L 13 AS 54/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 4042/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 54/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers vom 9. Dezember 2010 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2010 im Verfahren S 10 AS 4042/09 ER wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes streitig, ob der Antragsteller Anspruch auf Gewährung eines Darlehens über 320.000 Euro zur Firmengründung hat.

Der Kläger, der sich seit Jahren im Leistungsbezug der Antragsgegnerin befindet, war zuletzt als Geschäftsführer einer nach britischem Recht gegründeten Gesellschaft tätig, erzielte hieraus aber kein Einkommen.

Einen am 13. Juli 2009 per Fax gestellten Antrag auf ein "Kurzzeit-Darlehen" über 320.000 Euro für eine Laufzeit von maximal fünf Monaten mit einem Zins von bis zu 15 Prozent lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2009 ab. Dagegen hat der Antragsteller am 11. August 2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 10 AS 4109/09) und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 10 AS 4042/09 ER). Ein Befangenheitsantrag des Antragstellers gegen die zuständige Richterin blieb erfolglos (Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 13. Oktober 2009 und 2. Dezember 2009 sowie Beschluss des BSG vom 15. Februar 2010). Das SG hat den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 24. November 2010 abgelehnt. Das SG habe Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags, jedenfalls sei der Antrag aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien nach der im Eilverfahren ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Am 8. Dezember 2010 wurde dieser Beschluss des SG mit anderen Entscheidungen des SG dem Kläger zugestellt. Auf den Briefumschlag, der die zugestellten Beschlüsse enthielt, vermerkte der Kläger: "BESCHWERDE + RECHTSBESCWHERDE &8594; DIENSTAUFSICHTSBESCHWEDRE &8594; RICHTERIN IST UND BLEIBT ABGELEHNT &8594; VERFAHREN UND UrteilE SOWIE ZUSTELLUNG SIND NICHT RECHTSGÜLTIG" und faxte diesen am 9. Dezember 2010 an das SG, das den Vorgang dem LSG vorlegte. Der Antragsteller hat keinen Antrag gestellt. Die Antragsgegnerin ist dem Begehren des Antragstellers auch vor dem LSG entgegengetreten und beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2010 - S 10 AS 4042/09 ER zurückzuweisen.

II.

Die Eingabe des Antragstellers ist als Beschwerde zu verstehen (§ 133 BGB), denn er macht damit die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, hier des Beschlusses vom 24. November 2010 im Verfahren S 10 AS 4042/09 ER gelten, weil die Richterin des SG vom Verfahren ausgeschlossen und deshalb deren Entscheidung rechtswidrig sei. Um einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin handelt es sich dagegen nicht; ein solcher wäre auch unzulässig, da der Antragsteller keine substantiierten Gründe vorgebracht hat und auch die Instanz bereits abgeschlossen war.

Die so verstandene Beschwerde ist unzulässig. Dem Antragsteller fehlt es vorliegend an dem für eine Sachentscheidung erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Das Rechtsschutzinteresse bildet zwar grundsätzlich keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, indessen gilt aber auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann deshalb das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (Urteil des Senats vom 31. März 2009 - L 13 R 392/07 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG). Ein solches das Rechtsschutzinteresse ausschließendes, zweckwidriges und missbräuchliches Prozessieren des Antragstellers liegt hier vor. Das BSG hat mit Urteil vom 18. November 2003 (B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1 - juris) entschieden und eingehend begründet, dass ein zulässiges Rechtsschutzschutzbegehren im Regelfall die Angabe der Wohnanschrift gegenüber dem angerufenen Gericht erfordert. Komme der Rechtssuchende dieser Verpflichtung nicht nach und verhindere er dadurch bewusst eine Kontaktaufnahme durch das Gericht, fehle es bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren. Mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens begebe sich der Rechtsuchende in eine Rolle, die trotz des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordere (vgl. §§ 103 Satz 1 zweiter Halbsatz, 106 Abs. 1, 111 Abs. 1 SGG); dies sei ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeiten mit ihm (vgl. § 128 Abs. 2 SGG) nicht gewährleistet. Dass auf das verfahrensrechtliche Mittel einer öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen (vgl. § 185 Nr. 1 der Zivilprozessordnung [ZPO]) zurückgegriffen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Diese Zustellungsart komme nach ihren strengen Voraussetzungen wegen der Gefahr der möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht; als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt sei sie nicht vorgesehen. Diese Grundsätze, denen der erkennende Senat sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung schon im Urteil vom 31. März 2009 (L 13 R 392/07) angeschlossen hat, sind auch auf Fälle wie dem vorliegenden übertragbar. Der Antragsteller hat zwar dem SG seine Adresse mitgeteilt, jedoch hat sich dieser am 15. Dezember 2011 nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Antragsgegnerin und dem zuständigen Einwohnermeldeamt "nach Frankreich" abgemeldet. Er hat keine Adresse hinterlassen. Auch war es dem Senat nicht möglich, den Antragsteller unter der von ihm dem SG gegenüber angegebenen Anschrift zu erreichen (vgl. den Rücklauf der gesammelten Eingangsbestätigungen, die unter dem Az. L 13 AS 58/11 versandt und wieder zurückgekommen sind). Auch auf Nachfrage des Senats konnte das Einwohnermeldeamt mit seiner Auskunft vom 20. Januar 2011 lediglich mitteilen, dass sich der Antragsteller nach Frankreich abgemeldet habe, ob ein tatsächlicher Wegzug erfolgt sei, erscheine jedoch fraglich. Für den Senat ist maßgeblich, dass der Antragsteller unter keiner bekannten Anschrift tatsächlich erreicht werden kann. Auch in einem solchen Fall verletzt der Antragsteller das Mindestmaß an prozessualer Mitwirkung, das ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert.

Dieses Verhalten des Antragstellers, wie auch sein kurzer schlagwortartiger Vortrag in der Beschwerdebegründung, zeigt, dass es ihm letztlich überhaupt nicht darum geht, einen ihm gegenüber dem jeweiligen Prozessgegner eine durchsetzbare Rechtsposition verschaffenden Rechtsschutz zu erhalten; sein Prozessieren dient vielmehr allein dazu, ganz allgemein und losgelöst von jeglichen verfahrensrechtlichen oder prozessualen Vorgaben seine Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Antragsgegnerin und mit gerichtlichen Entscheidungen im Allgemeinen zum Ausdruck zu bringen. Dies jedoch genügt für die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses nicht; das Verhalten des Antragstellers erweist sich mithin als unzulässige Rechtsausübung.

Im Übrigen liegt auch in der Sache kein Regelungsanspruch vor - insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss an, sodass die Beschwerde auch unbegründet wäre.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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