Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 3693/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5708/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) vom 27. März 2008 bis 22. Juni 2008.
Der 1962 geborene Kläger war seit 11. April 2007 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld (ALG) bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) pflichtversichert. Arzt für Allgemeinmedizin und Schmerztherapie S. bescheinigte dem Kläger ab 15. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen einer depressiven Episode (ICD10: F 32.9 G) in Verbindung mit einer Angst- und Panikstörung (IDC10: F 41.9 G und F 41.0 G), weshalb die Beklagte ab 26. November 2007 Krg in Höhe von täglich 21,34 EUR gewährte. In der Folge bescheinigte Herr S. dem Kläger weiterhin AU, ab 10. Dezember 2007 nur noch gestützt auf die Diagnose der depressiven Episode. Dr. M.-W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, bestätigte in den Gutachten vom 12. Dezember 2007 und 28. Januar 2008 die AU mit der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD10: F 32.1) und führte aus, der Kläger leide an einem leicht- bis mittelgradigen depressiven Syndrom verbunden mit Ängsten und panikartigen inneren Unruhezuständen, weshalb eine Intensivierung der medikamentösen Therapie und ggf eine psychiatrische oder psychotherapeutische Mitbehandlung zu erwägen sei.
Auf die Einladung zu einem Beratungsgespräch teilte der Kläger der Beklagten zunächst telefonisch am 6. Februar 2008 ua mit, sich von ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung nichts zu versprechen, da er von Freunden ausreichend unterstützt werde. Seinen Hausarzt benötige er wegen der Krankschreibungen. Im Rahmen des Beratungsgespräches bei der Beklagten am 19. Februar 2008 berichtete der Kläger über regelmäßige mehrwöchige Radtouren in den letzten Jahren durch die ganze Welt, die für ihn immer eine Art "Kur" gewesen seien. Derzeit leide er vor allem nachts unter Angststörungen und Schlaflosigkeit. Er nehme deshalb seit einiger Zeit Antidepressiva zur Nacht ein. Am Tag benötige er bisher keine Medikamente. Er werde sich auf das Drängen des MDK und auf Anraten seines Hausarztes im März bei Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. N. vorstellen, um Probesitzungen für eine Psychotherapie durchzuführen. Grundsätzlich verspreche er sich keinen großen Erfolg, er wolle jedoch nichts unversucht lassen und jede mögliche Hilfe annehmen.
Am 10. März 2008 bescheinigte Herr S. dem Kläger AU bis voraussichtlich 25. März 2008 und stellte einen Auszahlschein für Krg aus.
Dr. N. gelangte nach der Vorstellung des Klägers am 13. März 2008 zu der Einschätzung, der Kläger sei nicht arbeitsunfähig (Schreiben vom 16. März 2008). Da sich Dr. M.-W. mit Stellungnahme vom 20. März 2008 dieser Beurteilung anschloss, beendete die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2008 die Gewährung von Krg mit dem 26. März 2008 und bat den Kläger zur Vermeidung von Nachteilen, sich bis spätestens 26. März 2008 bei der Agentur für Arbeit zu melden. Auf das Ende der AU wies die Beklagte auch Herrn S. hin.
Gegen den Bescheid vom 20. März 2008 legte der Kläger per Email sinngemäß Widerspruch ein mit der Begründung, er sei nicht arbeitsfähig und benötige alle Kraft und Zeit für die Bewältigung seiner Lebenssituation. Deshalb werde er sich auch nicht arbeitslos melden. Dr. N. maße sich nach einem einmaligen zehnminütigen Kurzgespräch an, ihm Arbeitsfähigkeit zu attestieren. Aufgrund der Befunde des MDK und der Dr. N. habe sich letztlich auch sein Hausarzt am 27. März 2008 außerstande gesehen, ihn weiter krank zu schreiben. Darin zeige sich der übergeordnete Druck, der das "Arzt-PatientInnen-Verhältnis" belaste.
Am 27. März 2008, 5. Mai 2008, 19. Mai 2008, 5. Juni 2008 und 16. Juni 2008 befand sich der Kläger zur Behandlung bei Herrn S., der erst am 8. Mai 2008 einen weiteren Auszahlschein für Krg ausstellte, der am 9. Mai 2008 bei der Beklagten einging.
