S 11 (15) AL 233/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 (15) AL 233/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Ausbildungsbonus.

Die Klägerin ist die Firma des Friseurmeisters I. L. Am 30.06.2009 beantragte Herr L. bei der Beklagten für seine Firma einen Ausbildungbonus für die Ausbildung von Frau F. Z. Frau Z. die über einen Hauptschulabschluss verfügt, begann ihre Ausbildung zur Friseurin am 01.07.2009. Bei der Klägerin waren zum 01.07.2009 insgesamt zwei Auszubildende einschließlich Frau Z. beschäftigt. Es existieren drei Filialen in E., eine in der G. eine in der L. Str. und eine in der I. Str ... Die Auszubildenden waren für die Estraße gemeldet. Die Friseursalons wurden zuvor von der Mutter von Herrn L. betrieben, die am 26.06.2008 verstorben ist. Zum 26.06.2008 übernahm Herr L. die Friseursalons und meldete dies auch den dafür zuständigen Behörden.

Die Beklagte prüfte sodann die Anspruchsvoraussetzungen und ging davon aus, dass Frau Z. nicht "zusätzlich" beschäftigt werde. Basis war eine Liste, der zu entnehmen war, dass in der Vergangenheit fast immer mindestens 3, teils sogar 5 Auszubildende bei den drei Friseursalons beschäftigt gewesen sind, und zum 30.09.2008 jedenfalls immer noch 2.

Mit Bescheid vom 13.08.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hiergegen legte die Klägerin am 08.09.2010 Widerspruch ein. Herr L. habe sein Gewerbe am 26.06.2008 angemeldet und habe unter anderem zwei Auszubildende im 3. Lehrjahr vom Friseursalon L. L. in der L.str. übernommen, damit diese nicht arbeitslos werden. 2006 und 2007 habe er noch keine Ausbildungsverträge abschließen können, da sein Unternehmen da noch gar nicht existiert habe. Von allen Institutionen werde sein Gewerbe als neues Unternehmen geführt und er habe aus diesem Grund überall Gebühren entrichten müssen. Er stelle daher erneut einen Antrag auf Ausbildungsbonus.

Mit Schreiben vom 15.09.2009 erläuterte die Beklagte ihre Entscheidung und wies darauf hin, dass für einen Ausbildungsbonus eine "zusätzliche" Beschäftigung vorliegen müssen. Dabei sei auf den Betrieb abzustellen. Beim Kläger seien die drei Filialen zusammen zu betrachten. Hierbei sei festzustellen, dass die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Schnitt der letzten 3 Jahre über der Zahl der Ausbildungsverhältnisse am 01.07.2009 gelegen habe. Herr Kallscheuer war weiterhin der Auffassung, dass nur auf den Zeitraum ab dem 26.06.2008 abzustellen sei, da er erst seit diesem Tag Arbeitgeber sei. Er habe eine neue Betriebsnummer und der Name sei neu, ferner sei der Hauptsitz nunmehr in der G.str. und nicht mehr in der L.str.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 15.10.2009 als unbegründet zurück. Sie wies unter anderem darauf hin, dass nicht erst auf den Zeitraum ab 26.06.2008 abgestellt werden könne, da ein Betriebsübergang stattgefunden habe demzufolge der Kläger als neuer Inhaber in die Rechte und Pflichten des alten Inhabers eingetreten sei. In den letzten drei Jahren seien durchschnittlich 2,6 Auszubildende beschäftigt gewesen. Zum 01.07.2009 würden nur 2 Auszubildende beschäftigt, einschließlich Frau Z. Deshalb fehle es an der Zusätzlichkeit.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.09.2009 Klage erhoben. Herr L. ist der Auffassung, dass kein Betriebsübergang vorliege. Zu Lebzeiten seiner Mutter sei keine Betriebsübergabe geplant gewesen. Er habe sich nur deshalb zum 26.06.2008 selbstständig gemacht, weil er zuvor als Arbeitnehmer tätig gewesen sei und durch den Tod der Mutter seine Arbeit verloren habe. Für die Neueröffnung der drei Filialen seien diese von allen Behörden als neues Unternehmen behandelt worden. Er habe zwar alle Mitarbeiter seiner Mutter neu eingestellt, man könne ihn aber nicht für das Einstellen der Auszubildenden vor dem 26.06.2008 verantwortlich machen. Er habe erstmals im Jahr 2009 eigenverantwortlich zwei Auszubildende eingestellt. Bei Jungunternehmen sei die "Zusätzlichkeit" von Ausbildungsstellen ab der Betriebseröffnung zu prüfen. Er habe auch eine neue Betriebsnummer erhalten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2009 zu verurteilen, ihm für die Ausbildung von F. Z. einen Ausbildungsbonus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat ein Termin stattgefunden, die Sache wurde jedoch vertagt, da Herr L. noch einen Nachweis vorlegen sollte, dass er von der Landes-Gewerbeförderungsstelle NRW als Existenzgründer gefördert worden sei. Diesen Nachweis hat er eingereicht. In der mündlichen Verhandlung am 14.12.2010 hat Herr L. mitgeteilt, dass er Alleinerbe seiner Mutter gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Ausbildungsbonus.

