L 3 SB 3687/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2115/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3687/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung (GdB) festzustellen sind, als sie es zuletzt waren, wobei der Kläger die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch begehrt.

Bei dem am 20.03.1963 geborenen Kläger stellte das Landratsamt I. -Versorgungsamt - (VA) mit Bescheid vom 01.03.2007 einen GdB von 20 seit 18.09.2006 fest. Es berücksichtigte hierbei die Funktionsbeeinträchtigung "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäulen, Nervenwurzelreizerscheinungen, muskuläre Verspannungen" entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 22.02.2007 mit einem GdB von 20. Dr. G. hat zuvor vom VA bei den behandelnden Ärzten des Klägers beigezogene Befundberichte und Untersuchungsunterlagen von Dr. K., Neurologe/Psychiater, Dr. H., Arzt für Orthopädie und den Dres. M. und M. versorgungsärztlich ausgewertet. Dr. K. berichtete in seinem Befundbericht vom 06.02.2007 von einer mäßiggradigen Verspannung der paralumbalen Muskulatur, einer diskreten Parese der linken Großzehenhebung und einer leichtgradigen PSR-Abschwächung links bei im Übrigen regelgerechtem neurologischem Befund. Dr. H. legte von ihm verfasste Arztbriefe vor, in denen er die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen - generalisierte multiple Tendomyalgien, Stoffwechselübersäuerung, akutes Cervikalsyndrom und Blockierungen - angeführt hat. Dr. M. reichte an ihn adressierte Arztbriefe ein, in denen Dr. H. davon berichtet, beim Kläger ein rezidivierendes Cervikalsyndrom, Tendomyalgien und eine funktionelle Cervikobrachalgie links diagnostiziert zu haben.

Am 04.09.2007 beantragte der Kläger beim VA die Erhöhung des GdB. Er führte hierzu die bei ihm bestehenden Erkrankungen Lumboischialgie, ein akutes Cervikalsyndrom, Blockierungen, eine Stoffwechselübersäuerung, chronischen Spannungskopfschmerz, ein muskoskelettales Schmerzsyndrom und eine somatoforme Schmerzstörung an. Das VA forderte daraufhin bei den Dres. M. und M. Untersuchungsunterlagen an und führte diese einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 22.10.2007, der die Funktionsbeeinträchtigung "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, muskuläre Verspannungen, chronisches Schmerzsyndrom, Depression" mit einen GdB von 30 einschätzte, hob das VA den Bescheid vom 01.03.2007 mit Bescheid vom 24.10.2007 auf und stellt den GdB des Klägers ab dem 04.09.2007 mit 30 fest. Zur Begründung führte es an, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei insofern eingetreten, als sich die Gesundheitsstörungen des Klägers verschlechtert hätten. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem GdB von 30 angemessen bewertet.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass neben den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen weitere Erkrankungen, insb. starke Kopfschmerzen, die sich in migräneartigen Krampfanfällen äußerten, und Schmerzen in den Schultern, Armen und im Nackenbereich bestünden, die eine Schwerbehinderung begründeten.

Nach einer erneuten versorgungsärztlichen Überprüfung der vorliegenden Befundberichte und Untersuchungsunterlagen durch Dr. Z., der in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 26.04.2008 angab, beim Kläger stehe eine somatoforme Schmerzstörung im Vordergrund, die als stärker behindernde seelische Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtigt werden könne, stellte das VA mit Teil-Abhilfebescheid vom 15.05.2008 den GdB des Klägers seit dem 04.09.2007 mit 40 fest. Es berücksichtigte hierbei die Funktionsbeeinträchtigung "Chronisches Schmerzsyndrom, Depression" mit einem Einzel-GdB von 30 und die Funktionsbeeinträchtigung "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, muskuläre Verspannungen" mit einem solchen von 20.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2008 wies der Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er an, dass den Verschlechterungen des Gesundheitszustandes des Klägers mit der Erhöhung des GdB auf 40 angemessen entsprochen worden sei. Die berücksichtigten Gesundheitsstörungen erreichten in ihren funktionellen Auswirkungen nicht das Ausmaß, wie es für die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch erforderlich sei.

