L 12 AS 1104/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 (24) AS 23/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1104/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11.05.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer sog. Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 600,00 EUR streitig.

Der Kläger war Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) von der Stadt M, einer kreisangehörigen Kommune des Beklagten. Im Kreisgebiet des Beklagten, welcher als zugelassene Optionskommune Träger der Grundsicherung nach dem SGB II ist, gab es in den Jahren 2006 bis 2008 eine Regelung zur sog. Selbstvermittlungsprämie.

Bezieher von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II erhielten einmalige Geldleistungen, wenn sie sich eigeninitiativ eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verschafften. Die Selbstvermittlungsprämie wurde in drei Raten zu 100,00 EUR, 500,00 EUR und 600,00 EUR nach einer Beschäftigungsdauer von vier Wochen, sechs Monaten und zwölf Monaten ausgezahlt. Durch den Beklagten wurde die Auszahlung der Selbstvermittlungsprämie weiterhin an die Bedingungen geknüpft, dass ein entsprechender Antrag vor Aufnahme der Beschäftigung gestellt wurde, mindestens ein Verdienst von 700,00 EUR erzielt wurde sowie, dass zeitgleich kein Bezug von Einstiegsgeld erfolgte. Die Gewährung der Selbstvermittlungsprämie war ausgeschlossen im Fall der Einstellung durch eine Personalleasingfirma, bei Einstellung durch Verwandte ersten Grades sowie Ehegatten, bei Einstellungen über dritte Personen sowie bei einer vorherigen Beschäftigung innerhalb von zwei Jahren bei dem einstellenden Unternehmen. Die festgesetzten Voraussetzungen sowie die Ausgestaltungen der Gewährung der Selbstvermittlungsprämie waren in Merkblättern festgehalten, welche gegenüber den Leistungsempfängern nach dem SGB II von dem Beklagten verwendet wurden. In den Merkblättern war weiterhin der Hinweis enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf die Förderung bestünde.

Während des Leistungsbezuges des Klägers erfolgte kein Abschluss einer schriftlichen Eingliederungsvereinbarung. In einem mündlichen Informationsgespräch zwischen dem Kläger und seiner zuständigen Sachbearbeiterin, Frau O, wurde der Kläger über die Möglichkeit des Erhalts der Selbstvermittlungsprämie informiert. In diesem Zusammenhang erhielt der Kläger ebenfalls ein Merkblatt "Informationen zur Selbstvermittlungsprämie". Das Merkblatt hatte den zuvor dargestellten Inhalt. Insbesondere enthielt es den Hinweis, dass kein Rechtsanspruch auf die Förderung besteht.

Am 12.11.2007 nahm der Kläger eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Anfang Februar 2008 erfolgte seitens des Beklagten die Auszahlung der ersten Rate der Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 100,00 EUR an den Kläger. Im Mai 2008 erfolgte die Auszahlung der zweiten Rate der Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 500,00 EUR.

Unter dem 30.12.2008 erinnerte der Kläger den Beklagten an die seiner Ansicht nach ausstehende Auszahlung der dritten Rate der Prämie.

Mit Bescheid vom 05.01.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie ab. Dies begründete er damit, dass die Selbstvermittlungsprämie nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) rechtswidrig sei. Die Gewährung der Prämie erfolge bisher aus Bundesmitteln, die der Beklagte bei falscher Verwendung erstatten müsse. Daher könne eine Gewährung der Selbstvermittlungsprämie nicht erfolgen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2009 zurück.

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach § 2 SGB II jeder SGB Il-Bezieher verpflichtet sei, alle Möglichkeiten zu nutzen, seinen Hilfebedarf zu verringern. Daher sei eine zusätzliche Prämie bei Eigeninitiative rechtswidrig.

