Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 995/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Arbeitsentgelt ist bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auch dann zu berücksichtigen, wenn es zwar im Bemessungsrahmen zufließt, fiktiv auch für diesen abgerechnet wird, aber nicht diesem gilt.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines um 2.961,94 EUR höheren Bemessungsentgelts.
Der Kläger war vom 05.03.2007 bis 31.12.2008 bei der G. GmbH versicherungspflichtig be-schäftigt. Im Jahr 2008 erzielte er dort ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 34.140,45 EUR
Mit Bescheid vom 02.02.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig Arbeitslosengeld vom 01.01.2009 bis 30.03.2010 in Höhe eines Leistungsbetrags von täglich 38,02 EUR.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Das Bemessungsentgelt werde beanstandet, da er noch bei einer weiteren Firma (X-gesellschaft) beschäftigt gewesen sei.
Mit Änderungsbescheid vom 16.02.2009 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld vom 01.01.2009 bis 30.03.2010 in Höhe eines Leistungsbetrags von täglich 38,02 EUR abschließend bewilligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Bemessungszeitraum vom 01.01. bis 31.12.2008 sei ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 34.140,45 EUR erzielt worden.
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das im Juni 2008 von der X-gesellschaft errechnete Entgelt habe außer Betracht bleiben müssen, weil es Entgeltzeiträumen und einer Beschäftigung zuzuordnen sei, die spätestens im Dezember 2006 geendet und somit außerhalb des Bemessungsrahmens gelegen hätten. Nach einem mitübersandten Aktenvermerk vom 11.02.2009 habe die X-gesellschaft auf Anfrage telefonisch mitgeteilt, dass ein Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 24.04.2008 habe abgewickelt werden müssen und noch Entgeltansprüche in Form von Urlaubsgeld und Einmalzahlungen aus dem Jahr 2006 im Raum gestanden hätten. Programmtechnisch habe man dies nur so abrechnen können, indem man ein Eintrittsdatum und ein Austrittsdatum (01.06.2008, 30.06.2008) fingiert habe, um eine ordnungsgemäße Abrechnung machen zu können. Keinesfalls sei der Kläger nach seiner fristlosen Entlassung am 10.11.2006 nochmals tätig gewesen. In der Behördenakte (Seite 145) findet sich der Auszug einer Terminsniederschrift vom 23.04.2008 über die Verkündung eines Urteils, wonach unter teilweiser Abänderung eines Urteils des Arbeitsgerichts X. vom 23.10.2007 festgestellt wurde, "dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.11.2006 nicht aufgelöst wurde, sondern bis zum 31.12.2006 fortbestand"; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat am 06.03.2009 Klage beim SG Karlsruhe erhoben. Mit Abrechnung vom 19.08.2008 sei von der X-gesellschaft für Juni 2008 ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen von 2.961,94 EUR bestätigt worden, dass ebenfalls zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld zu zahlen unter Berücksichtigung eines weiteren Arbeitsentgelts von 2.961,94 EUR und den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2009 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Widerspruchsbescheid und wiederholt und vertieft ihre Ausführungen aus dem Schreiben vom 25.02.2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorliegende Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage richtet sich nur gegen den endgültigen, aber nicht gegen den gegenstandslos gewordenen vorläufigen Bescheid (vgl. Pilz in: Gagel, SGB II / SGB III, Stand: Mai 2005, § 328 SGB III Rn. 40). Insoweit ist sie zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld.
Zwischen den Beteiligten allein streitig und nur zu erörtern ist, ob das im Juni 2008 abgerechnete und in dem Jahr ausgezahlte Entgelt in Höhe von 2.961,94 EUR brutto beim Bemessungsentgelt zu berücksichtigen ist. Wegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen wird daher auf den Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Ent-geltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im (nach § 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB III einjährigen) Bemessungsrahmen.
Nach diesen Vorgaben wird der in Höhe von 2.961,94 EUR brutto abgerechnete Juni 2008 schon nicht vom Bemessungszeitraum umfasst. Abgerechnet wird keine tatsächlich vom Kläger im Jahr 2008 verrichtete Tätigkeit, ihm liegt keine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der X-gesellschaft im Jahr 2008 zugrunde. Abrechnung und Auszahlung sind vielmehr allein aufgrund des Ausgangs des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erst 2008 erfolgt, es handelt sich um eine rein fiktive Abrechnung.
