L 24 KA 78/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 1 KA 136/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 78/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Abänderung des Honorarbescheides für das Quartal IV/2004. Die Vergütung soll im Ergebnis um 8.610 Euro höher festgesetzt werden. Er ist seit dem 03. Januar 2004 als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Frankfurt/Oder zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte legte der Honorierung des Klägers ab dem Quartal III/2004 § 9 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) vom 23. Juni 2004, gültig ab dem 1. Juli 2004 zugrunde. Danach galt für alle bereichseigenen Beteiligten der in Anlage 1 aufgeführten Arztgruppen, wozu auch fachärztliche Kinder- und Jugendmedizin zählen, ein fallzahlabhängiges Regelleistungsvolumen (RLV). Das kassenartenspezifische Regelleistungsvolumen einer Arztpraxis ergab sich nach § 9 Abs. 2 HVM aus der Multiplikation der kassenartenübergreifenden und arztgruppenspezifischen Grenzfallpunktzahl (GFPZ) mit der kassenarten- und arztgruppenspezifischen Grenzfallzahl (GFZ) und dem praxisindividuellen Anteil an ambulant kurativen Behandlungsfällen einer Kassenart zur Gesamtfallzahl unter Berücksichtigung des praxisindividuellen Korrekturfaktors (KF). Der praxisindividuelle Korrekturfaktor entsprach dem im Rahmen der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Honorarverteilung festgesetzten praxisindividuellen Fallzahlkorrekturfaktor. Dieser errechnete sich aus dem Verhältnis der individuellen Zahl der Behandlungsfälle zur durchschnittlichen Fallzahl (DFZ) der entsprechenden Arztgruppe. Für Praxen, deren erstes Abrechnungsquartal nach dem 30. Juni 2002 lag, wie der des Klägers, wurde der praxisindividuelle Fallzahlkorrekturfaktor wie folgt ermittelt: Sind seit dem ersten Abrechnungsquartal noch keine acht Abrechnungsquartale vergangen, wurde der Faktor mit 1 festgelegt. Im neunten Abrechnungsquartal galt der Faktor, der aus dem Verhältnis der individuellen Zahl der Behandlungsfälle gemäß Abs. 1 in den davor liegenden letzten vier Quartalen zur durchschnittlichen Fallzahl (DFZ) der Arztgruppe gemäß Anlage 1 resultierte. Bei der Arztgruppe des Klägers betrug die durchschnittliche Fallzahl 850 (Anlage 1 HVM). Die angeforderten dem fallzahlabhängigen Regelleistungsvolumen unterliegenden Punktzahlen wurden maximal bis zu dem ermittelten individuellen Punktzahlgrenzvolumen gemäß § 8 Abs. 7 HVM mindestens mit einem Punktwert von 0,041 EUR vergütet. Das Restpunktzahlvolumen, die Differenz zwischen abgerechnetem und anerkanntem Punktzahlvolumen und kassenarten- und arztgruppenspezifischem Punktzahlgrenzvolumen wurde gemäß § 12 Abs. 2 HVM mit dem sich als Quotient aus noch zur Verfügung stehenden Mitteln und dem Restzahlpunktvolumen ergebenden floatenden Punktwert vergütet. Dem Kläger war durch Übernahme einer anderen Praxis der Korrekturfaktor 1,5 zuerkannt worden. Im IV. Quartal 2004 forderte er für 1.114 Fälle 1.574.690 Punkte an, die unter das Regelleistungsvolumen des § 9 HVM fielen. Mit Honorarbescheid vom 28. April 2005 wurde ihm insgesamt ein Honorar in Höhe von 57.646,41 gewährt. Dem lagen folgende Werte zugrunde:

Primärkassen Ersatzkassen GFZ 600 770 Fälle nach § 9 HVM 463 651 Individuelle GFZ Angepasste ind. GFZ 250 375 450 675 Punktzahlgrenzwert 315.000 567.000 Abgerechnet vom Kläger 633.720 940.970 Vergütet nach § 8 Abs. 7 bzw. 7 Abs.4 HVM 315.000 567.000 Vergütet nach § 12 Abs. 2 318.720 373.970 Fallzahlabhängiger Abstaffelungsfaktor 49,71 60,26