Am 20.03.2009 hat der Kläger fristgerecht Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte vertraglich eine Selbstvermittlungsprämie mit ihm vereinbart habe. Ein Vorbehalt sei nicht Bestandteil dieser Vereinbarung gewesen. Die Frage, ob der Beklagte Bundesmittel für die Selbstvermittlungsprämie erhalte, könne im Verhältnis zu ihm nicht relevant sein. Weiter habe er auf die mündlich erteilten Zusagen vertraut, dass er, wenn er die Voraussetzungen für die Selbstvermittlungsprämie erfülle, diese in allen drei Raten erhalten würde.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 05.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 600,00 EUR zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Zahlung der 3. Rate der Selbstvermittlungsprämie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat hierzu ausgeführt, dass die Ablehnung der Gewährung der Selbstvermittlungsprämie zu Recht erfolgt sei. In den verwendeten Merkblättern sei der Hinweis enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf die Förderung mit einer Selbstvermittlungsprämie bestehe. Im Fall des Klägers bestünde auch kein Anspruch aus einer Eingliederungsvereinbarung, da diese jedenfalls nicht formgerecht abgeschlossen worden sei. Schließlich sei auch in einem Verfahren zwischen dem Beklagten und der Bundesrepublik Deutschland vor dem Sozialgericht Detmold (Az.: S 10 AS 106/08) seitens des Gerichts festgestellt worden, dass die Gewährung einer Selbstvermittlungsprämie nicht rechtmäßig sei.

Mit Urteil vom 11.05.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Auszahlung der Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 600,00 EUR. Ein entsprechender Anspruch aus einer Eingliederungsvereinbarung scheide aus, da mit dem Kläger eine solche nicht geschlossen worden sei. Inwieweit eine mündliche Information über die Selbstvermittlungsprämie erfolgt oder auch eine konkrete mündliche Abrede über die Gewährung einer Selbstvermittlungsprämie zwischen dem Beklagten und dem Kläger erfolgt sei, könne das Gericht offen lassen. Denn eine mündliche Vereinbarung, auch unter Aushändigung eines Merkblatts zur Selbstvermittlungsprämie, wäre jedenfalls nach § 56 des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) i.V.m. § 58 Abs. 1 SGB X und § 125 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als öffentlich-rechtlicher Vertrag bzw. nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X als Zusicherung formunwirksam.

Ein Anspruch auf Auszahlung der Selbstvermittlungsprämie ergebe sich auch nicht aus den durch den Beklagten festgelegten Voraussetzungen für die Selbstvermittlungsprämie in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung (§ 16 Abs. 2 SGB II a.F. i.V.m. Art. 3 des Grundgesetzes - [GG]). Die Selbstvermittlungsprämie, welche der Beklagte zunächst gewährt habe, erfülle nicht die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Eingliederungsleistung nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. Voraussetzung für den Erhalt der Selbstvermittlungsprämie aufgrund der durch den Beklagten aufgestellten Förderungsvoraussetzungen sei die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gewesen. Allerdings seien Bezieher von Leistungen nach dem SGB II bereits nach dessen § 2 Abs. 2 grundsätzlich verpflichtet, eigenaktiv ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, insbesondere ihre Arbeitskraft dafür einzusetzen. Leistungen nach § 16 SGB II dienten der Eingliederung in Arbeit und müssten den Zielen und Grundsätzen des SGB II entsprechen. Nach § 1 Abs. 2 SGB II umfasse die Grundsicherung zum einen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und daneben Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Die Selbstvermittlungsprämie diene in ihrer Ausgestaltung durch den Beklagten jedoch weder der Sicherung des Lebensunterhalts noch der Eingliederung in Arbeit. Eine Selbstvermittlungsprämie, die als Förderungsvoraussetzung allein an die erfolgreiche Suche nach einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung anknüpfe, habe keinen Eingliederungscharakter. Dies treffe auch für die Selbstvermittlungsprämie des Beklagten zu, da die bisher durch diesen gewährte Leistung gerade die erfolgreiche Eingliederung in Arbeit für die Gewährung voraussetze.