Mit ärztlichem Attest vom 19. Mai 2008 bescheinigte Herr S., wegen einer ganzen Reihe nicht genügend verarbeiteter familiärer Konflikte und einem aktuell sehr belastenden Konflikt um die Wohnmöglichkeit leide der Kläger an extremen Schlafstörungen, einer Erschöpfung, nächtlichem Schwitzen, Herzklopfen und Gewichtsabnahme. Der Kläger könne täglich nur bis zu drei Stunden arbeiten.
Vom 23. Juni 2008 bis 12. Oktober 2008 unternahm der Kläger eine Radtour durch Nord- und Ostdeutschland. Deshalb konnte eine persönliche Begutachtung beim MDK nicht stattfinden. Dr. M.-W. erstattete daraufhin am 1. Juli 2008 ein Gutachten nach Aktenlage, in dem er ausführte, eine krankheitsbedingte AU sei nicht plausibel, da auch die aktuell durchgeführte Radtour im Irak eines Gesundheitszustandes bedürfe, der zumindest eine leichte körperliche Tätigkeit drei Stunden täglich zulassen würde. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krg über den 26. März 2008 hinaus, da er nicht arbeitsunfähig sei.
Gegen den mit Übergabe-Einschreiben am 6. Oktober 2008 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 21. Oktober 2008 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage mit der Begründung erhoben, er habe bis Anfang Oktober 2008 eine Erholungsreise zwischen Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, der Insel Rügen und Berlin durchgeführt und sei nicht im Irak gewesen. Die körperliche Aktivität in der Natur habe ihm gut getan und sei nicht anstrengend gewesen, da er keinen Leistungsport betrieben habe. Er habe sich auch länger an einzelnen Orten aufgehalten, die Gegend erkundet, ausgeruht und viel gelesen. Diese individuelle Erholungsphase habe er benötigt, um Kraft zu sammeln für die Konflikte am Heimatort, zB mit der Beklagten, bewältigen zu können. Gegen Dr. N. habe er Beschwerde bei der Bezirksärztekammer eingelegt. Sie habe ihm gegenüber von Anfang an eine deutliche Aversion gezeigt und ihm nicht richtig zugehört. Dies zeige sich zB daran, dass sie viele Fakten nicht erwähnt und er 18 Jahre keinen Kontakt zu seiner Tochter gehabt habe und nicht nur 18 Monate, wie Dr. N. schreibe. Erschütternd sei, dass sich die Beklagte und der MDK auf diese unseriöse Einschätzung stützten. Nach dieser Erfahrung und aufgrund seiner kritischen Einstellung gegenüber der vorherrschenden psychiatrischen Medizin habe er keine weiteren Fachärzte aufgesucht. Er sei im gesamten Zeitraum vom 27. März 2008 bis 22. Juni 2008, für den er Krg begehre, arbeitsunfähig gewesen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei ab 27. März 2008 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig vermittlungsfähig gewesen.
Mit Beschluss vom 29. Januar 2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Kläger sei nach summarischer Prüfung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen.
Auf die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, Az.: L 4 KR 1175/09 PKH-B) den Arztbrief der Dr. N. vom 16. März 2008 beigezogen und die schriftliche Zeugenauskunft des Herrn S. vom 25. April 2009 eingeholt. Dr. N. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger vermutlich nicht voll belastbar sei, aber auch nicht komplett arbeitsunfähig. Eine berufliche Tätigkeit könne sogar im Sinne einer tagesstrukturierenden Maßnahme hilfreich sein. Herr S. hat die einzelnen Behandlungstage aufgelistet und ausgeführt, aus seiner Sicht sei der Kläger auch nach dem 25. März 2008 nicht arbeitsfähig gewesen. Bis zum 25. März 2008 habe er den Kläger krankgeschrieben. Danach sei er vom MDK und der Beklagten plötzlich wieder als arbeitsfähig angesehen worden. Seines Wissens habe der Kläger dem widersprochen. Auf den Wunsch des Klägers habe er am 19. Mai 2008 seine Auffassung in einem ärztlichen Attest geäußert.
