Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 1316/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3158/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid vom 18. Juni 2009 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Der am 12.03.1965 geborene Kläger stellte am 07.11.2005 beim Beklagten den Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Zur Begründung nannte er Verletzungen nach einem Fahrradunfall am 30.05.2004.
Der Beklagte zog Arztbriefe des Zentrums für Chirurgie am K. S. vom 07.06.2004, 04.08.2005 und 25.08.2005 sowie den ärztlichen Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation H. Stiftung S. über eine Rehabilitationsmaßnahme vom 20.09.2005 bis 17.10.2005 bei. In letzterem werden eine deutlich eingeschränkte Halswirbelsäulenfunktion, ein Zustand nach Nukleotomie mit Fusion C5/6 am 22.08.2005, ein Zustand nach offener Magerl-Verschraubung C1/C2 bei Jeffersonfraktur 5/04, Adipositas sowie eine chronisch rezidivierende Cervikocephalgie genannt.
Nach Auswertung dieser Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14.12.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 30.05.2004 fest.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Halswirbelsäule sei im Bereich C1 - C6 vollständig versteift. Wegen der Zahl der betroffenen Wirbel sei dies mit funktionellen Auswirkungen auf zwei Wirbelsäulenabschnitten gleichzusetzen. Hinzu kämen permanente Kopfschmerzen, Taubheitsgefühl in 6 Fingern sowie permanente Probleme mit dem Auswurf.
Nachdem der Kläger ein für seine private Unfallversicherung erstattetes Gutachten von Prof. Dr. O., K. S., vom 09.08.2005 sowie Berichte der behandelnden Ärzte für Anästhesiologie T. und Dr. W. vorgelegt hat, auf die Bezug genommen wird, hat Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2006 hierzu ausgeführt, auch nach Auswertung dieser Berichte sei weiterhin von schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen, wofür ein GdB von 30 anzusetzen sei. Unter Berücksichtigung der chronifizierten, schmerztherapeutisch behandlungsbedürftigen Schmerzsymptomatik sei ein GdB von 40 vertretbar.
Nachdem der Kläger ein entsprechendes Vergleichsangebot des Beklagten nicht angenommen hat, hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört.
Der Neurologe und Psychiater, Psychotherapie Dr. E. hat unter dem 11.12.2006 mitgeteilt, er teile die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes in der Stellungnahme vom 23.06.2006. Der Facharzt für Orthopädie Dr. C. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 20.12.2006 angegeben, nach jetzigem Zustand sei eine Abweichung von der Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes nicht zu begründen. Schwer betroffen sei ausschließlich die Halswirbelsäule. Dr. W. hat unter dem 09.01.2007 mitgeteilt, er halte einen GdB von 50 für angemessen, da trotz intensiver Therapie bisher eine befriedigende Schmerzreduktion nicht habe erreicht werden können und sich im Verlauf des Jahres die subjektiv empfundene Schmerzstärke zunehmend verschlechtert habe. Prof. Dr. P., Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik am Klinikum S., K., hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 15.01.2007 ausgeführt, die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes vom 23.06.2006 werde voll und ganz geteilt.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.05.2007 hat Dr. F. ausgeführt, ein von Dr. E. beschriebenes beidseitiges Karpaltunnel-Syndrom rechtfertige einen Teil-GdB von 10, der sich jedoch nicht auf die Höhe des Gesamt-GdB auswirke.
Der Facharzt für Urologie Dr. R. hat unter dem 19.09.2007 mitgeteilt, der Kläger habe sich in der Zeit von Dezember 2006 bis April 2007 wegen einer Minderung der Harnstrahlqualität von leichtem Schweregrad in seiner Behandlung befunden. Die im Januar 2007 festgestellte Restharnbildung sei im April 2007 nicht mehr nachweisbar gewesen.
In einem Attest vom 26.11.2007 hat Dr. Ü. ausgeführt, den Kläger vom 24.09.07 bis 08.10.07 wegen akuter Divertikulitis behandelt zu haben. Nach entsprechender Antibiotikatherapie habe sich das Befinden gebessert, auch die Laborwerte seien rückläufig, es bestünden aber weiterhin Beschwerden im Sinne einer Obstipation.
In der sachverständigen Zeugenaussage vom 11.01.2008 hat Dr. Ü. mitgeteilt, bezüglich der abdominellen Beschwerden und der urologischen Problematik sei nochmals eine Untersuchung bei Prof. Dr. I. veranlasst worden.
