Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3890/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2235/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts S. vom 18.03.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Der im Jahr 1942 geborene Kläger war nach entsprechender Ausbildung seit dem Jahr 1970 als Krankenpfleger, zuletzt im Krankenhaus R. , beschäftigt. Zwischenzeitlich befindet er sich in der Freistellungsphase einer Altersteilzeitregelung. Beim Kläger besteht seit vielen Jahren ein Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS), das durch eine Druckschmerzhaftigkeit sowie einen Stauchungs- und Segmentlockerungsschmerz geprägt ist. Es liegen eine ausgeprägte Hyperlordose und eine leichte Skoliose vor. Radikuläre Störungen sind nicht nachweisbar. Röntgenologisch zeigen sich deutliche degenerative Veränderungen und eine Spondylolisthesis L4/5. Eine Spondylolyse wurde in der Kernspintomographie eindeutig nachgewiesen. Ferner wurde eine degenerative Spinalkanalstenose gefunden und weitere degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, allerdings kein eindeutiger Bandscheibenprolaps (so die Zusammenfassung des Sachverständigen Dr. F. ). Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit Wirbelsäulenbeschwerden sind nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - Die Gesundheitskasse E. vom Februar 2003 in den Jahren 1987, 1989, 1990, 1993 und 1995 aufgetreten. Zuletzt vor dem streitigen Ereignis wurde der Kläger deswegen durch den Internisten Dr. B. (Befundbericht vom April 2003, Bl. 33 Verwaltungsakte) und - im Juni 2000 - durch den Arzt für Orthopädie Dr. O. (Arztbrief vom Juni 2000, Bl. 33/12 Verwaltungsakte) behandelt.
Am 23.11.2001 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. O. vor und gab ausstrahlende Schmerzen in der LWS, im rechten Schultergelenk und in der Leistenbeuge an. In dem über diese Vorsprache von Dr. O. erstellten Arztbrief führte dieser aus, es habe kein Unfall vorgelegen. Im Rahmen einer Elektromyographie zeigte sich Dr. L. am 11.01.2002 ein mit einer diskreten chronischen Wurzelirritation bei L4 links, etwas mehr bei L5 rechts, vereinbarer, leichter chronischer neurogener Umbau. Er fand jedoch keine frischen Schädigungszeichen. Am 14.01.2002 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. O. vor, der im hierüber erstellten Arztbrief ohne nähere Datumsangabe ausführte, der Kläger habe mitgeteilt, sich beim Transport eines Patienten wohl "verdreht" und seither erneut stärkere Schmerzen zu haben. Am 16.01.2002 sprach der Kläger beim Internisten Dr. B. wegen Rückenschmerzen vor, ohne von einem Unfallereignis zu berichten.
Nachfolgend wandte sich der Kläger an Dr. O. mit dem Hinweis, er habe "rekapituliert" und sei zu dem Schluss gekommen, die schon länger anhaltenden Schmerzen müssten von einer "Verlupfung" am 20.11.2001 herrühren. Er habe sich an diesem Tag beim Baden eines Patienten auf Grund einer unvorhergesehen Zugbelastung eine Zerrung zugezogen (undatiertes Schreiben Bl. 39 Verwaltungsakte).
Dr. O. stellte zunächst auf Grund einer erneuten Vorsprache des Klägers am 01.02.2002 den Durchgangsarztbericht vom 04.02.2002 aus, in dem er einen Unfallhergang am 20.11.2001 mit einer Verdrehung beim Transport eines Patienten beschrieb, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom mit Nervenwurzelreizung bei Bandscheibendegeneration und Überlastung bei kontrakter Brustkyphose diagnostizierte und ausführte, es handele sich um keinen Unfall "im Sinne des Gesetzes". Auf Intervention des Klägers erstellte Dr. O. am 05.05.2003 einen neuen Durchgangsarztbericht, in dem er nunmehr den Unfallhergang - entsprechend der Schilderung des Klägers - mit einem ruckartigen Zug eines zu badenden Patienten am Arm des Klägers darstellte, eine Rückenmuskelzerrung diagnostizierte und vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausging.
