L 5 RJ 66/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 RJ 1157/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RJ 66/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juli 1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1997 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähig keit ab 10. September 1999 zu gewähren. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist inzwischen nur noch die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. entsprechend zustehender Leistungen vom 10. September 1999 an.

Der 1956 geborene Kläger, der in der DDR den Beruf des Baufacharbeiters/Stahlbeton erlernt und am 15. Juli 1975 mit Prüfung abgeschlossen hat, hat anschließend bis Ende 1994 im Wesentlichen als Maurer bzw. Schornsteinmaurer sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers.

Am 2. August 1995 stellte der Kläger einen Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation mit der Begründung, er habe 1995 einen Bandscheibenvorfall erlitten und könne seine bisherige Tätigkeit als Maurer nicht mehr ausüben. Der Kläger war seit dem 6. März 1995 arbeitsunfähig und wegen des Bandscheibenvorfalls im Krankenhaus operiert worden (stationär vom 21. April bis 7. Mai 1995). Das Vorliegen einer Berufskrankheit war in einem Gutachten von Dr. R vom 13. November 1995, erstellt für die Bau-Berufsgenossenschaft, abgelehnt worden. Die Beklagte zog ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 1995 bei und holte anschließend ein Gutachten von dem Internisten Dr. R vom 19. Juni 1996 ein. Dieser vertrat die Auffassung, der Kläger könne nur noch leichte und mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Vermeidung von häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten sowie unter Vermeidung von Leiter- und Gerüstarbeit und Kälte und Nässe verrichten. Seine letzte Tätigkeit könne er auf Dauer nur unter zwei Stunden täglich ausüben; auf dem allgemeinen gehobenen Arbeitsmarkt sei er jedoch mit den genannten Einschränkungen einsetzbar. Entsprechend der Empfehlung dieses Gutachters gewährte die Beklagte dem Kläger zunächst ein Heilverfahren, das vom 22. August 1996 bis 17. September 1996 in B D bei Gewährung von Übergangsgeld durchgeführt wurde. Der Entlassungsbericht dieser Klinik, aus der der Kläger weiterhin arbeitsunfähig entlassen wurde, weist als Diagnose „Alkoholkrankheit“ und „LWS-Syndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation 1995“ aus. Anschließend gewährte die Beklagte dem Kläger eine Vorschulung zum Techniker, die der Kläger in der Zeit vom 12. Februar bis 3. Juni 1997 erfolgreich absolvierte und für die er ebenfalls Übergangsgeld bezog. Das danach von der Beklagten ab 1. September 1997 geförderte Studium der Bautechnik an der Staatlichen Technikerschule Berlin brach der Versicherte mit Ablauf des 22. Oktober 1998 wegen mangelhafter Leistungen und erkrankungsbedingt ab. Er bezog Übergangsgeld für die Zeit vom 1. September 1997 bis 22. Oktober 1998. Schließlich wurde dem Kläger für die Zeit vom 13. Januar 1999 bis 12. Januar 2000 eine berufliche Weiterbildung als „Fachkraft für Büro/Wirtschaft/Verwaltung“ bewilligt, die wiederum mit Wirkung zum 9. September 1999 wegen Arbeitsunfähigkeit des Klägers abgebrochen wurde. In der Zeit vom 13. Januar bis 9. September 1999 bezog der Kläger erneut Übergangsgeld.

Bereits am 20. Dezember 1995 hatte der Kläger einen Rentenantrag gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 1997 abgelehnt hatte. Zur Begründung hieß es, die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da der Versicherte unter Berücksichtigung der medizinischen Feststellungen noch in der Lage sei, täglich in voller üblicher Arbeitszeit leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeiten zu verrichten, die ihm auch unter Berücksichtigung seines bisherigen Berufes zuzumuten seien. Da das Leistungsvermögen und das Einkommen nicht um mindestens zwei Drittel desjenigen von geistig und körperlich gesunden Versicherten im Beitrittsgebiet gemindert sei, sei er auch nicht invalide.

Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, sein Gesundheitszustand sei nicht ausreichend gewürdigt worden, denn er könne seit seiner Bandscheibenoperation im April 1995 seinen Beruf als Baufacharbeiter nicht mehr ausüben und sei auf ungelernte Tätigkeiten nicht verweisbar, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1997 zurück: Die Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers beruhe auf der Verwertung des Gutachtens von Dr. R vom 19. Juni 1996, des Heilverfahrens-Entlassungsberichts aus B D vom 7. Oktober 1996 sowie des Gutachtens des Ärztlichen Dienstes des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 1995. Danach könne der Kläger noch Tätigkeiten in dem von Dr. R festgestellten Umfang vollschichtig verrichten. Auch wenn er die bisher ausgeübte Facharbeitertätigkeit aus medizinischen Gründen nicht mehr ausüben könne, sei er zumutbar verweisbar auf die Tätigkeit eines Lagerverwalters (für Baumaterialien, -geräte, -maschinen), eines Baustellen-Magaziners oder eines Baustoffprüfers (insbesondere Fachrichtung „Mörtel und Beton“).

Hiergegen hat der Kläger am 7. August 1997 Klage erhoben und sein Begehren im Laufe des Klageverfahrens auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beschränkt. Das Sozialgericht hat zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen des Klägers ein orthopädisches Gutachten von Dr. H vom 15. Februar 1999 eingeholt. Der Sachverständige hat bei dem Kläger folgende Diagnosen gestellt:
1. Wirbelsäulenfehlform mit Funktionseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach Nukleotomie L 5/S 1
2. Fußfehlform.
Zum Leistungsvermögen hat er ausgeführt, der Kläger könne noch täglich regelmäßig körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Beachtung bestimmter im Einzelnen aufgeführter Einschränkungen verrichten.

Das Sozialgericht hat darüber hinaus berufskundliche Unterlagen zur Tätigkeit eines Maurers, Lagerverwalters, Baustellen-Magaziners, Baumarktverkäufers bzw. Hauswarts beigezogen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Auf den Antrag des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung unter Beachtung von § 116 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu gewähren, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 29. Juli 1999 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 1. August 1995 bis 21. August 1996, vom 18. September 1996 bis 11. Februar 1997 und vom 23. Oktober 1998 bis 12. Januar 1999 die ihm zustehenden gesetzlichen Leistungen auf der Grundlage eines Leistungsfalles am 6. März 1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei teilweise begründet, denn der Kläger habe für die im Tenor ausgewiesenen Zeiträume einen Anspruch auf Gewährung der ihm zustehenden gesetzlichen Leistungen (vorgezogenes Übergangsgeld bzw. Ersatz-Übergangsgeld statt Rente wegen Berufsunfähigkeit). Für die weiteren Zeiträume habe der Kläger jedoch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die von dem Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maurer sei als Facharbeitertätigkeit zu bewerten, denn der Kläger habe eine abgeschlossene Berufsausbildung in der DDR zum Baufacharbeiter absolviert, die nach Anlage I Kap. V Sachgeb. B Abschnitt III Ziff. 1 o zum Einigungsvertrag einer Gesellenprüfung nach der Handwerksordnung gleichgestellt sei. Der Kläger sei auch berufsunfähig, denn er könne seinen Beruf als Maurer als gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, was bereits der von der Beklagten gehörte Dr. R festgestellt habe. Auch nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H könne der Kläger keine körperlich schwere Arbeit mehr verrichten. Er könne vielmehr nur noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen vollschichtig ausüben, wobei ihm Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Feuchtigkeit und Zugluft, einseitige körperliche Belastungen, Arbeiten unter Zeitdruck (Akkord oder Fließband), in festgelegtem Arbeitsrhythmus, an laufenden Maschinen und auf Leitern und Gerüsten nicht mehr zumutbar seien. Er könne noch Lasten bis 15 kg heben und tragen und in Wechsel- und Nachtschicht sowie in Früh- und Spätschicht arbeiten. Tätigkeiten, auf die der Kläger zumutbar verweisbar sei, seien nicht ersichtlich. Der Kläger könne weder auf die Tätigkeit eines Lagerverwalters, eines Baustellen-Magaziners, eines Baustoffprüfers noch auf die eines Hausmeisters in der Wohnungswirtschaft verwiesen werden, was das Sozialgericht im Einzelnen ausgeführt hat. Hierauf wird Bezug genommen. Da der Kläger seit 13. Januar 1999 bis laufend an einer berufsfördernden Leistung der Beklagten teilnehme und Übergangsgeld beziehe, könne über einen künftigen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht entschieden werden.

