L 10 U 5086/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2339/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5086/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.08.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente.

Der im Jahr 1949 geborene Kläger - Raucher - war über Jahrzehnte als Steinspalter in einem Natursteinwerk beschäftigt. Infolge dieser Tätigkeit leidet er an einer als Berufskrankheit nach Nr. 4101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannten Silikose (Quarzstaublungenerkrankung). Zum 30.11.2007 gab der Kläger die Tätigkeit als Steinspalter auf. Die Beklagte gewährte ihm Übergangsleistungen. Die Silikose des Klägers wird von einer Asthmakomponente begleitet.

Im November 2008 beantragte der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte wertete das Gutachten, das Prof. Dr. M.-Q. (Ärztlicher Direktor der Pneumologie des Universitätsklinikums F. ) auf Grund einer Untersuchung des Klägers im Januar 2008 erstellte, sowie Untersuchungsbefunde des behandelnden Pneumologen Dr. W. (O. Klinikum O.-G. ) vom Februar und März 2008 (Arztbrief vom März 2008, Blatt 208 Verwaltungsakte) aus. Prof. Dr. M.-Q. bewertete die Asthmakomponente als chronisch obstruktive Bronchitis, die trotz des langjährigen Nikotinkonsums zumindest im Sinne einer wesentlichen Teilursache auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Von einer Einschränkung der Lungenfunktion in einem rentenberechtigenden Ausmaß ging er nicht aus. Dr. W. äußerte bei fehlendem Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung in der basalen Lungenfunktion lediglich einen Verdacht auf ein Asthma bronchiale. Mit Bescheid vom 03.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Sie führte u.a. aus, die ventilatorische Lungenfunktion sei im Januar 2008 nicht wesentlich eingeschränkt und eine Obstruktion im Februar und März 2008 nicht nachweisbar gewesen. Der Verdacht auf ein Asthma bronchiale und die Folgen eines Nikotinabusus stünden nicht mit der beruflichen Beschäftigung im ursächlichen Zusammenhang.

Deswegen hat der Kläger am 08.05.2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat auf seinen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das von Dr. W. auf Grund einer Untersuchung im August 2009 erstellte Gutachten sowie wegen weiterer Nachfragen des Klägers drei ergänzende Stellungnahmen von Dr. W. eingeholt. Ferner hat es auf Wunsch des Klägers Dr. W. mündlich vernommen. Dieser hat die Asthmakomponente wegen im Verlauf variabler Grade der Atemwegsobstruktion und der Lungenüberblähung als Asthma bronchiale bewertet und insoweit einen beruflichen Zusammenhang ausgeschlossen. Eine Einschränkung der Lungenfunktion im rentenberechtigenden Umfang hat er nicht gesehen. Mit Urteil vom 26.08.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Übereinstimmend seien Prof. Dr. M.-Q. und Dr. W. zu der Auffassung gelangt, dass die sich aus der Berufskrankheit ergebenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit noch nicht so wesentlich seien, um eine die Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Maße bedingende Minderung zu begründen. Dr. W. habe weder im Rahmen der Untersuchung zur Erstellung des Sachverständigengutachtens noch bei seinen Voruntersuchungen deutlich eingeschränkte Funktionsparameter der Lungen feststellen können. Zwar habe Prof. Dr. M.-Q. gegenüber den von Dr. W. erhobenen Vorbefunden eine deutliche Verschlechterung beschrieben, diese jedoch nicht für so wesentlich bewertet, dass von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. ausgegangen werden könnte.

Gegen das ihm am 25.10.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.11.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, auf Grund der Widersprüche zwischen dem Gutachten von Prof. Dr. M.-Q. und Dr. W. sei nach § 412 Zivilprozessordnung (ZPO) ein erneutes Gutachten einzuholen. Prof. Dr. M.-Q. habe im Unterschied zu Dr. W. deutlich eingeschränkte Lungenfunktionsparameter, eine deutliche Lungenüberblähung und eine beginnende Diffusionsstörung beschrieben. Vor einer abschließenden Entscheidung über die MdE seien die medizinischen Befunde widerspruchsfrei aufzuklären.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.08.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2009 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren,

hilfsweise ein Obergutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte erachtet das Urteil des SG für zutreffend und sieht angesichts der übereinstimmenden gutachtlichen MdE-Bewertungen keine Veranlassung, eine weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts vorzunehmen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 03.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009. In diesen Bescheiden wurde von der Beklagten allein über das Bestehen eines Rentenanspruchs entschieden. Statthafte Klageart ist mithin allein die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG. Der Senat entscheidet somit nur darüber, ob unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide und des Urteils eine Verletztenrente zu gewähren ist, d.h. hier, ob in Folge der anerkannten Berufskrankheit von einer MdE im rentenberechtigenden Umfang auszugehen ist. Etwas anderes hat der Kläger auch nicht beantragt.

Das SG hat unter Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlage (§ 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) zutreffend entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine Verletztenrente zusteht, da seine Lungenfunktion nach den insoweit übereinstimmenden Einschätzungen des Gutachters Prof. Dr. M.-Q. und des Sachverständigen Dr. W. nicht so wesentlich eingeschränkt ist, dass von einer MdE um 20 v.H. ausgegangen werden könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass die von Prof. Dr. M.-Q. im Januar 2008 erhobenen Lungenfunktionsbefunde zwar eine Verschlechterung gegenüber den von Dr. W. im Jahr 2007 beschriebenen Vorbefunden dokumentieren. Wie sich aus den später von Dr. W. unter anderem im August 2009 erhobenen Befunden ergibt, war die Verschlechterung jedoch nicht von dauerhafter Natur. Für die unterschiedlichen Befunde hat Dr. W. in der Stellungnahme vom November 2009 eine nachvollziehbare Erklärung abgegeben. Die wechselnden Befunde weisen darauf hin, dass beim Kläger entgegen der Annahme von Prof. Dr. M.-Q. keine chronische Bronchitis, sondern - so Dr. W. - ein Asthma bronchiale, das durch eine variable und reversible Atemwegsobstruktion gekennzeichnet ist, vorliegt. Zu einer abschließenden Klärung der diagnostischen Zuordnung der Asthmakomponente sieht sich der Senat nicht veranlasst. Denn - wie vom SG zu Recht ausgeführt - gelangte selbst Prof. Dr. M.-Q. unter Zugrundelegung der von ihm erhobenen - schlechtesten - Lungenfunktionswerte und unter ausdrücklicher Einbeziehung der Astmakomponente als ebenfalls wesentlich teilweise beruflich bedingt zu der Einschätzung, dass eine MdE im rentenberechtigenden Umfang nicht vorliegt.

Weiteres ist nicht aufzuklären, insbesondere ist kein weiteres Gutachten einzuholen. Angesichts des oben dargestellten Streitgegenstands ist nur über die Frage zu entscheiden, ob beim Kläger eine rentenrelevante MdE vorliegt. Die der MdE zu Grunde liegenden Befunde und Diagnosen sind insoweit nur Begründungselemente, die bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht gemäß § 141 SGG in Rechtskraft erwachsen. Wenn aber zwei Begründungsalternativen letztendlich zum gleichen maßgeblichen Ergebnis führen, besteht kein Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung. Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung von Sachverständigengutachten durch ein "Obergutachten" sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 14 RJ 272/05 B m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn, wie hier der Fall, Meinungsverschiedenheiten zwischen Gutachtern für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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