Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 4053/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2614/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.05.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV - nachfolgend: BK 2108) streitig.
Der im Jahr 1948 geborene Kläger, der an degenerativen Veränderungen aller Wirbelsäulenabschnitte und an Bandscheibenschäden sowohl der Halswirbelsäule (HWS) als auch der Lendenwirbelsäule (LWS) leidet, arbeitete in den Jahren 1970 bis 1976 als Schlosser in der Schweiz. Ab dem Jahr 1976 war er als Bauschlosser in Deutschland im Wesentlichen mit der Fertigung und Montage von Geländerteilen beschäftigt. Ausgehend von den Angaben des Betriebsinhabers (der Jahre 1976 bis 2000) war die Tätigkeit mit einem langjährigen berufsbedingten Heben oder Tragen schwerer Lasten, das den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 entsprach, verbunden (so die unter Berücksichtigung der aktuellen, vom Bundessozialgericht - BSG vorgegebenen Richtwerte zuletzt, allerdings nach schon geäußerten Bedenken gegen das Ausmaß der behaupteten Belastung, vorgenommene Auswertung des Präventionsdienstes der Beklagten - Mitarbeiterin Rahm - vom August 2008).
Ab März 2005 wurde der Kläger arbeitsunfähig geschrieben. Es erfolgte zunächst eine konservative Behandlung unter den Diagnosen Lumboischialgie beidseits und Spondylarthrose L2 bis L5. Im September 2006 wurde im Rahmen eines stationären Aufenthalts mit nachfolgender Anschlussheilbehandlung eine Einetagendekompression L3/4 und eine dynamische Stabilisierung mit interspinösen Implantaten (L3/4 und L4/5) durchgeführt. Der Kläger ist zwischenzeitlich aus dem Krankengeldbezug ausgesteuert und arbeitslos. Im Januar 2005 nahm er eine geringfügige Beschäftigung als Hausmeister auf.
Im Juli 2006 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen der BK 2108 an. Mit Bescheid vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2108 ab. Auf der Grundlage der damaligen Auswertungen ihres Präventionsdienstes stützte sie die Ablehnung auf die Nichterfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Deswegen hat der Kläger am 25.07.2007 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat den ehemaligen Betriebsinhaber Person zweimal als Zeugen befragt. Ferner hat es das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. Sch. (Leiter der Schmerztherapie und Gutachtenambulanz in der Orthopädischen Universitätsklinik H. ) eingeholt. Dieser hat unter anderem auf Grund der Untersuchung im Oktober 2009 beim Kläger eine Osteochondrose, eine Spondylose mit Rückenschmerzen, eine beginnende Varusgonarthrose beidseits sowie eine Adipositas diagnostiziert. Die BK 2108 hat er nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da es biomechanisch nicht wahrscheinlich sei, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung, insbesondere auf die Bewegungssegmente L3 bis L5 stark einwirke und das Bewegungssegment L5/S1 ausspare. Zwar weise auch das Segment L5/S1 Zeichen einer Bandscheibenschädigung auf. Die relative Höhe sei im Vergleich zu den anderen Bewegungssegmenten jedoch immer noch deutlich besser erhalten und auch die knöcherne Abstützung sei hier nur als beginnend zu bezeichnen. Die Abstützreaktion in den übrigen Wirbelsäulenabschnitten zeige sich deutlichst ausgeprägter. Radiologische Veränderungen seien in der unteren bis zur mittleren HWS sowie im gesamten Bereich der BWS festzustellen. Dies spreche für ein Wirbelsäulenleiden aus innerer Ursache. Mit Gerichtsbescheid vom 04.05.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar seien die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen und auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers nachgewiesen. Letztere sei jedoch - so Prof. Dr. Sch. - nicht wahrscheinlich ursächlich auf die schädigenden Einwirkungen zurückzuführen. Soweit der Kläger eine Besorgnis der Befangenheit von Prof. Dr. Sch. angesprochen habe, weil dieser für andere Berufsgenossenschaften (BGen) Gutachten erstelle, reiche dies für die Annahme von Befangeheit nicht aus.
Gegen den ihm am 07.05.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 08.06.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung eine Röntgenbefundauswertung des Oberarztes K. (O. -Klinikum) vom September 2008 vorgelegt. Der Kläger führt aus, Prof. Dr. Sch. sei zuzustimmen, dass es biomechanisch nicht wahrscheinlich erscheine, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung das Bewegungssegment L5/S1 ausspare. Aus dem Bericht des Oberarztes K. ergebe sich bezüglich dieses Segments jedoch ein ganz anderes Ergebnis als Prof. Dr. Sch. wahrnehmen wolle. Unter (nochmaligem) Hinweis, die Tätigkeit von Prof. Dr. Sch. für BGen im Verwaltungsverfahren sei als Befangenheitsgrund zu werten, hat der Kläger ausdrücklich beantragt, ihm den vorgelegten Befund zur Stellungnahme im Wege der Amtsermittlung weiterzuleiten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.05.2009 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.07.2007 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend und auch die weiteren Ausführungen von Prof. Dr. Sch. im Berufungsverfahren für überzeugend.
