L 11 KR 4892/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4376/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4892/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) in der Zeit vom 13. April bis 3. Dezember 2004 im Wege eines Zugunstenverfahrens streitig.

Der am 20. Juni 1955 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert und im Anschluss daran erfolgreich die Meisterschule besucht. Von 1985 bis 1992 betrieb er selbständig eine Tankstelle mit Abschleppdienst und Werkstatt. Danach war bei verschiedenen Arbeitgebern versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis 30. April 2002 bei der Auto-M. GmbH in B./H., wobei er vom 6. Januar 2001 bis 9. Mai 2002 Krg bezog. Am 16. Mai 2002 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Dabei gab er an, eine selbständige Nebentätigkeit im Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich auszuüben und sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Daraufhin bewilligte ihm die Bundesagentur für Arbeit ab 16. Mai 2002 bis 18. Juli 2003 Alg in Höhe von wöchentlich 221,13 EUR, ab 1. Januar 2003 219,59 EUR (Bemessungsentgelt 641,98 EUR). Im Rechtsstreit beim Sozialgericht Mannheim (SG; S 7 R 1223/06) anerkannte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, dass der Kläger vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009 Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.

Ab 7. Juni 2003 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und erhielt ab 19. Juli 2003 von der Beklagten Krg. Arzt für Allgemeinmedizin S. gab gegenüber der Beklagten am 21. August 2003 an, der Kläger sei arbeitsunfähig (Diagnose A68.9 = Rückfallfieber, nicht näher bezeichnet; M48.0 = Spinalkanalstenose), wobei voraussichtlich ab "26. Juli 2003" wieder Arbeitsfähigkeit bestehe. Der Orthopäde Dr. R. führte am 9. September 2003 aus, der Kläger leide an einem Wirbelsäulensyndrom mit engen Spinalkanal C 6/7 und Wurzelreizung, Osteochondrose sowie vegetativer Dystonie. Wann voraussichtliche Arbeitsfähigkeit bestehe, könne nicht beantwortet werden. Die letzte Vorstellung des Klägers sei am 5. August 2003 gewesen, wobei der Kläger eine Überweisung zum Neurologen erhalten habe. Der Neurologe Dr. M. stellte aufgrund der Untersuchung vom 24. September 2003 unter Auswertung einer am 7. Juli 2003 durchgeführten Kernspintomografie fest, dass neben einem linksseitigen Karpaltunnelsyndrom eine Irritation der Nervenwurzel C 7 links aufgrund einer hochgradigen Einengung des linksseitigen Neuroforamens HWK 6/7, eine zervikale Enge in Höhe HWK 6/7 bei degenerativen Veränderungen mit Osteochondrose sowie retrospondylophyteren Abstützreaktionen in Höhe HWK 3 bis 7 bestehe. Manifeste sensible oder motorische, radikulär zuzuordnende Defizite ließen sich nicht eruieren. Die orthopädischen rehabilitativen Maßnahmen seien zu intensivieren. Am 14. Oktober 2003 erklärte der Kläger im Rahmen eines Selbstauskunftsbogens, er leide besonders unter den Beschwerden der Wirbelsäule (eingeklemmter Spinalkanal), wodurch er Schmerzen vom Arm bis zum Ellenbogen reichend habe, auch könne er den Hals nicht mehr drehen. Im Auszahlschein vom 23. Oktober 2003 gab der Arzt S. an, Arbeitsunfähigkeit (AU) bestehe, vom 7. Juni bis 13. November 2003, wobei er die Frage, ob weitere AU bestehe mit ja beantwortete (Diagnosen M48.0 = Spinalkanalstenose; M54.1 = Radikulopathie; M47.8 = sonstige Spondylose). Auf weitere Nachfrage verwies er auf den Auszahlschein bis 23. September 2003.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. R. stellte die Diagnosen: M50.9 = Zervikobrachialgien linksbetont bei kernpintomografisch nachgewiesenen multisegmentalen Bandscheibenvorfällen in den Etagen C 3 bis 7 und neuroforaminale hochgradige Einengung HWK 6/7 linksseitig mit Nervenwurzelirritation C 7 links. Die Fortdauer der AU könne bis auf Weiteres bestätigt werden, da derzeit ein positives Leistungsbild nicht erstellt werden könne. Die Erwerbsfähigkeit sei gefährdet, sodass die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der Vierjahresfrist in einer orthopädischen Fachklinik angeregt werde.

