L 2 U 67/09

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 23 U 52/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 67/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.
Selbständige Tagespflegepersonen üben eine Tätigkeit der Wohlfahrtspflege im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII aus.

2.
Das Wesen der Kindertagespflege rechtfertigt es, diese zur Wohlfahrtspflege zu rechnen. Bei ihr steht - wie bei der Berufsbetreuung, die zur Wohlfahrtspflege zählt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.05.2003 - L 17 U 54/02 -) das Wohl der aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit zu Betreuenden im Vordergrund.

Für die Wohlfahrtspflege - einschließlich der Kindertagespflege und der Berufsbetreuung - ist typisch, dass Personen betreut werden, die besonderer Fürsorge bedürfen, weil sie auf-grund ihres hohen oder geringen Alters, wegen Krankheit oder Gebrechen bzw. Notlagen Hilfe bedürfen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rdnr. 23).

3.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt es für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII (bzw. den Vorgängernorm des § 539 Abs. 1 Nr. 7 Reichsversi-cherungsordnung) nicht auf die organisatorische Gestaltung, sondern die Zweckbestim-mung einer Tätigkeit an (BSG, Urteil vom 26.01.1988 – 2 RU 23/87 –; BSG, Urteil vom 26.06.1985 – 2 RU 79/84 –, zitiert nach Juris, Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 12.03.1974 – 2 RU 1/12 –, Kruschinsky, a.a.O., Rdnr. 540a).

4.
Auch ist es für den Versicherungsschutz unerheblich, ob die Tätigkeit in der Wohlfahrts-pflege gegen Entgelt oder ehrenamtlich ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 26.01.1988, a.a.O.). Der Versicherungsschutz umfasst alle und gerade die freiberuflich (selbständig) in der Wohlfahrtspflege Tätigen (BSG, Urteil vom 26.01.1988, a.a.O. m.w.N.). Dafür spricht auch bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10.02.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte die als Tagesmutter tätige Klägerin ab 01.01.2005 zu Recht veranlagt hat.

