L 3 AS 3757/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AS 1275/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3757/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung und Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II [Alg II]) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen einer Einkommensteuerrückerstattung streitig.

Die 1967 geborene Klägerin bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe und vom 01.01.2005 bis 30.04.2006 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.11.2005 bewilligte ihr die Beklagte für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 Alg II in Höhe von monatlich 628,06 EUR.

Am 24.04.2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie habe am 31.03.2006 eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 935,36 EUR erhalten.

Mit Bescheid vom 27.04.2006 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II vom 01.03.2006 bis 30.04.2006 in Höhe von 935,36 EUR teilweise auf und setzte die Erstattung dieses Betrages gemäß § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fest. Zur Begründung führte sie aus, die Einkommensteuerrückerstattung werde als Einkommen auf das Alg II in den Monaten März und April 2006 jeweils zur Hälfte angerechnet.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2007 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2007 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Vor dem SG schlossen die Beteiligten am 08.06.2007 einen Vergleich, nach dessen Ziffer 1 die Beklagte die Aufhebung und Erstattung der Leistungen nach dem SGB II für die Monate März und April 2006 um jeweils 30 EUR reduzierte.

Mit Urteil vom 27.06.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Aufhebung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Einkommensteuererstattung sei weder in § 11 und § 12 SGB II noch in der Arbeitslosengeld II - Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) erwähnt und zähle daher nicht zu den Einnahmen, die nach diesen Vorschriften nicht als Einkommen zu berücksichtigen oder vom Einkommen abzusetzen seien. Die Einkommensteuererstattung stelle auch kein Vermögen dar, sondern sei eine Einnahme in Geld und damit zu berücksichtigendes Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Durch die Steuererstattung sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides am 23.11.2005 eingetreten. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V seien einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zugeflossen seien. Die Beklagte habe danach die Steuererstattung bereits bei den Leistungen für März 2006 berücksichtigen dürfen. Auch sei die weitere Entscheidung der Beklagten, die Steuererstattung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg-V auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen, nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es rechtsfehlerfrei, dass die Beklagte die Anrechnung auf die letzten beiden Leistungsmonate März und April 2006 verteilt habe, da die Klägerin ab Mai 2006 keine weiteren Leistungen bezogen habe. Nachdem Berücksichtigung eines Freibetrags von monatlich 30 EUR sei die Klägerin gem. § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 875,36 EUR zu erstatten.

Gegen das am 30.06.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.07.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts Leipzig und des Sozialgerichts Stuttgart sowie nach in der Literatur vertretener Auffassung sei eine Steuererstattung nicht als Einkommen, sondern als Vermögen zu berücksichtigen. Es seien deshalb auch die für das Vermögen geltenden Freibeträge absetzbar. Bei einer Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung als Einkommen sei diese zumindest gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V erst ab dem Monat April 2006 zu berücksichtigen und gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V lediglich in Höhe eines Zwölftels pro Monat.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden sowie dem gerichtlichen Vergleich vom 08.06.2007 zu Recht die Einkommensteuererstattung ab dem Monat des Zuflusses als Einkommen angerechnet, einen Absetzbetrag von monatlich 30 EUR gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V berücksichtigt und den Erstattungsbetrag auf zwei Monate verteilt. Hierzu wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

1. Das BSG hat inzwischen mehrmals entschieden, dass eine während des Leistungsbezugs zugeflossene Steuererstattung als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht als Vermögen anzusehen ist und hierdurch weder Artikel 14 Grundgesetz (GG) noch Artikel 3 Abs. 1 GG verletzt werden. (BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - SGB 2009, 714; Urteil vom 30.07. 2008 - B 14 AS 26/07 R; Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 15). Das BSG hat hierbei ausgeführt, vom Anknüpfungspunkt des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen sei auch bei der Steuererstattung auszugehen. Es handele sich nicht um bereits erlangte Einkünfte, mit denen Vermögen angespart worden sei. Hiervon sei auch nicht deswegen abzuweichen, weil es sich um einen Geldzufluss handele, dessen zugrunde liegende Forderung zu einem früheren Zeitpunkt fällig geworden wäre, wenn der Erstattungsberechtigte eine andere steuerliche Disposition getroffen hätte. Denn grundsätzlich sei im Falle der Erfüllung einer Forderung bei wertender Betrachtung allein auf die letztlich in Geldeswert erzielten Einkünfte abzustellen und nicht auf das Schicksal der Forderung.