Das SG hat sodann die Fachärztin für Neurologie Dr. L., Oberärztin an der Neurologischen Universitätsklinik Ulm, mit der Erstattung eines neurologischen Fachgutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 04.11.2008 hat diese folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronisches Schmerzsyndrom mit a) chronischen Cervicobrachialgien rechts mehr als links b) Spannungskopfschmerzen
2. Traumatische instabile Atlasfraktur mit vorderem und hinterem Bogenbruch rechts sowie Ausriss des Ligamentum transversum am 30.05.2004.
3. Diskretes Wurzelkompressions-Syndrom C6 rechts bei zervikalem Bandscheibenvorfall in Höhe HWK 5/6 mit operativer Therapie sowie
4. Schlafstörungen.
Das Vorliegen eines Karpaltunnel-Syndroms könne nicht nachvollzogen werden. Auf neurologischem Fachgebiet liege ein chronisches Schmerz-Syndrom mit anhaltenden (chronischen) Schmerzen im Hals- und Armbereich sowie Spannungskopfschmerz vor. Diese Schmerzen bedingten eine funktionelle Bewegungseinschränkung (Drehung und Neigung) des Kopfes ohne Hinweis auf eine Schwäche, sowie Schlafstörungen. Zudem bestehe ein diskretes Wurzelkompressions-Syndrom C6 bei abgeschwächtem Bizepssehnenreflex rechts. Geistige oder seelische Auswirkungen seien nicht zu erkennen. Der GdB für alle Leiden sei insgesamt seit 2005 mit 40 zu bewerten.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2009 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 14.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2006 abgeändert und den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger ab 30.05.2004 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger leide im Wesentlichen infolge eines Unfalls am 30.05.2004 an einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit chronischen Cervicobrachialgien und damit einhergehendem chronischen Schmerz-Syndrom sowie Darmstörungen. Die allein im Bereich der Halswirbelsäule bestehenden schweren funktionellen Auswirkungen seien mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die über das übliche Ausmaß hinausgehenden Schmerzen seien im Rahmen des chronischen Schmerz-Syndroms zu berücksichtigen, das im Zusammenspiel mit Spannungskopfschmerzen und Schlafstörungen mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Ein höherer Einzel-GdB sei nicht zu rechtfertigen, da eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht festgestellt werden könne. Für die chronischen Darmstörungen könne ein Einzel-GdB nicht festgesetzt werden, da ausweislich des Attestes von Dr. Ü. vom 26.11.2007 sich eine akute Divertikulitis nach Antibiotika-Therapie gebessert habe und die Laborwerte rückläufig gewesen seien. Auch die Entleerungsstörung der Blase leichten Grades rechtfertige keinen Einzel-GdB. Damit sei ein Gesamt-GdB von 40 angemessen und ausreichend.
Mit Bescheid vom 18.06.2009 hat der Beklagte den GdB des Klägers mit 40 seit dem 30.05.2004 festgestellt.
Gegen den am 12.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.07.2009 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das von Dr. L. erstattete Gutachten beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung. Entgegen der Beurteilung der Sachverständigen sei das chronische Schmerz-Syndrom nicht lediglich als mittelschwer, sondern als schwer einzustufen. Dies ergebe sich aus dem von der Sachverständigen nicht berücksichtigten Schreiben des Dr. C. vom 20.12.2006. Auch bestehe entgegen der Beurteilung der Sachverständigen ein Karpaltunnel-Syndrom. Darüber hinaus sei die extreme Obstipation, die auch als Divertikulitis diagnostiziert worden sei, nicht berücksichtigt worden.
Der Senat hat den Bericht über das am 03.12.2008 erstellte MRT der HWS beigezogen und sodann Dr. Z. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 10.12.2009 hat dieser ausgeführt, beim Kläger bestünden schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule mit ausstrahlenden Beschwerden in die rechten oberen Gliedmaßen ohne objektiven Zeichen einer gravierenden Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung. Die schmerzhafte Funktionsstörung der Halswirbelsäule sei mit einem GdB von 30, die chronischen Schmerzen als eigenständiges Krankheitsbild mit einem GdB von 20 zu bewerten. Insgesamt betrage der GdB 40. Im Hinblick auf die Funktion der Ausscheidungsorgane und die Schuppenflechte könne er keine gravierenden zusätzlichen Funktionsstörungen erkennen, die Auswirkungen auf den Gesamt-GdB hätten. Die allein von Dr. Ü. unter Verweis auf den neurologischen Befund vertretene Auffassung, eine Höherbewertung sei erforderlich, lasse sich nicht hinreichend begründen.