Der Senat hat Prof. Dr. Sch. um die vom Kläger gewünschte ergänzende Stellungnahme gebeten. Er hat mitgeteilt, die bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS sei altersuntypisch. Er halte sie für gleichstark bis schwächer im Vergleich zu der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Dies sei ein zusätzliches Indiz gegen eine beruflich bedingte Erkrankung. Maßgebliches Argument sei jedoch nach wie vor die Aussparung des Segments L5/S1. Die Röntgenbefunde vom September 2008 entsprächen den von ihm im Ausgangsgutachten zugrundegelegten Befunden. Ein Widerspruch liege nicht vor. Unter Berücksichtigung der Konsensempfehlungen (von der auf Anregung des HVBG eingerichteten, interdisziplinären Arbeitsgruppe erarbeitete "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" in Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 ff.) sei die Befundkonstellation beim Kläger am ehesten der Konstellation B 7 zuzuordnen. Trotz der in den Konsensempfehlungen für diese Konstellation vorgeschlagenen Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhangs (Grenzfall) spreche das Fehlen einer Anpassung der Grund- und Deckplatten von L5 und S1 bei nur geringem Aufbrauch der Bandscheibe selbst gegen einen berufsbedingten Zusammenhang.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Die Voraussetzungen zur Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK 2108 liegen nicht vor.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung dieser BK. Dem vom SG noch zugrunde gelegten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur behördlichen Anerkennung der BK kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu, insbesondere nicht i.S. einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG; nichts anderes gilt für das auf Entschädigung gerichteten Begehren (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).
In der Sache hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 erweist sich als im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2108 anzuerkennen. Denn diese BK liegt beim Kläger nicht vor.
Der Kläger leidet an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und er gab seine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit als Montageschlosser im März 2005 auf. Ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK erfüllt, bleibt angesichts der von der Beklagten gegenüber dem Sozialgericht dargelegten Ungewissheiten offen. Jedenfalls sind die Gesundheitsstörungen des Klägers im Bereich der LWS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufsbedingten Einwirkungen zurückzuführen.
Nach dem vom Präventionsdienst angewandten Mainz-Dortmunder-Dosismodel (MDD) ergibt sich beim Kläger - die Angaben des früheren Arbeitgebers unkritisch zu Grunde gelegt - eine Gesamtdosis (Lebensdosis) von 24,4 x 106 Nh. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5) ist derzeit trotz diverser Schwächen des MDD an diesem Berechnungsmodell in modifizierter Form als Grundlage für die Konkretisierung der im Text der BK 2108 zur Kennzeichnung der beruflichen Einwirkung verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe festzuhalten, weil aktuell kein den wissenschaftlichen Erkenntnisstand besser abbildendes Alternativmodell zur Verfügung steht. Die vom Präventionsdienst zuletzt errechnete Gesamtdosis von 24,4 x 106 Nh liegt deutlich über der vom BSG als unterer Grenzwert herangezogenen Gesamtdosis von 12,5 x 106 Nh.
Der Kläger leidet an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu verstehen (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 unter Verweis auf die Begründung in BR-Drucks 773/92 S. 8 zur Zweiten Änderungsverordnung, durch welche die BK 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist). Dies bedeutet, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung neben den beschriebenen röntgenologisch feststellbaren Veränderungen auch ein Krankheitsbild erfordert, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und zu Funktionseinschränkungen führt, die eine Fortsetzung der Tätigkeit unmöglich macht (BSG, a.a.O.).
Nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. Sch. liegen beim Kläger als bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS eine Osteochondrose (in den Segmenten L1/2 und L2/3 mit einem Grad II und in den Segmenten L3/4 und L4/5 mit einem Grad von III) sowie eine Spondylose vor. Diese stehen jedoch nicht in einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen.
Angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen, der Dauer der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines eindeutig abgrenzbaren Krankheitsbildes, das für Belastungen durch Heben und Tragen oder Arbeit in Rumpfbeugehaltung typisch ist, stellt sich letztlich entscheidend nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der LWS-Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9 m.w.N.). Aus diesen Gründen ist auch § 9 Abs. 3 SGB VII, unabhängig von seinem Inkrafttreten erst am 01.01.1997, bei der BK Nr. 2108 nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht anwendbar (BSG, a.a.O.).
Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (BSG, a.a.O. m.w.N.) Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. In Übereinstimmung mit den Standardwerken von Mehrtens/Brandenburg (Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 Anm. 5 ff.), Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Be-rufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 499 ff.) und den Konsensempfehlungen (a.a.O.) sind folgende Kriterien zu Grunde zu legen (BSG, a.a.O.): Die belastenden Einwirkungen, das Krankheitsbild, insbesondere ob ein altersuntypischer Befund und ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, eine zeitliche Korrelation zwischen den Einwirkungen und dem Erkrankungsverlauf, das Vorliegen von konkurrierenden Ursachen wie z.B. Schadensanlagen. Dabei stellen die Konsensempfehlungen für den Senat eine für die Beurteilung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS relevante Grundlage dar, indem sie den derzeit aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet wiedergeben.
Prof. Dr. Sch. vertritt die Auffassung, dass unter Heranziehung der Konsensempfehlungen am ehesten - also noch nicht einmal gesichert - von der dort beschriebenen Fallgruppe B 7 auszugehen ist. Diese ist gekennzeichnet durch das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall im Segment L5/S 1 und/oder L5/L 4, das Fehlen wesentlicher außerberuflich bedingter konkurierenden Ursachenfaktoren, das Vorliegen einer Begleitspondylose und eines Bandscheibenschadens an der HWS, der gleichstark ausgeprägt ist wie an der LWS.
Diese dabei im Vordergrund des Streits stehende Bewertung der Ausprägung der Veränderungen an der HWS gegenüber jener an der LWS ist nachvollziehbar. Nach der von Prof. Dr. Sch. erfolgten Auswertung der Röntgenaufnahmen vom 30.03.2005 lag bereits zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit beim Kläger im Segment L 4/5 eine Chondrose Grad III sowie eine Spondylose als Abstützreaktion vor. Ferner hat Prof. Sch. hinsichtlich der HWS für den Bereich C 3 bis 7 bandscheibenbedingte Erkrankungen mit einer Chondrose der Grade II und I sowie einer Spondylose der Grade II bis IV beschrieben, wobei sich aus seinem Gutachten ergibt, dass erste bildgebende Befunde hierzu allerdings erst ab September 2007 vorliegen. Nach der Gradeinteilung würde freilich auf den ersten Blick angesichts der Chondrose im Bereich L 4/5 vom Grad III und der maximalen Chrondrose im Bereich der HWS vom Grad II der HWS-Schaden schwächer ausgeprägt erscheinen als an der LWS. Hierzu hat Prof. Dr. Sch. jedoch nachvollziehbar ausgeführt, dass ein direkter Vergleich anhand der Gradeinteilungen durch die unterschiedlichen Verfahren nicht möglich ist. Dem entsprechend hat er in der Stellungnahme vom März 2010 die bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS als gleichstark bis schwächer im Vergleich zur LWS gewertet und zuletzt hinsichtlich der für die Zuordnung zur Konstellationen B 7 notwendigen eindeutigen Festlegung zusammenfassend die Beschwerden als gleichstark ausgeprägt bezeichnet und damit "am ehesten" die Konstellation B 7 angenommen. Der Senat hält dies für plausibel. Diese Bewertung wird durch die Ausführungen des Oberarztes K. vom September 2008 bestätigt. Oberarzt K. hat ebenfalls deutliche, über das Altersmaß hinausgehende degenerative Veränderungen der HWS und der "BWS" (richtig: LWS) mit multisegmentalen intervertebralen Osteochondrosen, einer Spondylosis deformans als auch deutliche Zunahmen einer Spondylarthropathie insbesondere im unteren Abschnitt der LWS beschrieben. Zwar hat er den Abschnitt der LWS hinsichtlich der Zeichen der Spondylarthropathie hervorgehoben, insgesamt jedoch das Ausmaß der Veränderungen an HWS und LWS einheitlich als "deutlich über das Altersmaß hinausgehend" beschrieben.
Betreffend dem für die Konstellation B 7 notwendigen Fehlen konkurrierender Faktoren hat Prof. Dr. Sch. in seiner abschließenden ergänzenden Stellungnahme zugunsten des Klägers die in seinem Hauptgutachten noch genannten potentiellen Risikofaktoren der Adipositas und des Bluthochdrucks des Klägers außer Acht gelassen, bzw. nicht als wesentlich erachtet. Der Senat sieht keine Veranlassung, dies in Frage zu stellen.
Selbst wenn somit von der Konstellation B 7 auszugehen wäre, die nach den Konsensempfehlungen an sich zur Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhang der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit der beruflichen Tätigkeit führt, ist dies indessen beim Kläger nicht möglich. Denn bei ihm liegen von den Konsensempfehlungen nicht erfasste Besonderheiten vor, die für die Konstellation B 7 vorgesehene Schlussfolgerung - ohnehin ausdrücklich als Grenzfall beschrieben - nicht zulässt.