Gegen diesen Honorarbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Aufgrund seiner komplexen Qualifikation sei er mit keiner anderen Kinderarztpraxis vergleichbar. Des Weiteren sei er eine überdurchschnittlich frequentierte Hausarztpraxis. Durch die von ihm angebotenen Spezialleistungen habe er viele Patienten mit komplexen Beschwerden. In der Gegend sei er der einzige Kinderarzt, der kinderkardiologische Leistungen erbringe. Das Grenzfallpunktzahlvolumen sei daher zu erhöhen. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2005 erhöhte die Beklagte die Grenzfallpunktzahl (GFPZ) für zwei Quartale auf 862, woraus sich eine Nachzahlung in Höhe von 1.004,73 EUR ergab. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Erhöhung des Korrekturfaktors scheide aus, da im Durchschnitt der vier Quartale in 2004 keine tatsächliche Überschreitung festzustellen sei. Die Erhöhung der Grenzfallpunktzahl ergebe sich durch die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nach § 11 HVM. Die kardiologischen Leistungen seien als Spezialisierung anzusehen, da diese beim Kläger 5,85 % am Gesamtleistungsbedarf darstellten (im Verhältnis zur Arztgruppe nur 0,3 %). Es ergebe sich aus der Überschreitung der individuellen Fallpunktzahl eine Erhöhung um 22 Punkte pro Fall. Eine weitergehende Erhöhung sei nicht möglich. Hiergegen hat sich die am 30. November 2005 vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhobene Klage gerichtet. Unter Berücksichtigung seiner Praxisbesonderheiten sei die von der Beklagten gewährte Erhöhung von 22 Punkten zu wenig. Kinderärzte mit dem Schwerpunkt Kardiologie hätten eine GFPZ von 3.190, der Kläger hingegen nur 862. Es sei eine Erhöhung auf mindestens 962 notwendig. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der GFPZ sei sachfremd, da die Praxisbesonderheiten nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden seien. Die Berechnung müsste wie folgt durchgeführt werden: 3.190 (GFPZ Kardiologen) x 5,2:100 + 840 (GFPZ Kind) x 94,8: 100 = 962,2 (GFPZ Kläger). Bei den kinderkardiologischen Leistungen sei nicht nur die kardiologische Leistung, sondern der kardiologische Fall zu berücksichtigen, was dann mehr als 5,2 % des Gesamtleistungsvolumens ergebe. Seine weiteren Praxisbesonderheiten wie Blasenpunktionen, Pricktests, Hyposensibilisierung, Sonografie, EKGs, die in der Summe auch über 5 % lägen, seien zu berücksichtigen und führten zu einer weiteren Erhöhung der GFPZ. Die Beklagte hat vorgebracht, ihre Berechnungsweise sei nicht zu beanstanden, da bei Zugrundelegung der Zahlen für die Kinderkardiologen auch deren Fallzahl von 1.200 zu berücksichtigen wäre, was bei dem Kläger einen Korrekturfaktor von 1,0 zur Folge gehabt hätte. Der Kläger trage keine Schwerpunktbezeichnung Kardiologie, so dass er den Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin zuzuordnen sei. Die Grenzfallpunktzahl enthalte bereits einzelne Spezialisierungen, so dass die im Übrigen von ihm geltend gemachten Sonderleistungen nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden könnten, da ihr Anteil unter 5 % liege.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2008 abgewiesen. Der angefochtene Honorarbescheid für das Quartal IV/2004 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für den klägerischen Anspruch auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars sei § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Danach habe jeder Vertragsarzt Anspruch auf Teilhabe an der Gesamtvergütung entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm vertragsärztlich erbrachten abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe (nur) der Verteilungsregelungen im HVM. Die von der Beklagten angewandten Regelungen des HVM verstießen nicht gegen das Gebot leistungsproportionaler Honorarverteilung. Eine Einschränkung dieses Gebotes sei nämlich zulässig, wenn die kassenärztliche Vereinigung billigenswerte Zwecke verfolge, die aus ihrer Sicht zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in ihrem Bereich, oder aus Regelungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) zur Honorarverteilung oder aus den zur Umsetzung des EBM getroffenen Vereinbarungen ergeben könnten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen dürften nach § 85 Abs. 4 SGB V Regelungen treffen, um ihrem Sicherstellungsauftrag gerecht zu werden. Bereits § 85 Abs. 4 S. 6 und 7 SGB V sähen vor, dass in den Verteilungsmaßstäben insbesondere geregelt werden könne, dass die von einem Vertragsarzt erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Umfang, dem Regelleistungsvolumen, nach festen Punktwerten vergütet würden. Übersteige das Leistungsvolumen eines Vertragsarztes das Regelleistungsvolumen seiner Arztgruppe, könne der Punktwert für die Vergütung der das Regelleistungsvolumen übersteigenden Leistungen abgestaffelt werden. Die Zulässigkeit der Festsetzung eines festen Punktwertes für das Regelleistungsvolumen sei bereits durch das Bundessozialgericht (BSG) für zulässig erachtet worden, hier konkret § 8 Abs. 7 HVM mit 0,041 Euro (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 03.12.1997 – 5 RKa 21/97). Denn die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung sei budgetiert und könne somit auch nur begrenzt weitergegeben werden. Auch die Festsetzung kassenartenspezifischer Punktzahlgrenzvolumen überschreite die Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Honorarverteilung nicht. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei gewahrt. Denn es bestehe kein Anspruch auf einen kassenartenübergreifenden Honorarausgleich, wenn ein HVM eine Punktwertdifferenz zwischen Primär- und Ersatzkassen regele (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25.08.1999 – B 6 KA 58/98 R - ). Die Beklagte begrenze also in zulässiger Weise das der jeweiligen Kassenart zuzuordnende Punktzahlvolumen.