Mit Beschluss vom 3. September 2009 hat das LSG die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG vom 29. Januar 2009 zurückgewiesen. Der Anspruch auf Krg setze voraus, dass die AU ärztlich festgestellt und der Krankenkasse innerhalb einer Woche gemeldet werde. Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht könne auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden. Herr S. habe AU nur bis zum 25. März 2008 bestätigt und der Beurteilung des MDK nicht unverzüglich widersprochen. Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU rückwirkend nachgeholt werden könne, liege nicht vor. Denn der Kläger habe nicht darauf hingewirkt, dass innerhalb einer Woche die Fortdauer der AU durch Herrn S. festgestellt worden sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder sei der Kläger im streitigen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen noch liege die erforderliche AU-Bescheinigung vor.
Gegen den am 10. November 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Dezember 2009 Berufung beim LSG eingelegt mit der Begründung, er und sein Arzt hätten sich an alle Vorgaben der Beklagten gehalten. Ihm sei nicht klar, was sie damals falsch gemacht hätten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch vom 27. März 2008 bis 22. Juni 2008 Krankengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da mit der Berufung Krg in Höhe von 1.877,92 EUR begehrt wird. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf Krg über den 26. März 2008 hinaus besteht nicht, da der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage ist § 44 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krg entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12 mwN). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Der Maßstab für die Beurteilung AU ergibt sich allein aus dem Umfang des Versicherungsschutzes in dem jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krg vorliegt. Dies ist bei Personen, bei denen der Krg-Anspruch erst während der Versicherung in der KVdA nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V eintritt, der Status als Arbeitsloser (stRspr, vgl BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 9 mwN).
Ein in der KVdA versicherter Arbeitsloser ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG arbeitsunfähig iS von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Entscheidend für die Beurteilung der AU Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind, insoweit ist die Zumutbarkeit auch krankenversicherungsrechtlich an § 121 Abs 3 SGB III zu messen (BSG, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 6). Danach hängt die Zumutbarkeit vom Umfang der Einkommenseinbußen ab, die mit einer Arbeitsaufnahme verbunden wären: In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist dem Arbeitslosen eine Minderung um mehr als 20 vH und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 vH des der Bemessung seines dem ALG zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts unzumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das ALG. Nicht nur ab dem siebten Monat der Arbeitslosigkeit, sondern schon in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit sind Maßstab für die Beurteilung der AU damit alle Beschäftigungen, für die sich der Versicherte der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Einen darüber hinausgehenden besonderen krankenversicherungsrechtlicher Berufsschutz gibt es (auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit) nicht. Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte AU vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (zB vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des ALG-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Ist der Arbeitslose zwar nicht mehr in der Lage, mittelschwere oder schwere, wohl aber noch leichte Arbeiten zu verrichten, beseitigt dies seine objektive Verfügbarkeit nicht. Abstrakter Ermittlungen, welche Arbeiten dem krankheitsbedingt leistungsgeminderten Arbeitslosen nach § 121 Abs 3 SGB III finanziell zumutbar sind, bedarf es nicht. Die Beklagte darf im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat (zum Ganzen BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 21/05 R, aaO mwN).
Da der Kläger auf Grund des Bezuges von ALG gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V ab 11. April 2007 in der KVdA versicherungspflichtig und erst ab 15. Oktober 2007 arbeitsunfähig geworden ist, ist maßgebliches Versicherungsverhältnis die KVdA. Da zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass er sich im Antrag auf die Arbeitslosmeldung der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt hat, kommt es nur darauf an, ob der Kläger ab 27. März 2008 leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten konnte. Zur Überzeugung des Senats ist dies zu bejahen. Dies entnimmt der Senat den Befunden, die Dr. N. und Dr. M.-W. festgestellt haben.