Die arbeitgeberseitige Unfallanzeige über das Ereignis vom 20.11.2001 erfolgte Anfang März 2002. Wegen Rückenbeschwerden stellte sich der Kläger nachfolgend noch in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. und im M. S. vor, wo er im Mai/Juni 2002 stationär zur Schmerztherapie wegen einer "seit Jahren bestehenden Lumboischialgie" aufgenommen wurde. Die stationäre Behandlung führte zu einer vorübergehenden Besserung der Beschwerden (Arztbrief von Prof. Dr. D. , Bl. 26 Verwaltungsakte). Wegen der eben genannten Beschwerden erfolgte zudem eine ambulante Behandlung durch den Chirurgen und Orthopäden Dr. D ...
Mit Bescheid vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.11.2001 als Arbeitsunfall ab. Die vom Kläger auf dieses Ereignis zurückgeführten Beschwerden seien bereits zuvor wegen degenerativer Veränderungen in einem behandlungsbedürftigen Ausmaß vorhanden gewesen. Bei dem Vorfall habe es sich um kein so schweres Ereignis gehandelt, dass die Beschwerden rechtlich wesentlich dadurch verursacht oder richtunggebend verschlimmert worden seien. Es sei bereits fraglich, ob überhaupt ein Unfallereignis stattgefunden habe. Ein für eine traumatische Bandscheibenverletzung geeignetes Trauma habe nicht vorgelegen.
Deswegen hat der Kläger am 21.06.2004 beim Sozialgericht S. (SG) Klage erhoben.
Parallel ist beim SG ein Verfahren des Klägers wegen der Ablehnung der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV - bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung mit Unterlassungszwang) anhängig gewesen (S 6 U 6845/04). Diese Klage hat der Kläger im Dezember 2008 zurückgenommen.
Das SG hat das orthopädische Gutachten von Dr. F. eingeholt. Dieser ist auf Grund der Untersuchung des Klägers vom Dezember 2006 unter der Annahme, es sei am 20.11.2005 zu einem plötzlich einschießenden Schmerz im Bereich der LWS gekommen, zu der Auffassung gelangt, dass das Schmerzsyndrom der LWS durch angeborene Umstände und degenerative Veränderungen bedingt sei und keine Unfallfolge darstelle. Der Unfall werde von Betroffenen oftmals als ursächlich angesehen, stelle aber bei den schon vorhandenen Veränderungen nur eine Gelegenheitsursache dar, die zu einer Exazerbation des Beschwerdebilds führe. Dies hätte zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt durch andere Wirbelsäulenbelastungen, Fehlhaltungen oder Unfälle ebenso zustande kommen können.
Auf Antrag des Kläger gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. D. auf Grund der Untersuchung vom August 2007 ein weiteres orthopädisches Gutachten erstellt. Er hat ausgeführt, zwar hätten ohne Zweifel Vorschäden im Bereich der Wirbelsäule bestanden, die zu gegebener Zeit höchst wahrscheinlich zum gleichen Ergebnis geführt hätten. In Abweichung zur Auffassung von Dr. F. hätte die Latenz bis zum Auftreten des heutigen Beschwerdebilds hingegen nach seiner Einschätzung deutlich länger gedauert. Auch wenn es sich nach berufsgenossenschaftlicher Definition nicht um einen Unfall im Sinne des Gesetzes gehandelt habe, sollte insgesamt mindestens ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Trauma gewürdigt werden. Nachdem sich Dr. D. gesundheitlich zu einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme nicht mehr in der Lage gesehen hat, hat sein Praxisnachfolger Dr. S. an seiner Stelle nachfolgend ausgeführt, der Unfall habe zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des degenerativen Vorschadens geführt.
Die Beklagte hat im Klageverfahren eingeräumt, das plötzliche Reißen des Patienten am Arm des Klägers stelle eine äußere Gewalteinwirkung im Sinne der gesetzlichen Definition des Arbeitsunfalls dar. Dies reiche jedoch nicht aus, da neben der haftungsbegründenden Kausalität auch ein innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem äußeren Gewaltereignis und dem Körperschaden bestehen müsse. Wegen der Vorschädigungen komme dem angeschuldigten Ereignis aber lediglich die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu.