Die Klägerin ist seit 2003 als selbständige Tagesmutter tätig. Sie betreut jeweils fünf Kinder aus verschiedenen Familien. Mit Bescheid vom 16.06.2006 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2005 in der Gefahrklasse 2,10. Mit Beitragsbescheid vom selben Tag forderte sie für das Jahr 2005 einen Beitrag in Höhe von 66,15 EUR. Den Widerspruch der Klägerin vom 10.07.2006 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2007 zurück. Das von der Klägerin betriebene Unternehmen gehöre mit Wirkung zum 01.01.2005 der gesetzlichen Unfallversicherung an. Die Kinderbetreuung durch eine Tagespflegeperson diene dem Wohl des Kindes und sichere seine soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung. Die Betreuung von schutzbedürftigen Menschen, zu denen außer kranken, behinderten und alten Menschen auch Kinder zählten, sei eine Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Wegen der bis Ende 2004 bestehenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht von Tagespflegepersonen und der erst mit dem Inkrafttreten des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) zum 01.01.2005 beseitigten Rechtsunsicherheit sei als Versicherungsbeginn der 01.01.2005 festzustellen.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 02.04.2007 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt. Kindern stellten keinesfalls gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete Menschen dar. Daher sei Kinderbetreuung nicht unter den Begriff der Wohlfahrtspflege zu subsumieren. Auch habe die Klägerin durch den Abschluss einer privaten Unfallversicherung bereits hinreichend Vorsorge getroffen. Aus dem TAG und § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) lasse sich nicht schlussfolgern, dass eine Versicherungspflicht bestehe, da in der genannten Vorschrift von einer Erstattungsfähigkeit der Beiträge zu "einer" Unfallversicherung die Rede sei, mithin ein Rückschluss auf die Versicherung gerade in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht möglich sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10.02.2009 abgewiesen. Nach § 136 Abs. 1 SGB VII stelle der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende einer Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Die Beklagte sei gemäß §§ 121, 122 SGB VII i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Satzung für Unternehmen im Gesundheits- und Veterinärwesen sowie für Unternehmen in der Wohlfahrtspflege zuständig, soweit sich nicht die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand ergebe. Die Beitragspflicht der Mitgliedsunternehmen folge aus §§ 150 ff. SGB VII. Die Klägerin sei aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit als Tagespflegeperson selbständig in der Wohlfahrtspflege nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII tätig, so dass ihr Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten falle. Der Begriff der Wohlfahrtspflege werde in verschiedenen Gesetzen verwendet, ohne einheitlich definiert zu sein. Etymologisch gehe das Wort auf das mittelhochdeutsche "wol varn" (= Wohlergehen) zurück, woraus sich für den Begriff "Wohlfahrtspflege" im 20. Jahrhundert die Bedeutung "Fördern des Wohlergehens (der Allgemeinheit)" entwickelt habe (Köbler, Deutsches Etymologisches Wörterbuch, 1995). Insbesondere nach dem 1. Weltkrieg seien in rascher Abfolge Sozialgesetze, Wohlfahrtsgesetze, entstanden, mit denen Sonderfürsorgebereiche für bestimmte Gruppen ausgebaut worden seien. Darunter habe sich auch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922, aus dem 1953 das Jugendwohlfahrtsgesetz und schließlich (ab 1991) das SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe – hervorgegangen seien, befunden. Diesem weiten begrifflichen Vorverständnis folgend habe auch das Bundesverfassungsgericht für den Begriff der "öffentlichen Fürsorge" in Artikel 74 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz entschieden, dass hierunter u. a. der gesamte Bereich der Jugendwohlfahrt einschließlich der Förderung des körperlichen, geistigen und sittlichen Wohls aller Jugendlichen falle, ohne dass eine Gefährdung im Einzelfall vorzulegen brauche (Beschluss vom 18.07.1967 – 2 BvF 3/62 u. a. – BVerfGE 22, 180, 212 ff.). Auf den ersten Blick enger habe das BSG unter dem Begriff der Wohlfahrtspflege die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte, vorbeugende und abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich notleitende und gefährdete Menschen verstanden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 26.09.1961 – 2 RU 31/60 -, BSGE 15, 116 ff.; Urteil vom 25.10.1957 – 2 RU 122/54BSGE 6, 74, 77). Die genannten Entscheidungen seien zum Berufskrankheitenrecht ergangen und knüpften