Hierauf forderte die Beklagte den Kläger auf, bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA), der Rechtsvorgängerin der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu beantragen. Auf den Antrag des Klägers bewilligte ihm die LVA mit Bescheid vom 13. Februar 2004 berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation, nicht aber die beantragten medizinischen Leistungen zur Rehabilitation.

Auf Nachfrage der Beklagten wies Arzt S. am 1. März 2004 auf seinen "Bericht vom 17. November 2003", der sich nicht in der V-Akte befindet. Die Beklagte zog daraufhin einen Aktenvermerk des Reha-Fachberaters L. der LVA vom 3. März 2004 bei, wonach dem Kläger die Teilnahme an einer Reintegrationsmaßnahme erläutert worden sei, er jedoch kein ausreichend "motivationell abgesichertes Interesse" gezeigt habe. Am 15. März 2004 führte Arzt S. aus, der Kläger sei weiter AU und der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar (Diagnosen: absolute spinale Stenose, degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Wurzelreizsyndrom C 6/7, Protrussion L 3 bis 5). Alles habe sich noch verschlechtert.

Die Beklagte erhob daraufhin ein weiteres Gutachten des MDK. Nach Untersuchung des Klägers diagnostizierte Dr. R. ein chronisch-rezidivierendes Zervikocephal- und Zervikobrachial-Syndrom bei degenerativen Veränderungen der HWS mit absoluter Spinalkanalstenose HWK 6/7 mit neuroforminaler Enge im Bereich links Wurzel C 7. Der Kläger habe ein flüssiges Gangbild beim Tragen von konfektionierten Turnschuhen mit orthopädisch-technischer Einlagenversorgung gezeigt. Beim Ent- und Wiederankleiden sei seitens der gesamten Wirbelsäule sowie der oberen und unteren Extremitäten ein freies Bewegungsmuster auffällig gewesen, welches in deutlicher Diskrepanz zu der anamnestisch erhobenen Beschwerdesymptomatik stehe. Auf Nachfrage habe der Kläger angegeben, wegen einer Depression nie behandelt worden zu sein. Im Hinblick auf vermehrte Ölspuren im Bereich der Handinnenflächen habe der Kläger angegeben, er habe vor zwei Tagen die Bremsen an seinem Auto repariert. Dr. R. gelangte zu der Einschätzung, es bestehe ein positives Restleistungsprofil für eine körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen. Der Kläger müsse dauerhaft Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Überkopftätigkeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen für die Wirbelsäule einschließlich bückender und hockender Arbeiten, Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie berufsbedingte Belastung durch Nässe, Kälte und Zugluft vermeiden. Aufgrund der Bluthochdruckerkrankung seien Wechselschichttätigkeiten und Nachtschichttätigkeit nicht anzuraten. Berufliche Rehabilitationsmaßnahmen zur Reintegration seien dringend erforderlich. Aus medizinischer Sicht bestehe nicht weiter AU.

Mit Bescheid vom 6. April 2004 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass die AU mit dem 12. April 2004 ende und nur bis zu diesem Tag Krg gezahlt werde.

