Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1954/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2564/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Tumorerkrankung ihres 1982 verstorbenen Ehemanns als Berufskrankheit (BK).
Der 1943 geborene und 1982 verstorbene Ehemann der Klägerin (E.) war ab 3. September 1962 Mitglied der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Von 1972 bis 1977 besuchte er die Militärakademie der UdSSR, danach war er als Oberoffizier für Funkverbindung bzw. Kommandeur eines Nachrichtenbataillions im Dienstgrad eines Oberstleutnants eingesetzt. Am 8. Juni 1980 wurde ihm ein Lymphknoten unterhalb des linken Unterkiefers entnommen, danach wurde er bestrahlt. Ab Januar 1981 traten erneut Schwellungszustände im linken Halsbereich auf. Der daraufhin festgestellte Tumor wurde am 25. August 1981 operiert, die histologische Untersuchung ergab ein Sarkom, dessen Ausgangszelle bei der Undifferenziertheit des Tumorgewebes nicht feststellbar war. Am 28. Juni 1982 verstarb E. Die Klägerin erhielt nach dem Tod des E. Witwen- und für die beiden Söhne auch Waisenrente aus der Sonderversorgung der NVA. Der noch von E. zu Lebzeiten gestellte Antrag auf Anerkennung seiner Erkrankung als Dienstbeschädigung (wegen einer nach dem ersten Eingriff erfolgten unzutreffenden Behandlung) wurde abgelehnt.
Im Juli 2001 wandte sich die Klägerin an die Wehrbereichsverwaltung VII und teilte mit, sie vermute, dass ihr Ehemann 1982 an Strahlenschäden gestorben sei. Mit Bescheid vom 7. September 2001 lehnte die Wehrbereichsverwaltung VII den Antrag auf Dienstbeschädigungsausgleich ab mit der Begründung, die Rentenanwartschaften und Ansprüche seien in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Deshalb bestehe neben Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung kein weiterer Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Auch sehe das Dienstbeschädigungsausgleichsgesetz nicht vor, Hinterbliebenen einen Dienstbeschädigungsausgleich einzuräumen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2002 wurde der dagegen eingelegte Widerspruch zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2007 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und machte geltend, sie führe die maligne Erkrankung ihres verstorbenen Ehemanns auf eine unzulässig hohe Strahlenbelastung während dessen Tätigkeit in der NVA in der Dienstverwendung als Offizier der Nachrichtentechnik zurück. Sie beantragte die Anerkennung der Erkrankung als BK gemäß Nr. 51 und Nr. 92 BKVO-DDR. Nachdem zwischen der Beklagten und der Wehrbereichsverwaltung Ost reger Schriftwechsel zur Frage der Zuständigkeit für den geltend gemachten Antrag geführt worden war, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2007 den Antrag auf Anerkennung einer BK ab. E. habe in der DDR nicht der Sozialversicherung, sondern der Versorgungsordnung der NVA als Sonderversorgungssystem angehört. Nach § 215 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) würden jedoch nur solche Berufskrankheiten anerkannt werden können, die vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten und dort BKen der Sozialversicherung gewesen seien. Die vier Sonderversorgungssysteme der DDR seien in eine eigenständige Sicherung außerhalb der Sozialversicherung einbezogen gewesen und seien deshalb auch nicht in das Recht der Unfallversicherung nach dem SGB VII überführt worden. Leistungsansprüche gegenüber einem Unfallversicherungsträger bestünden deshalb nicht. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, ihr Ehemann sei während seiner Tätigkeit in der NVA sozialversichert gewesen. Der Bescheid sei deshalb unrichtig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 3. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen weiter verfolgt hat. Ergänzend trägt sie vor, dass nicht sie die Schädigung ihres verstorbenen Ehemanns zu beweisen habe, sondern die Beklagte das Nichtbestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und seiner Tätigkeit. Darüber hinaus solle Beweis über die Strahlenbelastung erhoben werden. Das SG hat vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr die wehrmedizinischen Unterlagen des Verstorbenen sowie Unterlagen von der Wehrbereichsverwaltung Ost beigezogen.
