Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 219/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 79/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. Juli 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. November 2006, 12. März 2007, 28. Juni 2007 und 20. September 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008, aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die abgesetzten Leistungen zu vergüten.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung der Klägerin für die Quartale III/2006 bis II/2007.
Die Klägerin war als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in A-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Ihre Zulassung endete durch Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie vom 11. Dezember 2003 wegen des Erreichens der Altersgrenze von 68 Jahren zum 31. Dezember 2003; eine Verlängerung der Zulassung lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom selben Tage ab. Den Widerspruch der Klägerin wies der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 14. Juli 2004 zurück, erteilte der Klägerin allerdings die Genehmigung, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. In den Beschlussgründen führte der Berufungsausschuss aus, man habe im Hinblick darauf, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen der psychotherapeutische Therapeut nicht ausgewechselt werden sollte, und im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragene Unterversorgung in der Region mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und die damit verbundenen Wartezeiten die Auslauffrist nicht begrenzt. Die Klage der Klägerin gegen diesen Beschluss, mit der sie eine Verlängerung ihrer Zulassung erstrebte, blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2005 – S 5/27 KA 2166/04).
Mit Bescheiden vom 30. November 2006, 12. März 2007, 28. Juni 2007 und 20. September 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, hinsichtlich der Honorarabrechnungen für die Quartale III/06 bis II/07 könne bei der Patientin F. die Nr. 35210 EBM 2000plus (Analytische Psychotherapie) und Nr. 23241 (Ordinationskomplex für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) nicht vergütet werden. Ferner schloss sie im Bescheid vom 20. September 2007 betreffend die Quartale I/07 und II/07 in dem Behandlungsfall K. die EBM-Ziffer Nr. 35210 von der Honorierung aus.
Die Klägerin erhob gegen alle Bescheide fristgerecht Widerspruch: Bei Frau F. und Frau K. handele es sich nicht um neue Fälle, sondern die Behandlung habe bereits 2002 begonnen und sei langfristig geplant gewesen. Der Berufungsausschuss habe ihr zugestanden, anbehandelte Fälle weiterzuführen. Es sei für die Patientinnen unzumutbar, die Behandlung abzubrechen.
Aus den von der Beklagten beigezogenen Unterlagen der Krankenkassen ergab sich, dass der Patientin F. (geb. 1986) ab 17. September 2002 Kurzzeittherapie nach Nr. 871 EBM bewilligt worden war. Dies wurde am 3. November 2003 von der Krankenkasse in Langzeittherapie ungewandelt und 60 Leistungen nach Ziffer 877 EBM bewilligt. Am 8. April 2005 und 7. November 2006 erfolgten Verlängerungen der Langzeittherapie um 60 bzw. 30 Leistungen.
Bei der Patientin K. (geb. 1989) genehmigte die Krankenkasse im September 2002 probatorische Sitzungen, ab Februar 2003 sodann Kurzzeittherapie nach Nr. 35200. Im November 2003 erfolgte die Bewilligung von analytischer Psychotherapie mit 60 Stunden nach Nr. 35210. Weitere Bewilligungen erfolgten mit Bescheid vom 7. April 2005 für 50 Stunden, mit Bescheid vom 11. August 2006 für 40 Stunden und mit Bescheid vom 16. Juli 2007 für 30 Stunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Patientin F. sei die Absetzung rechtmäßig, weil diese im Quartal I/06 und II/06 bereits 20 Jahre alt und damit keine Jugendliche mehr gewesen sei (Hinweis auf die Präambel zum Kapitel 35.3 EBM 2000plus). Nach dem Beschluss des Berufungsausschusses sei die Klägerin lediglich berechtigt gewesen, anbehandelte Kinder und Jugendliche weiter zu behandeln; die Klägerin besitze auch nur eine Psychotherapie-Genehmigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Der Beschluss habe zudem nur erlaubt, anbehandelte Fälle bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Damit sei gemeint, dass nur das von den Krankenkassen genehmigte Kontingent verbraucht werden dürfe. Im Rundschreiben der KV Hessen info.doc Nr. 3 vom Juni 2006 sei darauf hingewiesen worden, dass die ausnahmsweise Zubilligung der Möglichkeit zur Beendigung laufender psychotherapeutischer Behandlungen sich in jedem Fall nur auf das durch die Krankenkasse bereits genehmigte Kontingent erstrecke. Bei der Patientin K. sei der Fortsetzungsantrag am 20. Juni 2006 gestellt worden, der Anerkennungsbescheid sei am 11. August 2006 erfolgt, also nach Bekanntgabe des info.doc Nr. 3 vom Juni 2006. Vor allem stehe der Weiterbehandlung der Patientinnen § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V entgegen, also das Ende der Zulassung kraft Gesetzes mit dem 68. Lebensjahr. Der Klägerin sei diese Altersgrenze bekannt gewesen, so dass sie kurz vor Erreichen der Altersgrenze keine Langzeitfälle mehr habe annehmen dürfen, wie dies in den beiden Fällen F. und K. erfolgt sei.