Herr S. hat am 8. Mai 2008 erneut AU wegen einer depressiven Episode (ICD10: F32.9) bescheinigt und mit ärztlichem Attest vom 19. Mai 2008 den Kläger nur für bis zu drei Stunden täglich für arbeitsfähig erachtet. Allerdings schildert Herr S. keine Befunde, sondern gibt lediglich die Angaben des Klägers über seine Beschwerden (extreme Schlafstörungen, Erschöpfung, nächtliches Schwitzen, Herzklopfen und Gewichtsabnahme) wieder. Mit den Befunden, die Dr. N. zeitnah festgestellt hat, ist hingegen die Arbeitsfähigkeit des Klägers nachgewiesen. Denn Dr. N. schildert im Arztbrief vom 16. März 2008 einen bewusstseinsklaren, voll orientierten, im Kontakt distanzierten bis ablehnenden Kläger mit ungepflegter Erscheinung. Wahrnehmungs- oder Denkstörungen haben nicht vorgelegen. Die Affektivität des Klägers war normal, wenn auch dysphorisch und leicht gereizt. Der Kläger hat kaum depressiv, sondern eher gereizt und vorwurfsvoll gewirkt. Damit ist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers nachgewiesen. Denn Dr. M.-W. hat noch im Gutachten vom 12. Dezember 2007 beim Kläger eine leichte Konzentrationsstörung, eine subdepressive Stimmungslage, eine Störung der Vitalgefühle, Ein- und Durchschlafstörungen und eine leichte Affektarm- und –starrheit festgestellt. Deshalb hat Dr. N. im Gegensatz zu Dr. M.-W. nachvollziehbar keine depressive Episode, sondern den Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung und eine Dysthymie diagnostiziert und keine Indikation für eine Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) gesehen, sondern (lediglich) psychosoziale Unterstützung empfohlen. Zwar hat sie ausgeführt, dass der Kläger aus ihrer Sicht "vermutlich nicht voll belastbar, aber auch nicht komplett arbeitsunfähig" ist, allerdings explizit darauf hingewiesen, dass eine berufliche Tätigkeit im Sinne einer tagesstrukturierenden Maßnahme sogar hilfreich sein kann. Auch wenn Dr. N. den Kläger nur einmalig untersucht hat und nach Angaben des Klägers keine vertrauensvolle Atmosphäre entstanden ist, hat sie im Gegensatz zu Herrn S. objektive Untersuchungsbefunde benannt, die schlüssig sind und im Gegensatz zu den subjektiven Angaben des Klägers für den Senat nachvollziehbar bestätigen, dass das Leistungsvermögen des Klägers im maßgeblichen Zeitraum zwar qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt war. Dieses Ergebnis wird gestützt durch den nicht ersichtlichen Leidensdruck des Klägers. Aus welchen Gründen der Kläger eine fachpsychiatrische Behandlung ablehnt, spielt dabei keine Rolle. Denn jedenfalls hat er sich im streitgegenständlichen Zeitraum auch bei seinem Hausarzt nur sporadisch vorgestellt (fünf Termine in ca drei Monaten). Schließlich spricht die vom Kläger im Anschluss an den streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführte mehrmonatige Radtour für ein ausreichendes Leistungsvermögen. Schon das SG hat darauf hingewiesen, dass der Kläger dabei ein gewisses Maß an körperlicher Aktivität gezeigt hat, die sich mit den von Herrn S. mitgeteilten Beschwerden des Klägers nicht in Einklang bringen lässt. Zudem war der Kläger mit dieser Reise auch geistig gefordert, da er ein gewisses Maß an Planung bzw Organisation aufbringen musste, um sich zB um Nachtquartiere, Fahrtrouten und Zugfahrkarten zu kümmern.
Offen bleiben kann deshalb, ob der Kläger alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, er daran aber durch eine von der Beklagten zu vertretende Fehlentscheidung gehindert war (zB durch die Fehlbeurteilung der AU des Vertragsarztes S.) und er seine Rechte unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht hat (vgl BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, aaO). Unerheblich ist somit, ob der Anspruch schon daran scheitert, dass Herr S. bei der erneuten Untersuchung und Behandlung des Klägers am 27. März 2008, die die Beurteilung der Voraussetzungen von AU ermöglicht hat, keine AU mehr bescheinigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) vom 27. März 2008 bis 22. Juni 2008.
