L 6 U 99/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 U 18/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 99/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger durch Belastungen des Wehrdienstes in der Deutschen Demokratischen Republik Gesundheitsschäden erlitten hat und daraus Ansprüche auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen kann. Der im Juni 1962 geborene Kläger erhielt nach der Erfassung im Wehrdienst in der DDR den Wehrdienstausweis vom ... 1980. Nach den Musterungsergebnissen vom gleichen Tag lagen beim Kläger Knick-Senk-Spreizfüße vor. Am 29. September 1980 wurde der Kläger mit Einlagen versorgt.

Der Kläger leistete seinen Wehrdienst vom 5. Mai 1982 an bis zum 27. Oktober 1983 bei der 11. Volkspolizei-Bereitschaft der ersten Kompanie in M.-Prester, bei der es sich um eine Sportkompanie handelte. Dazu wurde der Kläger am 6. Mai 1982 ärztlich als tauglich eingestuft. Am 5. September 1983 wurde der Kläger von der Dienststelle der Volkspolizei mit einem Paar Einlagen versorgt.

Nach einer Durchschrift eines Untersuchungsberichtes des Orthopäden Dr. A. von den Pf. St. in M. vom 24. Juni 1985 diagnostizierte dieser beim Kläger ein lokales Lendenwirbelsäulensyndrom und einen Knick-Plattfuß beiderseits. Dem Kläger wurde ein Paar Korkledereinlagen verordnet. Im Röntgenbild zeigten beide Kniegelenke einen altersentsprechenden Befund. Die Brust- und Lendenwirbelsäule zeigten eine minimale rechtskonvexe Seitabweichung bei verstärkter Lordose der Lendenwirbelsäule. In einem Befund des Orthopäden Dr. B. in der gleichen Einrichtung zur Vorlage beim Wehrkreiskommando vom 23. Dezember 1985 ist eine Arthrose im vorderen/hinteren unteren Sprunggelenk rechts bei ausgeprägtem Knick-Senk-Plattfuß bescheinigt. Dazu ist ein entsprechender Röntgenbefund wiedergegeben. Der Therapievorschlag bestand in orthopädischen Schuhen, eventuell einer Arthrodese. Am gleichen Tag ist im Krankenblatt vermerkt, der Kläger habe über das rechte Sprunggelenk und Schmerzen in der Lendenwirbelsäule geklagt. Neben einem ausgeprägten Knick-Senkfuß beiderseits fand sich eine Beweglichkeit des rechten Sprunggelenkes in Streckung/Beugung von 15/0/30 Grad und Pronation/Supination von 10/0/30 Grad. Am Innenknöchel fand sich ein geringer Druckschmerz. Im Musterungsbefund vom 18. März 1986 ist mitgeteilt, der Kläger leide unter Schmerzen des rechten Sprunggelenkes und müsse wegen dieser Beschwerden den Beruf wechseln. Er könne nicht mehr lange stehen. Eine orthopädische Maßschuhversorgung laufe. Der Kläger wurde daraufhin als dauernd dienstuntauglich aus der Reserve entlassen. Unter dem 6. April 1988 bescheinigten die Ärzte dem Kläger, er solle wegen eines orthopädischen Leidens eine Tätigkeit teilweise im Sitzen ausüben. In einer weiteren Bescheinigung vom 6. Dezember 1988 ist unter Verweis auf die bereits genannten Diagnosen und Befunde ausgeführt, schweres Heben und Tragen wie andauerndes Stehen sollten vom Kläger vermieden werden.