Dieser Beurteilung ist der Kläger entgegengetreten mit der Begründung, das orthopädische Gutachten enthalte unzureichende tatsächliche Feststellungen, da es die neurologischen Ausfallerscheinungen im Wesentlichen unberücksichtigt lasse.
Der Senat hat weiter die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 29.03.2010 mitgeteilt, er habe den Kläger bis Januar 2008 behandelt wegen eines Prostataadenoms und Miktionsbeschwerden ohne erkennbare urologische Ursache von leichtem bis mittlerem Schweregrad. Er habe eine neurologische Abklärung empfohlen. Dr. W. hat am 13.04.2010 mitgeteilt, der Kläger stehe seit 19.02.2008 nicht mehr in seiner Behandlung. Dr. Ü. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2010 angegeben, der Schweregrad der Behinderung sei mit schwer zuzuordnen, aber aus hausärztlicher Sicht nicht sicher zu beurteilen, eine Spezialuntersuchung wäre sinnvoll. Prof. Dr. I. hat unter dem 18.05.2010 mitgeteilt, er habe den Kläger zuletzt am 15.04.2009 behandelt. Er habe wie zuvor über Sensibilitätsstörungen im Bereich der Hände, allerdings nur noch intermittierend in Form von "pelzigem Gefühl" geklagt. Nach wie vor sei allerdings eine wohl ebenfalls in Besserung befindliche vegetative Symptomatik vorhanden mit erschwertem Stuhlgang. Der Kläger betrachte die Beeinträchtigung bei den vegetativen Funktionen als mittelschwer, insbesondere auch deshalb, weil er Sorge habe, dass sie Ausdruck einer progredienten Rückenmarksschädigung sein könnten. Eine wegen einer Bandscheibenprotrusion bei HWK 6/7 vorgeschlagene Myelo-CT-Untersuchung sei wegen einer leichten, aber kontinuierlichen Besserung dieser Beschwerden nicht durchgeführt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02. Juni 2009 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 sowie des Bescheides vom 18. Juni 2009 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab 30. Mai 2004 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 18. Juni 2009 abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 19.07.2010 vor, das von Dr. Z. erstattete orthopädische Gutachten habe die bisherige Bewertung bestätigt. Darüber hinausgehende zusätzlich zu berücksichtigende Funktionsbeeinträchtigungen seien den zuletzt eingeholten Arztauskünften nicht zu entnehmen. Dies gelte insbesondere für die Auskunft von Dr. R ... Die von ihm diagnostizierten Miktionsbeschwerden ohne erkennbare urologische Ursache, ohne Harnstauungszeichen und ohne anhaltende Restharnbildung bedingten einen GdB von unter 10.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Der Senat entscheidet über den Bescheid vom 18.06.2009 auf Klage.
Die Berufung und die Klage sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an. Beim Kläger bestehen schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei verheiltem Wirbelbruch und operiertem Bandscheibenschaden mit ausstrahlenden Beschwerden in die rechten oberen Gliedmaßen ohne objektive Zeichen einer gravierenden Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung. Diese sind, entsprechend Ziff. 18.9 der Anl. zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VMG) mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Danach sind Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulen-Syndrome) mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Die beginnende Osteochondrosis intervertebralis des Segments der Brustwirbelsäule ohne Nachweis ossärer Destruktionen, die Dr. Ö. aufgrund der Röntgenaufnahme vom 02.12.2009 festgestellt hat, bedingt keine zumindest mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Brustwirbelsäule, so dass Wirbelsäulenschäden von zumindest mittelgradigen Auswirkungen nur in einem Wirbelsäulenabschnitt vorliegen.
Der Kläger leidet auch nicht an einem Karpaltunnel-Syndrom. Dr. E. hat zwar im November 2006 eine entsprechende Diagnose gestellt. Diese konnte jedoch bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. L. nicht nachvollzogen werden. Die von Dr. E. als pathologisch verändert beschriebenen Muskeln waren hierbei klinisch und elektromyographisch gänzlich unauffällig. Auch konnte für die beklagten Parästhesien kein Korrelat gefunden werden. Auch der Sachverständige Dr. Z. konnte über eine diffuse Gefühlsminderung in sämtlichen Fingerspitzen hinaus keine objektiven Anzeichen einer neurologischen Schädigung (pathologische Veränderung des Muskelspannungszustandes, Muskelverschmächtigungen, pathologisches Reflexverhalten oder eindeutigen Kraftverlust) hinsichtlich der oberen Gliedmaßen feststellen. Schließlich hat auch Prof. Dr. I. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2010 die Diagnose eines Karpaltunnel-Syndroms nicht gestellt und ausgeführt, der Kläger klage über Sensibilitätsstörungen im Bereich der Hände, die allerdings nur noch intermittierend in Form von "pelzigem Gefühl" aufträten.