Der 1962 geborene Kläger war seit 11. April 2007 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld (ALG) bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) pflichtversichert. Arzt für Allgemeinmedizin und Schmerztherapie S. bescheinigte dem Kläger ab 15. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen einer depressiven Episode (ICD10: F 32.9 G) in Verbindung mit einer Angst- und Panikstörung (IDC10: F 41.9 G und F 41.0 G), weshalb die Beklagte ab 26. November 2007 Krg in Höhe von täglich 21,34 EUR gewährte. In der Folge bescheinigte Herr S. dem Kläger weiterhin AU, ab 10. Dezember 2007 nur noch gestützt auf die Diagnose der depressiven Episode. Dr. M.-W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, bestätigte in den Gutachten vom 12. Dezember 2007 und 28. Januar 2008 die AU mit der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD10: F 32.1) und führte aus, der Kläger leide an einem leicht- bis mittelgradigen depressiven Syndrom verbunden mit Ängsten und panikartigen inneren Unruhezuständen, weshalb eine Intensivierung der medikamentösen Therapie und ggf eine psychiatrische oder psychotherapeutische Mitbehandlung zu erwägen sei.
Auf die Einladung zu einem Beratungsgespräch teilte der Kläger der Beklagten zunächst telefonisch am 6. Februar 2008 ua mit, sich von ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung nichts zu versprechen, da er von Freunden ausreichend unterstützt werde. Seinen Hausarzt benötige er wegen der Krankschreibungen. Im Rahmen des Beratungsgespräches bei der Beklagten am 19. Februar 2008 berichtete der Kläger über regelmäßige mehrwöchige Radtouren in den letzten Jahren durch die ganze Welt, die für ihn immer eine Art "Kur" gewesen seien. Derzeit leide er vor allem nachts unter Angststörungen und Schlaflosigkeit. Er nehme deshalb seit einiger Zeit Antidepressiva zur Nacht ein. Am Tag benötige er bisher keine Medikamente. Er werde sich auf das Drängen des MDK und auf Anraten seines Hausarztes im März bei Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. N. vorstellen, um Probesitzungen für eine Psychotherapie durchzuführen. Grundsätzlich verspreche er sich keinen großen Erfolg, er wolle jedoch nichts unversucht lassen und jede mögliche Hilfe annehmen.
Am 10. März 2008 bescheinigte Herr S. dem Kläger AU bis voraussichtlich 25. März 2008 und stellte einen Auszahlschein für Krg aus.
Dr. N. gelangte nach der Vorstellung des Klägers am 13. März 2008 zu der Einschätzung, der Kläger sei nicht arbeitsunfähig (Schreiben vom 16. März 2008). Da sich Dr. M.-W. mit Stellungnahme vom 20. März 2008 dieser Beurteilung anschloss, beendete die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2008 die Gewährung von Krg mit dem 26. März 2008 und bat den Kläger zur Vermeidung von Nachteilen, sich bis spätestens 26. März 2008 bei der Agentur für Arbeit zu melden. Auf das Ende der AU wies die Beklagte auch Herrn S. hin.
Gegen den Bescheid vom 20. März 2008 legte der Kläger per Email sinngemäß Widerspruch ein mit der Begründung, er sei nicht arbeitsfähig und benötige alle Kraft und Zeit für die Bewältigung seiner Lebenssituation. Deshalb werde er sich auch nicht arbeitslos melden. Dr. N. maße sich nach einem einmaligen zehnminütigen Kurzgespräch an, ihm Arbeitsfähigkeit zu attestieren. Aufgrund der Befunde des MDK und der Dr. N. habe sich letztlich auch sein Hausarzt am 27. März 2008 außerstande gesehen, ihn weiter krank zu schreiben. Darin zeige sich der übergeordnete Druck, der das "Arzt-PatientInnen-Verhältnis" belaste.
Am 27. März 2008, 5. Mai 2008, 19. Mai 2008, 5. Juni 2008 und 16. Juni 2008 befand sich der Kläger zur Behandlung bei Herrn S., der erst am 8. Mai 2008 einen weiteren Auszahlschein für Krg ausstellte, der am 9. Mai 2008 bei der Beklagten einging.