Den Antrag des Klägers vom 25. Mai 2003 auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung erhielt die Beklagte am 26. Juni 2003 von der Wehrbereichsverwaltung Ost. Dazu führte der Kläger aus, das tägliche Training, vornehmlich in Form von Übungen mit dem Rhönrad, habe die Gesundheitsstörungen herbeigeführt. Aus den beigezogenen Behandlungsunterlagen ging hervor, dass der Kläger im Mai 1998 wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden in Behandlung der Orthopäden Dres. N. und Peters gewesen war. Bei dieser Gelegenheit wurde der rechte Fuß in zwei Ebenen geröntgt und ein Knick-Plattfuß erkannt. Nach den Unterlagen der Orthopädin Dr. H. stellte sich der Kläger dort erstmals am 17. April 2002 mit Sprunggelenksbeschwerden rechts vor. Aus den Unterlagen des Dipl.-Med. L. über die Behandlung seit 13. April 2000 finden Sprunggelenksarthrosen erstmals unter dem 22. April 2002 Erwähnung.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, die Erkrankungen gälten nicht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne von § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in Verbindung mit § 220 Abs. 4 des Arbeitsgesetzbuches der DDR. Ansprüche auf Entschädigungsleistungen bestünden daher nicht. Fälle von Wehrpflichtigen während der Dienstzeit seien in der DDR wie Arbeitsunfälle behandelt und nach der Rentenverordnung aus der Sozialversicherung entschädigt worden. Ansprüche seien in die gesetzliche Unfallversicherung der Bundesrepublik überführt worden. Um einen Arbeitsunfall habe es sich beim Kläger aber nicht gehandelt, weil er nicht ein einzelnes Ereignis als Ursache aller Gesundheitsschäden anschuldige. Als Tatbestände kämen die Nummern 70, 71 der Liste der Berufskrankheiten der DDR in Betracht, die beide langjährige mechanische Überbelastungen zur Voraussetzung gehabt hätten. Damit sei ein Zeitraum von mindestens 10 Jahren einer schädigenden Tätigkeit angesprochen. Diese Voraussetzung könne wegen der Kürze des Wehrdienstes nicht erfüllt werden.

Den noch im gleichen Monat bei ihr eingegangenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2005 zurück und blieb bei der abgegebenen Begründung.

Mit der noch im Februar 2005 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2005 hat das Gericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.

Mit dem ihm im Juli 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. August 2005 Berufung eingelegt. Er verweist darauf, Wehrdienstpflichtige der DDR könnten nicht anders behandelt werden als Wehrpflichtige nach dem Soldatenversorgungsgesetz, deren Ansprüche nicht von einer zehnjährigen Einwirkungsdauer abhängig seien. Im Übrigen seien die Wirkungen auf ihn mit denen der Berufskrankheiten nach Nummer 2101 und 2103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung der Bundesrepublik zu vergleichen. Die Ursächlichkeit des Wehrdienstes sei indiziert, weil er bei der Musterung wehrdiensttauglich, bei der Einberufung tauglich für eine Sportkompanie und am 18. März 1986 bereits dauernd dienstuntauglich selbst für die Reserve gewesen sei.

Mündlich hat er gegenüber dem Berichterstatter ausgeführt, die Zeit bei der Sportkompanie habe der Vorbereitung der Sportkompanie für das 7. Turn- und Sportfest in Leipzig im Sommer 1983 gedient. Die Übungen hätten sich fast über die gesamte Zeit hingezogen. Die Vorführungen hätten darin bestanden, ein Rhönrad mit 12 Mann hochzuwerfen, wonach die Person im Rhönrad daraus Sprünge machte. Die springende Person habe dann wieder aufgefangen werden sollen. Während der Übungen hätten aber bestimmt 80 Prozent der Sprünge mit dem Aufsprung auf den Boden geendet. Soweit schon der Wurf des Rhönrades nicht gelungen sei, sei der Aufsprung auch nicht immer kontrolliert erfolgt. Er habe häufig am Ende der Übungen Schmerzen gehabt, wonach die Gelenke vereist worden seien, bis es wieder weiterging. Er habe jeden Tag etwa 20 bis 30 Sprünge durchgeführt; am Wochenende hätten längere Pausen bestanden. Nach dem Sportfest hätten die Soldaten die Zeit nur noch abgesessen. Bei den Übungen habe es spezialisierte Werfer, Fänger und Springer gegeben, wobei er als Springer eingeteilt gewesen sei. Der Aufsprung sei weitgehend auf hartem Boden erfolgt. Aufgrund einer ärztlichen Untersuchung nach dem Sportfest habe er eine Stiefelbefreiung erhalten. Wegen des Zustandes seiner Füße habe er dann auch keinen Dienst mehr verrichten müssen. Zur Veranschaulichung der Art der Übungen hat der Kläger Bilder vorgelegt, die unmittelbar vor dem Turnfest aufgenommen worden sind.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 aufzuheben, bei ihm mit Wirkung vom Juni 2003 eine Destruktion beider unteren Sprunggelenke und Arthrose des rechten Talonaviculargelenkes sowie Wirbelsäulenveränderungen als Folge einer Berufskrankheit festzustellen und ihm von diesem Zeitpunkt an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mehr als 30 v. H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrem Bescheid fest.

