L 22 R 31/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 28 R 690/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 31/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. November 2008 aufgehoben. Die über das Aner-kenntnis hinausgehende Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Befreiung von der Versicherungspflicht als Gewerbetreibender in einem Handwerksbetrieb bereits ab 01. März 2005. Ab dem 02. November 2006 hat die Be-klagte den Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Gewerbetrei-bender in einem Handwerksbetrieb anerkannt.

Der im Juli 1966 geborene Kläger, der von September 1983 bis Juli 1986 eine versicherungs-pflichtige Ausbildung zum Maschinenbauer absolvierte, übte von August 1986 bis August 1991, unterbrochen durch den gesetzlichen Wehrdienst (November 1986 bis April 1988), eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Nach Zeiten der Arbeitslosigkeit (September 1991 und Januar 1992), für die Pflichtbeiträge gezahlt wurden, war er von Oktober 1991 bis Januar 1994 als Maurer erneut versicherungspflichtig beschäftigt, bevor er im Februar 1994 eine nichtversicherungspflichtige selbständige Tätigkeit aufnahm.

Nachdem der Kläger am 15. August 1997 als Meister des Maurerhandwerks in die Handwerks-rolle der Handwerkskammer Cottbus eingetragen worden war, stellte die Landesversicherungs-anstalt Brandenburg (nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt) Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 8 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab 15. August 1997 fest (Bescheid vom 12. Januar 1998).

Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten zahlte der Kläger für Mai 2003 statt eines Pflichtbei-trages von 389,03 Euro nur 377,53 Euro; für die Zeit ab Juni 2003 stellte er die Beitragszah-lung ganz ein.

Im Juli 2004 bot er der Beklagten an, zuzüglich zum laufenden Pflichtbeitrag seine Beitrags-rückstände in Teilbeträgen von 400 Euro monatlich ab 01. August 2004 auszugleichen. Zugleich beantragte er, ihn als Handwerker von der Versicherungspflicht zu befreien.

Zum 08. Juli 2004 betrug seine Gesamtschuld 5.271,81 Euro, die sich wie folgt zusammensetz-te: Für Mai 2003 11,50 Euro, für Juni bis Dezember 2003 (389,03 Euro monatlich) 2.723,21 Euro, für Januar bis Juni 2004 (395,85 Euro monatlich) 2.375,10 Euro, insgesamt 5.109,81 Euro zuzüglich 162 Euro Säumniszuschläge.

Unter dem 13. Juli 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass auf die Erhebung der Säum-niszuschläge verzichtet werde, solange die festgelegten Raten jeweils pünktlich eingingen. Der Gesamtrückstand werde ab 01. August 2004 bis zur vollständigen Tilgung der Forderung in Höhe von 4 v. H. jährlich verzinst. Die Zinsen würden nach Tilgung der Hauptforderung ge-sondert schriftlich mitgeteilt und seien dann unverzüglich zu leisten.

Den vom Kläger am 10. August 2004 gezahlten Betrag von 795,85 Euro (395,85 Euro für Juli 2004 und 400 Euro) verbuchte die Beklagte wie folgt: Für Mai und Juni 2003 19 Euro Säum-niszuschläge, für Mai 2003 11,50 Euro, für Juni 2003 389,03 Euro und für Juli 2003 376,32 Euro. Den vom Kläger am 10. September 2004 gezahlten Betrag von 795,85 Euro buchte sie wie folgt: Für Juli und August 2003 27 Euro Säumniszuschläge, für Juli 2003 12,71 Euro, für August 2003 389,03 Euro und für September 2003 367,11 Euro. Zum 29. Oktober 2004 betrug die Gesamtschuld des Klägers 4.870,66 Euro. Sie setzte sich wie folgt zusammen: Für Septem-ber 2003 21,92 Euro, für Oktober bis Dezember 2003 (389,03 Euro monatlich) 1.167,09 Euro, für Januar bis September 2004 (395,85 Euro monatlich) 3.562,65 Euro, insgesamt 4.751,66 Euro, zuzüglich 116 Euro Säumniszuschläge und 3 Euro Nebenkosten (resultierend aus einem nicht ausgeführten Einziehungsauftrag zum 15. Oktober 2004).

Mit Schreiben vom 02. November 2004 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Ein-ziehungsauftrag vom 15. Oktober 2004 nicht ausgeführt worden sei. Eine nochmalige Zurück-weisung des Einziehungsauftrages werde nicht hingenommen. Sollte auch der nächste Last-schriftauftrag nicht ausgeführt werden, fühle sie sich an die Ratenzahlungszusage nicht mehr gebunden.

Den vom Kläger am 10. November 2004 gezahlten Betrag von 795,85 Euro verbuchte die Be-klagte wie folgt: Für September und Oktober 2003 35 Euro Säumniszuschläge, für Oktober 2004 3 Euro Nebenkosten, für September 2003 21,92 Euro, für Oktober 2003 389,03 Euro und für November 2003 346,90 Euro.

Am 17. Dezember 2004 teilte der Kläger fernmündlich der Beklagten mit, dass sein Konto im Dezember keine ausreichende Deckung ausweise. Ab Januar 2005 werde die Zahlung wieder aufgenommen. Ob die fehlende Rate für Dezember 2004 eingezahlt werden könne, wolle er in der nächsten Woche mitteilen.

Zum 17. Januar 2005 betrug die Gesamtschuld des Klägers 5.265,36 Euro, die sich wie folgt zusammensetzte: Für November 2003 42,13 Euro, für Dezember 2003 389,03 Euro, für Januar bis Dezember 2004 (395,85 Euro monatlich) 4.750,20 Euro, insgesamt 5.181,36 Euro, zuzüg-lich 81 Euro Säumniszuschläge und 3 Euro Nebenkosten (resultierend aus dem nicht eingelös-ten Einziehungsauftrag vom 15. Dezember 2004).

Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als selbständig tätiger Handwerker ab. Nach den vorliegenden Ver-sicherungsunterlagen seien bis einschließlich 31. Dezember 2003 statt der geforderten 216 Pflichtbeitragsmonate nur insgesamt 202 Kalendermonate Pflichtbeiträge nachgewiesen. Es fehlten also noch 14 Monatsbeiträge. Diese Angaben erfolgten unter dem Vorbehalt, dass die im Einzugsverfahren erstellten Lastschriften auch eingelöst würden. Es wurde darauf hinge-wiesen, dass bei fristgemäßer Antragstellung eine Befreiung von Versicherungspflicht ab 01. März 2005 nur möglich sei, wenn die Pflichtbeiträge vom 01. Januar 2004 bis 28. Februar 2005 bis spätestens 31. Mai 2005 gezahlt würden. Diesem Bescheid war eine Beitragsrechnung vom selben Tag beigefügt, in der zum Kontostand angegeben ist: "Nach dem derzeitigen Stand (16. Februar 2005) haben Sie die Beiträge für die Zeit vom 01. November 2003 bis 31. Dezember 2003, für die Sie noch keine Beitragsbescheinigung erhalten haben, vollständig gezahlt. Diese Feststellung erfolgt unter dem Vorbehalt, dass die im Abbuchungsverfahren erstellten Last-schriften auch eingelöst und die gezahlten Beträge nicht für andere Verwendungszwecke ver-rechnet werden. Es sind noch folgende Beträge zu zahlen: (Es folgen die monatlich ausgewie-senen Pflichtbeiträge vom 01. Januar 2004 bis 31. Januar 2005 zuzüglich 31 Euro Säumniszu-schläge mit einer Gesamtforderung von 4.865,36 Euro). Alle Geldeingänge bis zur letzten Zah-lung vom 10. Februar 2005 wurden berücksichtigt." Zur Art der Beitragszahlung machte die Beklagte die Angabe, die Beiträge würden jeweils bis zum 15. des folgenden Kalendermonats, für den sie gelten sollten, vom angegebenen Konto abgebucht.

Die Beklagte ging hierbei davon aus, dass ihr Abbuchungsauftrag vom 10. Februar 2005 über 795,85 Euro zum 15. Februar 2005 ausgeführt werden würde, wodurch für November und De-zember 2003 50 Euro Säumniszuschläge, für Dezember 2004 3 Euro Nebenkosten sowie für November 2003 mit 42,13 Euro und für Dezember 2003 mit 389,03 Euro jeweils die Beiträge für November und Dezember 2003 in vollem Umfang, außerdem für Januar 2004 mit 311,69 Euro der Beitrag für diesen Monat teilweise getilgt worden wären.

Nachdem der Beklagten von ihrer Bank unter dem 21. Februar 2005 mitgeteilt worden war, dass die am 17. Februar 2005 vorgelegte Lastschrift nicht bezahlt wurde, stellte sie zum 02. März 2005 eine Gesamtschuld des Klägers von 6.060,06 Euro fest, die sich wie folgt zusam-mensetzte: Für November 2003 92,13 Euro (42,13 Euro zuzüglich 50 Euro Säumniszuschläge), für Dezember 2003 389,03 Euro, für Januar 2004 bis Februar 2005 (395,85 Euro monatlich) 5.541,90 Euro, insgesamt 6023,06 Euro zuzüglich 31 Euro Säumniszuschläge und 6 Euro Ne-benkosten (á 3 Euro für nicht bezahlte Lastschriften für Dezember 2004 und für März 2005).

Im März 2005 beantragte der Kläger erneut Befreiung von der Versicherungspflicht ab 01. März 2005. Er gab an, den Beitragsrückstand bis zum 31. Mai 2005 ausgleichen zu wollen.

Die Beklagte ermittelte zum 04. Mai 2005 einen Beitragsrückstand von 6.903,07 Euro, der sich neben dem bisherigen Betrag von 6.060,00 Euro zusätzlich aus Pflichtbeiträgen für März und April 2005 (395,85 Euro monatlich) von 791,70 Euro und 51,31 Euro Zinsen zusammensetzte.

Mit Schreiben vom 04. Mai 2005 widerrief die Beklagte die Ratenvereinbarung mit sofortiger Wirkung und forderte den Kläger auf, den gesamten Rückstand, einschließlich der fällig ge-wordenen Säumniszuschläge und Stundungszinsen in Höhe von 6.903,07 Euro zu zahlen.

Der Kläger zahlte am 19. Mai 2005 einen Betrag von 4.865,36 Euro, den die Beklagte wie folgt verbuchte: Für November 2003 92,13 Euro, für Dezember 2003 389,03 Euro, für Januar bis Oktober 2004 (395,85 Euro monatlich) 3.958,50 Euro, für November 2004 337,39 Euro, sowie 6 Euro Nebenkosten (je 3 Euro für Dezember 2004 und März 2005), 31 Euro Säumniszuschlä-ge und 51,31 Euro Zinsen. Zum 06. Juli 2005 ergab sich eine Gesamtschuld von 2.455,31 Eu-ro, die sich wie folgt zusammensetzte: Für November 2004 58,46 Euro, für Dezember 2004 bis Mai 2005 (395,85 Euro monatlich) 2.375,10 Euro, insgesamt 2.433,56 Euro zuzüglich 21,75 Euro Zinsen.