Mit Urteil vom 18.03.2010 hat das SG die Klage ausgehend von dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente abgewiesen. Soweit die Beklagte das Ausgangsgeschehen vom Ansatz her bereits nicht als "Unfall" im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) bezeichnet habe, habe sie zwar bei dieser Bezeichnung zu kurz gegriffen. Dies führe jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger eine Verletztenrente zustehe. Vielmehr sei im Ergebnis die seitens der Beklagten erfolgte Qualifizierung des Ausgangsgeschehens als so genannte "Gelegenheitsursache" nicht falsch. Dies decke sich mit den Erfahrungen, die die erkennende Kammer auf Grund langjähriger dienstlicher Befassung mit vergleichbaren "Verhebetraumata" gewonnen habe.
Gegen das ihm am 14.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.05.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei den Erfahrungen des SG handele es sich um keine justiziable Rechtsauffassung. Ohne den Unfall hätten sich seine degenerativen Vorschäden langsamer verschlimmert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts S. vom 18.03.2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2004 festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 20.11.2001 um einen Arbeitsunfall handelte.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, die Annahme einer Verschlimmerung sei Spekulation. Die degenerativen Veränderungen beim Kläger seien von überragender Bedeutung und so leicht ansprechbar gewesen, dass auch ein anderer Vorgang zu den Beschwerden geführt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2004. Darin entschied die Beklagte nur über die Frage, ob das Ereignis vom 20.11.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Eine Entscheidung über eine Verletztenrente erfolgte nicht. Der Senat teilt daher nicht die Auffassung des SG, dass die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage anzusehen und im Kern über die Bewilligung einer Verletztenrente zu entscheiden ist. Vielmehr hätte das SG das prozessuale Begehren (§ 123 SGG) des Klägers sachdienlich als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auslegen und lediglich über die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Feststellung eines Arbeitsunfalles entscheiden müssen. Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den so sachdienlichen Antrag (§ 123 SGG) gestellt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Klage auf Verurteilung der Beklagten zu Gewährung einer Verletztenrente - die im Übrigen nur als kombinierte Anfechtungs-/Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG möglich wäre - unzulässig wäre, da hinsichtlich der Bewilligung einer Verletztenrente keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vorliegt.
Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Auch der Senat sieht sich nicht in der Lage, einen solchen im Hinblick auf das Ereignis vom 20.11.2001 festzustellen.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.
Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden auf Grund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Zwar ist dem Unfallbegriff die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung (vgl. z.B. den Sägewerker, der - insoweit durchaus willentlich -nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch - unbeabsichtigt - seinen Daumen).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist ein Arbeitsunfall nicht festzustellen.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Krankenpfleger am 20.11.2001 bei der Beklagten versichert war. Das vom Kläger angeschuldigte Ereignis an diesem Tag wurde von der Beklagten hinsichtlich des äußeren Ablaufs nie in Frage gestellt. Angesichts der detaillierten Schilderungen des Klägers sieht sich auch der Senat trotz des Umstandes, dass die Unfallanzeige des Arbeitgebers erst mehrere Monate nach dem Ereignis mit einem Hinweis auf fehlende - greifbare - Augenzeugen abgegeben wurde, nicht veranlasst, die Richtigkeit der Darstellungen des Klägers zu dem konkreten Badevorgang in Zweifel zu ziehen.
Die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert an dem Umstand, dass der Senat nicht vom Vorliegen eines Gesundheitserstschadens am 20.11.2001, insbesondere im Sinne der behaupteten Schmerzzustände, ausgehen kann.
Soweit der Kläger im Klageverfahren noch behauptet hat, die bei ihm vorliegende Spondylolisthesis L4/5 sei auf das Ereignis vom 20.11.2001 zurückzuführen, liegen keine ärztliche Äußerungen vor, die diese Behauptung auch nur im Ansatz stützen. Dr. F. hat klar und überzeugend dargestellt, dass es sich bei dieser Störung um einen angeborenen Zustand handelt. Dem hat Dr. D. nicht widersprochen, vielmehr das Vorliegen von Vorschäden im Bereich der Wirbelsäule ausdrücklich bestätigt.