Das BSG hat weiter ausgeführt, eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme bleibe rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungszeitraum hinaus zu berücksichtigendes Einkommen und werde deshalb nicht in dem dem Monat des Zuflusses folgenden Monat zu Vermögen. Die rechtliche Wirkung des "Zufallsprinzips" erstrecke sich deshalb über den "Verteilzeitraum". Dem schließt sich der Senat an.

2. Die Beklagte hat mit der angefochtenen Entscheidung auch den Verteilzeitraum zutreffend festgelegt. Nach welchen Regeln die Anrechnung im Einzelnen zu erfolgen hat, richtet sich nach § 2 Alg II-V in der für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt geltenden Fassung. Die vorliegend einschlägige Fassung von § 2 Alg II-V ist durch die erste Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl. I 2499) mit Wirkung vom 01.10.2005 eingeführt worden. Nach § 2 Abs. 3 Alg II V sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend von Satz 1 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.

Nach der nichtamtlichen Begründung der Änderung der Verordnung sollte mit der Neufassung vor allem eine Minimierung des Verwaltungsaufwandes, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit der freiwilligen Weiterversicherung bei vollständigem Wegfall der Leistungen nach dem SGB II erreicht werden. Durch § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V soll damit eine längere Erstreckung des Berücksichtigungszeitraumes erreicht werden, um bei einem dann niedrigeren monatlichen Berücksichtigungsbetrag die Versicherungspflicht durch den Weiterbezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten. Der Verteilzeitraum beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Zuflusses der einmaligen Einnahme und erfasst zunächst den gesamten Bewilligungszeitraum (BSG, Urteil vom 30.09.2008).

a) Der Verteilzeitraum beginnt danach gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V bereits mit dem Monat März 2006, da der Klägerin die Steuerrückerstattung im März zugeflossen ist. Da die Klägerin die Leistung für den Monat März 2006 im Zeitpunkt des Zuflusses der Steuerrückerstattung bereits erhalten hatte, wäre zwar gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V auch eine Berücksichtigung der Einnahmen erst ab dem Folgemonat zulässig gewesen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Option, die der Grundsicherungsträger wählen kann, jedoch nicht muss (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.02.2007 - L 13 AS 61187/06 ER-B; Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 11 Rn. 19e). Die Ausgestaltung von § 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V als Sollvorschrift stellt zudem klar, dass die Verwaltung nur in begründeten Einzelfällen vom dem regelhaft vorgesehenen Anrechnungsmodus abweichen kann, wenn die Berücksichtigung als Einkommen eine besondere Härte für den Hilfebedürftigen bedeuten würde (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand II/2010, § 13 Rn. 88). Eine solche besondere Härte liegt jedenfalls nicht darin, dass eine Zahlung auf eine zuvor begründete Forderung erst im Bedarfszeitraum zugeflossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 47/08 R - in juris, Rn. 27 zum Zufluss einer Abfindung).

b) Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Verteilung der einmaligen Einnahme auf einen längeren Verteilzeitraum. Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V sind die einmaligen Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass zwingend eine Verteilung auf 12 Monate vorzunehmen wäre, wie von der Klägerin vorgetragen. Zu berücksichtigen war lediglich, dass in jedem Monat, für den Leistungen bewilligt waren, zumindest noch ein Teilanspruch bestanden hat und deshalb der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz gewährleistet war. Diese Vorgabe hat die Beklagte berücksichtigt. Nach dem Zweck der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V war es deshalb nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Einmalzahlung bei der Leistungsgewährung für den noch verbleibenden Bewilligungszeitraum, somit für die Monate März und April 2006, vollständig berücksichtigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 49/08 R - in juris, Rn. 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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