Die Festlegung eines Regelleistungsvolumens, welches mit einem festen Punktwert vergütet werde, erlaube dem Vertragsarzt, bereits am Beginn eines Quartals sein Honorar abschätzen zu können. Dass der weitere Honoraranteil auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 HVM, nicht garantiert werde, vielmehr schwanke (floatender Punktwert) und sogar 0 Cent betragen könne, müsse in Kauf genommen werde. Die spezifisch vertragsärztlichen Honorarbegrenzungen – Eingriff in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) – fänden in §§ 72 Abs. 2 und 85 Abs. 3 SGB V ihre Rechtfertigung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 20. Dezember 2004 – B 6 KA 31/03 R). Auch der hier zugrunde liegende HVM werde den Anforderungen des § 85 Abs. 4 SGB V – Orientierung der Honorierung an Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte, Entgegenwirken einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit, gleichmäßige Verteilung der Honorierung auf das gesamte Jahr, Erreichen einer Punktwertstabilität und Kalkulationssicherheit - gerecht, da er neben der Festlegung eines Regelleistungsvolumens Steigerungsmöglichkeiten enthalte, insbesondere hinsichtlich der variablen Bestandteile der Berechnung des individuellen Regelleistungsvolumens.

Nach § 11 Abs. 1 HVM könne der Vorstand der Beklagten auf Antrag Abweichungen bezüglich der Honorarbegrenzung festlegen, sofern Überschreitungen vorlägen, die auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen seien. Sonstige Überschreitungen, die nicht auf anerkannte Praxisbesonderheiten gemäß § 11 Abs. 1 HVM zurückzuführen seien, erhöhten das Punktzahlvolumen nicht, § 11 Abs. 2 HVM. Die einzelnen Voraussetzungen seien in der Richtlinie zur Auslegung des HVM vom 23. Juni 2004 (RiLi HVM) geregelt. Dem Kläger sei bereits ab dem I. Quartal 2004 nach Buchstabe D 1.2 RiLi HVM der Korrekturfaktor 1,5 zuerkannt worden. Eine weitere Anhebung des Korrekturfaktors nach Buchstabe c Nr. 1 RiLi HVM sowie nach Buchstabe d Nr. 2 und 3 RiLi HVM habe die Beklagte zu Recht abgelehnt (Verweisung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid § 136 Abs. 3 SGG). Nach Buchstabe d Nr. 4 RiLi HVM sei aufgrund von Praxisbesonderheiten eine Anhebung der Grenzfallpunktzahl (GFPZ) möglich.