Der Senat hat durchgreifende Zweifel am Vortrag des Klägers, dass am 20.11.2001 als Gesundheitserstschaden Schmerzen auftraten. Zwar sind auch leichtere Beschwerden, wie Kopf- oder Muskelschmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel oder Funktionseinschränkungen z.B. auf Grund struktureller Verletzungen wie Hämatome, Schürfwunden oder Zerrungen für das Vorliegen einer für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlichen gesundheitlichen Schädigung ausreichend (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 15.03.2007, L 10 U 353/04). Jedoch steht für den Senat, obwohl. dies beruhend auf den Angaben des Klägers von den tätig gewordenen Sachverständigen jeweils ohne weitere Überprüfung zu Grunde gelegt worden ist, nicht fest, dass der Kläger am 20.11.2001 tatsächlich, so wie von ihm zuletzt mehrmals ausführlich und eindrücklich geschildert, plötzliche Schmerzen verspürte. Insoweit sind Umstände aktenkundig, die - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - gegen einen Gesundheitserstschaden sprechen. Dagegen spricht zunächst, dass Dr. O. in seinem Arztbrief über die Untersuchung des Klägers am 23.11.2001, also kurz nach dem angeschuldigten Ereignis, ausdrücklich ausführte, es habe kein Unfall vorgelegen und dementsprechend auch keine unfallspezifischen Diagnosen stellte, sondern das ihm bereits zuvor bekannte Lumbalsyndrom diagnostizierte. Gegen ein unfallbedingtes Schmerzerlebnis des Klägers im November 2001 spricht ferner, dass er bei der Vorsprache bei Dr. B. Mitte Januar 2002 zwar über - die schon seit vielen Jahren bekannten - Rückenschmerzen klagte, ihm jedoch nichts von einem Unfall berichtete. Hätte das Ereignis tatsächlich - wie vom Kläger später behauptet - zu einem Schmerz im Bereich der LWS geführt, der sich zunehmend und massiv verschlechterte, hätte es der Kläger nach Überzeugung des Senats nicht versäumt, diesen eindrücklichen und zu dauerhaften Schmerzen führenden Geschehensablauf gegenüber Dr. O. bei seiner Vorstellung am 23.11.2001 und Dr. B. im Januar 2002 darzustellen. Denn dann hätte der - medizinisch vorgebildete - Kläger von einer Akutverletzung ausgehen müssen, die - wegen der Schmerzzustände - einer dringenden Abklärung bedurft hätte. Stattdessen erwähnte der Kläger das Ereignis vom 20.11.2001 erst, nachdem er - so seine Angaben gegenüber Dr. O. - "rekapituliert" hatte. Erst nach dieser "Rekapitulation" ging der Kläger von einer erheblichen Verletzung (dauerhafte Schädigung der Nervenbahnen - so in seinem Schreiben an die Beklagte vom 25.12.2002) aus.