Gegen das am 25. August 1999 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 27. September 1999 (Montag). Er begehrt, ihm über die Leistungen des erstinstanzlichen Urteils hinaus Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. An der am 13. Januar 1999 begonnenen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme habe er aus gesundheitlichen Gründen seit dem 10. September 1999 nicht mehr teilnehmen können, so dass die Maßnahme mit Wirkung zu diesem Tag von der Beklagten abgebrochen worden sei. Der Fall der Berufsunfähigkeit sei damit eingetreten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juli 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 10. September 1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, im Hinblick auf das bei dem erst 45 Jahre alten Kläger festgestellte medizinische Restleistungsvermögen könne Berufsunfähigkeit nicht bejaht werden. Es müsse ermittelt werden, gegebenenfalls welche objektiv und subjektiv zumutbaren Verweisungstätigkeiten der Kläger noch ausüben könne. Hierzu ist im Verhandlungstermin am 7. September 2001 die Kopie eines Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1995 - L 2 J 248/94 - sowie eine Stellenbeschreibung der Abteilung Finanzen und Verwaltung zur Tätigkeit eines Postbearbeiters überreicht worden.

Der Senat hat ein Gutachten des MDK von Dr. Gvom 9. Dezember 1999 beigezogen, dem ein Befundbericht - MRT vom 23. September 1999 beigefügt war. Ferner hat der Senat einen Befundbericht des Facharztes für Neurochirurgie Dr. Svom 22. Juni 2000 und von der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Medizinerin H vom 22. Dezember 2000 angefordert, dem ein Eingangsbericht des Reha-Zentrums M vom 14. März 2000 zur ambulanten orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation beigefügt war. Im Hinblick auf die von der Ärztin H angegebene deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers hat der Senat darüber hinaus die Einholung eines neurochirurgischen Gutachtens durch Dr. R, Oberarzt der Neurochirurgischen Abteilung des , veranlasst. Neue Befunde hat dieser Sachverständige in seinem Gutachten vom 6. August 2001 nicht erhoben. Bei dem Kläger bestehe eine mäßige belastungsabhängig schmerzhafte Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes mit geringer Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und nach Bandscheibenoperation L 5/S 1 links 04/95 mit geringer Fußheberschwäche links. Er könne nur noch körperlich leichte, zeitweilig mittelschwere Arbeiten unter Beachtung der bereits von Dr. H aufgeführten Einschränkungen vollschichtig verrichten.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten der Beklagten (Rentenakten und Akten der Abteilung Rehabilitation, 5 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat - über den Tenor des erstinstanzlichen Urteils hinausgehend - nach dem für die Zeit vom 13. Januar bis 9. September 1999 gewährten Übergangsgeld ab 10. September 1999 Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI ist ein Versicherter berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfasst dabei alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Bei der Prüfung von Berufsunfähigkeit ist von der Tätigkeit auszugehen, die der Kläger zuletzt versicherungspflichtig als Hauptberuf ausgeübt hat; das ist hier die Tätigkeit als Maurer. Der Kläger hat in der DDR den Beruf des Baufacharbeiters/Stahlbetonbau erlernt und mit Prüfung abgeschlossen und ist damit als Facharbeiter anzusehen, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat.