Mit ärztlichem Attest vom 19. Mai 2008 bescheinigte Herr S., wegen einer ganzen Reihe nicht genügend verarbeiteter familiärer Konflikte und einem aktuell sehr belastenden Konflikt um die Wohnmöglichkeit leide der Kläger an extremen Schlafstörungen, einer Erschöpfung, nächtlichem Schwitzen, Herzklopfen und Gewichtsabnahme. Der Kläger könne täglich nur bis zu drei Stunden arbeiten.
Vom 23. Juni 2008 bis 12. Oktober 2008 unternahm der Kläger eine Radtour durch Nord- und Ostdeutschland. Deshalb konnte eine persönliche Begutachtung beim MDK nicht stattfinden. Dr. M.-W. erstattete daraufhin am 1. Juli 2008 ein Gutachten nach Aktenlage, in dem er ausführte, eine krankheitsbedingte AU sei nicht plausibel, da auch die aktuell durchgeführte Radtour im Irak eines Gesundheitszustandes bedürfe, der zumindest eine leichte körperliche Tätigkeit drei Stunden täglich zulassen würde. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krg über den 26. März 2008 hinaus, da er nicht arbeitsunfähig sei.
Gegen den mit Übergabe-Einschreiben am 6. Oktober 2008 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 21. Oktober 2008 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage mit der Begründung erhoben, er habe bis Anfang Oktober 2008 eine Erholungsreise zwischen Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, der Insel Rügen und Berlin durchgeführt und sei nicht im Irak gewesen. Die körperliche Aktivität in der Natur habe ihm gut getan und sei nicht anstrengend gewesen, da er keinen Leistungsport betrieben habe. Er habe sich auch länger an einzelnen Orten aufgehalten, die Gegend erkundet, ausgeruht und viel gelesen. Diese individuelle Erholungsphase habe er benötigt, um Kraft zu sammeln für die Konflikte am Heimatort, zB mit der Beklagten, bewältigen zu können. Gegen Dr. N. habe er Beschwerde bei der Bezirksärztekammer eingelegt. Sie habe ihm gegenüber von Anfang an eine deutliche Aversion gezeigt und ihm nicht richtig zugehört. Dies zeige sich zB daran, dass sie viele Fakten nicht erwähnt und er 18 Jahre keinen Kontakt zu seiner Tochter gehabt habe und nicht nur 18 Monate, wie Dr. N. schreibe. Erschütternd sei, dass sich die Beklagte und der MDK auf diese unseriöse Einschätzung stützten. Nach dieser Erfahrung und aufgrund seiner kritischen Einstellung gegenüber der vorherrschenden psychiatrischen Medizin habe er keine weiteren Fachärzte aufgesucht. Er sei im gesamten Zeitraum vom 27. März 2008 bis 22. Juni 2008, für den er Krg begehre, arbeitsunfähig gewesen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei ab 27. März 2008 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig vermittlungsfähig gewesen.
Mit Beschluss vom 29. Januar 2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Kläger sei nach summarischer Prüfung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen.
Auf die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, Az.: L 4 KR 1175/09 PKH-B) den Arztbrief der Dr. N. vom 16. März 2008 beigezogen und die schriftliche Zeugenauskunft des Herrn S. vom 25. April 2009 eingeholt. Dr. N. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger vermutlich nicht voll belastbar sei, aber auch nicht komplett arbeitsunfähig. Eine berufliche Tätigkeit könne sogar im Sinne einer tagesstrukturierenden Maßnahme hilfreich sein. Herr S. hat die einzelnen Behandlungstage aufgelistet und ausgeführt, aus seiner Sicht sei der Kläger auch nach dem 25. März 2008 nicht arbeitsfähig gewesen. Bis zum 25. März 2008 habe er den Kläger krankgeschrieben. Danach sei er vom MDK und der Beklagten plötzlich wieder als arbeitsfähig angesehen worden. Seines Wissens habe der Kläger dem widersprochen. Auf den Wunsch des Klägers habe er am 19. Mai 2008 seine Auffassung in einem ärztlichen Attest geäußert.