Für den Senat überzeugend hat Prof. Dr. Sch. dargelegt, dass angesichts des beim Kläger vorliegenden individuellen Schadensbilds auch bei einer Zuordnung zur Konstellation B 7 nicht von einem wahrscheinlichen Zusammenhang auszugehen ist. Denn das Fehlen einer Anpassung der Grund- und Deckplatten von L5 und S1 bei nur geringem Aufbrauch der Bandscheibe selbst spricht gegen einen berufsbedingten Zusammenhang. Aus biomechanischer Sicht ist das Aussparen des letzten Bandscheibensegments im Rahmen einer berufsbedingten Erkrankung wenig wahrscheinlich. Dies ist für den Senat überzeugend und steht im Übrigen auch im Einklang mit den allgemeinen Hinweisen zu den Kriterien der Zusammenhangsbeurteilung in den Konsensempfehlungen. Dort wird darauf hingewiesen, dass eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente eher gegen eine berufliche Verursachung spricht. Genau auf eine solche Aussparung hat Prof. Dr. Sch. bereits im Hauptgutachten hingewiesen. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass es die im Vergleich zu den anderen LWS-Segmenten deutlich bessere Situation im Segment L5/S1 biomechanisch nicht wahrscheinlich erscheinen lässt, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung für die bandscheibenbedingte Erkrankung maßgeblich war.
Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Zuordnung zur Konstellation B 7 bei der notwendigen individuellen Kausalitätsbeurteilung damit nicht die automatische Anerkennung eines wahrscheinlichen Zusammenhangs, zumal die Konstellation ausdrücklich als Grenzfall gekennzeichnet ist. In den Konsensempfehlungen stellen die im Einzelnen näher beschriebenen Konstellationen typische Fallkonstellationen dar. Dies schließt zwangsläufig nicht aus, dass, jedenfalls wenn die in den Konsensempfehlungen selbst als "Grundvoraussetzungen" dargestellten Kriterien doch gegen einen Zusammenhang sprechen, im Einzelfall eine abweichende Beurteilung zulässig und nötig ist. Dies ist beim Kläger wie eben dargestellt der Fall. Die Aussparung des Segments L5/S1 , die im Übrigen - so Prof. Dr. Sch. - entgegen der Ansicht des Klägers auch vom Oberarzt K. beschrieben worden ist, spricht maßgeblich gegen einen beruflichen Zusammenhang seiner bandscheibenbedingten Erkrankung. Die dem zu Grunde liegenden biomechanischen Überlegungen hat der Kläger im Übrigen selbst mit Schriftsatz vom 30.03.2010 als zutreffend erachtet.
Den Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen lehnt der Senat ab. Schon das SG hat zu Recht die Bedenken des Klägers wegen einer Befangenheit von Prof. Dr. Sch. als nicht tragend erachtet. Einen ausdrücklichen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit hat der Kläger nie gestellt. Sein Vorbringen, der gerichtliche Sachverständige sei für Berufsgenossenschaften ebenfalls als Gutachter tätig, deutet ohnehin nicht auf eine Unvoreingenommenheit hin, sondern belegt eher die fachliche Akzeptanz auch seitens der Leistungsträger. Im Übrigen hat der Kläger seine Behauptungen ohnehin nicht substanziiert. Letzteres gilt auch für die behauptete "Unschlüssigkeit" des Sachverständigengutachtens. Sein Verhalten erscheint auch als widersprüchlich, hat er doch im Berufungsverfahren selbst ausdrücklich darum gebeten, den Röntgenbefund von Oberarzt K. zur Stellungnahme an Prof. Dr. Sch. zur Stellungnahme weiter zu leiten.
Der erstmals mit Schriftsatz vom 28.01.2011 gestellte Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei Prof. Dr. B.-A. wird - da zu spät gestellt - abgelehnt. Zwar muss nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag des Versicherten, des Behinderten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Nach Abs. 2 der Regelung kann das Gericht einen Antrag aber ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. So liegt der Fall hier.
Bereits Mitte November 2010 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe. Erst mit Schriftsatz vom 28.01.2011 hat er den Antrag nach § 109 SGG gestellt. Dies hätte er bei sachgerechter Bearbeitung aber schon zeitnah zur Anfrage wegen des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung machen müssen. Denn für den Bevollmächtigten des Klägers hat durch die Frage nach einem Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung klar sein müssen, dass von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen mehr vorgenommen würden. Das Nachschieben dieses Antrags mit Schriftsatz vom 28.01.2011 - von ihm selbst als verspätete bewertet - beruht somit auf grober Nachlässigkeit.
Da der Rechtsstreit, wie sich aus der Anfrage des Senats an die Beteiligten wegen des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und der vorliegenden Entscheidung der Berufung ergibt, seit der erwähnten Anfrage entscheidungsreif ist, würde die Einholung eines weiteren Gutachtens die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV - nachfolgend: BK 2108) streitig.