In diesem Zusammenhang sieht der Senat den Bericht, den Prof. Dr. D. (M. Stuttgart) über die Untersuchung des Klägers im April 2002 verfasste. Ihm teilte der Kläger mit, dass erst eine Woche nach dem Ereignis vom 20.11.2001 eine Lumboischialgie aufgetreten ist. Damit kann der Senat nicht davon ausgehen, dass es bei dem geschilderten Ereignis tatsächlich zu einer - für die Annahme eines Unfallereignisses relevanten - Schmerzsensation kam. Belegt ist nur, dass der Kläger im Nachhinein aufgetretene Schmerzen auf das Ereignis vom 20.11.2001 zurückführte. Objektive Befunde, die eine traumatische Ursache der Schmerzen bestätigen würden, liegen nicht vor. So ergaben sämtliche bildgebenden Verfahren (Röntgen, CT, MRT) ebenso wenig wie die Elektromyographie Anfang Januar 2002 Hinweise auf eine traumatische Schädigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Der im Jahr 1942 geborene Kläger war nach entsprechender Ausbildung seit dem Jahr 1970 als Krankenpfleger, zuletzt im Krankenhaus R. , beschäftigt. Zwischenzeitlich befindet er sich in der Freistellungsphase einer Altersteilzeitregelung. Beim Kläger besteht seit vielen Jahren ein Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS), das durch eine Druckschmerzhaftigkeit sowie einen Stauchungs- und Segmentlockerungsschmerz geprägt ist. Es liegen eine ausgeprägte Hyperlordose und eine leichte Skoliose vor. Radikuläre Störungen sind nicht nachweisbar. Röntgenologisch zeigen sich deutliche degenerative Veränderungen und eine Spondylolisthesis L4/5. Eine Spondylolyse wurde in der Kernspintomographie eindeutig nachgewiesen. Ferner wurde eine degenerative Spinalkanalstenose gefunden und weitere degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, allerdings kein eindeutiger Bandscheibenprolaps (so die Zusammenfassung des Sachverständigen Dr. F. ). Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit Wirbelsäulenbeschwerden sind nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - Die Gesundheitskasse E. vom Februar 2003 in den Jahren 1987, 1989, 1990, 1993 und 1995 aufgetreten. Zuletzt vor dem streitigen Ereignis wurde der Kläger deswegen durch den Internisten Dr. B. (Befundbericht vom April 2003, Bl. 33 Verwaltungsakte) und - im Juni 2000 - durch den Arzt für Orthopädie Dr. O. (Arztbrief vom Juni 2000, Bl. 33/12 Verwaltungsakte) behandelt.
Am 23.11.2001 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. O. vor und gab ausstrahlende Schmerzen in der LWS, im rechten Schultergelenk und in der Leistenbeuge an. In dem über diese Vorsprache von Dr. O. erstellten Arztbrief führte dieser aus, es habe kein Unfall vorgelegen. Im Rahmen einer Elektromyographie zeigte sich Dr. L. am 11.01.2002 ein mit einer diskreten chronischen Wurzelirritation bei L4 links, etwas mehr bei L5 rechts, vereinbarer, leichter chronischer neurogener Umbau. Er fand jedoch keine frischen Schädigungszeichen. Am 14.01.2002 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. O. vor, der im hierüber erstellten Arztbrief ohne nähere Datumsangabe ausführte, der Kläger habe mitgeteilt, sich beim Transport eines Patienten wohl "verdreht" und seither erneut stärkere Schmerzen zu haben. Am 16.01.2002 sprach der Kläger beim Internisten Dr. B. wegen Rückenschmerzen vor, ohne von einem Unfallereignis zu berichten.
Nachfolgend wandte sich der Kläger an Dr. O. mit dem Hinweis, er habe "rekapituliert" und sei zu dem Schluss gekommen, die schon länger anhaltenden Schmerzen müssten von einer "Verlupfung" am 20.11.2001 herrühren. Er habe sich an diesem Tag beim Baden eines Patienten auf Grund einer unvorhergesehen Zugbelastung eine Zerrung zugezogen (undatiertes Schreiben Bl. 39 Verwaltungsakte).
Dr. O. stellte zunächst auf Grund einer erneuten Vorsprache des Klägers am 01.02.2002 den Durchgangsarztbericht vom 04.02.2002 aus, in dem er einen Unfallhergang am 20.11.2001 mit einer Verdrehung beim Transport eines Patienten beschrieb, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom mit Nervenwurzelreizung bei Bandscheibendegeneration und Überlastung bei kontrakter Brustkyphose diagnostizierte und ausführte, es handele sich um keinen Unfall "im Sinne des Gesetzes". Auf Intervention des Klägers erstellte Dr. O. am 05.05.2003 einen neuen Durchgangsarztbericht, in dem er nunmehr den Unfallhergang - entsprechend der Schilderung des Klägers - mit einem ruckartigen Zug eines zu badenden Patienten am Arm des Klägers darstellte, eine Rückenmuskelzerrung diagnostizierte und vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausging.
