S 12 KA 834/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 834/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine rückwirkende Erteilung einer Laborgenehmigung (hier: Nr. 32247 EBM 2005) führt nicht per se dazu, dass ab dem Zeitpunkt der Rückwirkung die Abrechnung zwingend korrigiert werden muss. Die Rückwirkung geht ins Leere, da zum Zeitpunkt der Leistungserbringung (hier: Quartale III/05 und I/06) die – erforderliche – Genehmigung vorliegen muss. Es muss vor der Erbringung einer vertragsärztlichen Leistung feststehen, ob der Behandler zur Erbringung der Leistung berechtigt ist. Im Nachhinein ergehende Änderungen sind ohne Auswirkung auf das frühere Leistungsgeschehen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 6 KA 15/08SozR 4-2500 § 96 Nr. 1, juris Rdnr. 15 f.).
Bemerkung
verb. mit S 12 KA 176/08
1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 13.648,96 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die nachträgliche Korrektur der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale III/05 und I/2006 und hierbei insbesondere um die Vergütung von Leistungen nach Nr. 32247 EBM 2005.

Die Klägerin ist eine aus zwei Fachärzten für innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie bestehende Gemeinschaftspraxis. Die Ärzte sind zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie sind zugleich als Belegärzte am C. Krankenhaus vom Roten Kreuz in A-Stadt tätig. Die Beklagte erteilte ihnen mit Bescheiden vom 05.09.2006 rückwirkend ab 01.04.2005 die widerrufliche Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Laborleistung nach Nr. 32247 EBM.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 12.08.2006 für das Quartal III/05 das Nettohonorar auf 645.959,23 EUR fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich setzte sie das Bruttohonorar bei 764 Fällen auf 646.680,41 EUR fest. Mit Honorarbescheid vom 20.01.2007 für das Quartal I/06 setzte sie das Bruttohonorar bei 786 Fällen auf 726.401,15 EUR, das Nettohonorar auf insgesamt 720.877, 47 EUR fest.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 24.01.2007, die Abrechnung ab dem 01.04.2005 dahingehend zu korrigieren, dass Leistungen nach der Ziff. 32247 (Bestimmung von Blutgasanalyse und Säurebasisstatus) Berücksichtigung finden sollten. Eine entsprechende Abrechnungsgenehmigung liege vor.

Für die Quartale II bis IV/05 leitete die Beklagte den Antrag an die Antrags- und Widerspruchsabteilung weiter, da die Anträge nach Zustellung des Honorarbescheids eingegangen seien. Für das Quartal II/05 bezog sie den Antrag in ein noch laufendes Widerspruchsverfahren ein. Für das Quartal III/05 sah sie, da der Honorarbescheid bestandskräftig geworden sei, darin einen Antrag auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide. Für das Quartal IV/05 sah sie im Antrag einen Widerspruch, da die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen sei. Für das Quartal I/06 sah sie einen Antrag auf nachträgliche Korrektur der Honorarabrechnung.

Die Beklagte wies mit Bescheid vom 22.01.2008 den Antrag auf Rückabwicklung des bestandskräftig gewordenen Honorarbescheides für das Quartal III/05 ab. Darin führte sie aus, eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Im Falle einer Rückabwicklung müsse sie auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide rückabwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Bela¬stungen führen, die mit einem dramatischen Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wäre. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei sie lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, in diesem Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erweise es sich als ermessensfehlerhaft, dass die KV die Funktionsfähigkeit des Systems vor dem Anspruch des Einzelnen auf materielle Gerechtigkeit gestellt habe.