Nach einem Telefonvermerk informierte die Beklagte den Kläger am 11. Juli 2005 fernmünd-lich über die Forderung bis einschließlich Februar 2005. Dabei wurde auch auf das Schreiben vom 04. Mai 2005 nebst beigefügter Beitragsrechnung hingewiesen.

Der Kläger zahlte daraufhin am 17. Juli 2005 einen Betrag von 395,85 Euro, den die Beklagte wie folgt verbuchte: Für November 2004 58,46 Euro, für Dezember 2004 315,64 Euro und 21,75 Euro Zinsen. Danach verblieben für Dezember 2004 80,21 Euro sowie für Januar und Februar 2005 jeweils 395,85 Euro, insgesamt 871,91 Euro restlicher Beitragsschuld.

Mit Bescheid vom 26. September 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als selbständig tätiger Handwerker ab. Es seien bis einschließlich 30. November 2004 statt der geforderten 216 Pflichtbeitragsmonate lediglich 213 Kalendermo-nate Pflichtbeiträge nachgewiesen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die noch fehlenden drei Monatsbeiträge bis zum 21. Juli 2005 vollständig nachgezahlt zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 zurück: Bis einschließlich 30. November 2004 sei lediglich eine Pflichtbeitragszeit von 213 Monaten zurückgelegt. Mit Schreiben vom 04. Mai 2005 sei mitgeteilt worden, dass der Betrag in Höhe von 6.903,07 Euro fällig sei. Trotz telefonischer Rücksprache und Information am 11. Juli 2005 seien bisher jedoch nur 5.261,21 Euro eingezahlt worden.

Dagegen hat der Kläger am 17. Januar 2006 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben.

Er ist der Auffassung gewesen, einen Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht vom 01. März 2005 an zu haben, da bis zu diesem Zeitpunkt 216 Monate Pflichtbeitragszeiten vorhan-den seien. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 16. Februar 2005 kundgetan, alle Geldeingän-ge bis zur letzten Zahlung vom 10. Februar 2005 berücksichtigt zu haben, so dass lediglich ein Betrag von 4.834,36 Euro zuzüglich 31 Euro Säumniszuschläge noch offen gewesen sei. Es habe somit nur noch der 216. Monatsbetrag gefehlt, den der Kläger am 17. Juli 2005 geleistet habe. Ein Widerrufsschreiben vom 04. Mai 2005 habe er nicht erhalten. Die gesetzlichen Rege-lungen zur Fälligkeit von Beiträgen seien ihm nicht bekannt gewesen. Er habe allerdings ein Schreiben vom 11. Juli 2005 erhalten, in dem ein Restpflichtbeitrag für November 2004 von 58,46 Euro sowie Pflichtbeiträge für Dezember 2004, Januar und Februar 2005 von jeweils 395,85 Euro als offen ausgewiesen seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2005 zu verpflichten, den Kläger von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend seinem Antrag zum 01. März 2005 zu befreien. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, die im Bescheid vom 16. Februar 2005 gemachten An-gaben seien unter dem Vorbehalt erfolgt, dass die im Einzugsverfahren erstellten Lastschriften auch eingelöst würden. Zuletzt sei am 21. Februar 2005 die Mitteilung erfolgt, dass die Last-schrift nicht habe eingelöst werden können. In der Beitragsrechnung vom 16. Februar 2005 habe der Beitrag für den Monat Februar 2005 nicht ausgewiesen werden können, da er zu die-sem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen sei. Durch das Schreiben vom 16. Februar 2005 sei der Kläger darüber informiert gewesen, dass bei der Gesamtforderung von 4.865,36 Euro die letzte Zahlung vom 10. Februar 2005 berücksichtigt gewesen sei. Storniere der Kläger die Zah-lung, habe ihm auch klar sein müssen, dass sich damit die Beitragsforderung erhöhe.

Am 08. November 2006 zahlte der Kläger mit Wertstellung am 10. November 2006 871,91 Euro.

Mit Urteil vom 24. November 2008 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI seien erfüllt. Einer Befreiung von der Versicherungspflicht zum 01. März 2005 stehe nicht entgegen, dass in Anwendung des § 6 Abs. 4 SGB VI die zu diesem Zeitpunkt rückständigen Beiträge nicht bis zum 31. Mai 2005 ausgeglichen, sondern die Beiträge vollständig erst mit der letzten Zahlung am 08. November 2006 wirksam beglichen worden seien (§ 197 Abs. 1 SGB VI). Jedenfalls in Anwendung der besonderen Härteregelung des § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI sei der Kläger so zu stellen, als habe er die Beitragsrückstände rechtzeitig zum 31. Mai 2005 bewirkt gehabt. Er sei ohne Ver-schulden daran gehindert gewesen, die Beiträge rechtzeitig zum 31. Mai 2005 auszugleichen. Er habe mit Rücksicht auf die Ausführungen im Bescheid vom 16. Februar 2005 grundsätzlich davon ausgehen können, dass er mit der Zahlung von 4.865,36 Euro am 25. Mai 2005 alles Erforderliche getan habe, um eine Befreiung zum 01. März 2005 zu erreichen.