an die Definition der Schiedsstelle beim Verband der Deutschen Berufsgenossenschaften aus dem Jahre 1931 sowie des Reichsversicherungsamts in einer Entscheidung aus dem Jahre 1929 an (vgl. Nachweise bei BSG, Urteil vom 26.06.1985 – 2 RU 79/84 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 13). Zutreffend habe das BSG jedoch im Urteil vom 26.06.1985 (a.a.O.), das die Auslegung der Vorgängervorschrift zu § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB II betroffen habe (§ 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO), darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang der Begriff der Wohlfahrtspflege allgemeiner auszulegen sei und nicht den durch das Berufskrankheitenrecht und den dort in der Nr. 3101 der Anlage I zur Berufskrankheitenverordnung vorgegebenen Einengungen und Vorprägungen unterliege. Im konkret zu entscheidenden Fall habe das BSG darauf hingewiesen, dass die Aufgaben der allgemeinen Wohlfahrtspflege in den letzten Jahren vor allem durch das Bundessozialhilfegesetz umschrieben worden seien und dem bei der Auslegung des § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO Rechnung zu tragen sei. Aus diesen Gründen, insbesondere angesichts der geschichtlichen Entwicklung des Be-griffs Wohlfahrtspflege, gehe das SG davon aus, dass hierunter auch die Tagesbetreuung von Kindern als Teil der Jugendwohlfahrt falle. Diese Sichtweise habe auch der Gesetzgeber des TAG geteilt, durch das die Förderung der Tagespflege u. a. in § 23 SGB VIII neu geregelt worden sei. Nach § 23 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII werde die Kindertagespflege durch laufende Geldleistungen auch in Form der Erstattung nachgewiesener Aufträge für Beiträge zu einer Unfallversicherung gefördert. Der Klägerin sei zuzugeben, dass hiermit nicht explizit die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung angesprochen seien. Wären die Tagesmütter vom Gesetzgeber jedoch als abhängig Beschäftigte des Privathaushaltes oder als "Wie-Beschäftigte" der Jugendämter anzusehen und damit aus diesen Grund gesetzlich unfallversichert gewesen, so hätte die Erstattungsregelung keinen Sinn ergeben. Aus diesem Grunde könne mittelbar aus der betroffenen Neuregelung geschlossen werden, dass Tagesmütter als gesetzlich Unfallversicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII angesehen würden. Das von der Klägerin betriebene Unternehmen falle daher in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die von der Klägerin nach Grund und Höhe zu Recht Beiträge erhoben habe. Die Kostenentscheidung folge aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.03.2009 zugestellte Urteil haben diese am 31.03.2009 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG lasse sich die Tätigkeit der Tagesmutter nicht dem Bereich der Wohlfahrtspflege zuordnen. Das BSG verstehe unter dem Begriff der Wohlfahrtspflege die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte vorbeugende und abhelfende unmittelbare Betreuung von gesundheitlich, sittlich und wirtschaftlich gefährdeten Menschen (BSGE 15, S. 116). Hierunter falle die Klägerin nicht. Soweit das Erstgericht darauf hinweise, dass die hier verwandte Definition des Be-griffs der Wohlfahrtspflege aus einer Entscheidung des BSG aus dem Jahre 1957 stamme und insoweit zu eng sei, so werde auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.05.2003 – L 17 U 54/02 – verwiesen. Auch in dieser Entscheidung werde dieselbe Definition verwandt. Für einen Versicherungsschutz spreche auch nicht die Regelung des § 23 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII, weil darin lediglich die Erstattung von Beiträgen zu "einer" Unfallversicherung gefördert werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10.02.2009 sowie den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 16.06.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 28.02.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 10.02.2009 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Veranlagungsbescheid vom 16.06.2006 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2007. Der Beitragsbescheid vom 16.06.2006 ist sowohl nach dem Verfügungssatz als auch der Begründung des Widerspruchsbescheides nicht Gegenstand desselben (BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R -, zitiert nach Juris, Rdnrn. 19 f.; BSG, Urteil vom 24.06.03 – B 2 U 21/02 R -, zitiert nach Juris, Rdnr. 16). Der Beitragsbescheid erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil er den Veranlagungsbescheid weder abändert noch ergänzt (BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R -, zitiert nach Juris, Rdnrn. 19 f.; BSG, Urteil vom 24.06.03 – B 2 U 21/02 R -, zitiert nach Juris, Rdnr. 17).