Hiergegen legte die Klägerin am 21.08.2008 Widerspruch ein. Darin führte sie aus, die Genehmigung für die strittige Laborleistung sei rückwirkend erteilt worden. Sie habe die Leistungen erbracht und abgerechnet. Warum eine Vergütung nicht erfolgt sei, sei diesseitig nicht nachvollziehbar, da keine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt worden sei. Durch die rückwirkend erteilte Genehmigung habe die Beklagte selbst die Grundlage für eine nachträgliche Vergütung der Leistungen geschaffen. Die Begründung der Ablehnung stelle einen Ermessensfehl- wenn nicht einen Ermessensnichtgebrauch dar. Sie habe lediglich gegen das Quartal III/05 keinen Widerspruch eingelegt. Es sei nur ein Quartal betroffen. Es sei nicht einzusehen, weshalb ihnen, die jahrelang die strittigen Leistungen erbracht hätten, nunmehr aus formalem Argument die Vergütung verweigert werde. Es fehle auch an einer Übergangsregelung. Die Beklagte habe die Pflicht, sie vor möglichen Rechtsnachteilen vorher zu informieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf die Bestandskraft des Honorarbescheids. Die Klägerin habe Leistungen nach Ziffer 32247 EBM 2005 (Blutgasanalyse und Säure-Basen-Status, Wert: 14,85 EUR) im Quartal III/05 bei 226 Patienten insgesamt 470 mal erbracht und mit der Quartalsabrechnung geltend gemacht. Die Leistungen seien allerdings über das Regelwerk abgesetzt worden. Insofern sei auch keine sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen worden. Die Absetzung der Leistung über das Regelwerk sei erfolgt, da zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Abrechnungsunterlagen durch die zuständige Fachabteilung die Abrechnungsgenehmigung, die erst am 05.09.2006 erteilt worden sei, noch nicht vorgelegen habe. Ein Anspruch auf Rückabwicklung des bestandskräftig gewordenen Honorarbescheides bestehe nicht. Ein solcher komme nur in Betracht, wenn eine Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Ausgangsbescheid führte sie weiter ergänzend aus, der Honorarbescheid für das Quartal III/05 sei am 09.10.2006 zur Post gegeben worden und gelte damit als am 12.10.2006 zugestellt. Aus dem Honorarbescheid wäre ersichtlich, dass Leistungen nach Ziffer 32247 EBM 2005 nicht vergütet worden seien. Insofern hätte es der Klägerin oblegen, Widerspruch gegen den Honorarbescheid einzulegen und unter Berufung auf die zwischenzeitlich erteilte Abrechnungsgenehmigung die Honorierung der streitgegenständlichen Leistungen geltend zu machen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Klägerin über die Frist für den Widerspruch gegen den Honorarbescheid hinaus weiterhin der Rechtsweg eröffnet werden sollte. Sie habe ihr Ermessen nicht verkannt. Das BSG habe es als rechtlich zulässig angesehen, Rückabwicklungen von Honorarbescheiden zu verweigern, wenn hiermit die Rechtssicherheit gewährleistet werden und die Bildung der Rückstellungen zu Lasten der Honorarverteilung für laufende Quartale minimiert werden solle. Eben diesen im Rahmen des Vertragsarztrechts besonders wichtigen Aspekt habe sie auch aufgegriffen und sich dafür entschieden, im genannten Sinne der Rechtssicherheit keine bestandskräftigen Honorarbescheide aufzuheben und somit auf das Volumen von Rückstellungen in einem kalkulierbaren Rahmen zu halben, um die Honorarverteilung nicht zu gefährden. Für die Klägerin gehe es für das Quartal III/05 um eine Nachvergütung in Höhe von 6.979,50 EUR. Dies sei keine unerhebliche Summe. Gleichgelagerte Fälle müssten sehr wohl in Betracht gezogen werden. Eine Übergangsfrist habe es nicht bedurft, da das zur Verfügung stehende System mit der Möglichkeit von Widersprüchen gegen Honorarbescheide zur Durchsetzung der Interessen des abrechnenden Vertragsarztes ausreichend gewesen sei. Der Hinweis der Klägerin auf eine Hinweis- und Beratungspflicht ihrerseits entbinden die einzelnen Vertragsärzte nicht von der Obliegenheit, die ihnen bekannt gegebenen Widerspruchsbescheide zu überprüfen und gegebenenfalls bestehende Unstimmigkeiten per Widerspruch aufzugreifen.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.11.2008 die Klage zum Az.: S 12 KA 834/08 erhoben.