Gegen das ihr am 17. Dezember 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Januar 2009 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie ist der Ansicht, die Frist des § 6 Abs. 4 SGB VI sei eine gesetzliche Frist, von der keine Ausnahme zulässig sei. Da § 197 SGB VI nur die – vorliegend nicht streitige – Wirksamkeit von Beiträgen regele, sei die Härtefallregelung des § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nicht anwend-bar. Der Kläger habe zudem nicht alles getan, die Beitragsrückstände bis Februar 2005 zum 31. Mai 2005 zu beseitigen. Ihm sei aufgrund der Beitragsrechnung vom 03. März 2005 bekannt gewesen, dass ein Rückstand von 6.060,06 Euro bestanden habe. Im Übrigen beseitige ein An-trag auf Befreiung nicht die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung, solange über diesen Antrag nicht entschieden sei. Hätte der Kläger somit laufend fristgerecht seine Beiträge gezahlt, hätte seinem Antrag entsprochen werden können.

Die Beklagte hat das vom Kläger angenommene Anerkenntnis abgegeben, den Kläger ab dem 02. November 2006 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. November 2008 zu än-dern und die über das Anerkenntnis hinausgehende Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Wenn ihm der wirklich zutreffende Bei-tragsrückstand genannt worden wäre, wäre die Nachzahlung auch innerhalb der gesetzten Frist erfolgt. Ihm liege keine Beitragsrechnung vom 03. März 2005 vor. Im Übrigen obliege es nicht ihm darzutun, weswegen § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI anzuwenden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Betei-ligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Be-klagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, den Kläger zum 01. März 2005 von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Der Bescheid vom 26. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2005 ist recht-mäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Ge-werbetreibender in einem Handwerksbetrieb vor dem 02. November 2006, denn erst mit der am 08. November 2006 erfolgten Überweisung mit Wertstellung am 10. November 2006 lagen 18 Jahre Pflichtbeiträge vor. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI werden von der Versicherungspflicht Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben befreit, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, ausgenommen Bezirksschornsteinfegermeister. Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten (§ 6 Abs. 2 erste Alternative SGB VI).

Nach § 6 Abs. 3 SGB VI entscheidet über die Befreiung der Träger der Rentenversicherung. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 6 Abs. 4 SGB VI). Die Be-freiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI).

Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI waren erst am 02. November 2006 erfüllt.

Nach dem von der Beklagten übersandten Versicherungsverlauf vom 22. März 2010 sind von September 1983 bis Januar 1994 125 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Mit der nach dem Bescheid vom 12. Januar 1998 ab 15. August 1997 bestehenden Versicherungs-pflicht als Gewerbetreibender (früher Handwerker), der in die Handwerksrolle eingetragen ist (§ 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI), wäre es möglich gewesen, mit weiteren Pflichtbeiträgen für 91 Ka-lendermonate bis einschließlich Februar 2005 die Voraussetzungen einer Befreiung ab 01. März 2005 zu erfüllen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es für das Ende der Versicherungspflicht auf die tatsächliche Zahlung von Pflichtbeiträgen für 216 Kalendermona-te (18 Jahre) und nicht allein auf das Bestehen von Versicherungspflicht während eines Zeit-raums von dieser Dauer an (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 18. August 1992 - 12 RK 7/92, abgedruckt in SozR 3-5800 § 1 Nr. 1; Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversiche-rungsrecht, 63. Ergänzungslieferung 2009, SGB VI, § 6 Rdnr. 20).

Der Kläger zahlte seine Pflichtbeiträge bis für den Beitragsmonat April 2003. Die nachfolgen-den Pflichtbeiträge blieb er zunächst teilweise bzw. vollständig schuldig.

Der monatliche Beitrag betrug im Jahr 2003 389,03 Euro, im Jahr 2004 395,85 Euro und im Jahr 2005 ebenfalls 395,85 Euro.

Dies ergibt sich aus folgenden Vorschriften: Nach § 169 Nr. 1 SGB VI werden die Beiträge bei selbständig Tätigen von ihnen selbst getragen. Die Beiträge sind nach § 173 Satz 1 SGB VI, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, von denjenigen, die sie zu tragen haben (Beitrags-schuldner), unmittelbar an die Träger der Rentenversicherung zu zahlen. Nach § 161 Abs. 1 SGB VI sind die beitragspflichtigen Einnahmen Beitragsbemessungsgrundlage für Versiche-rungspflichtige. Beitragspflichtige Einnahmen sind nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines nied-rigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 400 Euro. Nach § 18 Abs. 2 und 3 SGB IV gilt für das Beitrittsgebiet die Bezugs-größe (Ost).

Die monatliche Bezugsgröße (Ost) beträgt im Jahr 2003 1.995 Euro, im Jahr 2004 2.030 Euro und im Jahr 2005 2.030 Euro (jeweils § 2 Abs. 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003, 2004 und 2005 - BGBl I 2002, 4561, BGBl I 2003, 2497 und BGBl I 2004, 3098).

Bei einem Beitragssatz von 19,5 v. H. jeweils für die Jahre 2003 bis 2005 (Beitragssatzgesetz 2003 [BGBl I 2002, 4641], Beitragssatzgesetz 2004 [BGBl I 2003, 3013], Bekanntmachung der Beitragssätze in der allgemeinen Rentenversicherung und der knappschaftlichen Renten-versicherung für das Jahr 2005 [BGBl I 2004, 2900]) resultieren daraus ein monatlicher Beitrag von 389,03 Euro für 2003 und von 395,85 Euro für die Jahre 2004 und 2005.

Der Kläger zahlte hingegen für Mai 2003 lediglich 377,53 Euro und für Juni 2003 bis Juni 2004 keine Beiträge. Er schuldete somit bei Eingang seines Ersuchens um Ratenzahlungsver-einbarung im Juli 2004 insgesamt 5.109,81 Euro.