Das Gericht hat Ablichtungen aus den Akten des Streitverfahrens im Bereich des Schwerbehindertenrechts beim Sozialgericht Magdeburg – S 16 SB 70/04 – gefertigt und als Beiakte zur Akte genommen. Es hat weiterhin Unterlagen aus der Verwaltungs- und Streitakte zum Verfahren beim Sozialgericht Magdeburg – S 3 RJ 289/04 – in Ablichtung zum Verfahren genommen.

Das Gericht hat dann auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden Dr. B. vom 12. November 2007 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 121 f. d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, zwischen den ausgeprägten degenerativen und statischen Veränderungen beider Füße, insbesondere rechts und den Belastungen des Klägers in einer Sportkompanie bestehe ein eindeutiger ursächlicher Zusammenhang. Zwar stelle der Knick-Plattfuß die häufigste Fußdeformität in Deutschland dar, eine Arthrose trete in der Regel jedoch erst in hohem Lebensalter auf. Eine Entstehung weit vor dem 30. Lebensjahr komme ohne Verletzungseinwirkung allenfalls bei Rheumapatienten oder entsprechend schweren Primärerkrankungen vor. Die vom Kläger geschilderten Sprungübungen stellten über einen fast eineinhalbjährigen Zeitraum eine erhebliche traumatische Belastung bei vorbestehender Fußdeformität dar, deren Verschlechterung mit Entstehung einer Früharthrose eindeutig auf den Wehrdienst zurück zu führen sei. Bei den Veränderungen der Wirbelsäule könne aufgrund der Diagnosen und bei fehlendem zeitlichen Zusammenhang eine Kausalitätsbeziehung nicht beschrieben werden. Die vorhandenen degenerativen Veränderungen könnten auch ohne die sportlichen Belastungen entstehen. Eine bestimmte Segmentinstabilität, die bei anderen Sprungsportlern auftreten könne, liege beim Kläger nicht vor. Erschwerend komme noch hinzu, dass der Kläger aufgrund seiner Vorerkrankungen an Knick-Plattfüßen und Morbus Scheuermann nicht in einer Sportkompanie hätte eingesetzt werden dürfen. Es sei nicht zu verstehen, dass die Tauglichkeitsuntersuchung offensichtlich nicht von Sportmedizinern durchgeführt worden sei, die es in der DDR gegeben habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit für die schweren Fußveränderungen bewerte er mit 30 v. H.