In seinem bisherigen Beruf als Maurer ist der Kläger nicht mehr einsetzbar, denn hierbei handelt es sich um eine körperlich schwere Arbeit, zu der der Kläger nach den übereinstimmend getroffenen medizinischen Feststellungen nicht mehr in der Lage ist. Nach dem Ergebnis der Begutachtung von Dr. R vom 6. August 2001, die im Wesentlichen mit den vorangegangenen medizinischen Feststellungen (Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Landesarbeits-amtes Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 1995, Gutachten Dr. R vom 12. Juni 1996, Entlassungsbericht aus B D vom 7. Oktober 1996, Gutachten Dr. H vom 15. Februar 1999) übereinstimmt, kann der Kläger nämlich nur noch leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten. Zu beachten ist auch, dass der Kläger nur noch in geschlossenen Räumen ohne Gefährdung durch Feuchtigkeit, Zugluft und Kälte sowie unter Vermeidung von Leitern und Gerüsten einsetzbar ist, was eine Tätigkeit als Maurer von vornherein ausschließt. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung im bisherigen Beruf war offenbar auch von der Beklagten nicht gesehen worden, denn anderenfalls hätte diese dem Kläger keine berufliche Rehabilitation in Form von Umschulungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen zur Erlernung eines neuen Berufs gewährt.

Das Unvermögen, im bisherigen Beruf weiterzuarbeiten, führt allerdings nicht ohne weiteres zur Annahme von Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Zumutbar sind z.B. grundsätzlich Tätigkeiten, auf die der Betreffende erfolgreich umgeschult worden ist (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Dies ist jedoch bei dem Kläger nicht gelungen, denn er hat die beruflichen Umschulungsmaßnahmen aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. Darüber hinaus ist eine Verweisung auf andere Tätigkeiten zulässig, die dem Versicherten fachlich, sozial und gesundheitlich zumutbar sind (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, darf der Versicherte zur Vermeidung eines erheblichen sozialen Abstiegs lediglich auf Tätigkeiten derselben oder der nächst niedrigeren Gruppe innerhalb des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Die für eine vollwertige Ausübung der Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten muss der Versicherte bereits besitzen oder sich - unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnisse - in einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten aneignen können (vgl. z.B. Urteil des BSG vom 30. September 1987 - 5 b RJ 20/86 - SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Danach kommen für den Kläger, der Berufsschutz als Facharbeiter genießt, nur andere Facharbeitertätigkeiten oder qualifizierte Anlerntätigkeiten in Betracht, die konkret zu benennen sind. Hinsichtlich der Verweisungstätigkeit ist zu berücksichtigen, dass einerseits der Versicherte aufgrund seiner Vorkenntnisse und Fähigkeiten in der Lage sein muss, diese mit einer maximalen Anlern- bzw. Einarbeitungszeit von drei Monaten vollwertig zu verrichten, andererseits die Tätigkeit für jemanden ohne Vorbildung aber eine betriebliche Ausbildung von mehr als drei Monaten erfordern muss. Eine Tätigkeit, die jeder - auch ohne Vorkenntnisse - nach kurzer Einweisung und Einarbeitung von höchstens drei Monaten verrichten kann, kommt als Verweisungsberuf für einen Facharbeiter nicht in Betracht, weil sie insoweit sozial nicht zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG a.a.O.).