Jedenfalls ist das Arbeitsentgelt nicht im Bemessungszeitraum erzielt worden. Erzielt ist Ar-beitsentgelt, wenn der Lohnabrechnungszeitraum vor dem Ausscheiden abgerechnet, der Anspruch vor dem Ausscheiden entstanden (d.h. erarbeitet) und der Zufluss an den Arbeitnehmer – nicht notwendigerweise vor dem Ausscheiden – erfolgt ist (vgl. Rolfs in: Gagel, SGB II / SGB III, Stand: Dezember 2009, § 131 SGB III Rn. 19). Das Arbeitsentgelt muss "für den Bemessungszeitraum zugeflossen" sein (Brand in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 131 Rn. 10; Hervorhebung nicht im Original). Das im Juni 2008 abgerechnete Arbeitsentgelt ist aber nur fiktiv für diesen Monat abgerechnet worden, tatsächlich hingegen für das Jahr 2006. Es ist daher nicht für den Bemessungszeitraum zugeflossen bzw. nicht in ihm erzielt worden.
Diese Wertung wird nach Auffassung des Gerichts gestützt durch § 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Danach gelten Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Be-schäftigungsverhältnis Anspruch hatte, als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zah-lungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind. Die Vorschrift, die infolge einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts ergangen ist, verhindert, dass vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Verzögerungen der Auszahlung des Arbeitsentgelts sich zu seinen Lasten auswirken. Zugleich ist allerdings kein Grund ersichtlich, warum der Kläger von einer verspäteten Auszahlung profitieren soll. Sind verspätete Zahlungen und Korrekturen der Lohnabrechnung – gegebenenfalls über § 48 SGB X, § 330 Abs. 3 SGB III – zu berücksichtigen und das Arbeitslosengeld entsprechend neu zu berechnen, wenn der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber nachträglich höheren Lohn durchsetzt und erhält (Rolfs, aaO, Rn. 22), kann eine solche Zahlung nicht auch für den Zeitraum des Zuflusses berücksichtigt werden. Eine doppelte Berücksichtigung kommt ebenso wenig in Betracht wie ein Wahlrecht des Arbeitslosen. Schließlich ist auch zu bedenken, dass die Abrechnung nur zufällig dem Juni 2008 gilt, da dies allein vom Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahren abhängig gewesen ist. Wäre es schon in der ersten Instanz zu einem Vergleich gekommen oder wäre das Berufungsverfahren erst im Jahr 2009 abgeschlossen worden, wäre die Nachzahlung zu einem entsprechend anderen Zeitpunkt erfolgt. An Zufälligkeiten soll sich das Arbeitslosengeld jedoch nicht orientieren.
Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass in anderen Rechtsgebieten das volle Einkommen im Jahr 2008 zugrunde gelegt worden wäre, führt dies nicht zum Erfolg der Klage. Anders als in den von ihr genannten Bereichen des Ausbildungsförderungsrechts oder bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende geht es im Arbeitsförderungsrecht nicht um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw. Hilfebedürftigkeit. Es besteht keine Notwendigkeit, die Regelungen aufeinander abzustimmen. Im Übrigen gälte auch in jenen beiden Rechtsgebieten, dass das 2008 zugeflossene Arbeitsentgelt nur einmal – eben als Einkommen im Jahr 2008 – berücksichtigt würde. Es würde daher weder im Grundsicherungsrecht auf den Bedarf im Jahr 2006 angerechnet (vgl. § 2 Abs. 4 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) noch im Ausbildungsförderungsrecht als Einkommen im Jahr 2006 berücksichtigt (vgl. § 21 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Das Gericht lässt – ohne dies in der Urteilsformel selbst auszusprechen – vorsorglich die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (vgl. zur Zulässigkeit Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 46 und 39). Soweit ersichtlich ist nicht geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitsentgelt bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen ist, wenn es erst im Bemessungsrahmen zufließt, fiktiv auch für diesen abgerechnet wird, aber nicht diesem gilt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines um 2.961,94 EUR höheren Bemessungsentgelts.