Hinsichtlich der Einschränkungen der vegetativen Funktionen hat Prof. Dr. I. ausgeführt, diese würden vom Kläger als mittelschwer betrachtet, weil er Sorge habe, dass sie Ausdruck einer progredienten Rückenmarksschädigung sein könnten. Anhaltspunkte hierfür sind den vorliegenden ärztlichen Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen.
Die beim Kläger darüber hinaus vorliegenden chronischen Schmerzen sind mit einem eigenständigen Teil-GdB von 20 zu bewerten. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung der Sachverständigen Dr. L. und Dr. Z ...
Beim Kläger besteht darüber hinaus eine Obstipation. Eine akute Divertikulitis, wie von Dr. Ü. im ärztlichen Attest vom 26.11.2007 (Bl. 164 der SG-Akten) bescheinigt, ist nur einmal dokumentiert. Dr. Ü. hat darin jedoch weiter ausgeführt, das Befinden habe sich nach Therapie verbessert. Es bestünden Beschwerden im Sinne einer Obstipation. Nach Teil B Ziff. 10.2.2 VMG sind chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresekton) ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen mit einem GdB von 0 - 10, mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) mit einem GdB von 20 - 30 zu bewerten. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist allenfalls ein GdB von 10 gerechtfertigt, der zu keiner Erhöhung des Gesamt-GdB führt. Denn nach Teil A Nr. 3 d)ee) VMG führen, von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.
Auch die Miktionsbeschwerden von leichtem bis mittlerem Schweregrad ohne erkennbare urologische Ursache, ohne Harnstauungszeichen und ohne anhaltenden Restharnbildung, wie den Auskünften des behandelnden Urologen Dr. R. entnommen werden kann, bedingen keinen GdB von mindestens 10, zumal die Behandlung seit Januar 2008 abgeschlossen ist.
Hieraus resultiert, wie das SG zutreffend festgestellt, hat ein Gesamt-GdB von 40. Nicht zutreffend ist die Auffassung des Klägers, bei der Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule und dem chronischen Schmerz-Syndrom handle es sich um völlig unabhängig voneinander bestehende und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffende Funktionsbeeinträchtigungen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Schmerzstörung im Wesentlichen aus der Erkrankung der Halswirbelsäule resultiert und schon deshalb ein Zusammenhang besteht.
Der Senat stützt sich bei seine Beurteilung auf die von Dr. L. und Dr. Z. erstatteten Gutachten sowie die Beurteilung aller den Kläger behandelnden Ärzte mit Ausnahme des Hausarztes Dr. Ü ... Dieser hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2010 jedoch selbst ausgeführt, der Schweregrad der Behinderungen sei aus seiner hausärztlichen Sicht nicht sicher zu beurteilen, Spezialuntersuchungen seien sinnvoll. Diese haben das SG und der Senat durch Einholung der Gutachten auf neurologischem und orthopädischem Fachgebiet durchgeführt.
Auch die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist nicht zu beanstanden. Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten aneinander Kosten zu erstatten haben. Anders als die Regelungen der Zivilprozessordnung (§§ 91 ff. ZPO) und der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 154 ff. VwGO) trifft § 193 zum Inhalt der Kostenentscheidung keinerlei Aussagen; insbesondere ist die Kostentragung nicht an dem Ausgang des Verfahrens gekoppelt. Die Kostenentscheidung ergeht nach Ermessen, wobei u.a. der Verfahrensausgang und das Veranlasserprinzip mit einzubeziehen sind (Hk-SGG/Groß, § 193 Rn. 20; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193 Rn. 12). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es sachgerecht, dass der Beklagte lediglich ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klageverfahren trägt. Beantragt war nämlich nicht lediglich ein GdB von 50, sondern von mindestens 50. Zu berücksichtigen war weiter, dass der Beklagte alsbald nach Vorlage des von Prof. Dr. O. für die private Unfallversicherung erstatteten Berichts mit Schreiben vom 28.06.2006 ein entsprechendes Vergleichsangebot vorgelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Klage gegen den Bescheid vom 18. Juni 2009 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Der am 12.03.1965 geborene Kläger stellte am 07.11.2005 beim Beklagten den Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Zur Begründung nannte er Verletzungen nach einem Fahrradunfall am 30.05.2004.