Der Berichterstatter hat in einem Erörterungstermin am 21. April 2009 den Zeugen Salinger vernommen. Dieser hat angegeben, in der Sportkompanie hätten Spitzensportler geformt werden sollen, ohne zuvor die Eignung der Beteiligten dafür zu testen. Er sei einer von ganz wenigen gewesen, die schon vor der Einberufung nennenswert Sport getrieben hätten. Er wisse dies, weil es einmal abgefragt worden sei. Gesundheitlich problematisch seien vor allem Strecksprünge von einer Wurfplatte über das Rhönrad gewesen, bei denen etwa vier bis fünf Meter Höhe erreicht worden seien. Diese Übungen seien ständig wiederholt worden. An manchen Tagen sei acht Stunden nur gesprungen worden. Er schätze eine Zahl von 150 bis 200 Sprüngen pro Tag, was im Großen und Ganzen für jeden Trainingstag gelte. Er habe mit dem Kläger auf einer Stube gewohnt. Dieser habe Probleme mit den Füßen gehabt, weiterhin Probleme mit dem Rücken, die aber fast alle Beteiligten gehabt hätten. Der Kläger sei gelegentlich mit einer Eisflasche behandelt worden. Sonst habe es nichts gegeben. Nach dem Sportfest habe er eine Stiefelbefreiung erhalten, er habe deswegen an dem normalen Armeedienst nicht mehr teilgenommen. Der Untergrund sei hart gewesen und habe im Wesentlichen aus dem üblichen Parkett bestanden. Er selbst leide heute unter Rückenproblemen, die er auf die damalige Zeit zurückführe. Seines Wissens betreffe dies viele Personen, auch die Fänger.

Der Kläger hat Auszüge aus dem Gesundheitsbuch eines weiteren Soldaten vorgelegt, der beim Training der Springergruppe beim Überspringen eines Kastenelementes mit dem rechten Fuß umgeknickt war und sich dort einen Bruch zugezogen hatte. Nach dem Ende der Behandlung erhielt er eine Dauerbefreiung von bestimmten Ausbildungskomplexen.

Das Gericht hat Auskünfte der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, Bl. 181 d. A. und der Landesbereitschaftspolizei Sachsen-Anhalt, Bl. 182, 188 d. A. eingeholt, bei denen keine Unterlagen über den Dienst in der Einheit des Klägers zur fraglichen Zeit vorlagen.

Das Gericht hat weiterhin Unterlagen aus dem Berufungsverfahren L 3 R 524/06 beigezogen und durch Übersendung an die Beteiligten in das Verfahren eingeführt. Die Unterlagen sind als Beiakte geführt.

Das Gericht hat dann ein Gutachten des kommissarischen Direktors des Departments für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Halle, PD Dr. W. vom 9. April 2010 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 207 - 221 der Akte verwiesen wird.

Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei seit 1983 auf eine Einlagenversorgung in beiden Schuhen angewiesen und trage seit 1985 orthopädisches Schuhwerk. Der Grund darin liege in einer zahlreich ärztlich dokumentierten Arthrose, insbesondere der unteren Sprunggelenke. Zudem habe er bereits seit 1998 über Lendenwirbelsäulenschmerzen geklagt. Aus der Literatur sei bekannt, dass wiederkehrende Mikrotraumatisierungen von Knorpeln oder Gelenkpartnern zu einem frühzeitigen Gelenkverschleiß führen könnten. Das vom Kläger vorgelegte Bildmaterial lasse den Schluss auf Sprünge aus einer Höhe von mindestens drei Metern zu. Bei der vom Kläger genannten Häufigkeit dieser Sprünge mit einer überwiegenden Landung auf einem harten Untergrund könne von einer mechanischen Überbeanspruchung des Knorpels ausgegangen werden. Dieser gelte als einer der Hauptparameter bei der Induktion und Progredienz einer Knorpelschädigung. Andererseits sei der Gelenkknorpel bei jeder Ausübung der Gelenkfunktion ständig intermittierenden mechanischen Kompressionen ausgesetzt, die unter physiologischen Bedingungen für den Erhalt des Knorpelgewebes sogar erforderlich seien. Jedoch scheine das Gewebe nur bedingt mechanisch belastbar zu sein, ohne dass die Grenze der Belastbarkeit heute eindeutig zu beschreiben sei. Eine Druckbeanspruchung von bis zu 20 Megapascal und Kompression um bis zu sechs Prozent der Gewebestärke seien bei normalen Tätigkeiten im Hüft- oder Kniegelenk gemessen worden und gälten als normale Beanspruchung des Knorpelgewebes. Unklar sei weiterhin, ob eine Gelenkknorpeldestruktion primär durch eine mechanische Überbeanspruchung induziert werde oder zunächst anders bedingte Vorschäden vorliegen müssten, damit der Gelenkknorpel den physiologischen Belastungen nicht mehr standhalten könne. Zusammenfassend lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass die vom Kläger geschilderte Tätigkeit mit zahlreichen Sprungübungen die Ursache für die massiven Destruktionen insbesondere des unteren Sprunggelenkes sei. Entsprechendes gelte für die Degeneration im Wirbelsäulenabschnitt L 5/S 1. Zwar sei dies aus der Literatur als Möglichkeit bekannt. Andererseits trete dieses Krankheitsbild auch bei einer Vielzahl von Patienten vergleichbarer Konstitution ohne solche Krafteinwirkungen auf. Eine zweifelsfreie Mitwirkung der sportlichen Betätigung des Klägers sei für beide Krankheitskomplexe nicht festzustellen, aber auch nicht auszuschließen. Die Entstehung degenerativer Veränderungen im Bereich der unteren Wirbelsäule und der Sprunggelenke könne vielfältige Ursachen haben. Es könne sich um anlagebedingte Degeneration handeln, weiterhin um Brüche, Infektionen, angeborene Fehlbildungen usw ... Solche Umstände seien jedoch beim Kläger nicht nachweisbar und anamnestisch nicht bekannt. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Sprunggelenke seien auch als Folge wiederkehrender Mikrotraumatisierung und mechanischer Überbelastung des Knorpelgewebes der Gelenkpartner als Folge der häufig durchgeführten Sprungübungen zu sehen. Diese massiven Veränderungen seien für das Alter des Klägers und für seine sonstige körperliche Betätigung eher ungewöhnlich, zumal hier keine Vorschädigung im Sinne einer angeborenen Fehlbildung oder einer knöchernen Verletzung mit späterer Fehlstellung vorgelegen hätten. Die Mitbeteiligung sei wahrscheinlich. Zweifelsfrei könne dies nicht festgestellt werden. Funktionelle Einschränkungen beim Kläger fänden sich im Sinne einer nahezu vollständigen Einsteifung beider unterer Sprunggelenke in Kombination mit einer massiven Schmerzsymptomatik sowohl in Ruhe, als auch bei Belastung und einer Schmerzzunahme bei entsprechender körperlicher Tätigkeit. Der Kläger bewege sich an Gehstützen oder mittels Rollator und lege mit Pausen Wegstrecken von maximal 100 Metern zurück. Der Einschätzung von Dr. B., es sei sehr wahrscheinlich, dass die sportliche Tätigkeit des Klägers im Rahmen seines Wehrdienstes ursächlich zumindest mit verantwortlich an der Entstehung der degenerativen Veränderungen der unteren Sprunggelenke sei, sei zuzustimmen. Gleichfalls stimme er dessen Einschätzung zu, auf Grund fehlenden zeitlichen Zusammenhangs lasse sich ein entsprechender Zusammenhang für die Wirbelsäulenveränderungen nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit herstellen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Mai 2010 hat der Sachverständige ausgeführt, es bestünden ernsthafte Zweifel, dass die sportliche Tätigkeit im Rahmen des Wehrdienstes des Klägers Hauptursache der degenerativen Veränderungen der unteren Sprunggelenke und der Lendenwirbelsäule sei. Diese Zweifel begründeten sich darin, dass bei massiver axialer Gewalteinwirkung, wie sie vom Kläger beschrieben werde, neben den unteren Sprunggelenken und der Lendenwirbelsäule auch die oberen Sprung-, die Knie- und die Hüftgelenke beteiligt sein müssten und hier ebenfalls massive degenerative Veränderungen aufgetreten sein sollten. Es sei aber beim Kläger beidseits nicht der Fall. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit belaufe sich für die Einsteifung der unteren Sprunggelenke und die Funktionseinschränkung der oberen Sprunggelenke auf 30 v. H ... Rompe und Erlenkämper bewerteten die einseitige Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H ... Dem entspreche eine Einsteifung beider unteren Sprunggelenke und eine Funktionsminderung beider oberen Sprunggelenke funktionell. Der Wirbelsäulenschaden bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H ...