Im Zusammenhang mit der beantragten Ratenzahlungsvereinbarung gab der Kläger folgende Erklärungen ab: Ich beantrage die Tilgung ihrer Forderung durch Zahlung von Teilbeträgen in Höhe von monatlich 400 Euro ab 01. August 2004. Die LVA Brandenburg wird hiermit er-mächtigt, den – monatlichen Tilgungsbetrag – und den laufenden Beitrag im Lastschriftverfah-ren einzuziehen.

Im Anschluss daran zahlte der Kläger am 10. August 2004, am 10. September 2004 und am 10. November 2004 jeweils 795,85 Euro. Ungeachtet der von der Beklagten vorgenommenen Ver-buchung dieser Beiträge handelt es sich dabei nach der Ratenzahlungsvereinbarung um die laufenden Beiträge für Juli 2004, August 2004 und Oktober 2004 sowie um insgesamt 1.200 Euro auf die Restschuld von 5.109,81 Euro, die sich damit (in Übereinstimmung mit § 7 Ver-ordnung über die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung - RV – BZV – BGBl I 1991, 2057) auf 3.909,81 Euro verminderte. Außer diesem Betrag schuldete der Kläger die Beiträge für September 2004 und für November 2004 bis Februar 2005 von insgesamt 1.979,25 Euro. Damit waren am 01. März 2005 keine 216 Kalendermonate (18 Jahre Pflicht-beiträge) vorhanden, denn es bestand eine Restschuld von 5.889,06 Euro.

Nach der am 19. Mai 2005 erfolgten Zahlung von 4.865,36 Euro belief sich diese Restschuld auf 1.023,70 Euro. Auch nach der weiteren Zahlung von 395,85 Euro am 17. Juli 2005 verblieb eine Restschuld von 627,85 Euro.

Erst mit der am 08. November 2006 mit Wertstellung am 10. November 2006 vorgenommenen Zahlung von 871,91 Euro, die nach § 6 Satz 1 Nr. 2 RV-BZV bewirkte, dass als Tag der Bei-tragszahlung bei Überweisung oder Einzahlung auf ein Konto des Trägers der Rentenversiche-rung der 8. Tag vor dem Tag der Wertstellung zugunsten des Trägers der Rentenversicherung oder, falls es für den Versicherten günstiger ist, der Tag der Belastung oder Einzahlung, vorlie-gend also der 02. November 2006, gilt, erlosch die Restforderung mit der Folge, dass nunmehr 216 Kalendermonate (18 Jahre) Pflichtbeiträge vorhanden sind.

Die weitere Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht, nämlich der Antrag des Versicherten, lag zu diesem Zeitpunkt ebenfalls vor. Der Kläger stellte den entsprechenden Antrag bereits im März 2005.

Die am 08. November 2006 vorgenommene Zahlung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Fällig-keit des 216. Pflichtbeitrags, also des Beitrags für Februar 2005, am 15. März 2005, als den Tag, der auf den Monat folgt, für den er zu entrichten ist (§ 23 Abs. 1 Satz 4 SGB IV), zurück.

Es entspricht einem allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatz, dass in der Ver-gangenheit liegende versicherungsrechtliche Verhältnisse nicht nachträglich mit Rückwirkung geändert werden können. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Bestehen von Versiche-rungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein muss. Ausnahmen davon kommen allein dann in Betracht, wenn dies durch Gesetz vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 26. Ok-tober 1965 – 11/1 RA 98/63, abgedruckt in BSGE 24, 45 = SozR Nr. 7 zu § 73 G 131; BSG, Urteil vom 14. Februar 1973 – 1 RA 241/72, abgedruckt in BSGE 35, 195 = SozR Nr. 4 zu § 1403 RVO; BSG, Urteil vom 15. Mai 1984 – 12 RK 7/83, abgedruckt in SozR 2200 § 381 Nr. 50; BSG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 12 RK 51/93, abgedruckt in BSGE 75, 298 = SozR 3-2400 § 26 Nr. 6; BSG, Urteil vom 01. Februar 1979 – 12 RK 33/77, abgedruckt in BSGE 48, 12 = SozR 2200 § 1227 Nr. 23).

§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI i. V. m § 6 Abs. 4 SGB VI lässt erkennen, dass die Beendi-gung der Versicherungspflicht und damit die Versicherungspflicht nicht für eine unbestimmte Zeit in der Schwebe belassen werden soll. Vielmehr benennt das Gesetz selbst eine Frist von drei Monaten, für die es als hinnehmbar angesehen wird, vom Grundsatz der Rechtsklarheit eines sozialversicherungsrechtlichen Rechtsverhältnisses abzuweichen. Über diese Frist von drei Monaten hinaus scheidet mithin eine Rückbeziehung von Rechtsfolgen aus. Dabei ist oh-nehin zu beachten, dass § 6 Abs. 4 SGB VI lediglich dem Antrag die fingierte Rückwirkung zubilligt, während die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI als be-reits vorhanden angenommen werden. Liegen hingegen nicht einmal die tatsächlichen Umstän-de, die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begründen, vor, weil Pflichtbeiträge in der erforderlichen Zahl überhaupt noch nicht gezahlt wurden, fehlt jeglicher Anknüpfungspunkt für eine Rückwirkung. Wenn angesichts dessen das Gesetz keine dem § 6 Abs. 4 SGB VI ver-gleichbare Vorschrift hinsichtlich einer begrenzten Rückwirkung der erst noch zu zahlenden erforderlichen Pflichtbeiträge vorsieht, muss daraus geschlussfolgert werden, dass eine solche Rückwirkung selbst innerhalb einer Frist von drei Monaten ausgeschlossen ist. Mithin wäre eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab 01. März 2005 selbst bei Zahlung eines Betra-ges in ausreichender Höhe nach dem 15. März 2005 bis zum 31. Mai 2005 allein deswegen in Betracht gekommen, wenn in dem entsprechenden Hinweis im Bescheid vom 16. Februar 2005 eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X enthalten wäre.