Hiergegen hat der Kläger am 15.07.2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, dass auf Grund der bei ihm vorliegenden Erkrankungen ein GdB von mindestens 50 vorliege. Ergänzend hat der Kläger Arztbriefe von Dr. H. vom 23.06.2008, in dem dieser generalisierte multiple Tendomyalgien (z.B. Fibromyalgie) und eine somatoforme Schmerzstörung als Diagnosen benennt, sowie von Dr. C., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 30.03.2009 vorgelegt, in dem dieser mitteilt, eine Ulnarisläsion li., ein Carpaltunnelsyndrom und Insomnie diagnostiziert zu haben. Ferner hat Dr. C. den Verdacht auf ein Sulcus Ulnaris Syndrom geäußert.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG ärztliche Stellungnahmen und Gutachten aus einem beim SG geführten Verfahren des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden- Württemberg (- S 5 R 1784/98 -) wegen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beigezogen. Hr. Schäfer - Nervenheilkunde/ Psychotherapie - hat in seinem für die Deutsche Rentenversicherung erstatteten Gutachten vom 07.03.2008 beim Kläger eine Somatisierungsstörung und Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Dr. K. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG vom 20.08.2008 mitgeteilt, beim Kläger seit 2005 Zervicocephalgien und linksseitige Lumboischialgien diagnostiziert zu haben. Ferner bestehe beim Kläger eine gereizte depressive Verstimmung. Dr. H. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 25.08.2008 angegeben, der Kläger zeige eine schwere depressive Verstimmung mit Schwächesymptomatik. Die orthopädischen Untersuchungen hätten eine endgradige Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule gezeigt. Die Extremitäten seien frei beweglich, es bestehe jedoch eine erhöhte muskuläre Dysbalance. Dr. A., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hat in seinem für das SG erstatteten nervenärztlich- sozialmedizinischen Gutachten vom 08.04.2009 beim Kläger eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine Dysthymia, Neurasthenie, Spannungskopfschmerz und ein leichtes Zervikalsyndrom ohne gravierende Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Symptomatik diagnostiziert.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. W. vom 26.09.2008 und von Dr. K. vom 19.03.2009 vorgelegt.

Mit Urteil vom 24.06.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es angeführt, die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischen Fachgebiet seien mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend berücksichtigt, da beim Kläger keine mittel- oder schwergradigen funktionellen Auswirkungen bestünden. Auch das chronische Schmerzsyndrom und die Depression sei mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend bewertet. Eine stärker behindernde Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei nicht nachgewiesen.

Gegen das am 13.07.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.08.2009 Berufung beim SG eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er vor, er sei am 22.06.2009 von seinem Hausarzt wegen zweimaliger Synkopen in das Krankenhaus I. eingewiesen worden. Entgegen der Einschätzung des SG bestehe bei ihm eine mindestens mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule. Die Bandscheibenproblematik sei ursächlich für die Übelkeits- und Schwindelanfälle. Dem vom SG herangezogenen Gutachten von Dr. A., insb. der Feststellung des Gutachters, es bestehe eine krasse Diskrepanz zwischen den geklagten Befunden und den objektivierbaren Organbefunden, sei zu widersprechen. Auch die Feststellungen der den Kläger im Krankenhaus I. behandelnden Ärzte, die einen Bandscheibenprolaps C3/4, C5/6, L4/5 und L5/S1 benannt hätten, seien mit der Einschätzung des Gutachters, beim Kläger bestünden altersentsprechende degenerative Veränderungen, nicht in Einklang zu bringen. Ergänzend hat der Kläger hierzu den vorläufigen Arztbrief von Dr. O., Stationsärztin am KKH I. vom 25.06.2009 über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers vom 22. - 26.06.2009 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Juni 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24. Oktober 2007 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 15. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2008 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 04. September 2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages bringt der Beklagte vor, das SG habe die medizinischen Unterlagen, insb. auch das Gutachten von Dr. A., zutreffend gewürdigt. Dieser habe beim Kläger nur leichtgradige Gesundheitsstörungen feststellen können. In Ansehung dieser Feststellung sei der zuletzt festgestellte GdB von 40 überhöht. Auch aus dem Bericht über den stationären Krankenhausaufenthalt des Klägers und der dort durchgeführten CT-Untersuchung ergäben sich keine schwerwiegenden Befunde. Ergänzend hat der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 29.04.2010 vorgelegt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat Dr. K., Neurologe, schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 02.11.2009 hat Dr. K. mitgeteilt, der Kläger sei zuletzt am 07.08. und am 21.09.2009 bei ihm vorstellig geworden. Anlässlich seiner Untersuchungen sei der neurologische Untersuchungsbefund, mit Ausnahme einer beidseitigen Sinusitis ethmoidalis regelgerecht gewesen. Der vom Senat gleichfalls als sachverständiger Zeuge einvernommene Dr. C. hat unter dem 05.03.2010 mitgeteilt, den Kläger erstmals am 30.03.2009 behandelt zu haben. Er habe beim Kläger eine Ulnarisläsion li., ein Carpaltunnelsyndrom und eine Insomnie diagnostiziert. Ferner hat er angegeben, es bestehe der Verdacht auf ein Sulcus Ulnaris Syndrom. Der Senat hat ferner eine Stellungnahme von Dr. M. vom 21.10.2009, die in einem beim Landessozialgericht anhängigen Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden- Württemberg (- L 9 R 3214/09 -) eingeholt wurde, zum Verfahren beigezogen. In seiner Stellungnahme hat Dr. M. mitgeteilt, anlässlich der Untersuchungen des Klägers ein HWS- Syndrom, Depressionen, eine Ischialgie li., einen Unruhezustand, eine Schlafstörung und Bronchitis diagnostiziert zu haben.

Anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 18.06.2010 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, über den Rechtsstreit im Wege eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der Senat kann nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage gegen den Bescheid 24.10.2007 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 15.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2008 zu Recht abgewiesen. Dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist durch die vom Beklagten vorgenommene Feststellung des GdB mit 40 ausreichend und angemessen Rechnung getragen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die beim ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 festzustellen sind.

Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Neufeststellung des GdB des Klägers ist § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt bzw. die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilausgleichs nicht mehr vorliegen (u.a. Bundessozialgericht, [BSG] Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - zit. nach juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R- zit. nach juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R – zit. nach juris).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. ist Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).

Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilungen von Behinderung wiedergegeben. Die AHP ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das BSG betont die Bedeutung der AHP und beschreibt sie als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R – zit. nach juris). Sie sind für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie tragen als "antizipierte Sachverständigengutachten" jedoch der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten. Angesichts dieser Bedeutung, wie aus Gründen der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen folgt der Senat den Bewertungsvorgaben der AHP. Dies gilt insb. auch, als über die jeweiligen Neuauflagen der AHP die jeweils neuesten Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen in die AHP eingeflossen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.2003 - B 9 SB 3/02 R – zit. nach juris). Seit dem 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP Teil B der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG [die Seitenangabe ist jeweils nach der Publikation des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Printexemplars zitiert]) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14.07.2010 (BGBl. I, S. 928 ff.) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.

In Anwendung dieser Maßstäbe ist der Senat auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass eine über einen GdB von 40 hinausgehende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wie sie vom Beklagten bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde, nicht eingetreten ist. Die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen sind mit einem GdB von 40 ausreichend und angemessen bewertet.