Die arbeitgeberseitige Unfallanzeige über das Ereignis vom 20.11.2001 erfolgte Anfang März 2002. Wegen Rückenbeschwerden stellte sich der Kläger nachfolgend noch in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. und im M. S. vor, wo er im Mai/Juni 2002 stationär zur Schmerztherapie wegen einer "seit Jahren bestehenden Lumboischialgie" aufgenommen wurde. Die stationäre Behandlung führte zu einer vorübergehenden Besserung der Beschwerden (Arztbrief von Prof. Dr. D. , Bl. 26 Verwaltungsakte). Wegen der eben genannten Beschwerden erfolgte zudem eine ambulante Behandlung durch den Chirurgen und Orthopäden Dr. D ...
Mit Bescheid vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.11.2001 als Arbeitsunfall ab. Die vom Kläger auf dieses Ereignis zurückgeführten Beschwerden seien bereits zuvor wegen degenerativer Veränderungen in einem behandlungsbedürftigen Ausmaß vorhanden gewesen. Bei dem Vorfall habe es sich um kein so schweres Ereignis gehandelt, dass die Beschwerden rechtlich wesentlich dadurch verursacht oder richtunggebend verschlimmert worden seien. Es sei bereits fraglich, ob überhaupt ein Unfallereignis stattgefunden habe. Ein für eine traumatische Bandscheibenverletzung geeignetes Trauma habe nicht vorgelegen.
Deswegen hat der Kläger am 21.06.2004 beim Sozialgericht S. (SG) Klage erhoben.
Parallel ist beim SG ein Verfahren des Klägers wegen der Ablehnung der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV - bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung mit Unterlassungszwang) anhängig gewesen (S 6 U 6845/04). Diese Klage hat der Kläger im Dezember 2008 zurückgenommen.
Das SG hat das orthopädische Gutachten von Dr. F. eingeholt. Dieser ist auf Grund der Untersuchung des Klägers vom Dezember 2006 unter der Annahme, es sei am 20.11.2005 zu einem plötzlich einschießenden Schmerz im Bereich der LWS gekommen, zu der Auffassung gelangt, dass das Schmerzsyndrom der LWS durch angeborene Umstände und degenerative Veränderungen bedingt sei und keine Unfallfolge darstelle. Der Unfall werde von Betroffenen oftmals als ursächlich angesehen, stelle aber bei den schon vorhandenen Veränderungen nur eine Gelegenheitsursache dar, die zu einer Exazerbation des Beschwerdebilds führe. Dies hätte zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt durch andere Wirbelsäulenbelastungen, Fehlhaltungen oder Unfälle ebenso zustande kommen können.
Auf Antrag des Kläger gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. D. auf Grund der Untersuchung vom August 2007 ein weiteres orthopädisches Gutachten erstellt. Er hat ausgeführt, zwar hätten ohne Zweifel Vorschäden im Bereich der Wirbelsäule bestanden, die zu gegebener Zeit höchst wahrscheinlich zum gleichen Ergebnis geführt hätten. In Abweichung zur Auffassung von Dr. F. hätte die Latenz bis zum Auftreten des heutigen Beschwerdebilds hingegen nach seiner Einschätzung deutlich länger gedauert. Auch wenn es sich nach berufsgenossenschaftlicher Definition nicht um einen Unfall im Sinne des Gesetzes gehandelt habe, sollte insgesamt mindestens ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Trauma gewürdigt werden. Nachdem sich Dr. D. gesundheitlich zu einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme nicht mehr in der Lage gesehen hat, hat sein Praxisnachfolger Dr. S. an seiner Stelle nachfolgend ausgeführt, der Unfall habe zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des degenerativen Vorschadens geführt.
Die Beklagte hat im Klageverfahren eingeräumt, das plötzliche Reißen des Patienten am Arm des Klägers stelle eine äußere Gewalteinwirkung im Sinne der gesetzlichen Definition des Arbeitsunfalls dar. Dies reiche jedoch nicht aus, da neben der haftungsbegründenden Kausalität auch ein innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem äußeren Gewaltereignis und dem Körperschaden bestehen müsse. Wegen der Vorschädigungen komme dem angeschuldigten Ereignis aber lediglich die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu.