Auch nach § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI können weder der am 08. November 2006 noch der am 17. Juli 2006 gezahlte Betrag als rechtzeitig zum 31. Mai 2005 bewirkt angesehen werden.

Nach § 197 Abs. 3 SGB VI gilt: In Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Ver-lust der Anwartschaft auf eine Rente, ist auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträ-gen auch nach Ablauf der in § 197 Abs. 1 und 2 SGB VI genannten Fristen zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden. Die Beitragszahlung hat binnen einer vom Träger der Rentenversicherung zu bestim-menden Frist zu erfolgen.

Diese Vorschrift knüpft somit insbesondere an § 197 Abs. 1 SGB VI an, wonach Pflichtbeiträ-ge wirksam sind, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist.

§ 197 Abs. 3 SGB VI ermöglicht somit unter den dort genannten Voraussetzungen die Zahlung von Pflichtbeiträgen, die ansonsten nicht mehr wirksam gezahlt werden könnten.

Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben, denn mit den am 17. Juli 2005 und am 08. November 2006 gezahlten Beträgen konnten noch wirksam Pflichtbeiträge nach § 197 Abs. 1 SGB VI gezahlt werden, denn nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Bei-träge (erst) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Der Anwendungsbereich des § 197 Abs. 3 SGB VI ist daher dem Grunde nach bereits nicht eröffnet.

Eine entsprechende Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI scheidet aus, denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und § 6 Abs. 4 SGB VI regeln abschließend die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise der sozialversicherungsrechtliche Grundsatz, in der Vergangenheit liegende versicherungsrechtliche Verhältnisse nicht mit Rückwirkung ändern zu können, durchbrochen werden darf.

Unabhängig davon wären selbst im Falle einer entsprechenden Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die am 08. November 2006 vorgenommene Zahlung nicht innerhalb eines Jahres seit (spätestens) dem 31. Mai 2005 erfolgte.

Der Wortlaut des § 197 Abs. 3 SGB VI stellt zwar auf eine solche Jahresfrist nicht ab. Hinge-gen ergibt sich diese Frist aus § 27 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 SGB X: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinset-zung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmög-lich war. In dieser für die Nachholung von versäumten Handlungen gesetzten zeitlichen Gren-ze, die sich auch in anderen fristbezogenen Vorschriften (vgl. § 66 Abs. 2, § 67 Abs. 3 Sozial-gerichtsgesetz – SGG) findet, kommt nämlich eine allgemeine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, welcher eine sachgerechte Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Individualin-teresse zugrunde liegt. Dementsprechend kann sich ein Versicherter im Rahmen des § 197 Abs. 3 SGB VI nicht zeitlich unbeschränkt auf ein mangelndes Verschulden berufen. Liegt der Ab-lauf der Frist über ein Jahr zurück, so ist die Rechtshandlung allenfalls dann zuzulassen, wenn diese zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich war (BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R, abgedruckt in BSGE 86, 153 = SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 18). Höhere Gewalt in diesem Sinne ist ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorauszusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit üblichen Mitteln abzuwenden ist; schon das geringste Ver-schulden schließt höhere Gewalt aus. Höhere Gewalt steht der Vornahme der Rechtshandlung entgegen, wenn auch ein Wille des Berechtigten vorhanden war, diese Rechtshandlung vorzu-nehmen, was voraussetzt, dass er um deren Notwendigkeit wusste (BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R m. w. N.).

Vorliegend traf den Kläger entweder ein Verschulden an der erst am 08. November 2006 er-folgten Zahlung oder ihm fehlte bereits ein entsprechender Zahlungswille. Wie der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 25. Oktober 2006 erklärt hat, weist ein ihm zuge-gangenes Schreiben vom 11. Juli 2005 einen Restpflichtbeitrag für November 2004 sowie Pflichtbeiträge für Dezember 2004, Januar und Februar 2005 als offen aus. Angesichts dessen konnte und durfte er nicht darauf vertrauen, soweit er dies getan haben sollte, dass mit der Zah-lung von 4.865,36 Euro die benötigten 216 Pflichtbeiträge bis einschließlich Februar 2005 vor-liegen. Vielmehr musste er nunmehr tätig werden und die in diesem Schreiben genannten Be-träge zumindest vorsorglich unter Vorbehalt zahlen, um dem Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit, nämlich die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben, zu begegnen War der Kläger demgegenüber der Auffassung, weitere Beiträge nicht zu schulden, mangelte es am entsprechenden Beitragszahlungswillen.

Die Fiktion einer rechtzeitigen Beitragszahlung ergibt sich auch nicht aufgrund eines sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs.

Ein solcher Anspruch ist nicht bereits dem Grunde nach ausgeschlossen, denn es gibt keine gesetzliche Regelung, die vorliegend anwendbar wäre.

Der allein auf Richterrecht beruhende Herstellungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn die Folgen einer Pflichtverletzung eines Leistungsträgers im Gesetz weder speziell geregelt noch in anderer Weise, zum Beispiel durch Wiedereinsetzungsregelungen, konzeptionell mitbedacht sind. Unter welchen Voraussetzungen eine Rechtshandlung bei Versäumung von verwaltungs-verfahrensrechtlichen oder von materiell-rechtlichen Ausschlussfristen noch wirksam nachge-holt werden kann, bestimmt spezialgesetzlich zwar § 27 SGB X über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wenn nach dieser Vorschrift eine Wiedereinsetzung nicht möglich ist, lässt sich diese Entscheidung des Gesetzgebers nicht über den Herstellungsanspruch umgehen (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93 - , abgedruckt in SozR 3-2600 § 58 Nr. 2).

