L 19 AS 185/11 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 2139/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 185/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.01.2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Die Klägerin bezieht von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 20.07.2010 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Kosten für Unterkunft unangemessen i.S.v. § 22 Abs.1 Satz1 SGB II seien, da sie höher seien als die am Wohnort der Klägerin geltenden Angemessenheitsgrenzen seien. Er forderte die Klägerin auf, sich innerhalb von 6 Monaten um die Anmietung einer Wohnung mit angemessener Miete in Höhe des Mietrichtwertes von maximal 256,35 EUR zu bemühen oder die Kosten der Unterkunft der derzeitigen Wohnung auf andere Weise zu senken. Der Kostensenkungsaufforderung war eine Liste mit den Adressen von 16 Wohnungsgesellschaften beigefügt, an die sich die Klägerin wegen der Anmietung einer neuen Wohnung wenden kann.

Mit Schreiben vom 09.08.2010 beantragte die Klägerin die Zahlung eines Vorschusses von 20,00 EUR, um die von der Beklagten angegebenen Wohnungsgesellschaften telefonisch zu kontaktieren. Durch Bescheid vom 13.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2010 wies der Beklagte den Antrag ab. Der Vorschuss für anfallende Telefonkosten könne nicht bewilligt werden, da diese bereits von der gewährten Regelleistung abgedeckt seien.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte die Kosten eines Umzugs grundsätzlich zu tragen habe. Hierzu gehörten auch die Kosten der telefonischen Kontaktaufnahme mit möglichen Vermietern. Wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelleistung könne von ihr keine Vorleistung erwartet werden. Falls ihr kein Vorschuss für die Telefonkosten gewährte werde, habe sie kein Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Suche nach einer neuen Wohnung, so dass der Beklagte nicht berechtigt sei, künftig die Kosten der Unterkunft zu senken.

Durch Beschluss vom 18.01.2011 hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

II.
Die Beschwerde ist unbegründet.

Die von der Klägerin eingeleitete Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Der Klägerin steht - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - kein Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses von Telefonkosten aus § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II zu. Danach sind sog. Wohnungsbeschaffungskosten, d. h. Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten einer konkreten Wohnung verbunden sind (vgl. zur Definition der Wohnungsbeschaffungskosten: BSG Urteile vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R = nach juris Rn 13 und vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R = nach juris Rn 16), von dem Beklagten getragen, wenn die Umzug von dem Beklagten veranlasst oder aus sonstigen Gründen notwendig ist und der Beklagte eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten vor dem Anfall der Kosten erteilt hat (vgl. hierzu BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R - mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Dahinstehen kann, ob der angefochtene Verwaltungsakt als Ablehnung der Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 3 SGB II aufzufassen ist. Denn bei den Kosten für eine telefonische Kontaktaufnahme mit möglichen Vermietern handelt es sich nicht um Wohnungsbeschaffungskosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Bei den Wohnungsbeschaffungskosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II handelt es sich um Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 As 7/09 R = nach juris Rn 14). Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II besteht grundsätzlich nur, soweit der Bedarf nicht anderweitig gedeckt, insbesondere nicht bereits von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasst ist (vgl. BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R = nach juris Rn 18 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Die Kosten für die Nutzung eines Telefons sind - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - von der Regelleistung nach § 20 SGB II mitumfasst.

Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, der Klägerin neben der Regelleistung von 359,00 EUR mtl. zusätzliche monetäre Leistungen zu gewähren. Bei den von der Klägerin begehrten Leistung - Übernahme von aufgrund einer Wohnungssuche anfallenden Telefonkosten - handelt es sich weder um einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 1 bis Abs. 5 SGB II noch einen Sonderbedarf nach § 23 Abs. 3 SGB II.Ebenso liegen die Voraussetzungen Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II i.d.F. ab dem 03.06.2010 nicht vor. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf besteht. Zu einem handelt es nach dem Vortrag der Klägerin nicht um einen laufenden, sondern einmaligen Bedarf.; zum anderen liegt kein atypischer Bedarf (vgl. zum Begriff des atypischen Bedarfs: BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = nach juris 207f).

Des weiteren ist die Gewährung von zusätzlichen monetären Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts neben der Regelleistung i.S.v. § 20 Abs. 1 SGB II, soweit sie nicht von den Vorschriften der §§ 21, 23 Abs. 3 SGB II erfasst werden, nach §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II ausgeschlossen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Gewährung von zusätzlichen monetären Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts neben dem Regelsatz nach § 20 SGB II, den Mehrbedarfen nach § 21 SGB II, den nach § 23 Abs. 3 SGB II gewährten einmaligen Leistungen nicht denkbar (Urteile vom 19.08.2010 - B 14 AS 47/09 R = nach juris 11; vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = nach juris Rn 17f , vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R - = nach juris Rn 24). Nach dem Regelungskonzept des SGB II sind die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten Bedarfe mittels der Regelleistung nach § 20 SGB II, der Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und der einmaligen Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II abschließend und pauschalierend gedeckt. Insbesondere ist eine Erhöhung der Regelleistung nach § 20 SGB II wegen ihres pauschalierenden und bedarfsdeckenden Charakters (§§ 20 Abs. 2, 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II) anders als in § 28 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) nach dem Regelungskonzept des SGB II ausgeschlossen (BSG Urteile vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R= nach juris Rn 22 und vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = nach juris Rn 19). Daher ist eine Erhöhung der Regelleistung nach § 20 SGB II im Hinblick auf einen Individualbedarf nicht möglich.

Auch aus dem Schreiben des Beklagten vom 20.07.2010 kann die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der Telefonkosten, die aufgrund der Suche nach einer angemessenen Wohnung anfallen. Denn bei diesem Schreiben handelt es sich um eine Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, die bezweckt, dass die Klägerin Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält (vgl. BSG Urteil vom 17.09.2009 - B 4 AS 19/09 = nach juris 15f mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Soweit dem Schreiben eine Liste von 16 Wohnungsgesellschaften beigefügt gewesen ist, handelt es sich um eine Information der Beklagten, um der Kläger die Wohnungssuche zu erleichtern. Dieser obliegt es, die erforderlichen Kostensenkungsmaßnahmen, wie z. B. Suche nach einer anderen angemessenen Wohnung zu ergreifen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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