Den Antrag auf nachträgliche Korrektur der Abrechnung für das Quartal I/06 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2007 ab. Zur Begründung führt sie aus, dass am 09.03.2006 mit Herrn E. telefonisch Rücksprache gehalten und mitgeteilt worden sei, dass die streitgegenständliche Leistung über ein Fremdlabor erbracht worden sei. Dementsprechend könne trotz nachträglich erteilter Genehmigung keine Vergütung erfolgen.

Hiergegen legte die Klägerin am 20.04.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, dass sie nach Empfehlung der Beklagten vom 22.02.2006 ein Kolloquium absolviert habe, das zu der Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Laborleistungen aus dem Kapitel 32.3 EBM berechtige. Die Genehmigung sei auch mit Schreiben vom 05.09.2006 rückwirkend ab dem 01.04.2005 erteilt worden. Herr Dr. D. habe auch nie mitgeteilt, dass die Leistung über ein Fremdlabor erbracht werde. Die Klägerin halte Gerätschaften vor, die die Untersuchung ermögliche. Zur Untersuchungsmethode sei zu bemerken, dass eine Fremdlabor viel zu spät das Laborergebnis übermitteln würde. Die Auswertung wäre unter diesen Umständen falsch und nicht mehr verwertbar.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, es gelte eine 8-Wochen-Frist, innerhalb derer eine Korrektur der Abrechnung noch zugelassen werden könne. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24.02.2007 sei diese Frist bei weitem überschritten gewesen. Gründe, die einen Ausnahmetatbestand rechtfertigen würden, seien nicht vorgetragen worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.05.2008 die Klage zum Az.: S 12 KA 176/08 erhoben.

Ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, dass die 8 Wochen-Frist vorliegend nicht einschlägig sei. Diese sei für Fälle eingeführt worden, in denen den Vertragsärzten bei der Abrechnung unbewusst Fehler unterlaufen oder sie vergessen haben, bei der Abrechnung bestimmte Leistungsziffern anzugeben. Der Fall, in dem ein Vertragsarzt eine rückwirkende Abrechnungsgenehmigung erteilt werde, sei davon aber gerade nicht umfasst. Hier führe die rückwirkende Erteilung der Genehmigung per se dazu, dass ab dem Zeitpunkt der Rückwirkung die Abrechnung zwingend korrigiert werden müsse. Darüber hinaus sei die Antragstellung am 24.01.2007, nicht am 24.02.2007 erfolgt. Zum Az.: S 12 KA 834/08 verweist sie auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, die Beklagte hätte Rückstellungen bilden müssen, da die Erteilung entsprechender Genehmigungen zu erwarten gewesen sei. Es handle sich bei ihr um einen a-typischen Fall, da die Genehmigung rückwirkend erteilt worden sei. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie zum einen rückwirkend eine Genehmigung erteile, zum anderen aber eine Nachvergütung verweigere. Bezüglich des Genehmigungserfordernisses sei sie nicht beraten worden. Erst auf ihren Wunsch sei ein Genehmigungsantrag Ende des Jahre 2005 ermittelt worden. Es handle sich um einen singulären Fehler der Beklagten. Der Beklagten drohe keine Vielzahl von Rückzahlungsverpflichtungen. Die strittige Laborleistung sei unverzichtbar für die Dialysebehandlung. Die Beklagte habe sie über die Absetzung der Leistung nicht informiert.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2008 zu verpflichten, den Honorarbescheid für das Quartal III/05 abzuändern und die abgesetzten Leistungen nach Ziffer 32247 EBM in gesetzlicher Höhe festzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Abrechnung für das Quartal I/06 dahingehend zu korrigieren, dass die Leistungen nach Ziffer 32247 EBM berücksichtigt und abgerechnet werden.

Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt zum Az.: S 12 KA 834/08 ergänzend vor, es bestehe keine allgemeine Verpflichtung, rechtswidrig belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts der Bestandskraft zu korrigieren. Es liege auch kein atypischer Fall vor. Die Klägerin hätte rechtzeitig Widerspruch einlegen können. Die Laborgenehmigung sei unter Verkennung der Grundsätze der Rechtsprechung rückwirkend erteilt worden. Im Übrigen verweise sie auch auf ihr Vorbringen im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 12 KA 176/08. In diesem Verfahren trägt sie ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, auf die Frage der Einhaltung der Korrekturfristen komme es vorliegend nicht an. Entscheidend sei, dass keine Möglichkeit einer Korrektur gegeben sei. Sie gehe nach wie vor davon aus, dass die Laboratoriumsuntersuchung nach der Ziff. 32247 EBM 2005 durch ein Fremdlabor und nicht durch die Klägerin höchstpersönlich erbracht worden sei. Der Klägerin sei bereits mit Schreiben vom 01.03.2006 mitgeteilt worden, dass im Bereich der Qualitätssicherung Genehmigungen grundsätzlich nicht rückwirkend erteilt würden. Gegebenenfalls hätte die Klägerin, nachdem die Genehmigung tatsächlich jedoch rückwirkend erteilt worden sei, die damit einhergehende Möglichkeit der Generierung des Honorars für die entsprechenden Leistungen wahrgenommen. Da die Kläger mit der Sammelerklärung ihre persönliche Leistungserbringung bestätigt hätten, stünde hier ggf. der Tatbestand einer Falschabrechnung im Raum. Darüber hinaus seien im streitgegenständlichen Quartal die Voraussetzungen für die Abrechnung noch nicht erfüllt gewesen, da die Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht an einem Kolloquium teilgenommen hatten. Die rückwirkende Genehmigung verkenne insoweit die im Bereich der Qualitätssicherung geltenden Grundsätze. Die streitgegenständlichen Leistungen seien erst mit Inkrafttreten des EBM 2005 zum 01.05.2005 überhaupt genehmigungspflichtig geworden und hätten zuvor genehmigungsfrei erbracht werden können und seien auch von der Klägerin erbracht worden. Vor diesem Hintergrund habe der Vorstand der Beklagten am 30.05.2005 deshalb beschlossen, dass in diesen Fällen auf die Vorlage entsprechender Qualifikationsnachweise hinsichtlich einer Genehmigung nach den Laborrichtlinien verzichtet werde. Insoweit handele es sich lediglich um eine Formsache. Diesem Vorgehen entspreche auch die rückwirkend erteilte Abrechnungsgenehmigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klagen sind zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klagen sind aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2008 und der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2008 sind rechtmäßig und waren nicht aufzuheben. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal III/05 und auf Festsetzung einer Vergütung der nach Nr. 32247 EBM abgerechneten Leistungen in gesetzlicher Höhe noch auf Korrektur der Abrechnung für das Quartal I/06 dahingehend, dass die Leistungen nach Ziffer 32247 EBM berücksichtigt und abgerechnet werden. Die Klagen waren daher abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Abänderung des bestandskräftigen Honorarbescheids für das Quartal III/05 ist § 44 Abs. 2 SGB V. Dies setzt voraus, dass der Honorarbescheid für das Quartal III/05 rechtswidrig war. Dies ist der Fall, wenn die Beklagte nicht zur Absetzung der Leistungen nach Nr. 32247 EBM befugt war. Entsprechend besteht ein Anspruch auf Korrektur der Abrechnung für das Quartal I/06, wenn die Beklagte auch in diesem Quartal die Leistungen nach Nr. 32247 EBM hätte abrechnen müssen. Im übrigen beinhaltet der Antrag der Klägerin auch den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal I/06 die Abrechnung dahingehend zu korrigieren, dass die Leistungen nach Ziffer 32247 EBM berücksichtigt und abgerechnet werden, da der Honorarbescheid für das Quartal I/06 inzwischen in Bestandskraft erwachsen ist. Voraussetzung für die Rechtswidrigkeit der beiden streitbefangenen Honorarbescheide und für den Anspruch der Klägerin auf die strittige Vergütung ist insoweit, dass sie überhaupt berechtigt war, die strittigen Leistungen nach Ziffer 32247 EBM abzurechnen. Dies war aber nicht der Fall.

Für beide streitbefangenen Quartale scheidet ein Anspruch auf Anerkennung der strittigen Leistungen nach Ziffer 32247 EBM schon deshalb aus, weil die Klägerin in diesen Quartalen nicht über eine Abrechnungsgenehmigung verfügte und die später mit Rückwirkung ausgestattete Genehmigung insofern ohne Bedeutung für die bereits vergangenen Quartale ist.