Vorliegend ist § 27 SGB X nicht einschlägig, denn es gibt keine gesetzliche Frist, die versäumt wurde.

§ 6 Abs. 4 SGB VI bestimmt lediglich für die Rückwirkung des Antrages eine Frist, die als materiell-rechtliche Frist versäumt werden kann. Hingegen unterliegt die Stellung des Antrages der Dispositionsbefugnis des Versicherten, so dass deswegen von einer Antragsfrist und ihrer Versäumung nicht gesprochen werden kann, solange es um den Zeitpunkt der Befreiungswir-kung geht (Gürtner in Kasseler Kommentar, a.a.O., SGB VI § 6 Rdnr. 28). Um den Antrag und seine Wirkungen geht es vorliegend jedoch nicht.

Wegen der Zahlung der Pflichtbeiträge zur Befreiung von der Versicherungspflicht trifft § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI im Übrigen keine mit Fristen verbundenen Regelungen. Insoweit scheidet auch die Versäumung einer Frist aus.

Dasselbe gilt für § 26 Abs. 7 Sätze 1 und 2 SGB X.

Auf die im Bescheid vom 16. Februar 2005 genannte Frist bis zum 31. Mai 2005 findet § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X keine Anwendung, denn es handelt sich um eine behördliche Frist nach § 26 Abs. 7 Satz 1 SGB X. Eine behördliche Frist kann zwar auch rückwirkend verlängert wer-den (§ 26 Abs. 7 Sätze 1 und 2 SGB X). Ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entschei-dung auf Verlängerung setzt voraus, dass mit einer solchen Verlängerung nicht gegen höher-rangiges Recht, insbesondere das Gesetz verstoßen wird. Da dem Rentenversicherungsträger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 SGB VI nicht das Recht eingeräumt ist, einen Zeit-punkt für die Zahlung der geforderten Pflichtbeiträge zu bestimmen, bis zu dem eine rückwir-kende Befreiung verfügt werden kann, ist die Setzung oder Verlängerung einer darauf gerichte-ten behördlichen Frist unzulässig, so dass ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darauf nicht bestehen kann. Mithin stellt auch § 26 Abs. 7 Satz 2 SGB X vorliegend keine spe-zialgesetzliche Regelung über die Folgen einer Pflichtverletzung eines Leistungsträgers dar.

Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sind allerdings nicht er-füllt.

Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den vorhandenen Korrekturmöglichkei-ten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut tritt als öffentlich-rechtlicher Nachteilsausgleich ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Aus-kunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt wer-den können. Demgemäß setzt dieser Anspruch das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die sich der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Berechtigten zurechnen lassen muss, den Eintritt eines rechtlichen Schadens beim Berechtigten, einen Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt sowie die Möglichkeit der Herstellung des Zustan-des, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre, voraus (BSG, Urteil vom 26. April 2005 – B 5 RJ 6/04 R, abgedruckt in SozR 4-2600 § 4 Nr. 2).

Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt.

Im Bescheid vom 16. Februar 2005 wies die Beklagte darauf hin, dass bis einschließlich 31. Dezember 2003 für insgesamt 202 Kalendermonate Pflichtbeiträge nachgewiesen seien, so dass für die Befreiung also noch 14 Monatsbeiträge fehlten. Sie teilte außerdem mit, dass bei fristgemäßer Antragstellung eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab 01. März 2005 nur möglich wäre, wenn die Pflichtbeiträge vom 01. Januar 2004 bis 28. Februar 2005 bis spätes-tens 31. Mai 2005 gezahlt würden.

Nach der diesem Bescheid beigefügten Beitragsrechnung vom selben Tag wird zum Konto-stand angegeben, dass nach dem derzeitigen Stand (16. Februar 2005) die Beiträge für die Zeit vom 01. November 2003 bis 31. Dezember 2003, für die der Kläger noch keine Beitragsbe-scheinigung erhalten habe, vollständig gezahlt seien. Die Beklagte stellte diese Feststellung allerdings unter den Vorbehalt, dass die im Abbuchungsverfahren erstellten Lastschriften auch eingelöst und die gezahlten Beiträge nicht für andere Verwendungszwecke verrechnet würden. Es seien alle Geldeingänge bis zur letzten Zahlung vom 10. Februar 2005 berücksichtigt wor-den. Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass noch Pflichtbeiträge für die Monate Januar 2004 bis Januar 2005 nebst Säumniszuschlägen von insgesamt 4.865,36 Euro zu zahlen seien. Zur Art der Beitragszahlung machte die Beklagte die Angabe, die Beiträge würden jeweils bis zum 15. des folgenden Kalendermonats, für den sie gelten sollten, vom angegebenen Konto abgebucht.

Diese Angaben sind zutreffend, so dass darauf gestützt keine Pflichtverletzung der Beklagten resultieren kann.

Zum einen ist ersichtlich, dass für Januar 2004 bis Februar 2005 14 Monatsbeiträge zur Erfül-lung der geforderten 216 Pflichtbeitragsmonate fehlten. Damit ist klar, dass die in der Beitrags-rechnung unter dem Kontostand benannten zu zahlenden 13 Pflichtbeiträge für Januar 2004 bis Januar 2005 mit (einschließlich der Säumniszuschläge) 4.865,36 Euro nicht genügen, um die Anzahl von 14 Monatsbeiträgen zu erreichen. Im Hinblick auf die genannte Art der Beitrags-zahlung wird gleichfalls deutlich, dass der weitere fehlende 14. Monatsbeitrag für Februar 2005 erst zum 15. März 2005 zur Zahlung ansteht. Mithin bezeichnen die in der Beitragsrech-nung benannten Pflichtbeiträge die zum damaligen Stand des 16. Februar 2005 bereits fällig gewordenen, also als Rückstand zu zahlenden Beträge.