Das Gericht hat die Sachverständigen zur Erläuterung ihrer Gutachten zur mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2010 geladen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag, Bl. 296-298 verwiesen. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass nach den vorliegenden Unterlagen zwischen dem ersten Auftreten von Krankheitssymptomen im rechten und im linken Sprunggelenk ein Zeitunterschied von etwa 15 Jahren liegen dürfte.

Neben den aufgeführten Beiakten und einer Ablichtung des Sozialversicherungsausweises des Klägers hat die Akte der Beklagten – Az. 200 300 024312 – in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die Feststellung von Folgen einer Berufskrankheit und eines Rentenanspruchs des Klägers – als "Bescheid über die Ablehnung einer Entschädigung" – aus einer solchen Berufskrankheit abgelehnt hat. Auf die entsprechenden Feststellungen hat der Kläger keinen Anspruch.

Der Kläger hat gem. § 215 Abs. 1 S. 1, 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – i.d.F. durch G. v. 30.10.2008, BGBl. I S. 2130) i. V. m. § 1150 Abs. 2, 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO – i.d.F. durch G. v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606) und § 55 Abs. 3 SGG keinen Anspruch auf die Feststellung von Folgen einer Berufskrankheit, weil solche Folgen nicht vorliegen. Es kann dahinstehen, ob sich dies aus der konkreten Prüfung einer Berufskrankheit nach dem Recht der DDR ergeben muss oder ob es, wozu der Senat neigt, ausreicht, dass der Kläger im Sinne von § 220 Abs. 4 des Arbeitsgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik (AGB – v. 16. Juni 1977, GBl. I S. 188) durch Ausübung des Dienstes bei den bewaffneten Organen der DDR Körper- oder Gesundheitsschäden erlitten hat, für die § 1150 Abs. 1 S. 1 RVO ggf. unwiderleglich das Vorliegen zu Grunde liegender Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten nach dem Recht der RVO unterstellt. Dies bedarf keiner Entscheidung, weil jedenfalls die geltend gemachten und vorhandenen Gesundheitsschäden im Falle des Klägers nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die Belastungen durch die Sprungübungen während des Grundwehrdienstes des Klägers zurückgehen. Die damit nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung vorzunehmende Prüfung der Ursächlichkeit für die Gesundheitsschäden unterscheidet sich für beide Fälle nicht. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Es ist schon nicht wahrscheinlich, dass die beim Kläger vorliegenden Wirbelsäulenveränderungen in einem naturwissenschaftlichen Sinne auf Belastungen des Wehrdienstes zurückgehen. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch der zu prüfende Gesundheitsschaden fehlen würde (BSG, Urt. v. 17. 2. 09 – B 2 U 18/07 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 31, Rdnr. 12). Der Senat folgt insoweit der übereinstimmenden und überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen in ihren schriftlichen Gutachten. Überzeugend hat Dr. B. darauf hingewiesen, die vorhandenen degenerativen Veränderungen könnten auch ohne die sportlichen Belastungen entstehen; eine für Sprungbelastungen typische Instabilität eines Wirbelsäulenabschnitts im Sinne einer Spondylolyse oder Spondylolisthesis liege beim Kläger nicht vor. Auch Priv.-Doz. Dr. W. hat entsprechend darauf hingewiesen, es handele sich beim Kläger um ein Krankheitsbild, das bei einer Vielzahl von Patienten gleichen Alters und gleicher Konstitution auftrete, ohne dass sie vergleichbaren Krafteinwirkungen ausgesetzt gewesen seien. Dem entspricht es, dass die Röntgenbilder aus dem Jahre 1985 keine degenerativen Veränderungen, sondern eine geringe Seitverbiegung und verstärkte Vorkrümmung ergeben haben. Noch im Jahre 1998 ist trotz Röntgens der Lendenwirbelsäule in zwei Ebenen lediglich eine Ischialgie erkannt worden, und Dr. F. fand bei der Erstattung eines Gutachtens im Rentenverfahren am 17. September 2002 als degenerative Veränderung noch lediglich eine diskrete Spondylarthrose vor.