Die Klägerin hat am 11. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben, welches mit Urteil vom 22. Juli 2009 die Klage abgewiesen hat. Die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung der Klägerin sei rechtmäßig. Der Berufungsausschuss habe mit seinem Beschluss dem Grundsatz Rechnung getragen, dem Psychotherapeuten eine geräumige Auslauffrist für seine Tätigkeit zu gewähren, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes könne dieser Beschluss jedoch keine unendliche Geltung beanspruchen. Abzuwägen sei der Gesundheitsschutz der Patienten durch die Vermeidung eines Therapeutenwechsels mit dem Faktum des Zulassungsendes aufgrund des Erreichens der Altersgrenze. Hiernach sei die Entscheidung der Beklagten, weitere Abrechnungen fast drei Jahre nach Zulassungsende nicht mehr zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden, da innerhalb dieses langen Zeitraums behutsam ein Therapeutenwechsel habe eingeleitet werden können.
Gegen das ihr am 18. August 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. September 2009 Berufung eingelegt.
Sie meint, es sei bereits nicht nachvollziehbar, wenn das Sozialgericht maßgeblich auf die Altersgrenze von 68 Jahren abstelle, die der Gesetzgeber mittlerweile selber aufgehoben habe. Unberücksichtigt bleibe der bereits im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 15. Juni 2005 (S 5/27 KA 2166/04) hervorgehobene Aspekt, dass der Beschluss des Berufungsausschusses ihr erlaubt habe, anbehandelte Patienten ohne zeitliche Befristung bis zum Abschluss der Behandlung zu behandeln. Diese Voraussetzungen hätten bei beiden Patientinnen vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. Juli 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. November 2006, 12. März 2007, 28. Juni 2007 und 20. September 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die abgesetzten Leistungen zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts. Aus der Aufhebung der Altersgrenze ab dem 1. Oktober 2008 könne für den vorliegenden Fall nichts geschlossen werden. Aus dem Beschluss des Berufungsausschusses könne nicht abgelesen werden, dass damit der Klägerin eine zeitlich unbefristete Behandlungserlaubnis erteilt worden sei, sondern dieser habe der Klägerin lediglich die Möglichkeit geben wollen, die bereits antherapierten Fälle im Rahmen der bereits zum Zeitpunkt der Beendigung der Zulassung genehmigten Therapie in vollen Umfang durchzuführen. Das habe aber nicht die Berechtigung umfasst, die Durchführung neuer Therapien (also Fortsetzungs- und Änderungsanträge) bei den Krankenkassen zu beantragen. Die Patientin F. sei aber über das Ende der Zulassung hinaus noch bis Juni 2006, also 2,5 Jahre, die Patientin K. sogar bis März 2007, also 3 ¼ Jahre, weiterbehandelt worden. Aus dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 15. Juni 2005, welches in einem anderen Zusammenhang ergangen sei, könne die Klägerin keine Rechte herleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts kann nicht aufrechterhalten bleiben. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Abrechungen der Klägerin hinsichtlich der Patientinnen F. und K. sachlich-rechnerisch zu berichtigen.
Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG, denn die Klägerin erstrebt die Auszahlung höheren Honorars (vgl. Clemens in JurisPK zu § 106a SGB V Rdnr. 44).