Der Beklagte zog Arztbriefe des Zentrums für Chirurgie am K. S. vom 07.06.2004, 04.08.2005 und 25.08.2005 sowie den ärztlichen Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation H. Stiftung S. über eine Rehabilitationsmaßnahme vom 20.09.2005 bis 17.10.2005 bei. In letzterem werden eine deutlich eingeschränkte Halswirbelsäulenfunktion, ein Zustand nach Nukleotomie mit Fusion C5/6 am 22.08.2005, ein Zustand nach offener Magerl-Verschraubung C1/C2 bei Jeffersonfraktur 5/04, Adipositas sowie eine chronisch rezidivierende Cervikocephalgie genannt.
Nach Auswertung dieser Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14.12.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 30.05.2004 fest.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Halswirbelsäule sei im Bereich C1 - C6 vollständig versteift. Wegen der Zahl der betroffenen Wirbel sei dies mit funktionellen Auswirkungen auf zwei Wirbelsäulenabschnitten gleichzusetzen. Hinzu kämen permanente Kopfschmerzen, Taubheitsgefühl in 6 Fingern sowie permanente Probleme mit dem Auswurf.
Nachdem der Kläger ein für seine private Unfallversicherung erstattetes Gutachten von Prof. Dr. O., K. S., vom 09.08.2005 sowie Berichte der behandelnden Ärzte für Anästhesiologie T. und Dr. W. vorgelegt hat, auf die Bezug genommen wird, hat Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2006 hierzu ausgeführt, auch nach Auswertung dieser Berichte sei weiterhin von schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen, wofür ein GdB von 30 anzusetzen sei. Unter Berücksichtigung der chronifizierten, schmerztherapeutisch behandlungsbedürftigen Schmerzsymptomatik sei ein GdB von 40 vertretbar.
Nachdem der Kläger ein entsprechendes Vergleichsangebot des Beklagten nicht angenommen hat, hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört.
Der Neurologe und Psychiater, Psychotherapie Dr. E. hat unter dem 11.12.2006 mitgeteilt, er teile die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes in der Stellungnahme vom 23.06.2006. Der Facharzt für Orthopädie Dr. C. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 20.12.2006 angegeben, nach jetzigem Zustand sei eine Abweichung von der Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes nicht zu begründen. Schwer betroffen sei ausschließlich die Halswirbelsäule. Dr. W. hat unter dem 09.01.2007 mitgeteilt, er halte einen GdB von 50 für angemessen, da trotz intensiver Therapie bisher eine befriedigende Schmerzreduktion nicht habe erreicht werden können und sich im Verlauf des Jahres die subjektiv empfundene Schmerzstärke zunehmend verschlechtert habe. Prof. Dr. P., Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik am Klinikum S., K., hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 15.01.2007 ausgeführt, die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes vom 23.06.2006 werde voll und ganz geteilt.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.05.2007 hat Dr. F. ausgeführt, ein von Dr. E. beschriebenes beidseitiges Karpaltunnel-Syndrom rechtfertige einen Teil-GdB von 10, der sich jedoch nicht auf die Höhe des Gesamt-GdB auswirke.
Der Facharzt für Urologie Dr. R. hat unter dem 19.09.2007 mitgeteilt, der Kläger habe sich in der Zeit von Dezember 2006 bis April 2007 wegen einer Minderung der Harnstrahlqualität von leichtem Schweregrad in seiner Behandlung befunden. Die im Januar 2007 festgestellte Restharnbildung sei im April 2007 nicht mehr nachweisbar gewesen.
In einem Attest vom 26.11.2007 hat Dr. Ü. ausgeführt, den Kläger vom 24.09.07 bis 08.10.07 wegen akuter Divertikulitis behandelt zu haben. Nach entsprechender Antibiotikatherapie habe sich das Befinden gebessert, auch die Laborwerte seien rückläufig, es bestünden aber weiterhin Beschwerden im Sinne einer Obstipation.
In der sachverständigen Zeugenaussage vom 11.01.2008 hat Dr. Ü. mitgeteilt, bezüglich der abdominellen Beschwerden und der urologischen Problematik sei nochmals eine Untersuchung bei Prof. Dr. I. veranlasst worden.