Dem Kläger gesundheitlich und sozial zumutbare Tätigkeiten, die von ihm nach höchstens drei Monaten Einarbeitung ausgeübt werden können, sind nicht ersichtlich. Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid benannten Verweisungstätigkeiten als Lagerverwalter, Baustellen-Magaziner oder Baustoffprüfer scheiden aus, weil die körperlichen Anforderungen zu hoch sind (die Tätigkeit eines Lagerverwalters erfordert auch mittelschwere und zum Teil schwere körperliche Arbeiten; die Tätigkeit des Baustellen-Magaziners verlangt u.a. das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und Arbeiten unter Zeitdruck) bzw. eine längere Zusatzausbildung erforderlich ist (die Tätigkeit eines Baustoffprüfers erfordert eine längere bzw. lange Zusatzausbildung). Dies geht aus den vom Sozialgericht in das vorliegende Verfahren eingeführten berufskundlichen Auskünften hervor. Auch die weitere benannte Tätigkeit als Hausmeister in der Wohnungswirtschaft kommt für den Kläger nicht in Betracht, denn sie setzt nicht nur die Fähigkeit zur Verrichtung körperlich mittelschwerer Arbeiten voraus, die der Kläger nur gelegentlich erbringen kann, sondern auch die Fähigkeit im Freien, auf Leitern und Gerüsten und in Zugluft zu arbeiten, wie sich aus den bereits vom Sozialgericht hierzu beigezogenen berufskundlichen Unterlagen ergibt. All dies kann der Kläger nicht mehr. Auf eine Tätigkeit als Baumarktverkäufer kann der Kläger ebenfalls nicht verwiesen werden, da diese eine drei bis sechs Monate dauernde verkaufskundliche Einarbeitung erfordert, was sich ebenfalls aus einer bereits vom Sozialgericht eingeführten berufskundlichen Auskunft ergibt.

Andere mögliche Verweisungstätigkeiten sind für den Senat nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von der Beklagten erstmals im Verhandlungstermin am 7. September 2001 benannte Tätigkeit als Postarbeiter.

Das hierzu eingereichte Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1995 - L 2 J 248/94 - ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn es handelt sich um keinen vergleichbaren Sachverhalt: Der Kläger hat nämlich - anders als dort - keine kaufmännischen Kenntnisse, so dass in seinem Fall auch nach der dem genannten Urteil zugrunde liegenden berufskundlichen Auskunft der Verwaltungsabteilung/Personalverwaltung der dortigen Beklagten vom 27. April 1995 und 13. Juni 1995 eine längere Einarbeitungszeit von mehr als drei und bis zu sechs Monaten für die Tätigkeit in der Poststelle erforderlich wäre, was dem Kläger, wie bereits dargelegt, nicht zumutbar ist. Darüber hinaus gehört zur Arbeit in der Poststelle nicht nur die Durchsicht der eingehenden Post, sondern auch deren Verteilung, womit häufig das Heben und Tragen von schweren Akten (mehr als 5 kg), zum Teil aber auch von Kisten und Post-Containern mit mehr als 20 kg Gewicht verbunden ist, was auch der Beklagten bekannt ist (vgl. Auskunft des Landesverwaltungsamtes Berlin vom 19. August 1992 in dem Verfahren L 5 J 71/88, an dem die Beklagte beteiligt war). Auch aus gesundheitlichen Gründen kann der Kläger auf diese Tätigkeit daher nicht verwiesen werden. Aus der von der Beklagten hierzu vorgelegten Stellenbeschreibung der Abteilung Finanzen und Verwaltung zur Tätigkeit eines Postbearbeiters ergibt sich nichts anderes.

Dem Kläger steht nach alledem aufgrund eines Versicherungsfalls vom 6. März 1995 bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit des § 51 Abs. 1 SGB VI (254 Monate bis zum 5. März 1995) und der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB VI (60 Monate in der Zeit vom 6. März 1990 bis 5. März 1995) dem Grunde nach Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ab dem Monat der Antragstellung, d.h. vom 1. August 1995 an zu (Monat des Antrags auf Rehabilitation, der gemäß § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI als Rentenantrag gilt, wenn - wie hier - der Versicherte berufsunfähig ist und Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich waren). Da dem Kläger gemäß §§ 20, 25 SGB VI bis zum Abbruch der bisher letzten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme am 9. September 1999 anstelle der Rente Übergangsgeld gewährt worden ist bzw. zu gewähren ist, beginnt die Rente wegen Berufsunfähigkeit im Anschluss daran am 10. September 1999.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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