Die Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bestimmt sich nach Ziff. 26.18 (S. 116) der AHP bzw. nach Ziff. 18.9 (S. 107) der VG. Danach ergibt sich die Höhe des Einzel- GdB bei Wirbelsäulenschäden in erster Linie aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, kann ein GdB von 30 bis 40 festgestellt werden. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit kann ein GdB von 80-100 gerechtfertigt sein. Die beim Kläger bestehende Wirbelsäulenerkrankung ist hiernach mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen. Der behandelnde Orthopäde des Klägers hat in seiner Stellungnahme vom 25.08.2008 mitgeteilt, dass beim Kläger lediglich endgradige Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule bestehen. Aus den von Dr. H. vorgelegten Arztbriefen wird hierzu ersichtlich, dass hierbei nur die Halswirbelsäule in den Dimensionen Rotation und Seitneigung betroffen ist (Arztbrief an die Dres. M. vom 24.07.2008). Daneben hat Dr. H. eine eingeschränkte Entfaltbarkeit und einen Finger-Boden-Abstand von 35 cm beschrieben (Arztbrief an die Dres. M. vom 23.06.2008). Befunde, die eine weitergehende Einschränkung der Beweglichkeit und/oder Entfaltbarkeit der Wirbelsäule belegen, sind hingegen weder in den vom SG beigezogenen Unterlagen, noch in den vom Kläger vorgelegten Bestätigungen beinhaltet. Insb. bestehen keine Hinweise auf eine radikuläre Beteiligung oder eine Instabilität des Achsenorgans. Der Senat ist in Ansehung der vorliegenden Befunde davon überzeugt, dass beim Kläger eine mittelgradige Funktionsstörung in einem Wirbelsäulenabschnitt besteht, die mit einem Einzel- GdB von 20 zu bewerten ist. Eine höhere Bewertung ist auch in Ansehung des vorläufigen Arztberichtes des Kreiskrankenhauses I. vom 25.06.2009 nicht möglich. Dort werden keine aktuellen, sondern ausschließlich im Rahmen der früheren Anamnese erhobenen Befunde der Wirbelsäule mitgeteilt, die jedoch in den aktuellen Befunden des behandelnden Orthopäden nicht mehr aufgeführt sind. Das beim Kläger bestehende chronische Schmerzsyndrom und die Depression und die damit einhergehende Beeinträchtigung des Funktionssystems Psyche sind vom Beklagten mit einem Einzel- GdB von 30 ausreichend bewertet. Nach Ziff. 3.7 (S. 42) der VG bzw. Ziff. 26.2 (S. 48) der AHP sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrisch, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 – 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 – 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 – 100 zu bewerten. Mit einem Einzel-GdB von 30 hat der Beklagte bereits eine stärker behindernde Störung berücksichtigt. Anhaltspunkt, die es rechtfertigen, den GdB-Rahmen mit 40 voll auszuschöpfen oder, unter Zugrundelegung einer schweren Störung, einen Einzel-GdB von 50 oder mehr zu berücksichtigen, bestehen für den Senat nicht. Weder Dr. A. noch Hr. Ä. haben in ihren vom SG beigezogenen Gutachten maßgebliche psychopathologische Befunde mitgeteilt. Beide Gutachter haben vielmehr von einem bewusstseinsklaren und jedenfalls nicht tiefergehend depressiv herabgestimmten Kläger berichtet. Ferner ist eine Einschränkung einer weiteren psychischen Dimension (formales und inhaltliches Denken, Orientierung, Antrieb, Konzentration etc.) nicht ersichtlich. Nur die Berücksichtigung der durch das chronische Schmerzsyndrom bedingten Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigt die Annahme einer stärker behindernden Störung und einen Einzel-GdB von 30.

Durch das von Dr. C. in seiner Stellungnahme vom 05.03.2009 bekundete Carpaltunnelsyndrom li. ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls keine Funktionsbeeinträchtigung bedingt, die mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden kann. Dr. C. hat in seiner Stellungnahme keine neurologischen Befunde mitgeteilt, die eine funktionelle Einschränkung des linken Armes belegen.

Weitere GdB-pflichtige Funktionsbeeinträchtigungen bestehen beim Kläger nicht. Solche ergeben sich für den Senat im Besonderen nicht aus dem vorläufigen Arztbericht des Kreiskrankenhauses I. vom 25.06.2009. Dort wird zwar von einer Synkope mit Sturz und Schädelprellung berichtet, es wurde jedoch gleichzeitig das Vorliegen von kardialen oder pulmologischen Ursache hierfür ebenso wie von Frakturen ausgeschlossen. Nachdem der Kläger weitgehend beschwerdefrei am 26.06.2009 aus der Klinik entlassen wurde, ist jedenfalls eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung nicht belegt.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen sind Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Die beim Kläger bestehenden funktionellen Einschränkungen sind mit denen, die mit dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterarm auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar. Die Wirbelsäulenerkrankung und die Funktionsbeeinträchtigung der Psyche sind weder schwerwiegend ausgeprägt, noch haben sie gänzlich isolierte und voneinander unabhängige Auswirkungen. Die Wirbelsäulenerkrankung wird vielmehr durch das chronische Schmerzsyndrom überlagert.

Mithin erweist sich der beim Kläger bereits festgestellte GdB von 40 auch nach der Beweisaufnahme des Senats weiterhin als angemessen und ausreichend.

Der Bescheid vom 24.10.2007 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 15.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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