagungsbescheid zum ab 01.01.2006 gültigen Gefahrtarif der Beklagten weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen hat. Denn er ist die Grundlage für die Beitragserhebung (s.o) über die Geltungsdauer von längstens 6 Jahren. Vergleichbar mit einer Dauerleistung, bei der das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands in der Regel höher einzuschätzen ist als bei der Gewährung einmaliger Leistungen (BSG Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 6/00 R), ist dies auch vorliegend der Fall, weil die Gemeinschaft der Unternehmer durch eine länger dauernde zu geringe Beitragsbelastung der Beklagten stärker belastet wird, als durch eine einmalige. Dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Die Stellung des durch die rechtswidrige Leistung Begünstigten wird nach der Rechtsprechung zwar mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der Bewilligung gestärkt (BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 118). Dieses Argument kann die Klägerin für sich jedoch nicht beanspruchen, da die Zeitspanne zwischen der fehlerhaften Veranlagung am 09.12.2005 und der Rücknahmeentscheidung und Neuveranlagung am 24.02.2006 nur gut 2 Monate betrug. Dieser Zeitraum ist nicht ausreichend, um in die Vertrauensschutzprüfung zugunsten der Klägerin einzufließen. Das Vertrauen der Klägerin war auch nicht deshalb schützenswert, weil die Rechtswidrigkeit der Bewilligung allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten fiel. Das BSG hat dementsprechend bereits entschieden, allein die Tatsache, dass die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheids auf einer unrichtigen Rechtsanwendung seitens der Beklagten beruht, rechtfertige noch nicht ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand dieser rechtswidrigen Entscheidung (BSGE 59, 157, 164 f = SozR 1300 § 45 Nr. 19, S 58; ebenso BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 37 S 117 ff). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in die Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines gesetzesmäßigen Zustandes und den Belangen des betroffenen Versicherten einzubeziehen (BSG aaO; vgl. hierzu auch BSG Urteil vom 28. November 1994 - 4 RJ 37/84 = DRV 1985, 319). Im Rahmen dieser Einzelabwägung aller Belange könnte eine Stärkung des Vertrauens der Klägerin in den Bestand der fehlerhaften Bewilligung allenfalls dann angenommen werden, wenn der Beklagten über den bloßen Fehler bei der ursprünglichen Bewilligung hinaus noch weitere Fehler unterlaufen wären, die ein zusätzliches Vertrauen begründet hätten (etwa durch die Erteilung zusätzlicher falscher Auskünfte, weiterer Bescheide oder die Anforderung weiterer Unterlagen, ohne Hinweis auf die Rechtswidrigkeit der Bewilligung; vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 45 Nr. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere war noch kein Beitragsbescheid erlassen worden, was als Vertiefung des ursprünglich gemachten Fehlers gewertet werden könnte. Andererseits wird die Klägerin durch in der Folge höhere Beiträge nicht wirtschaftlich besonders schwer getroffen, da es sich um ein gesundes Unternehmen handelt.
Da weitere für eine Vertrauensschutzprüfung i.S. des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X relevante Sachverhaltselemente nicht ersichtlich sind und von der Klägerin auch nicht vorgetragen wurden, war hier das Interesse der Allgemeinheit daran, dass die Klägerin nicht für eventuell 6 Jahre geringere Beiträge zur Beklagten aufgrund einer rechtswidrigen Zuordnung zum Gefahrtarif zahlt, höher zu bewerten als das bei ihr durch die Rechtswidrigkeit der Bewilligung möglicherweise entstandene Vertrauen.
Auch die Ermessenserwägungen der Beklagten sind entgegen der Auffassung des SG zureichend und zutreffend. Die Beklagte hat zunächst im vorliegenden Fall Ermessen betätigt. Dies folgt insbesondere aus der Begründung des Widerspruchsbescheids, dem sich entnehmen lässt, dass die Beklagte sich des ihr zustehenden Ermessensspielraums bewusst war, also nicht von einer Rücknahmepflicht ausgegangen ist. Im Rahmen der Ermessenserwägungen hat die Beklagte nicht nur rechtstheoretische Erwägungen genannt, sondern ist auf die wesentlichen Gründe inhaltlich - wenn auch kurz - eingegangen. So hat sie sich im Schreiben vom 29.03.2006 und im Widerspruchsbescheid mit der Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Klägerin auseinandergesetzt und hier das Zeitmoment der Neuveranlagung angeführt. Sie hat die Gleichbehandlung aller Unternehmer für die Begründung des öffentlichen Interesses an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes benannt und auf die ansonsten nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteile hingewiesen. Dies sind alles Gesichtspunkte, die schon oben angeführt worden sind und verdeutlichen, dass die Beklagte das ihr zustehende Rücknahmeermessen ausgeübt hat.
Da die weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids (Einhaltung der Frist nach § 45 Abs. 3 Satz 1 und § 45 Abs. 3 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die Rücknahme des Veranlagungsbescheids vom 09.12.2005 mit Wirkung für die Zukunft rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO).
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Streitwert für das Verfahren wird gem. § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Nr. 4 GKG sowie § 52 Abs. 1 GKG auf 6.922,89 EUR festgesetzt. Für die Festsetzung des Streitwerts ist die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache maßgebend, d. h. in der Regel das wirtschaftliche Interesse an der erstrebten Entscheidung (§ 52 Abs. 1 GKG). Bei einer Klage gegen einen Bescheid über die Veranlagung eines Unternehmens nach dem Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft orientiert sich der Streitwert an der Beitragslast für die ersten 3 Umlagejahre; bei Nichtfestellbarkeit der erstrebten Beitragsersparnis wird der Streitwert aus der Hälfte der Beitragslast der ersten 3 Beitragsjahre berechnet (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2006 - L 10 U 1403/06 W m.w.N.). Die Klägerin begehrt, in einer bestimmten anderen, niedrigeren Gefahrklasse - Gefahrklasse 4,5 statt 7,3 - eingestuft zu werden. Die Differenz der Beitragsschuld errechnet sich wie folgt: die jeweilige Beitragsschuld bei Gefahrklasse 200 (für 2006 - 4.335,53 EUR; für 2007 - 7.548,04 EUR; für 2008 - 7.579,87 EUR) abzüglich der jeweiligen Beitragsschuld bei Gefahrklasse 400 (für 2006 - 3.215,13 EUR; für 2007 - 4.652,90 EUR; für 2008 - 4.672,52 EUR). Die hier erstrebte Beitragsersparnis würde somit für 2006 1.120,40 EUR, für 2007 2.895,14 EUR und für 2008 2.907,35 EUR betragen. Dies hat auf die ersten 3 Umlagejahre bezogen eine Beitragsersparnis/Streitwert in Höhe von 6.922,89 EUR zur Folge.
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