Auch bezüglich der Fußgelenkserkrankung fehlt es an der Wahrscheinlichkeit, dass die Sprungübungen in einem naturwissenschaftlichen Sinne ursächlich geworden sind. Dies ergibt sich aus der nachvollziehbaren ausdrücklichen Einschätzung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2010. Er hat für den Fall, dass Symptome einer Erkrankung des linken unteren Sprunggelenks erst ca. 15 Jahre nach den erfolgten Einwirkungen nachweisbar sind, den Zusammenhang für unwahrscheinlich gehalten, wenn von einer seitengleichen Belastung der Sprunggelenke ausgegangen wird. Er hat darüber hinaus auch erklärt, bei der von ihm – wie im Übrigen auch von Dr. B. – nur erwogenen Schädigung durch eine sprungbedingte Mikrotraumatisierung sei innerhalb weniger Jahre die Bildung einer Arthrose zu erwarten.

Für eine solche Arthrose des linken unteren Sprunggelenkes vor dem Jahr 2000 – mehr als 16 Jahre nach Ende der Belastungen durch den Wehrdienst – fehlt aber jeder Hinweis. Die Unterlagen aus den 1980er-Jahren bestätigen zwar einen schon vor dem Wehrdienst vorliegenden Knick-Plattfuß beiderseits und eine Sprunggelenksarthrose rechts, nicht aber links. Die gegen Ende des Wehrdienstes vorliegende Stiefelbefreiung und die schon kurz danach festgehaltene Verordnung orthopädischer Schuhe lässt keine Rückschlüsse auf eine linksseitige Arthrose zu, weil sie durch die Knick-Platt-Füße und die beginnende Arthrose rechts hinreichend erklärt ist. Die dann wieder vorliegenden Krankenblätter der Orthopäden Dres. N. und Peters über die Behandlung ab 1998 enthalten Angaben über Lendenwirbelsäulenbeschwerden, entsprechende Befunde und den Befund eines Knickplattfußes rechts. Der Allgemeinmediziner Dr. L. hat in seinen Krankenblättern über die Zeit ab April 2000 erstmals am 22. April 2002 Beschwerden oder Befunde bezüglich der Sprunggelenke, nämlich den Röntgenbefund einer linken und rechts stärkeren Arthrose, verzeichnet. Die vorangehende erstmalige Behandlung am 17. April 2002 bei der Orthopädin Dr. H. bezog sich nach deren Krankenblättern auf Sprunggelenksbeschwerden rechts. Der Röntgenbefund aus dieser Zeit lässt nach der Auffassung von Priv.-Doz. Dr. W. allenfalls für etwa zwei Jahre zurück den Schluss zu, dass schon zu dieser Zeit die Arthrose vorgelegen hat. Dies hat er auch für die Befundauswertung von Dr. B. eingeschätzt, wonach die Arthrose links in den Aufnahmen von 2002 schon deutlich war. Dagegen spricht auch nicht die Meinung Dr. B.s, eine Arthrose dieser Ausprägung könne sich in einem Zeitraum von weniger als zehn Jahren entwickeln. Denn auch danach kann die Entwicklung der Arthrose in eine Zeit gefallen sein, in der seit dem Ende der Wehrdienstbelastungen schon annähernd neun Jahre verstrichen waren. Darin kann mit Priv.-Doz. Dr. W. nicht mehr ein Zeitraum von "wenigen" Jahren gesehen werden, innerhalb dessen sich nach Ende der Belastungen mit nachfolgender Mikrotraumatisierung die Arthrose entwickelt haben müsste. Diesen zeitlichen Zusammenhang hat aber auch Dr. B. bestätigt.