Mit Urteil vom 18.03.2010 hat das SG die Klage ausgehend von dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente abgewiesen. Soweit die Beklagte das Ausgangsgeschehen vom Ansatz her bereits nicht als "Unfall" im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) bezeichnet habe, habe sie zwar bei dieser Bezeichnung zu kurz gegriffen. Dies führe jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger eine Verletztenrente zustehe. Vielmehr sei im Ergebnis die seitens der Beklagten erfolgte Qualifizierung des Ausgangsgeschehens als so genannte "Gelegenheitsursache" nicht falsch. Dies decke sich mit den Erfahrungen, die die erkennende Kammer auf Grund langjähriger dienstlicher Befassung mit vergleichbaren "Verhebetraumata" gewonnen habe.
Gegen das ihm am 14.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.05.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei den Erfahrungen des SG handele es sich um keine justiziable Rechtsauffassung. Ohne den Unfall hätten sich seine degenerativen Vorschäden langsamer verschlimmert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts S. vom 18.03.2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2004 festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 20.11.2001 um einen Arbeitsunfall handelte.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, die Annahme einer Verschlimmerung sei Spekulation. Die degenerativen Veränderungen beim Kläger seien von überragender Bedeutung und so leicht ansprechbar gewesen, dass auch ein anderer Vorgang zu den Beschwerden geführt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2004. Darin entschied die Beklagte nur über die Frage, ob das Ereignis vom 20.11.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Eine Entscheidung über eine Verletztenrente erfolgte nicht. Der Senat teilt daher nicht die Auffassung des SG, dass die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage anzusehen und im Kern über die Bewilligung einer Verletztenrente zu entscheiden ist. Vielmehr hätte das SG das prozessuale Begehren (§ 123 SGG) des Klägers sachdienlich als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auslegen und lediglich über die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Feststellung eines Arbeitsunfalles entscheiden müssen. Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den so sachdienlichen Antrag (§ 123 SGG) gestellt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Klage auf Verurteilung der Beklagten zu Gewährung einer Verletztenrente - die im Übrigen nur als kombinierte Anfechtungs-/Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG möglich wäre - unzulässig wäre, da hinsichtlich der Bewilligung einer Verletztenrente keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vorliegt.
Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Auch der Senat sieht sich nicht in der Lage, einen solchen im Hinblick auf das Ereignis vom 20.11.2001 festzustellen.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.
Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden auf Grund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Zwar ist dem Unfallbegriff die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung (vgl. z.B. den Sägewerker, der - insoweit durchaus willentlich -nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch - unbeabsichtigt - seinen Daumen).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist ein Arbeitsunfall nicht festzustellen.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Krankenpfleger am 20.11.2001 bei der Beklagten versichert war. Das vom Kläger angeschuldigte Ereignis an diesem Tag wurde von der Beklagten hinsichtlich des äußeren Ablaufs nie in Frage gestellt. Angesichts der detaillierten Schilderungen des Klägers sieht sich auch der Senat trotz des Umstandes, dass die Unfallanzeige des Arbeitgebers erst mehrere Monate nach dem Ereignis mit einem Hinweis auf fehlende - greifbare - Augenzeugen abgegeben wurde, nicht veranlasst, die Richtigkeit der Darstellungen des Klägers zu dem konkreten Badevorgang in Zweifel zu ziehen.
Die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert an dem Umstand, dass der Senat nicht vom Vorliegen eines Gesundheitserstschadens am 20.11.2001, insbesondere im Sinne der behaupteten Schmerzzustände, ausgehen kann.
Soweit der Kläger im Klageverfahren noch behauptet hat, die bei ihm vorliegende Spondylolisthesis L4/5 sei auf das Ereignis vom 20.11.2001 zurückzuführen, liegen keine ärztliche Äußerungen vor, die diese Behauptung auch nur im Ansatz stützen. Dr. F. hat klar und überzeugend dargestellt, dass es sich bei dieser Störung um einen angeborenen Zustand handelt. Dem hat Dr. D. nicht widersprochen, vielmehr das Vorliegen von Vorschäden im Bereich der Wirbelsäule ausdrücklich bestätigt.