Gemäß § 421r Abs. 1 Sat1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) erhalten Arbeitgeber einen Zuschuss für die zusätzliche betriebliche Ausbildung besonders förderungsbedürftiger Auszubildender (Ausbildungsbonus). Nach Abs. 4 erfolgt die Ausbildung zusätzlich, wenn bei Ausbildungsbeginn die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Sinne von Absatz 3 in dem Betrieb aufgrund des mit dem Auszubildenden abgeschlossenen Ausbildungsvertrages höher ist, als sie es im Durchschnitt der drei vorhergehenden Jahre jeweils am 31. Dezember war. Bei der Berechnung werden Auszubildende, deren Ausbildungszeit abgelaufen ist und die wegen Nichtbestehens der Abschlussprüfung weiterbeschäftigt werden, und Auszubildende, deren Ausbildungszeit vor dem 31. Dezember desselben Jahres endet, nicht mitgezählt. Der Arbeitgeber hat die Zusätzlichkeit durch eine Bescheinigung der nach dem Berufsbildungsgesetz zuständigen Stelle nachzuweisen. Das Merkmal der Zusätzlichkeit wird eng gefasst, damit Mitnahmeeffekte weitestgehend unterbunden und Missbrauchsfälle verhindert werden (Gagel in: Gagel, SGB II / SGB III, 39. Ergänzungslieferung 2010 § 421r SGB III, Rn 8).

Ausweislich der Liste auf Bl. 15 der Verwaltungsakte waren im Betrieb der Klägerin zum 31.12.2007 4 und zum 31.12.2006 3 Auszubildende beschäftigt. Per 31.12.2008 wurden noch 2 Auszubildenden beschäftigt. Auch wenn diese beiden Auszubildenden herausgerechnet würden, da sie sich im dritten Lehrjahr befanden, lag der Durchschnitt bei 2,33 und somit über den 2 Ausbildungsverhältnissen die - einschließlich Frau Yeter - zum 01.07.2009 bestanden. Die Ausbildung von Frau Yeter erfolgte daher nicht "zusätzlich" im Sinne von § 421r Abs. 1 Satz 1 SGB III.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass die Zeit vor dem 26.06.2008 nicht zum Vergleich herangezogen werden dürfe, da der Betrieb an diesem Tag neu gegründet worden sei, folgte die Kammer dem nicht. § 421r SGB III stellt ausschließlich darauf ab, welche Auszubildenden im "Betrieb" beschäftigt wurden. Unter einem Betrieb wird eine organisatorische Einheit verstanden, in der Personen mit Hilfe persönlicher, sächlicher oder immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgen (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 23.09.2010, 8 AZR 567/09). Im vorliegenden Fall bilden die drei Friseur-Filialen einen Betrieb. Im Betriebsverfassungsrecht wird bei verschiedenen Arbeitsstätten für die Frage, ob ein Betrieb oder mehrere Betriebe vorliegen, darauf abgestellt, ob ein "einheitlicher Leitungsapparat" besteht (BAG, Beschluss vom 09.12.2009, 7 ABR 38/08; Koch in: Erfurter Kommentar, 10. Auflage, § 1 BetrVG Rn. 10). Vorliegend bestanden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass drei selbstständige Betriebe vorliegen. Herr L. war Alleinerbe der vorherigen Inhaberin der drei Friseursalons, die nunmehr von ihm unter dem Namen der Klägerin betrieben werden. Herr L. leitet alle drei Filialen. Dieser Betrieb ist der gleiche Betrieb, den zuvor die Mutter des Klägers leitete. Der Friseur-Betrieb der drei Filialen wurde ohne Unterbrechung fortgeführt mit der Folge, dass der Kundenstamm übernommen werden konnte. Ferner wurden sämtliche Mitarbeiter weiterbeschäftigt. Herr L. wurde mit dem Erbfall Inhaber aller Rechte und Pflichten, die zuvor seine Mutter im Rahmen des Geschäftsbetriebs hatte. So wurde er beispielsweise Inhaber der Konten und Eigentümer der Einrichtungsgegenstände. Bei einer rechtsgeschäftlichen Übernahme eines Betriebs auf diese Weise hätte offensichtlich ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB vorgelegen. Der Umstand, dass der Übergang aller Rechte und Pflichten nicht aufgrund eines Rechtsgeschäfts sondern aufgrund eines Erbfalls stattfand, kann nicht anders bewertet werden. Der Betrieb, den Herrn L. seit dem 26.06.2008 führt, ist der Betrieb, den seine Mutter zuvor leitete. Es ist die gleiche "organisatorische Einheit". Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diverse Behörden von einer "Neugründung" ausgegangen sind. Denn solche Einschätzungen haben keine Bindungswirkung für die Beurteilung der Rechtslage nach § 421r SGB III. Ferner ist auch nicht von Bedeutung, dass der Hauptsitz verlegt wurde und sich der Name geändert hatte. Denn diese Umstände treten angesichts der vielen anderen Faktoren, die für eine Identität des Betriebs vor und nach dem 26.06.2008 sprechen, deutlich in den Hintergrund.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Berufung ist zulässig, da über 750,00 EURO Streitgegenstand sind (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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