Der im Jahr 1948 geborene Kläger, der an degenerativen Veränderungen aller Wirbelsäulenabschnitte und an Bandscheibenschäden sowohl der Halswirbelsäule (HWS) als auch der Lendenwirbelsäule (LWS) leidet, arbeitete in den Jahren 1970 bis 1976 als Schlosser in der Schweiz. Ab dem Jahr 1976 war er als Bauschlosser in Deutschland im Wesentlichen mit der Fertigung und Montage von Geländerteilen beschäftigt. Ausgehend von den Angaben des Betriebsinhabers (der Jahre 1976 bis 2000) war die Tätigkeit mit einem langjährigen berufsbedingten Heben oder Tragen schwerer Lasten, das den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 entsprach, verbunden (so die unter Berücksichtigung der aktuellen, vom Bundessozialgericht - BSG vorgegebenen Richtwerte zuletzt, allerdings nach schon geäußerten Bedenken gegen das Ausmaß der behaupteten Belastung, vorgenommene Auswertung des Präventionsdienstes der Beklagten - Mitarbeiterin Rahm - vom August 2008).
Ab März 2005 wurde der Kläger arbeitsunfähig geschrieben. Es erfolgte zunächst eine konservative Behandlung unter den Diagnosen Lumboischialgie beidseits und Spondylarthrose L2 bis L5. Im September 2006 wurde im Rahmen eines stationären Aufenthalts mit nachfolgender Anschlussheilbehandlung eine Einetagendekompression L3/4 und eine dynamische Stabilisierung mit interspinösen Implantaten (L3/4 und L4/5) durchgeführt. Der Kläger ist zwischenzeitlich aus dem Krankengeldbezug ausgesteuert und arbeitslos. Im Januar 2005 nahm er eine geringfügige Beschäftigung als Hausmeister auf.
Im Juli 2006 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen der BK 2108 an. Mit Bescheid vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2108 ab. Auf der Grundlage der damaligen Auswertungen ihres Präventionsdienstes stützte sie die Ablehnung auf die Nichterfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Deswegen hat der Kläger am 25.07.2007 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat den ehemaligen Betriebsinhaber Person zweimal als Zeugen befragt. Ferner hat es das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. Sch. (Leiter der Schmerztherapie und Gutachtenambulanz in der Orthopädischen Universitätsklinik H. ) eingeholt. Dieser hat unter anderem auf Grund der Untersuchung im Oktober 2009 beim Kläger eine Osteochondrose, eine Spondylose mit Rückenschmerzen, eine beginnende Varusgonarthrose beidseits sowie eine Adipositas diagnostiziert. Die BK 2108 hat er nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da es biomechanisch nicht wahrscheinlich sei, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung, insbesondere auf die Bewegungssegmente L3 bis L5 stark einwirke und das Bewegungssegment L5/S1 ausspare. Zwar weise auch das Segment L5/S1 Zeichen einer Bandscheibenschädigung auf. Die relative Höhe sei im Vergleich zu den anderen Bewegungssegmenten jedoch immer noch deutlich besser erhalten und auch die knöcherne Abstützung sei hier nur als beginnend zu bezeichnen. Die Abstützreaktion in den übrigen Wirbelsäulenabschnitten zeige sich deutlichst ausgeprägter. Radiologische Veränderungen seien in der unteren bis zur mittleren HWS sowie im gesamten Bereich der BWS festzustellen. Dies spreche für ein Wirbelsäulenleiden aus innerer Ursache. Mit Gerichtsbescheid vom 04.05.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar seien die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen und auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers nachgewiesen. Letztere sei jedoch - so Prof. Dr. Sch. - nicht wahrscheinlich ursächlich auf die schädigenden Einwirkungen zurückzuführen. Soweit der Kläger eine Besorgnis der Befangenheit von Prof. Dr. Sch. angesprochen habe, weil dieser für andere Berufsgenossenschaften (BGen) Gutachten erstelle, reiche dies für die Annahme von Befangeheit nicht aus.
Gegen den ihm am 07.05.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 08.06.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung eine Röntgenbefundauswertung des Oberarztes K. (O. -Klinikum) vom September 2008 vorgelegt. Der Kläger führt aus, Prof. Dr. Sch. sei zuzustimmen, dass es biomechanisch nicht wahrscheinlich erscheine, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung das Bewegungssegment L5/S1 ausspare. Aus dem Bericht des Oberarztes K. ergebe sich bezüglich dieses Segments jedoch ein ganz anderes Ergebnis als Prof. Dr. Sch. wahrnehmen wolle. Unter (nochmaligem) Hinweis, die Tätigkeit von Prof. Dr. Sch. für BGen im Verwaltungsverfahren sei als Befangenheitsgrund zu werten, hat der Kläger ausdrücklich beantragt, ihm den vorgelegten Befund zur Stellungnahme im Wege der Amtsermittlung weiterzuleiten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.05.2009 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.07.2007 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend und auch die weiteren Ausführungen von Prof. Dr. Sch. im Berufungsverfahren für überzeugend.