Mit seinem dagegen am 5. Mai 2004 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar, da sich seine orthopädischen Befunde verschlechtert hätten. Die Beklagte holte daraufhin eine erneute Beurteilung des Restleistungsvermögens beim MDK ein. Dr. E. teilte mit, die Unterlagen zeigten Hinweise auf nicht stimmige Befunde, sodass eine neurologische Untersuchung empfohlen werde. Diese ließ der Kläger bei Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. durchführen. Dieser teilte gegenüber dem MDK mit, der Kläger sei auf Empfehlung eines Bruders und nach Aufforderung seines Rechtsanwalts am "13. April 2004" (gemeint wohl 13. Mai 2004) erschienen. Er habe bekundet, dass er bereits bei verschiedenen Gutachtern gewesen sei, die alle der Auffassung wären, dass seine Wirbelsäulenbeschwerden allein nicht ausreichten, es müssten noch "andere" psychische Störungen hinzukommen. Er habe daraufhin den Kläger am 26. und 27. Juli 2004 eingehend neurologisch untersucht. Als Diagnosen gab Dr. G. an: Innere Unruhe, Wirbelsäulenbeschwerden, depressive Somatisierung bei narzisstischer Grundstörung. Der Kläger solle sich in etwa 10 Wochen zur Berichterstattung über den Therapieverlauf (Vitamin-B-Injektionen und Keltican oral) wiedereinfinden. In der daraufhin veranlassten erneuten persönlichen Untersuchung des Klägers durch den MDK kam Dr. M. zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einem chronisch rezidivierenden Zervikocephal- und Zervikobrachial-Syndrom bei degenerativen Veränderungen der HWS mit absoluter Spinalkanalstenose HWK 6/7 und Neuroforaminenge im Bereich Wurzel C 7 links. Das langjährige degenerative Wirbelsäulenleiden limitiere seine Leistungsfähigkeit, es bestehe jedoch keine absolute Leistungsunfähigkeit. Dem Kläger seien vielmehr leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens drei Stunden täglich möglich. Zu vermeiden seien längere Arbeiten in Zwangshaltungen des Achsenorgans einschließlich bückender und hockender Tätigkeiten, das Bewegen größerer Lasten ohne geeignete Hilfsmittel, Überkopfarbeiten oder Arbeiten in lang andauernder Armvorhalte, Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie berufsbedingte Belastung durch Nässe, Kälte und Zugluft sowie Wechselschicht und Nachtschichttätigkeiten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien für Arbeitslose bestehe keine AU mehr. Das Gutachten wurde an Dr. G. und Arzt S. übersandt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die AU sei zutreffend mit dem 12. April 2004 beendet worden. Die Behandlungsbedürftigkeit begründe nicht zwangsläufig AU.

Mit seiner deswegen am 4. Januar 2004 beim SG erhobenen Klage machte der Kläger geltend, sein Hausarzt und sein Psychiater gingen davon aus, dass sich sein Gesundheitszustand seit April 2004 verschlechtert habe, sodass umfassende AU für alle denkbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bestehe. Diese AU beruhe in erster Linie auf einer schwerwiegenden psychosomatischen Erkrankung.

Die LVA bewilligte dem Kläger medizinische Leistungen zur Rehabilitation, die vom 17. Januar bis 14. Februar 2005 in der Reha-Klinik G. durchgeführt wurde. Ausweislich des Entlassungsberichts wurde der Kläger als arbeitsfähig entlassen, wobei ihm Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Arbeitshaltung unter Vermeidung von Tätigkeiten in Hocke, in Zwangshaltungen jeglicher Art, mit häufigem Bücken und Heben über dem Kopf, ohne Anforderungen an die Stand- und Gangsicherheit sowie ohne Ersteigen von Treppen, Leitern oder Stufen vier Stunden täglich zumutbar seien; längerfristig sei durchaus eine Belastbarkeit über sechs Stunden möglich.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und den Kläger anschließend von Amts wegen und auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nervenärztlich begutachten lassen.

Dr. G., bei dem der Kläger seit 13. Mai 2004 in Behandlung steht, hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger seit 1. Januar 2004 nicht mehr in der Lage sei, ohne Gefährdung seiner Gesundheit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Kfz-Mechaniker regelmäßig ca acht Stunden täglich zu arbeiten. Andere Tätigkeiten, könne er aufgrund seiner neurotischen Störung, die als narzisstische Grundstörungen mit emotionaler Instabilität bezeichnet werden könne, maximal vier Stunden täglich verrichten. Dr. R. führte aus, der Kläger habe sich nach dem 1. Januar 2004 erstmals am 15. Juli 2004 wieder in seiner Praxis vorgestellt. Seine Tätigkeit als Kfz-Mechaniker könne er zwar nicht mehr ausüben, wohl aber noch andere Tätigkeiten acht Stunden. Arzt S. teilte mit, er habe den Kläger am 2. März, 20. April, 31. August, 5. Oktober und am 15. Dezember 2004 behandelt. Zur Ausstellung eines Auszahlscheins sei es bei weiteren regelmäßigen Besuchen gekommen. Er selbst habe keine Befunde erhoben, sondern nur die jeweiligen Diagnosen der Fachärzte übernommen und auftragsgemäß die Überweisungen und Heilmittel verordnet. Seiner Auffassung nach sei der Kläger nur noch in der Lage, maximal zwei bis drei Stunden zu arbeiten. Dies ergebe sich aufgrund der Angaben des Klägers, wonach dieser nach spätestens zwei Stunden Arbeit an unerträglichen Schmerzen leide. Dies habe er zu akzeptieren und werde auch durch die Befunde der Fachärzte gestützt.