Mit Beschluss vom 3. September 2009 hat das LSG die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG vom 29. Januar 2009 zurückgewiesen. Der Anspruch auf Krg setze voraus, dass die AU ärztlich festgestellt und der Krankenkasse innerhalb einer Woche gemeldet werde. Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht könne auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden. Herr S. habe AU nur bis zum 25. März 2008 bestätigt und der Beurteilung des MDK nicht unverzüglich widersprochen. Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU rückwirkend nachgeholt werden könne, liege nicht vor. Denn der Kläger habe nicht darauf hingewirkt, dass innerhalb einer Woche die Fortdauer der AU durch Herrn S. festgestellt worden sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder sei der Kläger im streitigen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen noch liege die erforderliche AU-Bescheinigung vor.
Gegen den am 10. November 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Dezember 2009 Berufung beim LSG eingelegt mit der Begründung, er und sein Arzt hätten sich an alle Vorgaben der Beklagten gehalten. Ihm sei nicht klar, was sie damals falsch gemacht hätten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch vom 27. März 2008 bis 22. Juni 2008 Krankengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da mit der Berufung Krg in Höhe von 1.877,92 EUR begehrt wird. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf Krg über den 26. März 2008 hinaus besteht nicht, da der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage ist § 44 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krg entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12 mwN). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Der Maßstab für die Beurteilung AU ergibt sich allein aus dem Umfang des Versicherungsschutzes in dem jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krg vorliegt. Dies ist bei Personen, bei denen der Krg-Anspruch erst während der Versicherung in der KVdA nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V eintritt, der Status als Arbeitsloser (stRspr, vgl BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 9 mwN).
Ein in der KVdA versicherter Arbeitsloser ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG arbeitsunfähig iS von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Entscheidend für die Beurteilung der AU Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind, insoweit ist die Zumutbarkeit auch krankenversicherungsrechtlich an § 121 Abs 3 SGB III zu messen (BSG, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 6). Danach hängt die Zumutbarkeit vom Umfang der Einkommenseinbußen ab, die mit einer Arbeitsaufnahme verbunden wären: In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist dem Arbeitslosen eine Minderung um mehr als 20 vH und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 vH des der Bemessung seines dem ALG zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts unzumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das ALG. Nicht nur ab dem siebten Monat der Arbeitslosigkeit, sondern schon in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit sind Maßstab für die Beurteilung der AU damit alle Beschäftigungen, für die sich der Versicherte der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Einen darüber hinausgehenden besonderen krankenversicherungsrechtlicher Berufsschutz gibt es (auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit) nicht. Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte AU vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (zB vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des ALG-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Ist der Arbeitslose zwar nicht mehr in der Lage, mittelschwere oder schwere, wohl aber noch leichte Arbeiten zu verrichten, beseitigt dies seine objektive Verfügbarkeit nicht. Abstrakter Ermittlungen, welche Arbeiten dem krankheitsbedingt leistungsgeminderten Arbeitslosen nach § 121 Abs 3 SGB III finanziell zumutbar sind, bedarf es nicht. Die Beklagte darf im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat (zum Ganzen BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 21/05 R, aaO mwN).
Da der Kläger auf Grund des Bezuges von ALG gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V ab 11. April 2007 in der KVdA versicherungspflichtig und erst ab 15. Oktober 2007 arbeitsunfähig geworden ist, ist maßgebliches Versicherungsverhältnis die KVdA. Da zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass er sich im Antrag auf die Arbeitslosmeldung der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt hat, kommt es nur darauf an, ob der Kläger ab 27. März 2008 leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten konnte. Zur Überzeugung des Senats ist dies zu bejahen. Dies entnimmt der Senat den Befunden, die Dr. N. und Dr. M.-W. festgestellt haben.