Das SG hat sodann die Fachärztin für Neurologie Dr. L., Oberärztin an der Neurologischen Universitätsklinik Ulm, mit der Erstattung eines neurologischen Fachgutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 04.11.2008 hat diese folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronisches Schmerzsyndrom mit a) chronischen Cervicobrachialgien rechts mehr als links b) Spannungskopfschmerzen
2. Traumatische instabile Atlasfraktur mit vorderem und hinterem Bogenbruch rechts sowie Ausriss des Ligamentum transversum am 30.05.2004.
3. Diskretes Wurzelkompressions-Syndrom C6 rechts bei zervikalem Bandscheibenvorfall in Höhe HWK 5/6 mit operativer Therapie sowie
4. Schlafstörungen.
Das Vorliegen eines Karpaltunnel-Syndroms könne nicht nachvollzogen werden. Auf neurologischem Fachgebiet liege ein chronisches Schmerz-Syndrom mit anhaltenden (chronischen) Schmerzen im Hals- und Armbereich sowie Spannungskopfschmerz vor. Diese Schmerzen bedingten eine funktionelle Bewegungseinschränkung (Drehung und Neigung) des Kopfes ohne Hinweis auf eine Schwäche, sowie Schlafstörungen. Zudem bestehe ein diskretes Wurzelkompressions-Syndrom C6 bei abgeschwächtem Bizepssehnenreflex rechts. Geistige oder seelische Auswirkungen seien nicht zu erkennen. Der GdB für alle Leiden sei insgesamt seit 2005 mit 40 zu bewerten.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2009 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 14.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2006 abgeändert und den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger ab 30.05.2004 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger leide im Wesentlichen infolge eines Unfalls am 30.05.2004 an einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit chronischen Cervicobrachialgien und damit einhergehendem chronischen Schmerz-Syndrom sowie Darmstörungen. Die allein im Bereich der Halswirbelsäule bestehenden schweren funktionellen Auswirkungen seien mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die über das übliche Ausmaß hinausgehenden Schmerzen seien im Rahmen des chronischen Schmerz-Syndroms zu berücksichtigen, das im Zusammenspiel mit Spannungskopfschmerzen und Schlafstörungen mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Ein höherer Einzel-GdB sei nicht zu rechtfertigen, da eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht festgestellt werden könne. Für die chronischen Darmstörungen könne ein Einzel-GdB nicht festgesetzt werden, da ausweislich des Attestes von Dr. Ü. vom 26.11.2007 sich eine akute Divertikulitis nach Antibiotika-Therapie gebessert habe und die Laborwerte rückläufig gewesen seien. Auch die Entleerungsstörung der Blase leichten Grades rechtfertige keinen Einzel-GdB. Damit sei ein Gesamt-GdB von 40 angemessen und ausreichend.
Mit Bescheid vom 18.06.2009 hat der Beklagte den GdB des Klägers mit 40 seit dem 30.05.2004 festgestellt.
Gegen den am 12.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.07.2009 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das von Dr. L. erstattete Gutachten beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung. Entgegen der Beurteilung der Sachverständigen sei das chronische Schmerz-Syndrom nicht lediglich als mittelschwer, sondern als schwer einzustufen. Dies ergebe sich aus dem von der Sachverständigen nicht berücksichtigten Schreiben des Dr. C. vom 20.12.2006. Auch bestehe entgegen der Beurteilung der Sachverständigen ein Karpaltunnel-Syndrom. Darüber hinaus sei die extreme Obstipation, die auch als Divertikulitis diagnostiziert worden sei, nicht berücksichtigt worden.
Der Senat hat den Bericht über das am 03.12.2008 erstellte MRT der HWS beigezogen und sodann Dr. Z. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 10.12.2009 hat dieser ausgeführt, beim Kläger bestünden schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule mit ausstrahlenden Beschwerden in die rechten oberen Gliedmaßen ohne objektiven Zeichen einer gravierenden Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung. Die schmerzhafte Funktionsstörung der Halswirbelsäule sei mit einem GdB von 30, die chronischen Schmerzen als eigenständiges Krankheitsbild mit einem GdB von 20 zu bewerten. Insgesamt betrage der GdB 40. Im Hinblick auf die Funktion der Ausscheidungsorgane und die Schuppenflechte könne er keine gravierenden zusätzlichen Funktionsstörungen erkennen, die Auswirkungen auf den Gesamt-GdB hätten. Die allein von Dr. Ü. unter Verweis auf den neurologischen Befund vertretene Auffassung, eine Höherbewertung sei erforderlich, lasse sich nicht hinreichend begründen.