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin M. führte in seinem Gutachten aus, dass im April 2004 bei dem Kläger folgende Krankheiten vorgelegen hätten: Karpaltunnelsyndrom beidseits, links mehr als rechts, rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden in zwei Wirbelsäulenabschnitten ohne eindeutigen klinischen oder elektrophysiologischen Anhaltspunkt für eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation, bezüglich der Spinalkanalstenose zervikal auch ohne klinischen Anhalt für eine zervikale Myelopathie sowie eindeutigen Anhalt für eine psychische Störung. Die aus dem Wirbelsäulensyndrom resultierende qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens müsse primär orthopädisch gewürdigt werden. Auch der massiv erhöhte Blutdruck schränke die Belastbarkeit ein. Dem Kläger seien deswegen seit April 2004 körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten auch weiterhin acht Stunden täglich ohne Gefährdung der Gesundheit möglich.

Der Neurologe/klinische Geriatrie/Facharzt für Psychiatrie und Physiotherapie Dr. R. führt in seinem Gutachten nach § 109 SGG aus, der Kläger leide an erheblichen degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS und LWS, an einer Polineuropathie unklarer Genese sowie einer multiplen Persönlichkeits- und Somatisierungsstörung. Deswegen sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Kfz-Gewerbe auf Dauer nicht mehr zumutbar. Der Kläger könne aber noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von geringfügigen Lasten bis zu 5 kg, Arbeiten, die häufigere Positionsänderungen erlaubten, Zweischichtarbeit sowie Tätigkeiten in Räumen, im Freien und auch bei Nässe verrichten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Akkord- und Fließbandtätigkeiten seien dagegen nicht zumutbar. Im Rahmen des Restleistungsvermögens seien zB verwaltungstechnische Arbeiten an Schreibmaschinen, Büromaschinen und Kontrolltätigkeiten sechs Stunden pro Tag möglich, wobei betriebsunübliche Pausen als arbeitszeitverkürzenden Ausfallzeiten in der Einstufung der überhalbschichtigen Resttätigkeit mit einbezogen werden müssten. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass polyneuropathische Symptome bereits 2001 bestanden hätten. Zu einer Eigenständigkeit der psychiatrischen Betrachtungsweise sei es erst mit der nervenärztlichen Behandlung im April 2004 gekommen. Die psychiatrischen Krankheitssymptome seien persönlichkeitsgebende Wesensmerkmale, die schon jeher bestanden und auch auf die körperliche Krankheitssymptomatik Einfluss hätten.

Der Kläger legte hierauf das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychosomatische Medizin/Psychotherapie Dr. H. vom 27. März 2007 vor, das dieser im Rentenverfahren auf Antrag nach § 109 SGG erstattet hatte (S 7 R 1223/06, später S 11 R 1223/06). Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, der Kläger leide seit Dezember 2000 an einer chronifizierten somatoformen Schmerzstörung, an einer rezidivierenden depressiven Störung und an einer Persönlichkeitsstörung. Die Leistungsfähigkeit sei seit Dezember 2000 durchgängig auf maximal vier Stunden limitiert.

Mit Urteil vom 31. Mai 2007, der Beklagten zugestellt am 9. Juli 2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 13. April bis 6. Dezember 2004 Krg zu zahlen. Aufgrund seiner Arbeitslosigkeit habe zwar kein besonderer Berufsschutz mehr für den Kläger bestanden, er sei jedoch nicht mehr in der Lage gewesen, ab 13. April 2004 einer vollschichtigen Beschäftigung nachzugehen. Dies ergebe sich aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. und Dr. H., die dem Kläger ein untervollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt hätten. Diese Einschätzung werde auch durch den Entlassungsbericht der Reha-Klinik bestätigt. Beide Sachverständige hätten überzeugend dargelegt, dass der Kläger an einer Somatisierungsstörung leide, die der gerichtliche Gutachter M. noch verneint habe. Somit stehe fest, dass der Kläger ab April 2004 nicht mehr in der Lage gewesen sei, vollschichtig zu arbeiten. Dies stehe auch in Übereinstimmung mit dem Gutachten des MDK vom 24. September 2004, wonach der Kläger nicht vollschichtig leistungsfähig sei.