Die Zweifel Dr. B.s an dem Ausmaß des zeitlichen Entwicklungsunterschiedes der Sprunggelenksarthrosen des Klägers beruhen allein auf einer rechtlich nicht maßgeblichen Erörterung von Möglichkeiten. Eigene Kenntnisse hat Dr. B. dazu nicht, weil er den Kläger selbst erst seit 2003 behandelt. Sein Hinweis darauf, fehlende Schmerzen seien kein Beleg für fehlende Arthrosen, und Knorpelschäden im Vorstadium von Arthrosen seien durch ein Röntgenbild nicht ausgeschlossen, eröffnen lediglich die Möglichkeit, dass auch schon früher Arthrosen und Knorpelschäden beim Kläger vorgelegen haben. Der rechtlich erforderliche Beleg solcher Gesundheitsstörungen wird dadurch nicht erbracht; nicht einmal ein positiver Hinweis auf solche Störungen folgt daraus.

Der Senat schließt sich dem Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. W. auch insoweit an, als er den Zusammenhang auch für die Beeinträchtigung des rechten Fußgelenkes für unwahrscheinlich hält. Insofern legt der Senat die etwa seitengleiche Belastung der Fußgelenke durch den Wehrdienst zu Grunde, von der der Sachverständige bei der Einschätzung ausgegangen ist. Denn für eine wesentlich ungleiche Belastung des rechten gegenüber dem linken Sprunggelenk ergeben die bekannten Belastungen keinen Hinweis. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass das Ziel der aus größerer Höhe durchgeführten Sprünge der Aufsprung auf beiden Beinen war. Zwar hat der Kläger in dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter nachvollziehbar geschildert, viele Sprünge seien nicht fehlerfrei verlaufen; eine besondere Belastung einer Seite folgt aber daraus nicht und ist auch vom Kläger nicht beschrieben worden. Es wäre dann im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger heute die Beeinträchtigung beider Sprunggelenke auf die Sprungübungen zurück führt.

Weitere Gesichtspunkte vermögen eine unterschiedliche Entwicklung der Arthrosen, die zumindest für die rechte Seite einen Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen Wehrdienst und Arthrose nachvollziehbar werden ließe, nicht begründen. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der rechts stärkeren Ausprägung der Knick-Platt-Füße. Denn gleichwohl könnte diese nach der schlüssigen Darstellung Priv.-Doz. Dr. W.s nur eine gewisse zeitliche Verschiebung der Schadensentwicklung erklären. Danach liefert sie keinen hinreichenden Grund, weshalb das linke Sprunggelenk nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die zeitlichen Zusammenhänge zwischen möglicher Mikrotraumatisierung und Arthrosebildung überhaupt nicht wehrdienstbedingt geschädigt ist.

Schließlich lässt sich eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit nicht auf den Ausschluss einer Entstehung durch andere Einflüsse stützen. Die Einschätzung Dr. B., dies sei im Hinblick auf die frühe Entstehung höchst unwahrscheinlich, ist nicht ausreichend, um ernste Zweifel des Senats an dem Wehrdienstzusammenhang zu beseitigen. Dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. W. ist zu entnehmen, dass die Sprunggelenksveränderungen vielfältige Ursachen haben können. Dies lässt durchaus die Möglichkeit offen, dass beim Kläger Ursachen vorliegen, die unerkannt geblieben sind. Dafür spricht auch, dass sich am linken Sprunggelenk ebenfalls eine Arthrose gebildet hat, deren Ursachen nicht festgestellt worden sind, mangels zeitlichen Zusammenhangs aber nicht in den Wehrdienstbelastungen gesehen werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor, weil die Streit entscheidende medizinische Würdigung auf dem Boden der unfallrechtlichen Kausalitätslehre als gesicherter Rechtslage erfolgt.
Rechtskraft
Aus
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