Dieser Beurteilung ist der Kläger entgegengetreten mit der Begründung, das orthopädische Gutachten enthalte unzureichende tatsächliche Feststellungen, da es die neurologischen Ausfallerscheinungen im Wesentlichen unberücksichtigt lasse.
Der Senat hat weiter die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 29.03.2010 mitgeteilt, er habe den Kläger bis Januar 2008 behandelt wegen eines Prostataadenoms und Miktionsbeschwerden ohne erkennbare urologische Ursache von leichtem bis mittlerem Schweregrad. Er habe eine neurologische Abklärung empfohlen. Dr. W. hat am 13.04.2010 mitgeteilt, der Kläger stehe seit 19.02.2008 nicht mehr in seiner Behandlung. Dr. Ü. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2010 angegeben, der Schweregrad der Behinderung sei mit schwer zuzuordnen, aber aus hausärztlicher Sicht nicht sicher zu beurteilen, eine Spezialuntersuchung wäre sinnvoll. Prof. Dr. I. hat unter dem 18.05.2010 mitgeteilt, er habe den Kläger zuletzt am 15.04.2009 behandelt. Er habe wie zuvor über Sensibilitätsstörungen im Bereich der Hände, allerdings nur noch intermittierend in Form von "pelzigem Gefühl" geklagt. Nach wie vor sei allerdings eine wohl ebenfalls in Besserung befindliche vegetative Symptomatik vorhanden mit erschwertem Stuhlgang. Der Kläger betrachte die Beeinträchtigung bei den vegetativen Funktionen als mittelschwer, insbesondere auch deshalb, weil er Sorge habe, dass sie Ausdruck einer progredienten Rückenmarksschädigung sein könnten. Eine wegen einer Bandscheibenprotrusion bei HWK 6/7 vorgeschlagene Myelo-CT-Untersuchung sei wegen einer leichten, aber kontinuierlichen Besserung dieser Beschwerden nicht durchgeführt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02. Juni 2009 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 sowie des Bescheides vom 18. Juni 2009 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab 30. Mai 2004 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 18. Juni 2009 abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 19.07.2010 vor, das von Dr. Z. erstattete orthopädische Gutachten habe die bisherige Bewertung bestätigt. Darüber hinausgehende zusätzlich zu berücksichtigende Funktionsbeeinträchtigungen seien den zuletzt eingeholten Arztauskünften nicht zu entnehmen. Dies gelte insbesondere für die Auskunft von Dr. R ... Die von ihm diagnostizierten Miktionsbeschwerden ohne erkennbare urologische Ursache, ohne Harnstauungszeichen und ohne anhaltende Restharnbildung bedingten einen GdB von unter 10.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Der Senat entscheidet über den Bescheid vom 18.06.2009 auf Klage.
Die Berufung und die Klage sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an. Beim Kläger bestehen schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei verheiltem Wirbelbruch und operiertem Bandscheibenschaden mit ausstrahlenden Beschwerden in die rechten oberen Gliedmaßen ohne objektive Zeichen einer gravierenden Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung. Diese sind, entsprechend Ziff. 18.9 der Anl. zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VMG) mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Danach sind Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulen-Syndrome) mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Die beginnende Osteochondrosis intervertebralis des Segments der Brustwirbelsäule ohne Nachweis ossärer Destruktionen, die Dr. Ö. aufgrund der Röntgenaufnahme vom 02.12.2009 festgestellt hat, bedingt keine zumindest mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Brustwirbelsäule, so dass Wirbelsäulenschäden von zumindest mittelgradigen Auswirkungen nur in einem Wirbelsäulenabschnitt vorliegen.
Der Kläger leidet auch nicht an einem Karpaltunnel-Syndrom. Dr. E. hat zwar im November 2006 eine entsprechende Diagnose gestellt. Diese konnte jedoch bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. L. nicht nachvollzogen werden. Die von Dr. E. als pathologisch verändert beschriebenen Muskeln waren hierbei klinisch und elektromyographisch gänzlich unauffällig. Auch konnte für die beklagten Parästhesien kein Korrelat gefunden werden. Auch der Sachverständige Dr. Z. konnte über eine diffuse Gefühlsminderung in sämtlichen Fingerspitzen hinaus keine objektiven Anzeichen einer neurologischen Schädigung (pathologische Veränderung des Muskelspannungszustandes, Muskelverschmächtigungen, pathologisches Reflexverhalten oder eindeutigen Kraftverlust) hinsichtlich der oberen Gliedmaßen feststellen. Schließlich hat auch Prof. Dr. I. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2010 die Diagnose eines Karpaltunnel-Syndroms nicht gestellt und ausgeführt, der Kläger klage über Sensibilitätsstörungen im Bereich der Hände, die allerdings nur noch intermittierend in Form von "pelzigem Gefühl" aufträten.