Die von der Beklagten im Widerspruchsverfahren vorgenommene Erhöhung nach Buchstabe d Nr. 4 RiLi HVM von (nur) 22 Punkten pro Fall, somit hier für 1114 Fälle, sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe zu Recht berücksichtigt, dass die von dem Kläger erbrachten kardiologischen Leistungen als besonderes Leistungsspektrum und damit als Praxisbesonderheit anzuerkennen sei, da ihr Anteil 5,85 Prozent am Gesamtleistungsbedarf betrüge. Die vergleichbare Arztgruppe habe nur einen Anteil von 0,3 Prozent. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei jedoch der Anteil kardiologischer Leistungen auf die EBM-Abrechnungsziffern für kardiologische Leistungen zu reduzieren. Die auch bei einem kardiologischen Patienten "normal" zu bringenden Leistungen seien nicht als besonderes Leistungsspektrum anzuerkennen. Solche Leistungen erbringe jeder Arzt seiner Arztgruppe. Von 1114 abgerechneten Fällen seien nur bei ca. 70 kardiologische Leistungen abgerechnet worden. Dies sei nach Ansicht der Kammer im Verhältnis zur Gesamtzahl ein minimaler Anteil, dem die Erhöhung der GFPZ um 22 Punkte für jeden abgerechneten Fall ausreichend gerecht werde. Nach der vom Kläger begehrten Berücksichtigung hätten nur diese 70 abgerechneten Fälle einer Erhöhung der GFPZ erfahren dürfen. Eine derartige Differenzierung sehe der HVM jedoch nicht vor. Sie würde im Ergebnis dazu führen, dass jeder Arzt jede Leistung individuell abrechnen könne und je nach der Art der Leistung vergütet erhalte. Die bereits durch das Gesetz vorgesehene Bildung von Arztgruppen erübrigte sich.

Die Beklagte habe auch zu Recht weitere Praxisbesonderheiten nicht angenommen. Die besonderen Leistungen wie Blasenpunktionen, Pricktests, Sonografien und anderes seien weder einzeln noch summiert als solche anzuerkennen. Einzeln liege ihr Anteil am Gesamtleistungsbedarf unter 5 Prozent. Eine Summierung sei zutreffend abgelehnt worden, denn es handele sich um verschiedene Leistungsangebote, die nur jeder für sich im Verhältnis zum Gesamtleistungsbedarf eine Besonderheit bedeuteten, jedoch nicht in ihrer Summierung. Der Kläger sei gerade nicht Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie, sondern "normaler" Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Dass er darüber hinaus ein breites Spektrum einzelner Leistungen anbiete, sei seine individuelle Entscheidung. Er habe jedoch keinen Anspruch darauf, diese Angebote als Praxisbesonderheit anerkannt zu bekommen.

Ausgangspunkt für die Berechnung einer erhöhten GFPZ seien die Werte für Fachärzte für Kinderheilkunde und nicht die für solche mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie. Die vom Kläger begehrte Erhöhung der GFPZ auf 962 pro Fall spiegle nach Ansicht der Kammer nicht in entsprechendem Maße den Anteil seines besonderen Leistungsspektrums wieder. Eine Berechnung auf der Grundlage der GFPZ der Fachärzte für Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie führte zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des Klägers sowohl gegenüber seiner Arztgruppe als auch gegenüber allen anderen unter § 9 HVM fallenden Vertragsärzten.

Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, aufgrund seines breiten Leistungsspektrums nicht kostendeckend arbeiten zu können. Nach der Rechtsprechung des BSG hänge die Kostendeckung von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen einige von den Vertragsärzten selbst beeinflusst werden könnten, wie die Kostenstruktur, der Standort der Praxis, die Qualität des Dienstleistungsangebotes, der Umfang und die Spezialisierung der Tätigkeit und anderes. Dem Zuschnitt der vertragsärztlichen Vergütung liege jedoch eine Mischkalkulation zugrunde. Somit trage das Risiko einer Spezialisierung der Vertragsarzt selbst. Es könne durchaus Leistungen geben, bei denen selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis kein Gewinn zu erzielen sei. Entscheidend sei, dass der Vertragsarzt einen Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung insgesamt habe, der in der Regel dazu führe, dass das aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen Ärzten einen hinreichenden Anreiz biete, an der vertragsärztlichen Versorgung mitzuwirken (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 14.03.2001 – B 6 KA 54/00 R). Diesen Anforderungen werde der HVM der Beklagten gerecht. Er biete dem Kläger bei einer individuellen Fallpunktzahl von 1413,54 und einem Fallwert von 52,65 Euro einen ausreichenden Anreiz, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das SG habe fehlerhaft eine Summierung der Praxisbesonderheiten abgelehnt. Es gäbe keine Rechtsgrundlage, wonach jede einzelne besondere Leistung einen Anteil am Gesamtleistungsbedarf von über 5 Prozent ergeben müsse. Vielmehr sei die Summe der Einzelbesonderheiten selbst insgesamt eine Praxisbesonderheit. So werde im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen verfahren. Die Beklagte habe deshalb fehlerhaft das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt.