Der Senat hat Prof. Dr. Sch. um die vom Kläger gewünschte ergänzende Stellungnahme gebeten. Er hat mitgeteilt, die bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS sei altersuntypisch. Er halte sie für gleichstark bis schwächer im Vergleich zu der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Dies sei ein zusätzliches Indiz gegen eine beruflich bedingte Erkrankung. Maßgebliches Argument sei jedoch nach wie vor die Aussparung des Segments L5/S1. Die Röntgenbefunde vom September 2008 entsprächen den von ihm im Ausgangsgutachten zugrundegelegten Befunden. Ein Widerspruch liege nicht vor. Unter Berücksichtigung der Konsensempfehlungen (von der auf Anregung des HVBG eingerichteten, interdisziplinären Arbeitsgruppe erarbeitete "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" in Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 ff.) sei die Befundkonstellation beim Kläger am ehesten der Konstellation B 7 zuzuordnen. Trotz der in den Konsensempfehlungen für diese Konstellation vorgeschlagenen Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhangs (Grenzfall) spreche das Fehlen einer Anpassung der Grund- und Deckplatten von L5 und S1 bei nur geringem Aufbrauch der Bandscheibe selbst gegen einen berufsbedingten Zusammenhang.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Die Voraussetzungen zur Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK 2108 liegen nicht vor.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung dieser BK. Dem vom SG noch zugrunde gelegten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur behördlichen Anerkennung der BK kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu, insbesondere nicht i.S. einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG; nichts anderes gilt für das auf Entschädigung gerichteten Begehren (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).
In der Sache hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 erweist sich als im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2108 anzuerkennen. Denn diese BK liegt beim Kläger nicht vor.
Der Kläger leidet an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und er gab seine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit als Montageschlosser im März 2005 auf. Ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK erfüllt, bleibt angesichts der von der Beklagten gegenüber dem Sozialgericht dargelegten Ungewissheiten offen. Jedenfalls sind die Gesundheitsstörungen des Klägers im Bereich der LWS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufsbedingten Einwirkungen zurückzuführen.
Nach dem vom Präventionsdienst angewandten Mainz-Dortmunder-Dosismodel (MDD) ergibt sich beim Kläger - die Angaben des früheren Arbeitgebers unkritisch zu Grunde gelegt - eine Gesamtdosis (Lebensdosis) von 24,4 x 106 Nh. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5) ist derzeit trotz diverser Schwächen des MDD an diesem Berechnungsmodell in modifizierter Form als Grundlage für die Konkretisierung der im Text der BK 2108 zur Kennzeichnung der beruflichen Einwirkung verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe festzuhalten, weil aktuell kein den wissenschaftlichen Erkenntnisstand besser abbildendes Alternativmodell zur Verfügung steht. Die vom Präventionsdienst zuletzt errechnete Gesamtdosis von 24,4 x 106 Nh liegt deutlich über der vom BSG als unterer Grenzwert herangezogenen Gesamtdosis von 12,5 x 106 Nh.
Der Kläger leidet an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu verstehen (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 unter Verweis auf die Begründung in BR-Drucks 773/92 S. 8 zur Zweiten Änderungsverordnung, durch welche die BK 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist). Dies bedeutet, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung neben den beschriebenen röntgenologisch feststellbaren Veränderungen auch ein Krankheitsbild erfordert, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und zu Funktionseinschränkungen führt, die eine Fortsetzung der Tätigkeit unmöglich macht (BSG, a.a.O.).
Nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. Sch. liegen beim Kläger als bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS eine Osteochondrose (in den Segmenten L1/2 und L2/3 mit einem Grad II und in den Segmenten L3/4 und L4/5 mit einem Grad von III) sowie eine Spondylose vor. Diese stehen jedoch nicht in einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen.
Angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen, der Dauer der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines eindeutig abgrenzbaren Krankheitsbildes, das für Belastungen durch Heben und Tragen oder Arbeit in Rumpfbeugehaltung typisch ist, stellt sich letztlich entscheidend nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der LWS-Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9 m.w.N.). Aus diesen Gründen ist auch § 9 Abs. 3 SGB VII, unabhängig von seinem Inkrafttreten erst am 01.01.1997, bei der BK Nr. 2108 nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht anwendbar (BSG, a.a.O.).
Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (BSG, a.a.O. m.w.N.) Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. In Übereinstimmung mit den Standardwerken von Mehrtens/Brandenburg (Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 Anm. 5 ff.), Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Be-rufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 499 ff.) und den Konsensempfehlungen (a.a.O.) sind folgende Kriterien zu Grunde zu legen (BSG, a.a.O.): Die belastenden Einwirkungen, das Krankheitsbild, insbesondere ob ein altersuntypischer Befund und ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, eine zeitliche Korrelation zwischen den Einwirkungen und dem Erkrankungsverlauf, das Vorliegen von konkurrierenden Ursachen wie z.B. Schadensanlagen. Dabei stellen die Konsensempfehlungen für den Senat eine für die Beurteilung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS relevante Grundlage dar, indem sie den derzeit aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet wiedergeben.
Prof. Dr. Sch. vertritt die Auffassung, dass unter Heranziehung der Konsensempfehlungen am ehesten - also noch nicht einmal gesichert - von der dort beschriebenen Fallgruppe B 7 auszugehen ist. Diese ist gekennzeichnet durch das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall im Segment L5/S 1 und/oder L5/L 4, das Fehlen wesentlicher außerberuflich bedingter konkurierenden Ursachenfaktoren, das Vorliegen einer Begleitspondylose und eines Bandscheibenschadens an der HWS, der gleichstark ausgeprägt ist wie an der LWS.
Diese dabei im Vordergrund des Streits stehende Bewertung der Ausprägung der Veränderungen an der HWS gegenüber jener an der LWS ist nachvollziehbar. Nach der von Prof. Dr. Sch. erfolgten Auswertung der Röntgenaufnahmen vom 30.03.2005 lag bereits zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit beim Kläger im Segment L 4/5 eine Chondrose Grad III sowie eine Spondylose als Abstützreaktion vor. Ferner hat Prof. Sch. hinsichtlich der HWS für den Bereich C 3 bis 7 bandscheibenbedingte Erkrankungen mit einer Chondrose der Grade II und I sowie einer Spondylose der Grade II bis IV beschrieben, wobei sich aus seinem Gutachten ergibt, dass erste bildgebende Befunde hierzu allerdings erst ab September 2007 vorliegen. Nach der Gradeinteilung würde freilich auf den ersten Blick angesichts der Chondrose im Bereich L 4/5 vom Grad III und der maximalen Chrondrose im Bereich der HWS vom Grad II der HWS-Schaden schwächer ausgeprägt erscheinen als an der LWS. Hierzu hat Prof. Dr. Sch. jedoch nachvollziehbar ausgeführt, dass ein direkter Vergleich anhand der Gradeinteilungen durch die unterschiedlichen Verfahren nicht möglich ist. Dem entsprechend hat er in der Stellungnahme vom März 2010 die bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS als gleichstark bis schwächer im Vergleich zur LWS gewertet und zuletzt hinsichtlich der für die Zuordnung zur Konstellationen B 7 notwendigen eindeutigen Festlegung zusammenfassend die Beschwerden als gleichstark ausgeprägt bezeichnet und damit "am ehesten" die Konstellation B 7 angenommen. Der Senat hält dies für plausibel. Diese Bewertung wird durch die Ausführungen des Oberarztes K. vom September 2008 bestätigt. Oberarzt K. hat ebenfalls deutliche, über das Altersmaß hinausgehende degenerative Veränderungen der HWS und der "BWS" (richtig: LWS) mit multisegmentalen intervertebralen Osteochondrosen, einer Spondylosis deformans als auch deutliche Zunahmen einer Spondylarthropathie insbesondere im unteren Abschnitt der LWS beschrieben. Zwar hat er den Abschnitt der LWS hinsichtlich der Zeichen der Spondylarthropathie hervorgehoben, insgesamt jedoch das Ausmaß der Veränderungen an HWS und LWS einheitlich als "deutlich über das Altersmaß hinausgehend" beschrieben.
Betreffend dem für die Konstellation B 7 notwendigen Fehlen konkurrierender Faktoren hat Prof. Dr. Sch. in seiner abschließenden ergänzenden Stellungnahme zugunsten des Klägers die in seinem Hauptgutachten noch genannten potentiellen Risikofaktoren der Adipositas und des Bluthochdrucks des Klägers außer Acht gelassen, bzw. nicht als wesentlich erachtet. Der Senat sieht keine Veranlassung, dies in Frage zu stellen.
Selbst wenn somit von der Konstellation B 7 auszugehen wäre, die nach den Konsensempfehlungen an sich zur Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhang der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit der beruflichen Tätigkeit führt, ist dies indessen beim Kläger nicht möglich. Denn bei ihm liegen von den Konsensempfehlungen nicht erfasste Besonderheiten vor, die für die Konstellation B 7 vorgesehene Schlussfolgerung - ohnehin ausdrücklich als Grenzfall beschrieben - nicht zulässt.