Mit ihrer dagegen am 17. Juli 2007 eingelegten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, unter Berücksichtigung des bereits bestehenden Krg-Anspruchs ab 7. Juni 2003 sei das Ende des Krg-Anspruchs der 3. Dezember 2004. Darauf habe man auch das SG im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Der Kläger habe mit Klageerhebung kein Datum für die Dauer der Krg-Zahlung benannt. Ein Anspruch auch in der Zeit vom 13. April bis 3. Dezember 2004 bestehe nicht, weil der Kläger arbeitsfähig gewesen sei. Der erste Befund datiere vom 1. Juli 2004 von Dr. G., mithin zweieinhalb Monate nach dem strittigen Ende der Krg-Zahlung.

Der Kläger hat die Klage insoweit zurückgenommen, als er die Zahlung von Krg auch für die Zeit vom 4. bis 6. Dezember 2004 begehrt hat.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2008, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 25. Dezember 2008, hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (L 4 KR 3504/07). Zur Begründung hat der 4. Senat ausgeführt, dass ein Anspruch für die Zeit vom 13. April bis 3. Dezember 2004 bereits daran scheitere, dass es an der ärztlichen Feststellung der AU fehle und eine ärztliche AU-Bescheinigung der Beklagten nicht vorgelegt worden sei. Der Kläger sei aufgrund seiner Arbeitslosigkeit mit Alg-Bezug in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) Mitglied der Beklagten gewesen. Maßstab für die Beurteilung seiner AU seien daher alle Beschäftigungen, die ihm zu diesem Zeitpunkt arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar gewesen seien. AU lege demnach erst dann vor, wenn der Arbeitslose aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage sei, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt habe. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei beim Kläger hingegen nicht maßgebend, da er zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus seinem Beschäftigungsverhältnis nicht im Krg-Bezug gestanden habe. Das Entstehen des Krg-Anspruchs setze weiter voraus, dass die AU ärztlich festgestellt werde. Damit solle Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen nachträgliche Behauptungen und rückwirkende Bescheinigungen beitragen könnten. Der Versicherte müsse auf die ärztliche Feststellung der AU hinwirken und die entsprechende Bescheinigung der Krankenkasse vorlegen. Komme er dieser Meldeobliegenheit nicht nach, so ruhe sein Leistungsanspruch. Die Meldeobliegenheit sei vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg zu erfüllen, auch nach einer vorübergehend leistungsfreien Zeit, selbst wenn die AU seit Beginn durchgängig fortbestanden habe. Das Gleiche gelte auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krg zu befinden sei. Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht könne auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden. An einer solchen ärztlichen Feststellung der AU fehle es bei dem Kläger, obwohl ihm das Begutachtungsergebnis der Dr. R. am 6. April 2004 mitgeteilt worden sei, er mithin gewusst habe, dass er für arbeitsfähig gehalten werde. Dr. G. habe ihm eine ärztliche AU-Bescheinigung nicht ausgestellt. Eine Feststellung der AU ab dem 13. April 2004 sei dem Befundbericht vom 3. August 2004 nicht zu entnehmen. Auf die Vorlage dieser Bescheinigung könne auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden, denn der Kläger habe nicht unverzüglich nach Kenntnisnahme des Begutachtungsergebnisses vom 6. April 2004 die seiner Auffassung nach gegebene Fehlbeurteilung der AU der Krankenkasse gemeldet. Die Nichtmeldung sei der Krankenkasse auch nicht zuzurechnen. Denn eine Ausnahme gelte nach der Rechtsprechung des BSG nur dann, wenn der Versicherte unverzüglich nach Kenntnisnahme der Fehlbeurteilung der AU dies seiner Krankenkasse melde, um sich sein Recht auf nachträgliche Zuerkennung der Ansprüche wegen zurückliegender AU zu erhalten. Daran fehle es beim Kläger. Der Kläger habe auch nicht behauptet, dass sein behandelnder Arzt S. die Ausstellung einer AU-Bescheinigung verweigert habe. Arzt S. habe gegen die Beurteilung von Dr. R. keinen Widerspruch bei der Beklagten oder beim MDK eingelegt. Erst am 20. April 2004 sei er wieder in Behandlung bei Arzt S. gewesen. Bei Dr. G. habe er sich erst am 13. Mai 2005 vorgestellt, mithin nach der bis 20. April 2004 laufenden Wochenfrist. Auch die Widerspruchseinlegung mit Schreiben vom 5. Mai 2004 sei außerhalb der Frist erfolgt, sodass es nicht darauf ankomme, dass der Kläger in diesem Schreiben auf die Fehlbeurteilung der AU durch den MDK hingewiesen habe.