2. Ein Versicherungsschutz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII besteht zwar nicht, weil die Klägerin als Tagesmutter nicht lediglich Kinder eines Auftraggebers (einer Familie), sondern Kinder aus verschiedenen Familien betreut (BSG, Urteil vom 17.02.1998 – B 2 U 3/97 R -, zitiert nach Juris).

3. Die Klägerin gehört jedoch zu dem nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII versicherten Personenkreis, weil sie als Tagesmutter eine Tätigkeit der Wohlfahrtspflege ausübt. Nach der genannten Norm sind kraft Gesetzes Personen versichert, die selbständig oder unentgeltlich (insbesondere ehrenamtlich) im Gesundheitsdienst oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind.

a) Das BSG definiert zwar den Begriff der Wohlfahrtspflege im Berufskrankheitenrecht als "eine planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte vorbeugende oder abhelfende unmittelbare Betreuung von gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdeten Menschen" (BSG, Urteil vom 25.10.1957 – 2 RU 122/54 -, BSGE 6, 74, 77; BSG, Urteil vom 26.09.1961 – 2 RU 31/60 -, BSGE 15, 116, 117; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.05.2003 – L 17 U 54/02 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 18; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.06.2007 – L 9 U 315/04 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 20).

Der Begriff der "Wohlfahrtspflege" in § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII ist jedoch – wie vom SG zutreffend ausgeführt – weiter (Bereiter/Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 10/2010, § 2 Ziff. 20.18; Kruschinsky, in: Becker/Borchert/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung – Kommentar, Bd. I, Stand: 9/2010, Rdnrn. 539 ff.; Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: 6/2010, § 23, Rdnr. 36). Die Begriffsbestimmungen in anderen Gesetzen sind zur Auslegung ergänzend heranzuziehen. Nach § 66 Abs. 2 Abgabenordnung ist Wohlfahrtspflege "die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen. Die Sorge kann sich auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken".

Ausweislich der Kommentierung zu § 66 Abgabenordnung benennt § 68 Abgabenordnung als Einrichtungen der Wohlfahrtspflege (vgl. Klein, AO, 10. Auflage, § 66 Rdnr. 2) u.a. Alten-, Altenwohn- und Pflegeheime, Kindergärten, Werkstätten für behinderte Menschen, Einrichtungen der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie für behinderte Menschen, Einrichtungen der Blinden- und Körperbehindertenfürsorge sowie Einrichtungen der Fürsorgeerziehung und der freiwilligen Erziehungshilfe. Dass danach Kindergärten, deren Zweck in der Betreuung und Erziehung von Kindern besteht, Einrichtungen der Wohlfahrtspflege darstellen, spricht dafür, auch die Tätigkeit von Tagespflegepersonen, deren Tätigkeit denselben Zweck verfolgt, der Wohlfahrtspflege zuzuordnen.

b) Auch das Wesen der Kindertagespflege rechtfertigt es, diese zur Wohlfahrtspflege zu rechnen. Bei ihr steht – wie bei der Berufsbetreuung, die zur Wohlfahrtspfege zählt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.05.2003, a.a.O., Rdnr. 21) – das Wohl der aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit zu Betreuenden im Vordergrund. Die Beklagte hat in ihrem Widerspruchsbescheid zu Recht ausgeführt, die Kinderbetreuung durch Tagespflegepersonen dient dem Wohl der Kinder und sichert ihre soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung.

Für die Wohlfahrtspflege - einschließlich der Kindertagespflege und der Berufsbetreuung - ist typisch, dass Personen betreut werden, die besonderer Fürsorge bedürfen, weil sie aufgrund ihres hohen oder geringen Alters, wegen Krankheit oder Gebrechen bzw. Notlagen Hilfe bedürfen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rdnr. 23).

c) In der Literatur wird der Versicherungsschutz für Tagespflegepersonen als selbständig in der Wohlfahrtspflege Tätige nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII ebenfalls bejaht (Kruschinsky, in: Becker/Borchert/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung – Kommentar, Bd. I, Stand: 9/2010, Rdnr. 540a; Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: 6/2010, § 23, Rdnr. 36).

d) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt es für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII (bzw. den Vorgängernorm des § 539 Abs. 1 Nr. 7 Reichsversicherungsordnung) nicht auf die organisatorische Gestaltung, sondern die Zweckbestimmung einer Tätigkeit an (BSG, Urteil vom 26.01.1988 – 2 RU 23/87 –; BSG, Urteil vom 26.06.1985 – 2 RU 79/84 –, zitiert nach Juris, Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 12.03.1974 – 2 RU 1/12 –, Kruschinsky, a.a.O., Rdnr. 540a).

Auch ist es für den Versicherungsschutz unerheblich, ob die Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege gegen Entgelt oder ehrenamtlich ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 26.01.1988, a.a.O.). Der Versicherungsschutz umfasst alle und gerade die freiberuflich (selbständig) in der Wohlfahrtspflege Tätigen (BSG, Urteil vom 26.01.1988, a.a.O. m.w.N.). Dafür spricht auch bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII.