Weiter habe das SG die im Widerspruchsverfahren vorgenommene Erhöhung von nur 22 Punkten pro Fall als ausreichend angesehen. Fehlerhaft sei es, den Anteil kardiologischer Leistungen im gesamten Leistungsbedarf auf EBM-Abrechnungsziffern für kardiologische Leistungen zu reduzieren und die bei einem kardiologischen Patienten normal zu bringenden Leistungen nicht als besonderes Leistungsspektrum anzuerkennen. Vielmehr hätten die einzelnen kardiologischen Fälle als ganzes Berücksichtigung finden müssen. Zu Unrecht habe die Beklagte als Ausgang ihrer Berechnung nur die Differenz zwischen den durchschnittlichen Fallpunktzahlen des Klägers in den Quartalen I bis IV/2004 (1262 Punkte) und dem der Arztgruppe (840 Punkte), also 422 als Grundlage genommen. So werde der hohen Differenz zwischen der Grenzfallpunktzahl der Fachärzte für Kinderheilkunde (840 Punkte) mit denen der Fachärzte für Kinderheilkunde mit Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie (3190 Punkte) nicht ausreichend Rechnung getragen. Hier hätte die Grenzfallpunktzahl auf 962 (statt 862) erhöht werden müssen. Auch hätte die reinen Echokardiografieleistungen insgesamt 9,9 Prozent des Gesamtleistungsanteiles betragen. Ferner seien die Leistungen für Abdomensonografie, Schilddrüsensonografie sowie Hüftsonografie als Praxisbesonderheiten zu werten. Diese würden vom Kläger in überdurchschnittlich großem Umfang bei Überweisungspatienten durchgeführt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Juli 2008 die Beklagte zu verpflichten, den Honorarbescheid für das Quartal IV/2004 vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. November 2005 abzuändern und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu über den Honoraranspruch für das Quartal IV/2004 zu entscheiden, soweit nicht bereits durch den Widerspruchsbescheid vom 09. November 2005 eine Anpassung vorgenommen wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des SG und wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Die vom Kläger in die Anteilsermittlung der kardiologischen bzw. sonografischen Untersuchungen einbezogenen Leistungen der Gebührennummern 1, 10, 60 und 75 EBM gehörten zu den Grundleistungen einer jeden Vertragsarztpraxis, unabhängig vom Vorliegen einer Spezialisierung. Sie könnten nicht in den Leistungsbedarf des spezialisierten Leistungsspektrums einbezogen werden. Zudem handele es sich bei der Nr. 10 EBM um das therapeutisch hausärztliche Gespräch. Diese Leistung stelle eine typische hausärztliche Leistung dar, welche ausschließlich dem hausärztlichen Versorgungsbereich zuzuordnen sei.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat macht sich dessen Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das SG hat zutreffend die Rechtmäßigkeit des zugrunde gelegten HVM angenommen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des hiesigen Senates (vgl. Urteil vom 21. April 2010 – L 24 KA 72/08). Das BSG hat bereits mit Urteil vom 07. Februar 1996 6 RKa 21/95, juris Rdnr. 17) festgestellt, dass der Sicherstellungsauftrag dem einzelnen Kassenvertragsarzt kein Recht auf ein bestimmtes, als angemessen bewertetes Honorar für die einzelne Leistung oder für die ärztliche Tätigkeit insgesamt gebe. Eine Ausnahme hiervon sei allenfalls für den Fall denkbar, dass durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das kassenärztliche Versorgungssystem als Ganzes und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet werde. Dass der Kläger seine Kinderarztpraxis nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll betreiben kann bzw. im maßgeblichen Zeitraum nicht konnte, hat er zur Überzeugung des Senats nicht dargelegt. Er hält lediglich die Vergütung für unangemessen gering.

Die einschlägige Vorschrift zu § 11 HVM der Durchführungsrichtlinie ist bedenkenfrei.

Nach Buchstabe D Nr. 4 RiLi HVM ist aufgrund von Praxisbesonderheiten eine Anhebung der Grenzfallpunktzahl (GFPZ) möglich. Einem Antrag auf Anhebung der GFPZ zur Anerkennung eines besonderen Leistungsspektrums wird entsprochen, wenn - die FPZ im Durchschnitt der letzten vier Quartale mindestens 15 % über dem Wert der GFPZ lag und - das RLV (PK und EK) um mindestens 15 % im Quartal des Widerspruchs überschritten wur- de und - der Anteil spezialisierter im RLV enthaltener Leistungen, gemessen am HVM-relevanten Gesamtleistungsbedarf größer als 5 % und im Vergleich zum Durchschnitt der Arztgruppe größer als 50 % (Richtwert) ist, und zwar in Höhe der sich aus dem Produkt der Überschrei- tung der individuellen Fallpunktzahl zur Grenzfallpunktzahl und dem Leistungsbedarfsanteil der als Besonderheit anerkannten Leistungen ergebenden Punkte, maximal in Höhe des 1‚5-fachen der Arztgruppe.