Genüge die Selbstvermittlungsprämie nicht den Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 SGB II a.F., scheide auch eine anspruchsbegründende Selbstbindung der Verwaltung bei der Frage der Leistungsgewährung aus. Denn die hierfür notwendige, ständige Verwaltungsübung setze wiederum voraus, dass diese gesetzmäßig erfolge. Es bestehe weder ein Anspruch auf Wiederholung von Ermessensfehlern noch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis; insoweit gebe es keine "Gleichheit im Unrecht". Zum einen habe der Beklagte zum Ende des Jahres 2008 gegenüber allen möglichen berechtigten Personen die Auszahlung der Selbstvermittlungsprämie eingestellt. Daher stelle sich bereits in zeitlicher Hinsicht die Frage der Selbstbindung nicht. Auch in persönlicher Hinsicht ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Fortsetzung der Leistungsgewährung an ihn. So könne nicht allein aus der Tatsache früherer positiver Entscheidungen ein Vertrauensschutz im Hinblick auf spätere Entscheidungen zu Gunsten des Klägers konstruiert werden. Da sich bereits die Gewährung der Selbstvermittlungsprämie als Eingliederungsleistung als rechtswidrig erweise, bestehe auch kein Anspruch auf die Fortführung einer rechtswidrigen Leistungsgewährung.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Zwar habe der Kläger bereits die erste und zweite Rate der Selbstvermittlungsprämie erhalten; dies begründe jedoch keinen Vertrauensschutz auf den Erhalt der weiteren Rate. Auch entstehe dem Kläger kein besonderer Nachteil durch das Ausbleiben der weiteren Rate. Denn seine Eingliederung in Arbeit werde durch das Ausbleiben der Rate nicht gefährdet; auch habe die Selbstvermittlungsprämie keine Bedeutung für die Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Schließlich folge ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Selbstvermittlungsprämie auch nicht aus den Merkblättern bzw. den der Selbstvermittlungsprämie zu Grunde liegenden Förderrichtlinien des Beklagten. Denn hierbei handele es sich lediglich um interne Verwaltungsvorschriften ohne Rechtsqualität nach außen. Sie seien ebenso wie Richtlinien keine Rechtsnormen und könnten als Vorschriften des Innenrechts auf den Einzelnen lediglich über den Gleichheitssatz Wirkung entfalten, der jedoch mangels anspruchsbegründender Selbstbindung bei rechtswidriger Leistungsgewährung nicht verletzt sei.

Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 22.06.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 30.06.2010 Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass ihm ein Anspruch auf Auszahlung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 600,00 EUR zustehe, zumal ihm die erste Rate in Höhe von 100,00 EUR und die zweite Rate in Höhe von 500,00 EUR ausgezahlt worden sei und er somit auf den Bestand der Eingliederungsvereinbarung habe vertrauen dürfen. Er habe sich einen PKW kaufen müssen, um seine neue Arbeitsstelle erreichen zu können. Für den Kauf dieses Fahrzeugs habe er die ihm mündlich zugesagte Selbstvermittlungsprämie in Höhe von insgesamt 1.200,00 EUR fest eingeplant. Er habe sich im Hinblick auf diese Prämie Geld bei einem Verwandten für den Kauf des PKW geliehen. Ohne die Selbstvermittlungsprämie hätte er sich den PKW nicht kaufen und als Folge davon auch die neue Arbeitsstelle nicht antreten können. Er sei der Meinung, dass eine Behörde an eine derartige Zusage gebunden sei, auch wenn die Eingliederungsvereinbarung im vorliegenden Fall nicht schriftlich abgeschlossen worden sei. Dadurch würde die Behörde, die entgegen den Vorgaben die Eingliederungsvereinbarung nicht in Schriftform abschließe, letztlich auch noch für diesen Fehler belohnt, indem sie an die Eingliederungsvereinbarung nicht gebunden sei.