Die streitbefangene Leistung nach Nr. 32247 EBM, Bestimmung der Blutgase und des Säure-Basen-Status mit dem obligaten Leistungsinhalt Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration (pH) im Blut, Bestimmung des Kohlendioxidpartialdrucks (pCO2) und Bestimmung des Sauerstoffpartialdrucks (pO2) sowie dem fakultativen Leistungsinhalt Messung der prozentualen Sauerstoffsättigung (SpO2) und Messung oder Berechnung weiterer Kenngrößen in demselben Untersuchungsgang (z. B. Hämoglobin, Bicarbonat, Basenabweichung), gehört zum Abschnitt 32.3.4 EBM "Klinisch-chemische Untersuchungen". Die Berechnung der Leistungen des Abschnitts 32.3 EBM setzt eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung nach der Vereinbarung zu den Laboratoriumsuntersuchungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V voraus (Nr. 2 der Präambel zu Abschnitt 32.3 EBM "Spezielle Laboratoriumsuntersuchungen, molekulargenetische und molekularpathologische Untersuchungen").

Die Anforderungen an die fachliche Befähigung zur Erbringung von Laboratoriumsleistungen in der vertragsärztlichen Versorgung ergeben sich aus dem Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien. In diesem Anhang haben die Partner des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und des Arzt-/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ä) gemäß § 135 Abs. 2 SGB V die Anforderungen festgelegt. Die Vereinbarung dient dem Ziel, die Qualität von Laboratoriumsuntersuchungen in der vertragsärztlichen Versorgung sicher zu stellen, nachdem für deren Ausführung und Abrechnung bestimmte Anforderungen an fachliche Befähigungen erfüllt sein müssen und hält sich demnach im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage. Hierbei handelt es sich um einen Vertrag mit normativer Wirkung, mit dem Rechte und Pflichten nicht am Vertragsschluss beteiligter Dritter - der Kassenärztlichen Vereinigungen - und der Vertragsärzte begründet bzw. verändert werden (vgl. auch BSG, Urt. v. 31.01.2001 - B 6 KA 24/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 16). Die Regelungen im Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien sind aus Gründen des Gemeinwohls von der Ermächtigungsgrundlage des § 135 Abs. 2 SGB V gedeckt und mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 15) (so LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.07.2002 - L 5 KA 2592/00 - zitiert nach juris, Rdnr. 22; s. ferner LSG Berlin, Urt. v. 15.11.1995 - L 7 Ka 25/95 - juris). Auch die Kammer hat keine Zweifel an der Gültigkeit der genannten Qualitätssicherungsvereinbarung (vgl. weiter BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschl. v. 16.07.2004 - 1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr. 2 = ZMGR 2004, 195 = NVwZ 2004, 1347= MedR 2004, 608= GesR 2004, 530 = NZS 2005, 91¸ BVerfG, 2. Senat 2. Kammer, Beschl. v. 08.07.2010 – 2 BvR 520/07 – www.bundesverfassungsgericht.de = juris).

Die Anforderungen an die fachliche Befähigung zur Erbringung von Laboratoriumsleistungen sind nach Nr. 1 Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien erst erfüllt, wenn der Arzt – soweit wie hier die Fachkunde nicht durch eine Weiterbildung nach Nr. 2 durch die Berechtigung zum Führen bestimmter Arztbezeichnungen nachgewiesen wird - erfolgreich an einem Kolloquium teilgenommen hat. Die Berechtigung ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung zu beantragen (Nr. 4 Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien). Diese hat die Unterlagen vor Erteilung der Genehmigung zu überprüfen. Zutreffend geht die Beklagte daher davon aus, dass frühestens mit dem Bestehen des Kolloquiums eine Genehmigung erteilt werden kann. Denn erst mit Bestehen des Kolloquiums liegen die Genehmigungsvoraussetzungen vor. Eine darüber hinausgehende Möglichkeit, die Genehmigung für die Vergangenheit zu erteilen, also für die Zeit vor Bestehen des Kolloquiums, sieht Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien nicht vor, was generell für Vereinbarungen zur Qualitätssicherung gilt, soweit die Genehmigung als Maßnahme der Qualitätssicherung als Abrechnungsvoraussetzung formuliert ist (vgl. Steinhilper in Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 16, Rdnr. 23). Insofern wird auch in § 11 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä/§ 39 Abs. 1 Satz 1 EKV-Ä ausdrücklich bestimmt, dass Leistungen, die einer besonderen Fachkunde bedürfen, nur ausgeführt und abgerechnet werden können, wenn der Arzt die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt. Entsprechend ist die Ausführung und Abrechnung von Leistungen nach Kapitel 32.3 EBM erst nach der bereits erwähnten Vorschrift im EBM 2005 (Nr. 2 der Präambel zu Abschnitt 32.3 EBM) nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig.