Den am 19. Dezember 2008 gestellten Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 unter Hinweis auf das abweichende Urteil des 5. Senats des LSG (Urteil vom 2. Juli 2008 - L 5 KR 3790/06) wies die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es fehle an der erforderlichen unrichtigen Rechtsanwendung. Die divergierenden Rechtsauffassungen des 5. Senats des LSG habe der 4. Senat des LSG jedoch in seinem Urteil berücksichtigt und sei dieser nicht gefolgt. Weder das BSG noch der 4. Senat hätten diese Rechtsprechung in der Folgezeit aufgegeben.

Mit seiner am 16. November 2009 erhobenen und mit Beschluss des SG Mannheim an das örtlich zuständige SG Reutlingen verwiesenen Klage hält der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens daran fest, es reiche aus, wenn im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Beendigung der Krg-Zahlung gegebenenfalls im Zuge weiterer Ermittlungen und Beweiserhebungen in medizinischer Hinsicht festgestellt werde, dass der Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit infolge fehlerhafter Beurteilungen, insbesondere des MDK, zu Unrecht angenommen werde oder wenn fehlerhafte rechtliche Beurteilungen durch die Krankenkasse die Ursache gewesen seien; in derartigen Fällen müsse es zum Schutz des Vertrauens des Versicherten möglich sein, diese Fehler auch nachträglich zu beheben.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins vom 19. August 2010 hat das SG nach zuvoriger Anhörung mit Gerichtsbescheid vom gleichen Tag, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 17. September 2010, die Klage mit der Begründung abgewiesen. Die Unrichtigkeit der streitbefangenen Entscheidungen der Beklagten könne nicht festgestellt werden. Der Kläger habe schon deswegen keinen Anspruch auf Krg, da es für diesen Zeitraum an einer ärztlichen Feststellung der AU fehle und eine ärztliche AU-Bescheinigung der Beklagten nicht vorgelegt worden sei. Das Gericht schließe sich der im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG stehenden Rechtsprechung des 4. Senats des LSG an, der auch den eng begrenzten Ausnahmefällen Rechnung getragen habe. Ausgehend davon könne von der Erforderlichkeit der Feststellung der AU auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden. Dies stehe auch bei Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung anderer LSG. Ein Versicherter sei auch regelmäßig nicht mit der Erkenntnis überfordert, dass es für die Inanspruchnahme von Krg einer vertragsärztlich ausgestellten AU-Bescheinigung und deren Vorlage bei der Krankenkasse bedürfe.

Mit seiner dagegen am 18. Oktober 2010 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Rücknahme des Bescheides vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 Krankengeld für die Zeit vom 13. April 2004 bis zum 3. Dezember 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheides vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 und Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 13. April 2004 bis zum 3. Dezember 2004.

Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Das SG hat dies ausführlich begründet und dargelegt.

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krg ist § 44 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach Versicherte Anspruch auf Krankengeld haben, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Begriff "arbeitsunfähig" ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßstäblich ist grundsätzlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Maßgebend ist somit in der Regel die letzte (versicherte) Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Bezieher von Arbeitslosengeld sind arbeitsunfähig, wenn krankheitsbedingt die Vermittelbarkeit aufgehoben ist und sie daher aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind somit im Grundsatz Arbeiten, die dem versicherten Arbeitslosen versicherungsrechtlich zumutbar sind, sodass alle Beschäftigungsmöglichkeiten heranzuziehen sind, auf die sich der Arbeitslose nach Maßgabe vor allem des § 121 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) verweisen lassen muss (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 22/04 R -; BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 21/05 R –). Allerdings ist danach zu differenzieren, ob die Arbeitslosigkeit bereits vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestand oder ob der Versicherte bereits beim Ausscheiden aus der versicherten Beschäftigung arbeitsunfähig war und die Arbeitsunfähigkeit fortbestand. Im zuletzt genannten Fall ändert sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 22/04 R -; BSG, Urteil vom 14. Februar 2001, SozR 3-2500 § 44 Nr. 9; vgl. ferner Krauskopf-Vay, Soziale Krankenversicherung, § 44 SGB V Rdnr. 10, 11, Stand November 2008). Entsprechendes gilt im Falle des Verlustes des Arbeitsplatzes während der Zeitphase bestehender Arbeitsunfähigkeit, falls Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mangels Arbeitslosmeldung nicht in Betracht kommen. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist beim Klägers unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe von den Beschäftigungen auszugehen, für die er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat, hier also der allgemeine Arbeitsmarkt.