Der Beklagte habe eine Vielzahl von Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen und die Zahlung einer Selbstvermittlungsprämie bei Vorliegen der Voraussetzungen versprochen. Ihm - dem Kläger - sei bekannt, dass andere Geschäftsstellen des Beklagten im Kreis N entsprechende Eingliederungsvereinbarungen in Schriftform abgeschlossen hätten. Sollte in einem solchen Fall ein Zahlungsanspruch wirksam begründet worden sein, käme es zu einer Ungleichbehandlung, die von dem Beklagten zu vertreten wäre, weil dieser es versäumt habe, die Eingliederungsvereinbarung mit ihm schriftlich abzuschließen. Dies könne nicht dazu führen, dass ihm der Zahlungsanspruch nicht zustehe. In einem solchen Fall hätte sich der Beklagte ihm gegenüber schadenersatzpflichtig gemacht, so dass ihm die dritte Rate unter diesem Gesichtspunkt zustehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11.05.2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2009 zu verurteilen, ihm eine Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 600,00 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt hierzu aus, dass die Berufungsbegründung nicht geeignet sei, an der bisherigen Sichtweise etwas zu ändern. Da Eingliederungsvereinbarungen als öffentlich-rechtliche Verträge zwingend der Schriftform bedürften, könne der Kläger sich nicht auf gegebenenfalls ergangene mündliche Absprachen berufen. Zwar könne der Bürger auch auf die Einhaltung mündlich getroffener Vereinbarungen nach dem Selbstverständnis des Beklagten vertrauen. Dies könne allerdings dann nicht gelten, wenn die derart in Aussicht gestellte Leistung nach Abgabe einer wie auch immer gearteten Zusage ab einem bestimmten Zeitpunkt - wie hier - nicht mehr dem geltenden Recht entspreche. Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Kaufs eines Autos, welches zum Erreichen der Arbeitsstätte erforderlich sei, sei der Beklagte nicht verpflichtet, schon bei der Entscheidung über die Leistung im Rahmen seiner Ermessenserwägungen auf Dispositionen des Antragstellers, die dieser bereits in Erwartung der noch gar nicht bewilligten Leistung getroffen habe, Rücksicht zu nehmen; derartige Gesichtspunkte kämen allenfalls bei der Frage der Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten zum Tragen. Im Übrigen hätte der Kauf eines Kfz explizit als Eingliederungsmaßnahme gefördert werden können. Die Notwendigkeit einer solchen Anschaffung sei bislang nach Kenntnis des Beklagten nie thematisiert worden. Er verbleibe deshalb bei seiner Auffassung, dass die Leistung rechtswidrig sei und ein Anspruch auf die Erbringung rechtswidriger Leistungen nicht erhoben werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger ist nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert, da sich der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 05.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2009 als rechtmäßig erweist. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 600,00 EUR. Dass der Beklagte und nicht etwa die Stadt M als kreisangehörige Gemeinde passivlegitimiert ist, weil die Leistung einer Selbstvermittlungsprämie keine solche darstellt, die nach Maßgabe der §§ 4, 5 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II im Kreis N auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden übertragen worden ist, hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt.

1.) Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie folgt nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nicht aus einer zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung (§ 15 SGB II). Hierbei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass von Seiten des Beklagten bzw. dessen zuständiger Sachbearbeiterin nicht bloß eine (unverbindliche) Information über Voraussetzungen und Höhe der Selbstvermittlungsprämie erfolgte, sondern eine mündliche Vereinbarung über die Zahlung der Prämie bei Vorliegen der in den Merkblättern des Beklagten niedergelegten Voraussetzungen zustande kam. Diese ist jedoch wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis (§ 56 SGB X) gemäß § 125 Satz 1 BGB unwirksam.

Bei der Eingliederungsvereinbarung handelt es sich nach h.M. um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. §§ 53 ff. SGB X (s. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 15 Rdnr. 8 m.w.N.) in der Form eines reinen Subordinationsvertrages im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X (so Spellbrink, a.a.O.) oder eines unechten Austauschvertrages i.S.d. § 55 Abs. 1 SGB X (so HessLSG 17.10.2008 - L 7 AS 251/08 B ER u.a. - juris). Die Frage, ob die Selbstvermittlungsprämie überhaupt Teil einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II sein kann, weil diese gemäß den von dem Beklagten aufgestellten Bedingungen für ihre ratenweise Zahlung bereits eine Eingliederung des berechtigten Personenkreises in Arbeit durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung voraussetzt, ist nach Auffassung des Senats bereits zu verneinen. Hierauf kommt es indes nicht an, da es sich hier unabhängig von der Einordnung dieser Vereinbarung in die Systematik der Förderung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X handeln kann. Dieser ist jedoch, da die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagen allenfalls mündlich zustande gekommen ist, jedenfalls wegen Verstoßes gegen das unabdingbare Schriftformerfordernis des § 56 SGB X gemäß § 58 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 125 Satz 1 BGB unwirksam.

Das Gleiche würde, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, auch gelten, wenn das Verhalten des Beklagten dem Kläger gegenüber als Zusicherung der Zahlung einer Selbstvermittlungsprämie gemäß § 34 SGB X ausgelegt werden könnte. Denn nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X bedarf diese Zusicherung zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form, die hier unstreitig nicht vorliegt. Auch liegt nach Aktenlage keine spätere schriftliche Bestätigung einer etwaig mündlich erteilten Zusicherung durch den Beklagten vor, an die dieser gebunden wäre (s. hierzu Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 34 Rdnr. 8).