Rechtsgrundlage für die vorgenommene Berichtigung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, der die Beklagte gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - abgerechnet worden sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten war das vorliegend der Fall.
Der Beschluss des Berufungsausschusses vom 14. Juli 2004 hat der Klägerin die Genehmigung erteilt, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Dieser Bescheid ist bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG). Es spielt daher keine Rolle, ob die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Zulassung durch den Berufungsausschuss tatsächlich vorlagen. Die Beklagte muss die hier getroffene Regelung unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Berufungsausschusses gegen sich gelten lassen.
In Bezug auf die Behandlung der Patientinnen F. und K. war die Beklagte deshalb nicht berechtigt, die Abrechnungen der Klägerin sachlich-rechnerisch zu korrigieren. Denn die Auslegung des Beschlusses des Berufungsausschusses vom 14. Juli 2004 ergibt, dass der Klägerin damit die Genehmigung erteilt worden ist, Kinder und Jugendliche, die am 31. Dezember 2003 in ihrer Behandlung standen, bis zum Abschluss der Behandlung weiterzubehandeln, und zwar ohne zeitliche Befristung. Insoweit umfasste der Beschluss des Zulassungsausschusses – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch Behandlungsabschnitte im Rahmen laufender (Langzeit-) Therapien, die erst nach dem Ende der Zulassung der Klägerin aufgrund von Fortsetzungsanträgen von den Krankenkassen genehmigt wurden. Der Auffassung der Beklagten, der Beschluss des Berufungsausschusses sei so auszulegen, dass die Genehmigung zur Weiterbehandlung sich lediglich auf den jeweiligen Bewilligungsbescheid der Krankenkasse bezog, also mit dem Abschluss eines Bewilligungszeitraums auch die Befugnis der Klägerin zur Behandlung der Kinder und Jugendlichen endete, kann der Senat nicht folgen.
Maßgeblich für die Auslegung von Verwaltungsakten ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung und ihre darin abgegebene Erklärung und der aus dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wie er für den Adressaten des Verwaltungsaktes erkennbar geworden ist (vgl. u.a. BSGE 48, 56, 58; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29; Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Aufl. 2007, § 31 Rdnr. 25). Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung, wonach mit dem im Beschluss erwähnten "Abschluss" der Abschluss des jeweiligen durch die Krankenkasse bewilligten Behandlungsabschnitts gemeint sei, entspricht weder wörtlich noch sinngemäß dem erkennbaren Regelungswillen des Berufungsausschusses. Denn in dem Beschluss ist mit keinem Wort von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid der Krankenkasse die Rede, sondern der Klägerin wird die Genehmigung erteilt, "anbehandelte Fälle bis zu ihrem Abschluss" weiter zu behandeln. Gegenstand der Genehmigung war also die psychotherapeutische Behandlung des jeweiligen Falls bis zum Abschluss der Behandlung. Noch deutlicher ergibt sich dies aus den Beschlussgründen, die zeigen, dass der Berufungsausschuss der Klägerin eine zeitlich nicht beschränkte und damit auch Fortsetzungsanträge umfassende Genehmigung zur Behandlung bereits anbehandelter Kinder und Jugendlicher erteilt hat. Denn es heißt dort, dass der Berufungsausschuss die Genehmigung für anbehandelte Fälle im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erteilt habe, wonach eine geräumige Auslauffrist für die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit zu gewähren sei. Im Hinblick darauf, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen der Therapeut nicht ausgewechselt werden solle, und im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragene Unterversorgung in der Region mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und die damit verbundenen Wartefristen habe der Berufungsausschluss die Auslauffrist "nicht begrenzt". Diese Formulierung lässt sich nur so verstehen, dass der Berufungsausschluss die Genehmigung für bereits laufende Behandlungen zeitlich nicht beschränken und insbesondere nicht an bereits erteilte Bewilligungsbescheide der Krankenkassen und sich hieraus ergebende zeitliche Befristungen knüpfen, sondern die einmal begründete Patienten-Therapeuten-Beziehung bis zu ihrem Abschluss schützen wollte. Denn anders lässt sich insbesondere der Hinweis, dass bei Kindern und Jugendlichen der Therapeut nicht ausgewechselt werden solle, nicht verstehen.
