L 12 AS 21/11 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AS 3479/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 21/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 31.12.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäße sowie statthafte Beschwerde der Antragstellerin vom 06.01.2011, eingegangen am 07.01.2011, gegen den ihr am 04.01.2011 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 31.12.2010 ist unbegründet.

Der Senat nimmt zur Begründung gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) zunächst Bezug auf die für zutreffend erachteten Gründe der angefochtenen Entscheidung. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers bzw. der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem die Antragstellerin eigene Rechte - insbesondere Leistungsansprüche - ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dieses ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen.

Danach hat die Antragstellerin auch im Rahmen ihres Beschwerdevorbringens weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen können.

Die Antragstellerin hat nach Auffassung des Senats bei summarischer Prüfung keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Übernahme von Kosten der Weiterbildung für den von ihr begehrten Englisch-Kurs gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III).

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Arbeitnehmer bzw. erwerbsfähige Hilfebedürftige (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn

1.die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,

2.vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und

3.die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Die von der Antragstellerin begehrte Weiterbildung ist, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, zu ihrer beruflichen Eingliederung nicht notwendig i.S.d. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB III. Damit scheidet bereits ein Anspruch der Antragstellerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin und damit auch - erst recht - ein Anspruch auf die begehrte Leistung im Wege einer "Ermessensreduzierung auf Null" aus. Hierbei hat das Sozialgericht zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Begriff der "Notwendigkeit" Bezug genommen.

Danach ist zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzung (Notwendigkeit der Weiterbildung, um den Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern) eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung die Eingliederungschancen erhöht (Beschäftigungsprognose). Es muss die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sind als vorher. Kann hingegen dem Arbeitnehmer auch ohne diese Förderung ein anderer Arbeitsplatz vermittelt werden, so wird das Ziel der Förderung der beruflichen Weiterbildung anderweit erreicht; die Förderung ist also nicht notwendig. Bei dieser Prognoseentscheidung steht der Bundesagentur für Arbeit (BA) insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung tatsächlich unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (BSG 03.07.2003 - B 7 AL 66/02 R - SozR 4-4300 § 77 Nr. 1). Dieser Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite der Norm (welcher strikt von der Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite zu unterscheiden ist) ist angesichts der Rechtsgrundverweisung in § 16 Abs. 1 SGB II u.a. auf § 77 SGB III auch dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzubilligen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist für den Senat nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Verneinung der Erforderlichkeit der Teilnahme der Antragstellerin an einem Kurs "Englisch im Beruf" zum Zwecke der Eingliederung in Arbeit im Bescheid vom 25.08.2010 sowie dem zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid vom 06.01.2011 ihren Beurteilungsspielraum in einer zur gerichtlichen Beanstandung Anlass gebenden Weise überschritten hat. Die Antragsgegnerin konnte vielmehr beurteilungsfehlerfrei davon ausgehen, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer bereits vorliegenden Qualifikation als Verwaltungsfachangestellte, der erfolgreich durchlaufenen Weiterbildung zur Office Managerin sowie der mit Bescheid vom 30.11.2010 gewährten Leistungen zur Eingliederung in Form der Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit, die zunächst bis 31.01.2011 andauern sollte, in die Lage versetzt wird, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Senat hält es auch für nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang einen Abbruch der Arbeitsgelegenheit und die Förderung einer sofortigen fachlichen Weiterbildung in Englisch abgelehnt hat. Dabei konnte sie sich frei von Beurteilungsfehlern auf den teilnehmerbezogenen Abschlussbericht vom 18.10.2010 über die von der Antragstellerin absolvierte Maßnahme bei der U GmbH stützen, nach dem Eingliederungshemmnisse bei der Antragsstellerin nicht aus ihrer fachlichen Qualifikation, sondern "im Sozialverhalten und in ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung" herrühren. Dass demzufolge eine dieser Problematik speziell Rechnung tragende Arbeitsgelegenheit entsprechend den Empfehlungen im o.a. Abschlussbericht statt ein nur zur Mehrung der fachlichen Kompetenz dienender Englisch-Kurs von der Antragsgegnerin bevorzugt worden ist, ist von Seiten des Senats bei Beachtung des der Antragsgegenerin bestehenden Beurteilungsspielraums nicht zu beanstanden.

Die hiergegen von der Antragstellerin gerichteten Einwendungen greifen nicht durch. Soweit sie die fachliche Kompetenz des Herrn H bestreitet, der den o.a. Bericht verfasst hat, ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen von Formalqualifikationen die Wiedergabe bestimmter Eindrücke und die darauf gestützte Empfehlung der weiteren Vorgehensweise den Abschlussbericht nicht unverwertbar macht. Bei dem von der Antragsgegnerin beauftragten Vermittlungsinstitut handelt es sich um ein bundesweit tätiges Unternehmen, welches ausweislich dessen Homepage im Internet von der BA seit 1998 mit Aufgaben u.a. im Bereich der Vermittlung, Qualifizierung und Integration betraut wird. Dass dementsprechend auch ein Mitarbeiter wie Herr H über eine jahrelange Erfahrung mit Arbeitssuchenden verfügt, wie die Antragsgegnerin ausgeführt hat, ist einleuchtend und konnte die Antragsgegnerin beurteilungsfehlerfrei in die Lage versetzen, sich auf dessen Bericht zu stützen.

Die sonstigen, gegen die Antragsgegnerin gerichteten Vorwürfe der Antragstellerin, die leider teilweise den Boden der Sachlichkeit verlassen und im Übrigen nicht belegt sind, sind angesichts der objektiven Sachlage irrelevant, so dass der Senat keine Veranlassung hat, hierauf weiter einzugehen.

Die Antragstellerin hat auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsgrund i.S.d. § 86b Abs. 2 SGG besteht nur dann, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht, gegeben und eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist (LSG NRW, Beschluss vom 17.05.2005 - L 12 B 11/05 AS ER -). Dies ist der Fall, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist (Berlit, info also 1/2005, S. 3, 7).

Dass die Antragstellerin in eine solche Notlage geraten könnte, wenn ihr keine zeitnahe Teilnahme an dem von ihr begehrten Weiterbildungskurs "Englisch im Beruf" ermöglicht wird, ist nach Lage der Akten nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden. Dass sie ihre gegenwärtige Situation längerer Arbeitslosigkeit für nicht mehr zumutbar hält, ist zwar verständlich. Dies unterscheidet sie jedoch nicht von der vergleichbaren Lebenssituation anderer erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen und durch Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit darauf hoffen, ihren Lebensunterhalt wieder ohne staatliche Hilfe gewährleisten zu können. Auch ist die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin nicht etwa untätig geblieben, wie aus den Akten zweifelsfrei zu entnehmen ist. Dazu kommt, dass die Antragsstellerin, nach ihren eigenen Ausführungen in diesem und anderen beim Senat anhängigen Eilverfahren, seit dem 09.12.2010 durchgehend bis voraussichtlich 25.02.2011 krankgeschrieben ist, so dass sie gesundheitlich ohnehin nicht in der Lage sein dürfte, die Weiterbildungsmaßnahme zu beginnen. Irreparable Nachteile ohne die sofortige Bewilligung der Kostenübernahme des Englisch-Kurses sind daher nicht zu befürchten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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