Es stellt ferner keinen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar, wenn sich der Beklagte - als Initiator der Selbstvermittlungsprämie - auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung beruft. In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung, deren Rechtsgedanken hier dem Grunde nach übertragen werden können, ist anerkannt, dass eine Berufung auf Formnichtigkeit eines Vertrages in Ausnahmefällen treuwidrig sein kann, wenn hierdurch ein schier unerträglicher und mit der Rechtsordnung schlechterdings nicht mehr zu vereinbarender Zustand geschaffen wird, namentlich im Falle der Existenzgefährdung des einen Teils oder im Falle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils (vgl. nur BGH 19.11.1982, BGHZ 85, 315). Von einer Existenzgefährdung des Klägers kann hier jedoch keine Rede sein. Dies gilt auch nicht für die im Rahmen der Berufungsbegründung geschilderte Anschaffung eines PKW für die Erreichung seines Arbeitsplatzes. Dass er sich in diesem Zusammenhang Geld bei einem Verwandten für die Anschaffung des Kraftfahrzeugs geliehen hat, mag Ausdruck seines betätigten Vertrauens in die Zahlung der Selbstvermittlungsprämie gewesen sein, nicht aber für eine von ihm selbst gar nicht geltend gemachte etwaige materielle Existenzgefährdung.

Ferner liegt hier nach Auffassung des Senats keine schwere Treuepflichtverletzung des Beklagten vor. Dies folgt schon daraus, dass die Selbstvermittlungsprämie als solche rechtswidrig ist, weil sie nicht mit den tragenden Grundsätzen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu vereinbaren ist. Im Rahmen der in den §§ 14 ff. SGB II normierten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit findet die Selbstvermittlungsprämie weder in § 15 SGB II (s.o.) noch in den sog. freien Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung - diese Norm wäre auf den vorliegenden Fall anwendbar, da die dritte Rate am 12.11.2008, das heißt zwölf Monate nach Aufnahme der Beschäftigung des Klägers, fällig gewesen wäre - eine taugliche Rechtsgrundlage.

Danach konnten über die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Eine Selbstvermittlungsprämie in der Ausgestaltung, wie sie von dem Beklagten gewährt wurde, kann jedoch nicht über die sog. freien Leistungen legitimiert werden. Der Senat schließt sich den Ausführungen des LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom 23.01.2007 - L 7 AL 524/03 - zur Rechtswidrigkeit einer auf § 10 SGB III a.F. (Freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung) gestützten Selbstvermittlungsprämie ausdrücklich an und macht sie sich zu Eigen. Sie sind nach Auffassung des Senats voll und ganz auf den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu übertragen (so auch SG Detmold 04.06.2009 - S 10 AS 106/08 - zur fehlenden Verpflichtung des Bundes, Kosten u.a. für die Selbstvermittlungsprämie des Beklagten zu tragen, weil diese keine Leistungen nach dem SGB II darstellen; nicht rechtskräftig). Auf die Grundsicherung nach dem SGB II übertragen folgt hieraus, dass eine Eingliederungsleistung nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. an den Zielvorgaben und Programmsätzen der §§ 1 bis 3 SGB II auszurichten ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Dagegen liegt der Hauptzweck der Gewährung der Selbstvermittlungsprämie entgegen der Leistungsgrundsätze des § 3 SGB II gerade nicht in der Gewährung von Leistungen, die zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit notwendig sind. Vielmehr wird mit der Selbstvermittlungsprämie lediglich ein zusätzlicher Anreiz für Hilfebedürftige geschaffen, sich hinreichend eigenständig um eine Arbeitsstelle zu bemühen und damit ihren bereits gesetzlich in § 2 Abs. 1 SGB II normierten Obliegenheiten zur Eigenaktivität nachzukommen. Damit ist die Gewährung einer Prämie, die vordergründig eine Belohnung für die Erfüllung bereits gesetzlich normierter Obliegenheiten und nicht hauptsächlich eine erforderliche Leistung zur Eingliederung in das Erwerbsleben darstellt, mit den Leistungsgrundsätzen der §§ 1 bis 3 SGB II nicht zu vereinbaren (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen 23.01.2007 - L 7 AL 524/03 -; im Anschluss hieran SG Detmold 04.06.2009 - S 10 AS 106/08 -). Als Träger öffentlich-rechtlicher Hoheitsgewalt hat sich der Beklagte nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) an diese gesetzlichen Vorgaben zu halten und darf hiervon nicht abweichen.