Soweit die Beklagte auf das Rundschreiben info.doc vom Juni 2006 hinweist, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsposition der Klägerin ist der Verfügungssatz des Beschlusses des Berufungsausschusses und wie dieser von der Klägerin objektiv verstanden werden durfte. Nachträgliche interpretatorische Äußerungen der Beklagten hierzu – seien sie einzelfallbezogen oder genereller Art – sind demgegenüber von Vornherein unbeachtlich.
Hiernach ist die sachlich-rechnerische Berichtigung in Bezug auf die Patientin K. rechtswidrig. Diese stand am 31. Dezember 2003 bereits in Langzeittherapie (analytische Psychotherapie), welche in der Folgezeit lediglich um weitere Leistungsabschnitte verlängert wurde.
Gleiches gilt in Bezug auf die Patientin F. (geb. 1986), bei der ebenfalls bereits seit 2003 eine Langzeittherapie stattfand. Allerdings war die Patientin F. im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Leistungen bereits volljährig. Dies führt aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem Vergütungsausschluss. Denn es ist nicht zu erkennen, dass der Berufungsausschuss mit seiner Formulierung, dass "anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss" weiterbehandelt werden dürfen, die Klägerin auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr beschränken wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Ausschuss mit der Formulierung "Kinder und Jugendliche" an das fachliche Begriffsverständnis im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie anknüpfen wollte. Kinder und Jugendliche in diesem Sinne sind jedoch solche Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das ergibt sich zunächst aus § 1 Abs. 2 Psychotherapeutengesetz. Danach erstreckt sich die Berechtigung zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf Patienten, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ausnahmen von Satz 1 sind zulässig, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs eine gemeinsame psychotherapeutische Behandlung von Kindern oder Jugendlichen mit Erwachsenen erforderlich ist oder bei Jugendlichen eine vorher mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann. Für den vertragspsychotherapeutischen Bereich gilt keine andere Altersregelung. Weder die Psychotherapie-Vereinbarung noch die Psychotherapie-Richtlinien enthalten eine von der Altersgrenze des Psychotherapeutengesetzes abweichende Regelung. Auch der EBM 2000plus knüpft für die Abrechnungsfähigkeit der Leistungen an dieses Alter an. Nach der Präambel zu Ziffer 23 – Psychotherapeutische Leistungen (Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) – können die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen ausschließlich von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sowie von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (ausschließlich für die Behandlung von Patienten bis zum vollendeten 21. Lebensjahr) berechnet werden. Soweit sich die Beklagte demgegenüber für ihr Begriffsverständnis auf die Präambel zu Ziffer 35.3 EBM 2005 plus beruft, ist festzustellen, dass sich dies lediglich auf psychodiagnostische Testverfahren bezieht, die je Behandlungsfall für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nur bis zu einer Gesamtpunktzahl von 3000 Punkten, für Versicherte ab Beginn des 19. Lebensjahres nur bis zu einer Gesamtpunktzahl von 2000 Punkten berechnungsfähig sind. Diese vergütungsbezogene Sonderregelung für den speziellen
Fall psychodiagnostischer Testverfahren ist ersichtlich ungeeignet, ein allgemeines Sprachverständnis der Formulierung "Kinder und Jugendliche" im Zusammenhang mit der Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen zu begründen.
Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses die Behandlung von Patienten mit Beginn der Volljährigkeit ausschließen wollte. Denn der Beschluss formuliert nicht, dass Kinder und Jugendliche (nur) bis zum vollendeten 18. Lebensjahr weiterbehandelt werden dürfen, sondern der Klägerin wird die Genehmigung erteilt, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Auch sonst gibt der Beschluss keinen Hinweis darauf, dass die Formulierung "Kinder und Jugendliche" anders als im fachspezifischen Sinne, also unter Einbeziehung der unter 21jährigen, gemeint gewesen sein könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung der Klägerin für die Quartale III/2006 bis II/2007.