Mit Urteil vom 15. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen könne, bei ihrem Ehemann habe eine Berufskrankheit der Sozialversicherung vorgelegen, da er als Angehöriger der Nationalen Volksarmee nicht Versicherter der Sozialversicherung, sondern in ein Sonderversorgungssystem einbezogen gewesen sei. Die Ansprüche aus den Sonderversorgungssystemen seien ausschließlich in die Rentenversicherung, nicht aber in die Unfallversicherung überführt worden. Der Ehemann der Klägerin sei auch nicht lediglich Wehrdienstleistender in der NVA gewesen, für die die allgemeine Sozialversicherungspflicht während des Wehrdienstes fortbestanden habe. Denn er sei als Berufssoldat tätig gewesen. Dass möglicherweise Wehrpflichtigen durch den Fortbestand des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Sozialversicherung weitergehende Ansprüche zugebilligt worden seien, könne durch den Zwang zur Ableistung der Wehrpflicht begründet werden, während die Aufnahme einer Tätigkeit als Berufssoldat der eigenen Entscheidung des Betroffenen unterlegen habe. Auch sei der Ehemann der Klägerin nicht, wie von ihr vorgetragen, durch seinen Tod wieder aus dem Sonderversorgungssystem ausgeschieden. Denn tatsächlich sei E. im aktiven Dienst verstorben, so dass der geltend gemachte Versicherungsfall noch während seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der DDR eingetreten sei. Deshalb habe die Klägerin auch eine Hinterbliebenenrente nach der Versorgungsordnung der NVA erhalten, die auf die Deutsche Rentenversicherung übergeleitet worden sei. Da bereits aus rechtlichen Gründen der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte nicht bestehe, seien Ermittlungen zur Strahlenexposition des E. nicht veranlasst gewesen.
Gegen das mit Postzustellungsurkunde vom 4. Mai 2010 ihrem Bevollmächtigten zugestellte Urteil hat die Klägerin bzw. ihr Bevollmächtigter am 31. Mai 2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen der bisherige Vortrag wiederholt und weiter ausgeführt, die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass bei ihrem verstorbenen Ehemann eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit vorgelegen habe, für die die Beklagte auch zuständiger Sozialversicherungsträger sei. Die Beklagte habe insbesondere rückwirkend die Dienstbeschädigung des E. anzuerkennen. Mit seinem Tod sei E. auch aus dem Sonderversorgungssystem der DDR ausgeschieden und seine Ansprüche damit auf die Sozialversicherung der DDR übergegangen.
Die Klägerin beantragt, teilweise sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. April 2010 sowie den Bescheid vom 24. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2008 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihrem verstorbenen Ehemann eine Berufskrankheit nach § 221 Arbeitsgesetzbuch (AGG) i.V.m. Ziff. 51/52 Berufskrankheitenverordnung DDR (BKVO-DDR) vorgelegen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der vom SG beigezogenen Akten, die zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden sind, sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung des Bestehens einer BK nach § 221 Arbeitsgesetzbuch (AGG) i.V.m. Ziff. 51/52 Berufskrankheitenverordnung DDR (BKVO-DDR).
Gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 1150 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten fort. Die von der Klägerin als Berufskrankheit geltend gemachte Erkrankung ihres verstorbenen Ehemanns ist zwar noch vor dem 1. Januar 1992 eingetreten - ihre Eigenschaft als BK unterstellt -, doch hätte diese Erkrankung im Beitrittsgebiet nicht als BK der Sozialversicherung gegolten, da E. nicht Mitglied der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet war. Denn er gehörte als Berufssoldat dem Sonderversorgungssystem der DDR an (vgl. Anlage 2 Nr. 1 zum AAÜG und Versorgungsordnung 005/9/003-NVA Allgemeine Bestimmungen Ziff. 2 Nr. 3 ["Armeeangehörige unterliegen für die Dauer des aktiven Wehrdienstes nicht der Pflichtversicherung bei der Sozialversicherung und haben keinen Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung"]; zu den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen auch BVerfGE 100, 1ff).
Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, [EV]) Nr. 9 Buchstabe b Satz 2 war die Grundentscheidung getroffen worden, Rentenansprüche aus Sonderversorgungssystemen ausschließlich in eine (Voll-)rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine hiermit vergleichbare Versorgungsleistung zu überführen, und zwar auch dann, wenn Rechtsgrund der Rentenzahlung eine Dienstbeschädigung war, wozu auch sog. Diensterkrankungen zählten (Erkrankungen, die durch dienstliche Verrichtungen entstanden sind oder sich verschlimmert haben; Versorgungsordnung 005/9/003-NVA Abschnitt Soziale Versorgung - Anerkennung von Dienstbeschädigungen Ziff. 1 Abs. 2 Buchstabe d). Der EV hat die Regelungen der Sonderversorgungssysteme u.a. über Renten aufgrund von Dienstunfällen oder Diensterkrankungen nicht in die gesetzliche Unfallversicherung übergeleitet, sondern dem Sachgebiet "Rentenversicherung" im Sinne des EV zugeordnet. Hier wurde bestimmt, dass nur die Ansprüche und Anwartschaften wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden, sonstige Sonderversorgungsrenten jedoch ab 1. Januar 1991 nur noch bestimmten, gesondert aufgeführten Bestandsrentnern und Anwartschaftsinhabern gewährt werden sollen (vgl. zum Ganzen BSG vom 10. Mai 1994 - 4 RA 49/93 = SozR 3-8570 § 11 Nr. 1). Die Geltung der sonstigen Sonderversorgungsregelungen über u.a. Dienstbeschädigungsrenten ist im EV Nr. 9 Buchstabe e abschließend geregelt worden. Nach Satz 1 traten diese Regelungen zum 31. Dezember 1990 außer Kraft. Durch § 4 Abs. 2 und 3 AAÜG wurden die Übertragung und Anpassung auf bzw. an bereits existente Versicherungsleistungen im Geltungsbereich der RVO bzw. des SGB umgesetzt. Invalidenrenten und Dienstbeschädigungsvollrenten nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 AAÜG, die u.a. auch wegen einer Diensterkrankung (was einer Berufskrankheit entspricht) gewährt worden sein konnten, wurden nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 AAÜG als Invalidenrenten bzw. Hinterbliebenenrenten im Sinne des damals im Beitrittsgebiet gültigen Rentenversicherungsrechts eingeordnet. Damit wurden diese Renten als eigenständige Unfallentschädigungstatbestände abgeschafft.
Mit Wirkung zum 1. Januar 1997 hat das Gesetz über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (Art. 3 AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996, BGBl. I S. 1674) für Angehörige von Sonderversorgungssystemen nach Anlage 2 Nr. 1 bis 3 AAÜG, also auch der NVA, eine eigenständige Leistung zum Ausgleich von Dienstbeschädigungen (Dienstbeschädigungsausgleich) eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung (BT Drucks 13/4587 S. 9) sollten damit die nach dem bis dahin geltenden Recht bestehenden Härten, wonach Dienstbeschädigungsteilrenten neben Altersrenten oder Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht geleistet werden können, beseitigt werden. Da eine Überführung dieser Leistungen in das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung dieses Personenkreises gegenüber Soldaten, Polizisten und Beamten in den anderen Bundesländern führen würde, wurde eine eigenständige Leistung zum Ausgleich von Dienstbeschädigungen geschaffen. Die Ausgestaltung lehnt sich an das Unfallfürsorgerecht im Beamten- und Soldatenrecht an. Anspruchsberechtigt sind danach Personen, die bis zum 31. Dezember 1996 Ansprüche auf Dienstbeschädigungsvoll- oder Teilrenten aus einem der Sonderversorgungssysteme nach Anlage 2 Nr. 1 bis 3 AAÜG nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht hatten oder auf Grund der Regelungen nach dem AAÜG oder nach den Sonderversorgungssystemen wegen des Zusammentreffens mit anderen Leistungen oder wegen der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr hatten (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Dienstbeschädigungsausgleichsgesetz).
Diese Systematik macht deutlich, dass für Ansprüche, die die Klägerin aus einer Dienstbeschädigung, d.h. auch einer Berufskrankheit im Sinne der Terminologie des SGB VII bzw. der RVO herleitet, allenfalls Ansprüche nach dem Dienstbeschädigungsausgleichsgesetz in Betracht kommen können. Diese sind jedoch durch Bescheid vom 7. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2002 der Wehrbereichsverwaltung Ost als zuständige Behörde bestandskräftig abgelehnt worden. Eine Be- bzw. Entscheidungsbefugnis der Beklagten besteht insoweit nicht.
Da E. nicht Mitglied der allgemeinen Sozialversicherung der DDR war, stehen ihm bzw. der Klägerin als Rechtsnachfolgerin deshalb auch keine übergeleiteten Ansprüche gegen die Beklagte zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Tumorerkrankung ihres 1982 verstorbenen Ehemanns als Berufskrankheit (BK).