Hinsichtlich der Einschränkungen der vegetativen Funktionen hat Prof. Dr. I. ausgeführt, diese würden vom Kläger als mittelschwer betrachtet, weil er Sorge habe, dass sie Ausdruck einer progredienten Rückenmarksschädigung sein könnten. Anhaltspunkte hierfür sind den vorliegenden ärztlichen Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen.
Die beim Kläger darüber hinaus vorliegenden chronischen Schmerzen sind mit einem eigenständigen Teil-GdB von 20 zu bewerten. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung der Sachverständigen Dr. L. und Dr. Z ...
Beim Kläger besteht darüber hinaus eine Obstipation. Eine akute Divertikulitis, wie von Dr. Ü. im ärztlichen Attest vom 26.11.2007 (Bl. 164 der SG-Akten) bescheinigt, ist nur einmal dokumentiert. Dr. Ü. hat darin jedoch weiter ausgeführt, das Befinden habe sich nach Therapie verbessert. Es bestünden Beschwerden im Sinne einer Obstipation. Nach Teil B Ziff. 10.2.2 VMG sind chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresekton) ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen mit einem GdB von 0 - 10, mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) mit einem GdB von 20 - 30 zu bewerten. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist allenfalls ein GdB von 10 gerechtfertigt, der zu keiner Erhöhung des Gesamt-GdB führt. Denn nach Teil A Nr. 3 d)ee) VMG führen, von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.
Auch die Miktionsbeschwerden von leichtem bis mittlerem Schweregrad ohne erkennbare urologische Ursache, ohne Harnstauungszeichen und ohne anhaltenden Restharnbildung, wie den Auskünften des behandelnden Urologen Dr. R. entnommen werden kann, bedingen keinen GdB von mindestens 10, zumal die Behandlung seit Januar 2008 abgeschlossen ist.
Hieraus resultiert, wie das SG zutreffend festgestellt, hat ein Gesamt-GdB von 40. Nicht zutreffend ist die Auffassung des Klägers, bei der Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule und dem chronischen Schmerz-Syndrom handle es sich um völlig unabhängig voneinander bestehende und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffende Funktionsbeeinträchtigungen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Schmerzstörung im Wesentlichen aus der Erkrankung der Halswirbelsäule resultiert und schon deshalb ein Zusammenhang besteht.
Der Senat stützt sich bei seine Beurteilung auf die von Dr. L. und Dr. Z. erstatteten Gutachten sowie die Beurteilung aller den Kläger behandelnden Ärzte mit Ausnahme des Hausarztes Dr. Ü ... Dieser hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2010 jedoch selbst ausgeführt, der Schweregrad der Behinderungen sei aus seiner hausärztlichen Sicht nicht sicher zu beurteilen, Spezialuntersuchungen seien sinnvoll. Diese haben das SG und der Senat durch Einholung der Gutachten auf neurologischem und orthopädischem Fachgebiet durchgeführt.
Auch die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist nicht zu beanstanden. Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten aneinander Kosten zu erstatten haben. Anders als die Regelungen der Zivilprozessordnung (§§ 91 ff. ZPO) und der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 154 ff. VwGO) trifft § 193 zum Inhalt der Kostenentscheidung keinerlei Aussagen; insbesondere ist die Kostentragung nicht an dem Ausgang des Verfahrens gekoppelt. Die Kostenentscheidung ergeht nach Ermessen, wobei u.a. der Verfahrensausgang und das Veranlasserprinzip mit einzubeziehen sind (Hk-SGG/Groß, § 193 Rn. 20; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193 Rn. 12). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es sachgerecht, dass der Beklagte lediglich ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klageverfahren trägt. Beantragt war nämlich nicht lediglich ein GdB von 50, sondern von mindestens 50. Zu berücksichtigen war weiter, dass der Beklagte alsbald nach Vorlage des von Prof. Dr. O. für die private Unfallversicherung erstatteten Berichts mit Schreiben vom 28.06.2006 ein entsprechendes Vergleichsangebot vorgelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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