2.) Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie kommt aufgrund deren Rechtswidrigkeit auch nicht unmittelbar gestützt auf § 16 Abs. 2 SGB II a.F. i.V.m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) in Betracht. Denn die insoweit mögliche Selbstbindung bei Ausübung des dem Beklagten bei Gewährung der sog. freien Leistungen zustehenden Ermessens setzt nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts rechtmäßiges Verwaltungshandeln voraus (vgl. hierzu allgemein nur OVG NRW 06.10.2004 - 1 A 2470/03 - juris). Da sich die Selbstvermittlungsprämie jedoch als rechtswidriges Instrument der Eingliederung von Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt darstellt (s.o.), besteht für die Zukunft kein Anspruch auf Fortführung dieses rechtswidrigen Verwaltungshandelns ("keine Gleichheit im Unrecht").

Aus diesem Grund scheidet auch die Zahlung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes des (unzweifelhaft gutgläubigen) Klägers aus, da dieser nicht auf die Wiederholung rechtswidrigen Verwaltungshandelns für die Zukunft ausgerichtet sein kann. Ein Anspruch auf "Fehlerwiederholung" folgt deshalb weder aus Art. 3 Abs. 1 GG noch aus dem rechtstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

3.) Schließlich besteht auch kein Anspruch des Klägers nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches.

Voraussetzungen dieses Anspruchs sind eine Pflichtverletzung eines Leistungsträgers, die zu einem rechtlichen Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen wie z.B. Ansprüchen oder Leistungen geführt haben, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind und insbesondere dem betroffenen Bürger zu Gute kommen sollen (vgl. nur KassKomm/Seewald, Vor §§ 38 - 47 SGB I Rdnr. 30). Ziel des Herstellungsanspruches ist die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge, die eingetreten wäre, wenn sich der Leistungsträger rechtmäßig verhalten hätte. Diese Form der Naturalrestitution besteht damit in der Erfüllung des infolge des Verwaltungsfehlers beeinträchtigten oder gefährdeten originären Hauptanspruchs. Dies bedeutet, dass mit dem Herstellungsanspruch nur solche Begehren durchgesetzt werden können, die rechtlich zulässig sind oder das hiermit begehrte Handeln in seiner wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen sein muss (BSG 19.03.1986, SozR 4100 § 105 Nr. 2; KassKomm/Seewald, Vor §§ 38 - 47 SGB I Rdnr. 44). Damit kommt ein Anspruch auf Zahlung der Selbstvermittlungsprämie aufgrund ihrer rechtlichen Unzulässigkeit auch nicht im Wege des Herstellungsanspruchs im Betracht. Ob die Voraussetzungen für eine Pflichtverletzung des Beklagten vorliegen, bedarf deshalb keiner näheren Sachaufklärung, etwa im Wege der Zeugenvernehmung derjenigen Sachbearbeiterinnen, mit denen der Kläger bei der Erörterung der Selbstvermittlungsprämien in Kontakt getreten ist.

Da ein (Primär-)Anspruch des Klägers auf Zahlung der dritten Rate der Selbstvermittlungsprämie mithin nach allen rechtlichen Gesichtspunkten ausscheidet, ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Ob der Kläger gegen den Beklagten einen möglichen Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) geltend machen kann, war von dem Senat mangels Zuständigkeit nicht zu prüfen, da ein solcher Anspruch vor dem zuständigen Landgericht (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes [GVG]) zu verfolgen wäre.

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

5.) Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Zwar könnte eine Zulassung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erwogen werden, weil es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt (nach Aktenlage sind mehrere Personen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten betroffen) und die Frage der Zulässigkeit einer Selbstvermittlungsprämie bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Die Rechtsfrage ist jedoch im Interesse der Allgemeinheit nicht mehr klärungsbedürftig, weil eine Wiederholung ähnlicher Fälle für die Zukunft ausgeschlossen ist. Da die Selbstvermittlungsprämie als Teil der sog. freien Förderleistungen i.S.v. § 16 Abs. 2 SGB II a.F. diskutiert worden ist, kann die Problematik in der Zukunft deswegen nicht mehr auftreten, weil die freien Leistungen mittlerweile in § 16a SGB II in einem enumerativ aufgeführten und im Unterschied zu § 16 Abs. 2 SGB II a.F. abschließenden Leistungskatalog normiert worden sind. Damit besteht für eine hier streitgegenständliche Selbstvermittlungsprämie nach nunmehr geltendem Recht unzweifelhaft keine Rechtsgrundlage.
Rechtskraft
Aus
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