Soweit die Beklagte dennoch den beiden Ärzten der Klägerin mit Bescheiden vom 05.09.2006 rückwirkend ab 01.04.2005 die widerrufliche Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Laborleistung nach Nr. 32247 EBM erteilt hat, hat sie offensichtlich rechtswidrig gehandelt. Die in den Bescheiden ausgesprochene Rückwirkung geht aber ins Leere, da zum Zeitpunkt der Leistungserbringung in den Quartalen III/05 und I/06 die – erforderliche – Genehmigung nicht vorlag. Die Absetzung bzw. Nichtanerkennung der Leistungen durch die Beklagte erfolgte daher zu Recht. Es muss vor der Erbringung einer vertragsärztlichen Leistung feststehen, ob der Behandler zur Erbringung der Leistung berechtigt ist. Im Nachhinein ergehende Änderungen sind ohne Auswirkung auf das frühere Leistungsgeschehen.

Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw. in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss. Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie auch für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten und ebenso für weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen. Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 6 KA 15/08SozR 4-2500 § 96 Nr. 1, juris Rdnr. 15 f. m.w.N.).

Von daher trifft die Auffassung der Beklagten nicht zu, die rückwirkende Erteilung der Genehmigung führe per se dazu, dass ab dem Zeitpunkt der Rückwirkung die Abrechnung zwingend korrigiert werden müsse.

Die fachkundig mit einem Internisten besetzte Kammer verkennt nicht, dass die Blutgasanalyse für die Dialysetätigkeit der Klägerin notwendig ist und unmittelbar vor der Behandlung erbracht werden muss. Dennoch gilt auch für die Mitglieder der Klägerin das zum Quartal II/05 eingeführte Genehmigungserfordernis. Insoweit war bereits im Herbst 2004 der EBM 2005 bekannt und hatten die Mitglieder der Klägerin ausreichend Zeit, sich hierauf einzustellen. Dieses Versäumnis müssen sie sich selbst zurechnen lassen.

Ein wie auch immer gearteter Vertrauensschutz kann aus der Rückwirkung der Genehmigung nicht hergeleitet werden. Der Antrag auf Genehmigung zur Abrechnung der Nr. 32247 EBM wurde erst am 22.02.2006 gestellt, das Kolloquium als wesentliche Voraussetzung für die Genehmigung erst am 30.08.2006 nach Abschluss beider Quartale absolviert. Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung war die Genehmigung noch nicht erteilt worden und konnte die Rückwirkung insofern auch keinen Vertrauenstatbestand setzen.

Bei dieser Rechtslage kommt es daher nicht auf die Frage an, ob ein Mitglied der Klägerin mehrfach auf Nachfrage gegenüber der Beklagten angegeben hat, die Leistung werde von einem Fremdlabor erbracht. Ebenso wenig kommt es darauf an, unter welchen Voraussetzungen ein Recht zur Berichtigung der Abrechnung besteht und inwieweit die Bestandskraft der Honorarbescheide eine nachträgliche Korrektur ausschließt. Ebenso wenig kommt es auf eventuelle Ermessensfehler an, da es schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Abrechnung der Nr. 32247 EBM fehlte.

Im Ergebnis waren die Klagen daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert folgte aus dem Wert der strittigen Leistungen.
Rechtskraft
Aus
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