Der Senat hat durchgreifende Zweifel am Vortrag des Klägers, dass am 20.11.2001 als Gesundheitserstschaden Schmerzen auftraten. Zwar sind auch leichtere Beschwerden, wie Kopf- oder Muskelschmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel oder Funktionseinschränkungen z.B. auf Grund struktureller Verletzungen wie Hämatome, Schürfwunden oder Zerrungen für das Vorliegen einer für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlichen gesundheitlichen Schädigung ausreichend (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 15.03.2007, L 10 U 353/04). Jedoch steht für den Senat, obwohl. dies beruhend auf den Angaben des Klägers von den tätig gewordenen Sachverständigen jeweils ohne weitere Überprüfung zu Grunde gelegt worden ist, nicht fest, dass der Kläger am 20.11.2001 tatsächlich, so wie von ihm zuletzt mehrmals ausführlich und eindrücklich geschildert, plötzliche Schmerzen verspürte. Insoweit sind Umstände aktenkundig, die - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - gegen einen Gesundheitserstschaden sprechen. Dagegen spricht zunächst, dass Dr. O. in seinem Arztbrief über die Untersuchung des Klägers am 23.11.2001, also kurz nach dem angeschuldigten Ereignis, ausdrücklich ausführte, es habe kein Unfall vorgelegen und dementsprechend auch keine unfallspezifischen Diagnosen stellte, sondern das ihm bereits zuvor bekannte Lumbalsyndrom diagnostizierte. Gegen ein unfallbedingtes Schmerzerlebnis des Klägers im November 2001 spricht ferner, dass er bei der Vorsprache bei Dr. B. Mitte Januar 2002 zwar über - die schon seit vielen Jahren bekannten - Rückenschmerzen klagte, ihm jedoch nichts von einem Unfall berichtete. Hätte das Ereignis tatsächlich - wie vom Kläger später behauptet - zu einem Schmerz im Bereich der LWS geführt, der sich zunehmend und massiv verschlechterte, hätte es der Kläger nach Überzeugung des Senats nicht versäumt, diesen eindrücklichen und zu dauerhaften Schmerzen führenden Geschehensablauf gegenüber Dr. O. bei seiner Vorstellung am 23.11.2001 und Dr. B. im Januar 2002 darzustellen. Denn dann hätte der - medizinisch vorgebildete - Kläger von einer Akutverletzung ausgehen müssen, die - wegen der Schmerzzustände - einer dringenden Abklärung bedurft hätte. Stattdessen erwähnte der Kläger das Ereignis vom 20.11.2001 erst, nachdem er - so seine Angaben gegenüber Dr. O. - "rekapituliert" hatte. Erst nach dieser "Rekapitulation" ging der Kläger von einer erheblichen Verletzung (dauerhafte Schädigung der Nervenbahnen - so in seinem Schreiben an die Beklagte vom 25.12.2002) aus.
In diesem Zusammenhang sieht der Senat den Bericht, den Prof. Dr. D. (M. Stuttgart) über die Untersuchung des Klägers im April 2002 verfasste. Ihm teilte der Kläger mit, dass erst eine Woche nach dem Ereignis vom 20.11.2001 eine Lumboischialgie aufgetreten ist. Damit kann der Senat nicht davon ausgehen, dass es bei dem geschilderten Ereignis tatsächlich zu einer - für die Annahme eines Unfallereignisses relevanten - Schmerzsensation kam. Belegt ist nur, dass der Kläger im Nachhinein aufgetretene Schmerzen auf das Ereignis vom 20.11.2001 zurückführte. Objektive Befunde, die eine traumatische Ursache der Schmerzen bestätigen würden, liegen nicht vor. So ergaben sämtliche bildgebenden Verfahren (Röntgen, CT, MRT) ebenso wenig wie die Elektromyographie Anfang Januar 2002 Hinweise auf eine traumatische Schädigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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