Der Kläger war vom 05.03.2007 bis 31.12.2008 bei der G. GmbH versicherungspflichtig be-schäftigt. Im Jahr 2008 erzielte er dort ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 34.140,45 EUR
Mit Bescheid vom 02.02.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig Arbeitslosengeld vom 01.01.2009 bis 30.03.2010 in Höhe eines Leistungsbetrags von täglich 38,02 EUR.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Das Bemessungsentgelt werde beanstandet, da er noch bei einer weiteren Firma (X-gesellschaft) beschäftigt gewesen sei.
Mit Änderungsbescheid vom 16.02.2009 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld vom 01.01.2009 bis 30.03.2010 in Höhe eines Leistungsbetrags von täglich 38,02 EUR abschließend bewilligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Bemessungszeitraum vom 01.01. bis 31.12.2008 sei ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 34.140,45 EUR erzielt worden.
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das im Juni 2008 von der X-gesellschaft errechnete Entgelt habe außer Betracht bleiben müssen, weil es Entgeltzeiträumen und einer Beschäftigung zuzuordnen sei, die spätestens im Dezember 2006 geendet und somit außerhalb des Bemessungsrahmens gelegen hätten. Nach einem mitübersandten Aktenvermerk vom 11.02.2009 habe die X-gesellschaft auf Anfrage telefonisch mitgeteilt, dass ein Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 24.04.2008 habe abgewickelt werden müssen und noch Entgeltansprüche in Form von Urlaubsgeld und Einmalzahlungen aus dem Jahr 2006 im Raum gestanden hätten. Programmtechnisch habe man dies nur so abrechnen können, indem man ein Eintrittsdatum und ein Austrittsdatum (01.06.2008, 30.06.2008) fingiert habe, um eine ordnungsgemäße Abrechnung machen zu können. Keinesfalls sei der Kläger nach seiner fristlosen Entlassung am 10.11.2006 nochmals tätig gewesen. In der Behördenakte (Seite 145) findet sich der Auszug einer Terminsniederschrift vom 23.04.2008 über die Verkündung eines Urteils, wonach unter teilweiser Abänderung eines Urteils des Arbeitsgerichts X. vom 23.10.2007 festgestellt wurde, "dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.11.2006 nicht aufgelöst wurde, sondern bis zum 31.12.2006 fortbestand"; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat am 06.03.2009 Klage beim SG Karlsruhe erhoben. Mit Abrechnung vom 19.08.2008 sei von der X-gesellschaft für Juni 2008 ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen von 2.961,94 EUR bestätigt worden, dass ebenfalls zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld zu zahlen unter Berücksichtigung eines weiteren Arbeitsentgelts von 2.961,94 EUR und den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2009 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Widerspruchsbescheid und wiederholt und vertieft ihre Ausführungen aus dem Schreiben vom 25.02.2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorliegende Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage richtet sich nur gegen den endgültigen, aber nicht gegen den gegenstandslos gewordenen vorläufigen Bescheid (vgl. Pilz in: Gagel, SGB II / SGB III, Stand: Mai 2005, § 328 SGB III Rn. 40). Insoweit ist sie zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld.
Zwischen den Beteiligten allein streitig und nur zu erörtern ist, ob das im Juni 2008 abgerechnete und in dem Jahr ausgezahlte Entgelt in Höhe von 2.961,94 EUR brutto beim Bemessungsentgelt zu berücksichtigen ist. Wegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen wird daher auf den Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Ent-geltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im (nach § 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB III einjährigen) Bemessungsrahmen.
Nach diesen Vorgaben wird der in Höhe von 2.961,94 EUR brutto abgerechnete Juni 2008 schon nicht vom Bemessungszeitraum umfasst. Abgerechnet wird keine tatsächlich vom Kläger im Jahr 2008 verrichtete Tätigkeit, ihm liegt keine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der X-gesellschaft im Jahr 2008 zugrunde. Abrechnung und Auszahlung sind vielmehr allein aufgrund des Ausgangs des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erst 2008 erfolgt, es handelt sich um eine rein fiktive Abrechnung.