Der geltend gemachte Krankengeldanspruch scheitert vorliegend an dem Fehlen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Auszahlungsscheinen eines Vertragsarztes, wie die Vorinstanzen zu Recht ausgeführt haben. Die AU wurde für den Zeitraum vom 13. April bis 3. Dezember 2004 nicht bescheinigt, der Kläger hat vielmehr unter der Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens ab dem 13. April 2004 nahtlos Arbeitslosengeld bezogen (vgl Bescheinigungen vom 12. Oktober und 10. September 2007, Bl 39 L 4 KR 3504/07).

Die ärztliche Feststellung der AU ist auch nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats eine grundlegende Voraussetzung für das Entstehen des Anspruches auf Krankengeld (§ 46 S 1 Nr 2 SGB V). Sie muss in der Regel die Schlussfolgerung aus einer persönlichen, ärztlichen Untersuchung sein. Die Arbeitsunfähigkeit muss nahtlos vom behandelnden Arzt festgestellt und die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen müssen spätestens innerhalb einer Woche der Krankenkasse übersandt werden. Wird die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb dieser Frist gemeldet, ruht der Anspruch auf Krankengeld (§ 49 Abs 1 Nr 5 SGB V). Die Meldung ist erst dann ordnungsgemäß, wenn die Versicherten auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V hinweisen und diese vorliegen. Auch nach Einstellung der Krankengeldzahlung seitens der Krankenkasse ist der Versicherte gehalten, sofern er vom Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit ausgeht und Krankengeld weiter bewilligt bekommen möchte, die von ihm angenommene Arbeitsunfähigkeit mittels einer nahtlosen Kette von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu dokumentieren. Dabei muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Dies hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu entscheiden ist. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, will er das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruches vermeiden. Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach sowohl die Ausschlussregelung des § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V als auch des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V strikt zu handhaben. Die Krankenkasse soll nämlich davon freigestellt werden, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen. Es muss ihr die Möglichkeit erhalten werden, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl. BSG-Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R).

Auch die vom BSG in engen Grenzen anerkannten Ausnahmefälle, in denen die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise - rückwirkend – nachgeholt werden kann (Urteil des BSG vom 8. November 2008 - B 1 KR 30/04 R) greifen hier nicht zugunsten der Klägers.

Die Kriterien für derartige Ausnahmefälle in denen das Fehlen oder die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung zur Arbeitsunfähigkeit ggf. auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krg beanspruchen kann, hat das BSG in seinem Urteil vom 08. November 2008 wie folgt verallgemeinert und zusammengefasst: Hat der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (zB durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) – zusätzlich – seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangen der Kenntnis von dem Fehler geltend, so kann er sich auf den Mangel auch zu einen späteren Zeitpunkt berufen (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 25. Februar 2010 - L 8 KR 35/08, zit nach juris). Nach diesen Kriterien kann sich beispielsweise die Kasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung der AU berufen, wenn diese auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (SozR-2200 § 216 Nr 5). Weiter hat das BSG einen Krankengeldanspruch nicht an fehlender Arbeitsunfähigkeitsmeldung scheitern lassen, wenn dies auf der unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Krankenkasse beruhte, die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit habe sich wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten (SozR-3-2500 § 49 Nr 4).

Selbst wenn die Beklagte fehlerhaft von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers ab 12. April 2004 ausgegangen wäre (vgl hierzu Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 26. November 2009 - L 5 KR 78/08 - NZS 2010, 632; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. April 2009 - L 5 KR 41/08 - ), so fehlt es jedenfalls an der unverzüglichen Meldung der AU. Der Kläger hat nach Kenntnisnahme des Begutachtungsergebnisses vom 6. April 2004 nichts unternommen, erst mit Schreiben vom 5. Mai 2004, also außerhalb der Frist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V Widerspruch eingelegt, obwohl er bereits am 20. April 2004 wieder in Behandlung bei Arzt S. war. Anhaltspunkte dafür, dass dieser ihm die Ausstellung der AU verweigert hat, liegen nicht vor.

Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, ihren Bescheid vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 gemäß § 44 SGB X aufzuheben und entsprechend Krankengeld für die Zeit Krankengeld für die Zeit vom 13. April 2004 bis zum 3. Dezember 2004 nachzubezahlen.

Die Berufung des Klägers war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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