Der Senat hat bereits entschieden, dass "Praxisbesonderheiten", welche ein Abweichen von der Normalvergütung nach dem Fallzahl abhängigen Regelleistungsvolumen ermöglichen (hier nach § 11 HVM 2004) nur vorliegen, wenn die Besonderheit zumindest 5 Prozent der abrechenbaren Leistungen ausmacht (vgl. Urteil des Senats vom 21.04.2010 – L 24 KA 7/04-25 entschieden noch zu Praxis- und Zusatzbudgets gemäß Nr. 4.3 der allgemeinen Bestimmungen A 1. Teil b EBM in der bis 30. Juni 2003 geltenden Fassung: 5% bis 8% reicht zur Feststellung eines "besonderen Versorgungsbedarfs nicht aus). Ganz allgemein kann nämlich für die Frage, wann eine Spezialisierung vorliegt, in im Rahmen des Regelleistungsvolumens die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung begründet, an die Rechtsprechung des BSG zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden (so zutreffend weitgehend wörtlich Hessisches LSG, Urteil vom 17. März 2010 – L 4 KA 28/08 juris Rdnr. 46 zu dem Begriff der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets nach dem EBM-Ä 1997 unter Bezugnahme auf BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31 und SozR 4-2500 § 87 Nr. 12). Ein besonderer Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebietes setzt also eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung voraus, gegenüber derjenigen, für die der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Indizien für eine entsprechende Spezialisierung sind ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Letzteres kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn die speziellen Leistungen für sich alleine weniger als 5 Prozent der Gesamtleistungen ausmachen, auch wenn diese summiert 5 Prozent übersteigen. Das Anbieten vieler ungewöhnlicher Leistungen ist keine Spezialisierung. U. a. die reinen Sonografieleistungen –und nicht die allgemeinen EBM-Ziffern im Zusammenhang- und Allergietests, welche der Kläger im Quartal durchgeführt hat, lösten als solche die Verpflichtung zur Ermessensprüfung nach Maßgabe des § 11 HVM durch die Beklagte demnach nicht aus.

Das SG hat weiter zutreffend keine Ermessensfehler festgestellt, welche zur Aufhebung des angegriffenen Honorarbescheides in der Fassung des Widerspruchsbescheides zwängen.

Ob ein anderes Ergebnis der Ermessensausübung, welche dem Kläger ein höheres Honorar zugebilligt hätte, möglich gewesen wäre, ist nicht zu entscheiden: Nach 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Kläger bei einem Fall wie hier, bei welchem die Behörde ermächtigt ist, nach Ermessen zu handeln nur beschwert, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Praxisbesonderheit kardiologischer Leistungen angemessen Rechnung getragen wurde. Der Kläger verkennt nach wie vor, dass unter der Prämisse eines Regelleistungsvolumens die Zahl der erbrachten besonderen Leistungen (hier: kardiologische) vom Grundsatz her nicht zu einer Honorarerhöhung führt. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie muss weitaus höhere Fallzahlen erreichen, um den Durchschnittswert des Regelleistungsvolumens zu erreichen. Es erscheint deshalb nicht sachwidrig, als Anknüpfungspunkt lediglich die Differenz der vom Kläger erzielten durchschnittlichen Fallzahlen im Jahr 2004 zu den Normalfallzahlen der Kinder- und Jugendärzte zu nehmen. Dies führt (immerhin) zu dem vom SG dargestellten Effekt, dass die Punktwerterhöhung für jeden abgerechneten Fall angewendet wird, nicht nur für die kardiologisch behandelten Patienten. Dass der Honorarzuwachs aus Sicht des Klägers im Ergebnis zu mager ausfällt, ändert hieran nicht.

Das SG hat schließlich ausführlich und zutreffend dargelegt, weshalb die Beklagte die ihr Ermessen lenkende Richtlinie zur Auslegung des Honorarverteilungsmaßstabes ansonsten richtig angewendet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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