Zum anderen wird aus der Beitragsrechnung ersichtlich, dass der dort ausgewiesene Gesamtbe-trag von 4.865,36 Euro den geschuldeten Gesamtrückstand nur dann richtig wiedergibt, wenn die Beiträge für November und Dezember 2003 auch tatsächlich gezahlt werden. Die Feststel-lung, dass dies erfolgt, stand hierbei unter dem Vorbehalt, dass die im Abbuchungsverfahren erstellten Lastschriften auch eingelöst würden. Es mag zwar missverständlich sein, wenn in der Beitragsrechnung darauf hingewiesen wird, dass alle Geldeingänge bis zur letzten Zahlung vom 10. Februar 2005 berücksichtigt worden seien, weil dies den Eindruck erwecken könnte, der am 15. Februar 2005 fällig werdende Pflichtbeitrag sei in der Beitragsrechnung vom 16. Februar 2005 noch nicht berücksichtigt. Da es sich bei diesem Pflichtbeitrag nach dem Hin-weis zur Art der Beitragszahlung jedoch um den Pflichtbeitrag für Januar 2005 handelt, der in der Gesamtforderung von 4.865,36 Euro enthalten ist und der Kläger wusste, dass eine "Zah-lung vom 10. Februar 2005" nicht existierte, erweist es sich für den Kläger notwendigerweise als nahe liegend, dass die Lastschrift zum 15. Februar 2005 in der Beitragsrechnung vom 16. Februar 2005 miterfasst war.

Ungeachtet einer möglichen missverständlichen Formulierung, die für den Kläger zur Rück-sprache mit der Beklagten Anlass gegeben hätte, fehlt es auch am Kausalzusammenhang zwi-schen der (möglichen) Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt. Liegt eine vollständige und richtige Information vor, konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass der Betrag von 4.865,36 Euro den gesamten Beitragsrückstand umfasst, denn mangels Einlösung der Last-schrift zum 15. Februar 2004 war ihm bekannt, dass der Pflichtbeitrag für Januar 2005 nicht bezahlt wurde.

Aber auch im anderen Fall konnte er diese Vorstellung nicht gewinnen. Da er zuletzt am 10. November 2004 795,85 Euro gezahlt und selbst mitgeteilt hatte, dass mangels Kontodeckung die Zahlung für Dezember 2004 nicht erfolgen konnte, wusste er, dass er zumindest den Bei-trag für Dezember 2004 noch schuldig war.

Davon abgesehen reichen einfache mathematische Berechnungen aus um festzustellen, dass der Betrag von 4.865,36 Euro nicht ausreichend war, um die geschuldeten Pflichtbeiträge bis einschließlich Januar 2005 zu tilgen. Da dem Kläger sowohl die jeweilige Höhe der seit Mai 2003 rückständigen Beiträge als auch die Gesamthöhe der geschuldeten Beiträge von 5109,81 Euro und 2770,95 Euro sowie die Höhe der von ihm gezahlten Beiträge (2387,55 Euro) be-kannt war, war offensichtlich, dass der genannte Betrag nicht der geschuldete Betrag war.

Aber selbst wenn all dies unbeachtet bliebe und von einer falschen Angabe zur Höhe der ge-schuldeten rückständigen Beiträge ausgegangen würde, wäre eine solche Falschangabe nicht kausal für das Fehlen des letzten der erforderlichen Pflichtbeiträge von 216 Kalendermonaten (18 Jahren) geworden.

Am 19. Mai 2005 zahlte der Kläger zwar 4.865,36 Euro für 13 Pflichtbeiträge, nicht jedoch den letzten noch fehlenden Pflichtbeitrag für Februar 2005 wie im Bescheid vom 16. Februar 2005 genannt. Diesen Beitrag leistete er erst am 17. Juli 2005. Zu diesem Zeitpunkt lag ihm jedoch das Schreiben vom 11. Juli 2005 vor, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass für November 2004 58,46 Euro sowie für Dezember 2004, Januar und Februar 2005 jeweils 395,85 Euro of-fen sind. Eine vermeintlich falsche Angabe über die rückständigen Beiträge in der Beitrags-rechnung vom 16. Februar 2005 konnte für das weitere Verhalten nicht kausal werden. Eine mögliche missverständliche oder gar fehlerhafte Information über die zutreffende Höhe der rückständigen Beiträge wurde damit vielmehr behoben, so dass eine daraus resultierende mög-liche Pflichtverletzung nicht fortwirkte.

Schließlich käme auch die Beseitigung der nachteiligen Folgen für die Rechtsposition des Klä-gers durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln nicht in Betracht.

Erforderlich wäre insoweit, die rechtzeitige Beitragszahlung des Klägers herzustellen. Dies fällt jedoch nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten, sondern hängt allein von der tatsäch-lichen Verhaltensweise des Klägers ab. Das Fehlen der rechtzeitigen Beitragszahlung kann daher nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung der Beklagten ersetzt werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 1992 – 7 RAr 38/91, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 17. Juli 1997 – 7 RAr 12/96, zitiert nach juris, jeweils zur Arbeitslosmeldung).

Die Berufung der Beklagten hat somit Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechts-streits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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