Der 1943 geborene und 1982 verstorbene Ehemann der Klägerin (E.) war ab 3. September 1962 Mitglied der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Von 1972 bis 1977 besuchte er die Militärakademie der UdSSR, danach war er als Oberoffizier für Funkverbindung bzw. Kommandeur eines Nachrichtenbataillions im Dienstgrad eines Oberstleutnants eingesetzt. Am 8. Juni 1980 wurde ihm ein Lymphknoten unterhalb des linken Unterkiefers entnommen, danach wurde er bestrahlt. Ab Januar 1981 traten erneut Schwellungszustände im linken Halsbereich auf. Der daraufhin festgestellte Tumor wurde am 25. August 1981 operiert, die histologische Untersuchung ergab ein Sarkom, dessen Ausgangszelle bei der Undifferenziertheit des Tumorgewebes nicht feststellbar war. Am 28. Juni 1982 verstarb E. Die Klägerin erhielt nach dem Tod des E. Witwen- und für die beiden Söhne auch Waisenrente aus der Sonderversorgung der NVA. Der noch von E. zu Lebzeiten gestellte Antrag auf Anerkennung seiner Erkrankung als Dienstbeschädigung (wegen einer nach dem ersten Eingriff erfolgten unzutreffenden Behandlung) wurde abgelehnt.
Im Juli 2001 wandte sich die Klägerin an die Wehrbereichsverwaltung VII und teilte mit, sie vermute, dass ihr Ehemann 1982 an Strahlenschäden gestorben sei. Mit Bescheid vom 7. September 2001 lehnte die Wehrbereichsverwaltung VII den Antrag auf Dienstbeschädigungsausgleich ab mit der Begründung, die Rentenanwartschaften und Ansprüche seien in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Deshalb bestehe neben Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung kein weiterer Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Auch sehe das Dienstbeschädigungsausgleichsgesetz nicht vor, Hinterbliebenen einen Dienstbeschädigungsausgleich einzuräumen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2002 wurde der dagegen eingelegte Widerspruch zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2007 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und machte geltend, sie führe die maligne Erkrankung ihres verstorbenen Ehemanns auf eine unzulässig hohe Strahlenbelastung während dessen Tätigkeit in der NVA in der Dienstverwendung als Offizier der Nachrichtentechnik zurück. Sie beantragte die Anerkennung der Erkrankung als BK gemäß Nr. 51 und Nr. 92 BKVO-DDR. Nachdem zwischen der Beklagten und der Wehrbereichsverwaltung Ost reger Schriftwechsel zur Frage der Zuständigkeit für den geltend gemachten Antrag geführt worden war, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2007 den Antrag auf Anerkennung einer BK ab. E. habe in der DDR nicht der Sozialversicherung, sondern der Versorgungsordnung der NVA als Sonderversorgungssystem angehört. Nach § 215 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) würden jedoch nur solche Berufskrankheiten anerkannt werden können, die vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten und dort BKen der Sozialversicherung gewesen seien. Die vier Sonderversorgungssysteme der DDR seien in eine eigenständige Sicherung außerhalb der Sozialversicherung einbezogen gewesen und seien deshalb auch nicht in das Recht der Unfallversicherung nach dem SGB VII überführt worden. Leistungsansprüche gegenüber einem Unfallversicherungsträger bestünden deshalb nicht. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, ihr Ehemann sei während seiner Tätigkeit in der NVA sozialversichert gewesen. Der Bescheid sei deshalb unrichtig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 3. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen weiter verfolgt hat. Ergänzend trägt sie vor, dass nicht sie die Schädigung ihres verstorbenen Ehemanns zu beweisen habe, sondern die Beklagte das Nichtbestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und seiner Tätigkeit. Darüber hinaus solle Beweis über die Strahlenbelastung erhoben werden. Das SG hat vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr die wehrmedizinischen Unterlagen des Verstorbenen sowie Unterlagen von der Wehrbereichsverwaltung Ost beigezogen.