Herr S. hat am 8. Mai 2008 erneut AU wegen einer depressiven Episode (ICD10: F32.9) bescheinigt und mit ärztlichem Attest vom 19. Mai 2008 den Kläger nur für bis zu drei Stunden täglich für arbeitsfähig erachtet. Allerdings schildert Herr S. keine Befunde, sondern gibt lediglich die Angaben des Klägers über seine Beschwerden (extreme Schlafstörungen, Erschöpfung, nächtliches Schwitzen, Herzklopfen und Gewichtsabnahme) wieder. Mit den Befunden, die Dr. N. zeitnah festgestellt hat, ist hingegen die Arbeitsfähigkeit des Klägers nachgewiesen. Denn Dr. N. schildert im Arztbrief vom 16. März 2008 einen bewusstseinsklaren, voll orientierten, im Kontakt distanzierten bis ablehnenden Kläger mit ungepflegter Erscheinung. Wahrnehmungs- oder Denkstörungen haben nicht vorgelegen. Die Affektivität des Klägers war normal, wenn auch dysphorisch und leicht gereizt. Der Kläger hat kaum depressiv, sondern eher gereizt und vorwurfsvoll gewirkt. Damit ist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers nachgewiesen. Denn Dr. M.-W. hat noch im Gutachten vom 12. Dezember 2007 beim Kläger eine leichte Konzentrationsstörung, eine subdepressive Stimmungslage, eine Störung der Vitalgefühle, Ein- und Durchschlafstörungen und eine leichte Affektarm- und –starrheit festgestellt. Deshalb hat Dr. N. im Gegensatz zu Dr. M.-W. nachvollziehbar keine depressive Episode, sondern den Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung und eine Dysthymie diagnostiziert und keine Indikation für eine Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) gesehen, sondern (lediglich) psychosoziale Unterstützung empfohlen. Zwar hat sie ausgeführt, dass der Kläger aus ihrer Sicht "vermutlich nicht voll belastbar, aber auch nicht komplett arbeitsunfähig" ist, allerdings explizit darauf hingewiesen, dass eine berufliche Tätigkeit im Sinne einer tagesstrukturierenden Maßnahme sogar hilfreich sein kann. Auch wenn Dr. N. den Kläger nur einmalig untersucht hat und nach Angaben des Klägers keine vertrauensvolle Atmosphäre entstanden ist, hat sie im Gegensatz zu Herrn S. objektive Untersuchungsbefunde benannt, die schlüssig sind und im Gegensatz zu den subjektiven Angaben des Klägers für den Senat nachvollziehbar bestätigen, dass das Leistungsvermögen des Klägers im maßgeblichen Zeitraum zwar qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt war. Dieses Ergebnis wird gestützt durch den nicht ersichtlichen Leidensdruck des Klägers. Aus welchen Gründen der Kläger eine fachpsychiatrische Behandlung ablehnt, spielt dabei keine Rolle. Denn jedenfalls hat er sich im streitgegenständlichen Zeitraum auch bei seinem Hausarzt nur sporadisch vorgestellt (fünf Termine in ca drei Monaten). Schließlich spricht die vom Kläger im Anschluss an den streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführte mehrmonatige Radtour für ein ausreichendes Leistungsvermögen. Schon das SG hat darauf hingewiesen, dass der Kläger dabei ein gewisses Maß an körperlicher Aktivität gezeigt hat, die sich mit den von Herrn S. mitgeteilten Beschwerden des Klägers nicht in Einklang bringen lässt. Zudem war der Kläger mit dieser Reise auch geistig gefordert, da er ein gewisses Maß an Planung bzw Organisation aufbringen musste, um sich zB um Nachtquartiere, Fahrtrouten und Zugfahrkarten zu kümmern.
Offen bleiben kann deshalb, ob der Kläger alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, er daran aber durch eine von der Beklagten zu vertretende Fehlentscheidung gehindert war (zB durch die Fehlbeurteilung der AU des Vertragsarztes S.) und er seine Rechte unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht hat (vgl BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, aaO). Unerheblich ist somit, ob der Anspruch schon daran scheitert, dass Herr S. bei der erneuten Untersuchung und Behandlung des Klägers am 27. März 2008, die die Beurteilung der Voraussetzungen von AU ermöglicht hat, keine AU mehr bescheinigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
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