L 11 KR 498/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 4487/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 498/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Dezember 2010 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller Krankengeld (Krg) im Wege einer einstweiligen Anordnung zuzusprechen.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 29. Juli 2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], Beschluss vom 22. November 2002, aaO, S 1237; Beschluss vom 29. November 2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).

Soweit der Antragsteller Krg für die Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2010 begehrt, fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil es sich ausschließlich um Leistungen für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung, den der Antragsteller am 6. Dezember 2010 beim SG stellte, handelt.

Die Regelungsanordnung dient zur Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2011 - L 11 KR 536/11 ER-B; 22. Dezember 2009 - L 11 KR 5547/09 ER-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B -, veröffentlicht in juris). Der Antragsteller war jedenfalls bis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er am 2. November 2010 von der Beschwerdegegnerin 1.291,80 EUR Krg erhalten hat. Der Senat entnimmt dies dem vom Antragsteller im Antragsverfahren vorgelegten Kontoauszug (Bl 29 RS der SG-Akte).

Allerdings weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller - entgegen der Ansicht des SG - grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, nachrangige Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch zu beantragen (vgl Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2008 - L 11 KR 5344/08 ER-B).

Soweit der Antragsteller für die Zeit ab 6. Dezember 2010 Krg begehrt, fehlt es an einem Anordnungsanspruch.

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krg ist § 44 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach Versicherte Anspruch auf Krankengeld haben, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Begriff "arbeitsunfähig" ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßstäblich ist grundsätzlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Maßgebend ist somit in der Regel die letzte (versicherte) Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Bezieher von Arbeitslosengeld sind arbeitsunfähig, wenn krankheitsbedingt die Vermittelbarkeit aufgehoben ist und sie daher aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind somit im Grundsatz Arbeiten, die dem versicherten Arbeitslosen versicherungsrechtlich zumutbar sind, sodass alle Beschäftigungsmöglichkeiten heranzuziehen sind, auf die sich der Arbeitslose nach Maßgabe vor allem des § 121 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verweisen lassen muss (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 22/04 R; BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 21/05 R). Allerdings ist danach zu differenzieren, ob die Arbeitslosigkeit bereits vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestand oder ob der Versicherte bereits beim Ausscheiden aus der versicherten Beschäftigung arbeitsunfähig war und die Arbeitsunfähigkeit fortbestand. Im zuletzt genannten Fall ändert sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 22/04 R; BSG, Urteil vom 14. Februar 2001, SozR 3-2500 § 44 Nr 9; vgl ferner Krauskopf-Vay, Soziale Krankenversicherung, § 44 SGB V Rdnr 10, 11, Stand November 2008).

Nach dem vorliegenden Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. P. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010, der den Antragsteller persönlich untersucht hat, geht auch der Senat - ebenso wie das SG - davon aus, dass das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit zumindest ab dem 6. Dezember 2010 nicht glaubhaft ist. Das SG hat sich diesbezüglich ausführlich mit dem Gutachten und dem Befundbericht des Dr. Pe. vom 12. Oktober 2010 auseinandergesetzt. Dem schließt sich der Senat auch in Kenntnis des Beschwerdevorbingens vollumgänglich an und sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG)
Rechtskraft
Aus
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