Für den Senat überzeugend hat Prof. Dr. Sch. dargelegt, dass angesichts des beim Kläger vorliegenden individuellen Schadensbilds auch bei einer Zuordnung zur Konstellation B 7 nicht von einem wahrscheinlichen Zusammenhang auszugehen ist. Denn das Fehlen einer Anpassung der Grund- und Deckplatten von L5 und S1 bei nur geringem Aufbrauch der Bandscheibe selbst spricht gegen einen berufsbedingten Zusammenhang. Aus biomechanischer Sicht ist das Aussparen des letzten Bandscheibensegments im Rahmen einer berufsbedingten Erkrankung wenig wahrscheinlich. Dies ist für den Senat überzeugend und steht im Übrigen auch im Einklang mit den allgemeinen Hinweisen zu den Kriterien der Zusammenhangsbeurteilung in den Konsensempfehlungen. Dort wird darauf hingewiesen, dass eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente eher gegen eine berufliche Verursachung spricht. Genau auf eine solche Aussparung hat Prof. Dr. Sch. bereits im Hauptgutachten hingewiesen. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass es die im Vergleich zu den anderen LWS-Segmenten deutlich bessere Situation im Segment L5/S1 biomechanisch nicht wahrscheinlich erscheinen lässt, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung für die bandscheibenbedingte Erkrankung maßgeblich war.
Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Zuordnung zur Konstellation B 7 bei der notwendigen individuellen Kausalitätsbeurteilung damit nicht die automatische Anerkennung eines wahrscheinlichen Zusammenhangs, zumal die Konstellation ausdrücklich als Grenzfall gekennzeichnet ist. In den Konsensempfehlungen stellen die im Einzelnen näher beschriebenen Konstellationen typische Fallkonstellationen dar. Dies schließt zwangsläufig nicht aus, dass, jedenfalls wenn die in den Konsensempfehlungen selbst als "Grundvoraussetzungen" dargestellten Kriterien doch gegen einen Zusammenhang sprechen, im Einzelfall eine abweichende Beurteilung zulässig und nötig ist. Dies ist beim Kläger wie eben dargestellt der Fall. Die Aussparung des Segments L5/S1 , die im Übrigen - so Prof. Dr. Sch. - entgegen der Ansicht des Klägers auch vom Oberarzt K. beschrieben worden ist, spricht maßgeblich gegen einen beruflichen Zusammenhang seiner bandscheibenbedingten Erkrankung. Die dem zu Grunde liegenden biomechanischen Überlegungen hat der Kläger im Übrigen selbst mit Schriftsatz vom 30.03.2010 als zutreffend erachtet.
Den Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen lehnt der Senat ab. Schon das SG hat zu Recht die Bedenken des Klägers wegen einer Befangenheit von Prof. Dr. Sch. als nicht tragend erachtet. Einen ausdrücklichen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit hat der Kläger nie gestellt. Sein Vorbringen, der gerichtliche Sachverständige sei für Berufsgenossenschaften ebenfalls als Gutachter tätig, deutet ohnehin nicht auf eine Unvoreingenommenheit hin, sondern belegt eher die fachliche Akzeptanz auch seitens der Leistungsträger. Im Übrigen hat der Kläger seine Behauptungen ohnehin nicht substanziiert. Letzteres gilt auch für die behauptete "Unschlüssigkeit" des Sachverständigengutachtens. Sein Verhalten erscheint auch als widersprüchlich, hat er doch im Berufungsverfahren selbst ausdrücklich darum gebeten, den Röntgenbefund von Oberarzt K. zur Stellungnahme an Prof. Dr. Sch. zur Stellungnahme weiter zu leiten.
Der erstmals mit Schriftsatz vom 28.01.2011 gestellte Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei Prof. Dr. B.-A. wird - da zu spät gestellt - abgelehnt. Zwar muss nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag des Versicherten, des Behinderten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Nach Abs. 2 der Regelung kann das Gericht einen Antrag aber ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. So liegt der Fall hier.
Bereits Mitte November 2010 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe. Erst mit Schriftsatz vom 28.01.2011 hat er den Antrag nach § 109 SGG gestellt. Dies hätte er bei sachgerechter Bearbeitung aber schon zeitnah zur Anfrage wegen des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung machen müssen. Denn für den Bevollmächtigten des Klägers hat durch die Frage nach einem Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung klar sein müssen, dass von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen mehr vorgenommen würden. Das Nachschieben dieses Antrags mit Schriftsatz vom 28.01.2011 - von ihm selbst als verspätete bewertet - beruht somit auf grober Nachlässigkeit.
Da der Rechtsstreit, wie sich aus der Anfrage des Senats an die Beteiligten wegen des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und der vorliegenden Entscheidung der Berufung ergibt, seit der erwähnten Anfrage entscheidungsreif ist, würde die Einholung eines weiteren Gutachtens die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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