Jedenfalls ist das Arbeitsentgelt nicht im Bemessungszeitraum erzielt worden. Erzielt ist Ar-beitsentgelt, wenn der Lohnabrechnungszeitraum vor dem Ausscheiden abgerechnet, der Anspruch vor dem Ausscheiden entstanden (d.h. erarbeitet) und der Zufluss an den Arbeitnehmer – nicht notwendigerweise vor dem Ausscheiden – erfolgt ist (vgl. Rolfs in: Gagel, SGB II / SGB III, Stand: Dezember 2009, § 131 SGB III Rn. 19). Das Arbeitsentgelt muss "für den Bemessungszeitraum zugeflossen" sein (Brand in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 131 Rn. 10; Hervorhebung nicht im Original). Das im Juni 2008 abgerechnete Arbeitsentgelt ist aber nur fiktiv für diesen Monat abgerechnet worden, tatsächlich hingegen für das Jahr 2006. Es ist daher nicht für den Bemessungszeitraum zugeflossen bzw. nicht in ihm erzielt worden.
Diese Wertung wird nach Auffassung des Gerichts gestützt durch § 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Danach gelten Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Be-schäftigungsverhältnis Anspruch hatte, als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zah-lungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind. Die Vorschrift, die infolge einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts ergangen ist, verhindert, dass vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Verzögerungen der Auszahlung des Arbeitsentgelts sich zu seinen Lasten auswirken. Zugleich ist allerdings kein Grund ersichtlich, warum der Kläger von einer verspäteten Auszahlung profitieren soll. Sind verspätete Zahlungen und Korrekturen der Lohnabrechnung – gegebenenfalls über § 48 SGB X, § 330 Abs. 3 SGB III – zu berücksichtigen und das Arbeitslosengeld entsprechend neu zu berechnen, wenn der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber nachträglich höheren Lohn durchsetzt und erhält (Rolfs, aaO, Rn. 22), kann eine solche Zahlung nicht auch für den Zeitraum des Zuflusses berücksichtigt werden. Eine doppelte Berücksichtigung kommt ebenso wenig in Betracht wie ein Wahlrecht des Arbeitslosen. Schließlich ist auch zu bedenken, dass die Abrechnung nur zufällig dem Juni 2008 gilt, da dies allein vom Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahren abhängig gewesen ist. Wäre es schon in der ersten Instanz zu einem Vergleich gekommen oder wäre das Berufungsverfahren erst im Jahr 2009 abgeschlossen worden, wäre die Nachzahlung zu einem entsprechend anderen Zeitpunkt erfolgt. An Zufälligkeiten soll sich das Arbeitslosengeld jedoch nicht orientieren.
Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass in anderen Rechtsgebieten das volle Einkommen im Jahr 2008 zugrunde gelegt worden wäre, führt dies nicht zum Erfolg der Klage. Anders als in den von ihr genannten Bereichen des Ausbildungsförderungsrechts oder bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende geht es im Arbeitsförderungsrecht nicht um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw. Hilfebedürftigkeit. Es besteht keine Notwendigkeit, die Regelungen aufeinander abzustimmen. Im Übrigen gälte auch in jenen beiden Rechtsgebieten, dass das 2008 zugeflossene Arbeitsentgelt nur einmal – eben als Einkommen im Jahr 2008 – berücksichtigt würde. Es würde daher weder im Grundsicherungsrecht auf den Bedarf im Jahr 2006 angerechnet (vgl. § 2 Abs. 4 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) noch im Ausbildungsförderungsrecht als Einkommen im Jahr 2006 berücksichtigt (vgl. § 21 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Das Gericht lässt – ohne dies in der Urteilsformel selbst auszusprechen – vorsorglich die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (vgl. zur Zulässigkeit Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 46 und 39). Soweit ersichtlich ist nicht geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitsentgelt bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen ist, wenn es erst im Bemessungsrahmen zufließt, fiktiv auch für diesen abgerechnet wird, aber nicht diesem gilt.
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