Mit Urteil vom 15. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen könne, bei ihrem Ehemann habe eine Berufskrankheit der Sozialversicherung vorgelegen, da er als Angehöriger der Nationalen Volksarmee nicht Versicherter der Sozialversicherung, sondern in ein Sonderversorgungssystem einbezogen gewesen sei. Die Ansprüche aus den Sonderversorgungssystemen seien ausschließlich in die Rentenversicherung, nicht aber in die Unfallversicherung überführt worden. Der Ehemann der Klägerin sei auch nicht lediglich Wehrdienstleistender in der NVA gewesen, für die die allgemeine Sozialversicherungspflicht während des Wehrdienstes fortbestanden habe. Denn er sei als Berufssoldat tätig gewesen. Dass möglicherweise Wehrpflichtigen durch den Fortbestand des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Sozialversicherung weitergehende Ansprüche zugebilligt worden seien, könne durch den Zwang zur Ableistung der Wehrpflicht begründet werden, während die Aufnahme einer Tätigkeit als Berufssoldat der eigenen Entscheidung des Betroffenen unterlegen habe. Auch sei der Ehemann der Klägerin nicht, wie von ihr vorgetragen, durch seinen Tod wieder aus dem Sonderversorgungssystem ausgeschieden. Denn tatsächlich sei E. im aktiven Dienst verstorben, so dass der geltend gemachte Versicherungsfall noch während seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der DDR eingetreten sei. Deshalb habe die Klägerin auch eine Hinterbliebenenrente nach der Versorgungsordnung der NVA erhalten, die auf die Deutsche Rentenversicherung übergeleitet worden sei. Da bereits aus rechtlichen Gründen der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte nicht bestehe, seien Ermittlungen zur Strahlenexposition des E. nicht veranlasst gewesen.
Gegen das mit Postzustellungsurkunde vom 4. Mai 2010 ihrem Bevollmächtigten zugestellte Urteil hat die Klägerin bzw. ihr Bevollmächtigter am 31. Mai 2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen der bisherige Vortrag wiederholt und weiter ausgeführt, die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass bei ihrem verstorbenen Ehemann eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit vorgelegen habe, für die die Beklagte auch zuständiger Sozialversicherungsträger sei. Die Beklagte habe insbesondere rückwirkend die Dienstbeschädigung des E. anzuerkennen. Mit seinem Tod sei E. auch aus dem Sonderversorgungssystem der DDR ausgeschieden und seine Ansprüche damit auf die Sozialversicherung der DDR übergegangen.
Die Klägerin beantragt, teilweise sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. April 2010 sowie den Bescheid vom 24. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2008 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihrem verstorbenen Ehemann eine Berufskrankheit nach § 221 Arbeitsgesetzbuch (AGG) i.V.m. Ziff. 51/52 Berufskrankheitenverordnung DDR (BKVO-DDR) vorgelegen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der vom SG beigezogenen Akten, die zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden sind, sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung des Bestehens einer BK nach § 221 Arbeitsgesetzbuch (AGG) i.V.m. Ziff. 51/52 Berufskrankheitenverordnung DDR (BKVO-DDR).
Gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 1150 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten fort. Die von der Klägerin als Berufskrankheit geltend gemachte Erkrankung ihres verstorbenen Ehemanns ist zwar noch vor dem 1. Januar 1992 eingetreten - ihre Eigenschaft als BK unterstellt -, doch hätte diese Erkrankung im Beitrittsgebiet nicht als BK der Sozialversicherung gegolten, da E. nicht Mitglied der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet war. Denn er gehörte als Berufssoldat dem Sonderversorgungssystem der DDR an (vgl. Anlage 2 Nr. 1 zum AAÜG und Versorgungsordnung 005/9/003-NVA Allgemeine Bestimmungen Ziff. 2 Nr. 3 ["Armeeangehörige unterliegen für die Dauer des aktiven Wehrdienstes nicht der Pflichtversicherung bei der Sozialversicherung und haben keinen Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung"]; zu den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen auch BVerfGE 100, 1ff).
Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, [EV]) Nr. 9 Buchstabe b Satz 2 war die Grundentscheidung getroffen worden, Rentenansprüche aus Sonderversorgungssystemen ausschließlich in eine (Voll-)rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine hiermit vergleichbare Versorgungsleistung zu überführen, und zwar auch dann, wenn Rechtsgrund der Rentenzahlung eine Dienstbeschädigung war, wozu auch sog. Diensterkrankungen zählten (Erkrankungen, die durch dienstliche Verrichtungen entstanden sind oder sich verschlimmert haben; Versorgungsordnung 005/9/003-NVA Abschnitt Soziale Versorgung - Anerkennung von Dienstbeschädigungen Ziff. 1 Abs. 2 Buchstabe d). Der EV hat die Regelungen der Sonderversorgungssysteme u.a. über Renten aufgrund von Dienstunfällen oder Diensterkrankungen nicht in die gesetzliche Unfallversicherung übergeleitet, sondern dem Sachgebiet "Rentenversicherung" im Sinne des EV zugeordnet. Hier wurde bestimmt, dass nur die Ansprüche und Anwartschaften wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden, sonstige Sonderversorgungsrenten jedoch ab 1. Januar 1991 nur noch bestimmten, gesondert aufgeführten Bestandsrentnern und Anwartschaftsinhabern gewährt werden sollen (vgl. zum Ganzen BSG vom 10. Mai 1994 - 4 RA 49/93 = SozR 3-8570 § 11 Nr. 1). Die Geltung der sonstigen Sonderversorgungsregelungen über u.a. Dienstbeschädigungsrenten ist im EV Nr. 9 Buchstabe e abschließend geregelt worden. Nach Satz 1 traten diese Regelungen zum 31. Dezember 1990 außer Kraft. Durch § 4 Abs. 2 und 3 AAÜG wurden die Übertragung und Anpassung auf bzw. an bereits existente Versicherungsleistungen im Geltungsbereich der RVO bzw. des SGB umgesetzt. Invalidenrenten und Dienstbeschädigungsvollrenten nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 AAÜG, die u.a. auch wegen einer Diensterkrankung (was einer Berufskrankheit entspricht) gewährt worden sein konnten, wurden nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 AAÜG als Invalidenrenten bzw. Hinterbliebenenrenten im Sinne des damals im Beitrittsgebiet gültigen Rentenversicherungsrechts eingeordnet. Damit wurden diese Renten als eigenständige Unfallentschädigungstatbestände abgeschafft.
Mit Wirkung zum 1. Januar 1997 hat das Gesetz über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (Art. 3 AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996, BGBl. I S. 1674) für Angehörige von Sonderversorgungssystemen nach Anlage 2 Nr. 1 bis 3 AAÜG, also auch der NVA, eine eigenständige Leistung zum Ausgleich von Dienstbeschädigungen (Dienstbeschädigungsausgleich) eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung (BT Drucks 13/4587 S. 9) sollten damit die nach dem bis dahin geltenden Recht bestehenden Härten, wonach Dienstbeschädigungsteilrenten neben Altersrenten oder Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht geleistet werden können, beseitigt werden. Da eine Überführung dieser Leistungen in das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung dieses Personenkreises gegenüber Soldaten, Polizisten und Beamten in den anderen Bundesländern führen würde, wurde eine eigenständige Leistung zum Ausgleich von Dienstbeschädigungen geschaffen. Die Ausgestaltung lehnt sich an das Unfallfürsorgerecht im Beamten- und Soldatenrecht an. Anspruchsberechtigt sind danach Personen, die bis zum 31. Dezember 1996 Ansprüche auf Dienstbeschädigungsvoll- oder Teilrenten aus einem der Sonderversorgungssysteme nach Anlage 2 Nr. 1 bis 3 AAÜG nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht hatten oder auf Grund der Regelungen nach dem AAÜG oder nach den Sonderversorgungssystemen wegen des Zusammentreffens mit anderen Leistungen oder wegen der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr hatten (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Dienstbeschädigungsausgleichsgesetz).
Diese Systematik macht deutlich, dass für Ansprüche, die die Klägerin aus einer Dienstbeschädigung, d.h. auch einer Berufskrankheit im Sinne der Terminologie des SGB VII bzw. der RVO herleitet, allenfalls Ansprüche nach dem Dienstbeschädigungsausgleichsgesetz in Betracht kommen können. Diese sind jedoch durch Bescheid vom 7. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2002 der Wehrbereichsverwaltung Ost als zuständige Behörde bestandskräftig abgelehnt worden. Eine Be- bzw. Entscheidungsbefugnis der Beklagten besteht insoweit nicht.
Da E. nicht Mitglied der allgemeinen Sozialversicherung der DDR war, stehen ihm bzw. der Klägerin als Rechtsnachfolgerin deshalb auch keine übergeleiteten Ansprüche gegen die Beklagte zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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