Ob die Wohlfahrtspflege als öffentliche oder freie Wohlfahrtspflege ausgeübt wird, ist für den Versicherungsschutz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII ebenso ohne Bedeutung (Kruschinsky, a.a.O., Rdnr. 540a).

e) Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 3 SGB VII versicherungsfrei. Sie gehört nicht zu den dort aufgezählten selbständig tätigen Personen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1963 – 2 RU 35/60 -, BSGE 18, 231 ff.) ist die Aufzählung der in § 4 Abs. 3 SGB VII genannten Tätigkeiten abschließend. Eine entsprechende Anwendung auf Angehörige anderer Berufsgruppen ist nicht möglich (vgl. Urteil des BSG vom 21.01.1997 – 2 RU 3/96 -; BSG, Urteil vom 30.01.1963, a.a.O.).

f) Für den gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 pflichtversicherten Personenkreis ist gem. §§ 121, 122 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Beklagten die Beklagte der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger.

g) Zu Recht hat die Beklagte die Klägerin persönlich als Unternehmerin mit dem Veranlagungsbescheid vom 16.06.2006 veranlagt. Die Einordnung der Klägerin als Unternehmerin der Tagespflege in die Gefahrklasse 2,10 des Gefahrtarifs der Beklagten ist ebenso wenig zu beanstanden. Im Übrigen hat die Klägerin hiergegen auch nichts vorgetragen, was zu Zweifeln an dieser Eingruppierung Anlass geben könnte.

h) Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

4. Der Streitwert war auf 15.000,00 EUR festzusetzen. In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen gehören (vgl. BSG, Urteil vom 05.03.2008 – B 2 U 353/07 B -, zitiert nach Juris), werden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn die Klage nach dem 01.01.2002 rechtshängig geworden ist (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24). Da keiner der Beteiligten hier die Voraussetzung des § 183 SGG erfüllt, sind die Kosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben (BSG, Urteil vom 05.03.2008 – B 2 U 353/07 B -, zitiert nach Juris, Rdnr. 6).

Nach § 52 Abs. 1 GKG in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718), die hier gemäß § 72 Nr. 1 GKG anzuwenden ist, weil die Berufung nach dem 01.07.2004 eingelegt worden ist, ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist – bis zur Obergrenze von 2.500.000,00 EUR (§ 52 Abs. 4 GKG) – deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 EUR ("Auffangstreitwert") anzunehmen.

Bei dem Streit über die richtige Veranlagung eines Unternehmens zu den im Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft ausgewiesenen Gefahrklassen geht es um ein Berechnungselement für den während der Tarifzeit von maximal sechs Jahren zu entrichtenden Unfallversicherungsbeitrag, ohne dass sich das damit verbundene wirtschaftliche Interesse des beitragspflichtigen Unternehmers beitragsmäßig beziffern ließe. Der Senat orientiert sich der Rechtsprechung des BSG folgend bei derartigen Grundlagenentscheidungen, die für das Versicherungsverhältnis zwischen den Beteiligten längerfristige Bedeutung haben, an dem zu erwartenden Jahresbeitrag und der zu erwartenden Beitragsdifferenz und legt je nach Streitgegenstand diesen Betrag oder ein Mehrfaches davon zu Grunde. Wegen des erheblichen Gewichts solcher Entscheidungen darf dabei ein Mindestbetrag nicht unterschritten werden, dessen Höhe wiederum abhängig vom Streitgegenstand zu bestimmen ist. Für die Zuständigkeitsstreitigkeiten, in denen es um die Mitgliedschaft bei einem bestimmten Unfallversicherungsträger geht, hat das BSG den Streitwert in Anwendung der genannten Grundsätze auf das Dreifache des bei dem bisherigen Unfallversicherungsträger angefallenen Jahresbeitrags, mindestens jedoch den vierfachen Auffangstreitwert aus § 52 Abs. 2 GKG (20.000,00 EUR) beziffert (BSG, Beschluss vom 28.02.2006 – B 2 U 31/02 R –). Der hier zu beurteilende Veranlagungsstreit hat für das betroffene Unternehmen zwar nicht dieselbe umfassende Bedeutung, ist wirtschaftlich gesehen aber ebenfalls von erheblichem Gewicht. Das BSG hält deshalb für derartige Fälle einen Streitwert in Höhe des Doppelten der streitigen Beitragsdifferenz, mindestens jedoch in Höhe des dreifachen Auffangstreitwertes (15.000,00 EUR) für angemessen (BSG, Beschluss vom 30.11.2006 – B 2 U 410/05 B –). Dieser Rechtsprechung folgend war daher der Streitwert vorliegend auf 15.000,00 EUR festzusetzen.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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