Die Klägerin war als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in A-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Ihre Zulassung endete durch Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie vom 11. Dezember 2003 wegen des Erreichens der Altersgrenze von 68 Jahren zum 31. Dezember 2003; eine Verlängerung der Zulassung lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom selben Tage ab. Den Widerspruch der Klägerin wies der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 14. Juli 2004 zurück, erteilte der Klägerin allerdings die Genehmigung, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. In den Beschlussgründen führte der Berufungsausschuss aus, man habe im Hinblick darauf, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen der psychotherapeutische Therapeut nicht ausgewechselt werden sollte, und im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragene Unterversorgung in der Region mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und die damit verbundenen Wartezeiten die Auslauffrist nicht begrenzt. Die Klage der Klägerin gegen diesen Beschluss, mit der sie eine Verlängerung ihrer Zulassung erstrebte, blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2005 – S 5/27 KA 2166/04).
Mit Bescheiden vom 30. November 2006, 12. März 2007, 28. Juni 2007 und 20. September 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, hinsichtlich der Honorarabrechnungen für die Quartale III/06 bis II/07 könne bei der Patientin F. die Nr. 35210 EBM 2000plus (Analytische Psychotherapie) und Nr. 23241 (Ordinationskomplex für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) nicht vergütet werden. Ferner schloss sie im Bescheid vom 20. September 2007 betreffend die Quartale I/07 und II/07 in dem Behandlungsfall K. die EBM-Ziffer Nr. 35210 von der Honorierung aus.
Die Klägerin erhob gegen alle Bescheide fristgerecht Widerspruch: Bei Frau F. und Frau K. handele es sich nicht um neue Fälle, sondern die Behandlung habe bereits 2002 begonnen und sei langfristig geplant gewesen. Der Berufungsausschuss habe ihr zugestanden, anbehandelte Fälle weiterzuführen. Es sei für die Patientinnen unzumutbar, die Behandlung abzubrechen.
Aus den von der Beklagten beigezogenen Unterlagen der Krankenkassen ergab sich, dass der Patientin F. (geb. 1986) ab 17. September 2002 Kurzzeittherapie nach Nr. 871 EBM bewilligt worden war. Dies wurde am 3. November 2003 von der Krankenkasse in Langzeittherapie ungewandelt und 60 Leistungen nach Ziffer 877 EBM bewilligt. Am 8. April 2005 und 7. November 2006 erfolgten Verlängerungen der Langzeittherapie um 60 bzw. 30 Leistungen.
Bei der Patientin K. (geb. 1989) genehmigte die Krankenkasse im September 2002 probatorische Sitzungen, ab Februar 2003 sodann Kurzzeittherapie nach Nr. 35200. Im November 2003 erfolgte die Bewilligung von analytischer Psychotherapie mit 60 Stunden nach Nr. 35210. Weitere Bewilligungen erfolgten mit Bescheid vom 7. April 2005 für 50 Stunden, mit Bescheid vom 11. August 2006 für 40 Stunden und mit Bescheid vom 16. Juli 2007 für 30 Stunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Patientin F. sei die Absetzung rechtmäßig, weil diese im Quartal I/06 und II/06 bereits 20 Jahre alt und damit keine Jugendliche mehr gewesen sei (Hinweis auf die Präambel zum Kapitel 35.3 EBM 2000plus). Nach dem Beschluss des Berufungsausschusses sei die Klägerin lediglich berechtigt gewesen, anbehandelte Kinder und Jugendliche weiter zu behandeln; die Klägerin besitze auch nur eine Psychotherapie-Genehmigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Der Beschluss habe zudem nur erlaubt, anbehandelte Fälle bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Damit sei gemeint, dass nur das von den Krankenkassen genehmigte Kontingent verbraucht werden dürfe. Im Rundschreiben der KV Hessen info.doc Nr. 3 vom Juni 2006 sei darauf hingewiesen worden, dass die ausnahmsweise Zubilligung der Möglichkeit zur Beendigung laufender psychotherapeutischer Behandlungen sich in jedem Fall nur auf das durch die Krankenkasse bereits genehmigte Kontingent erstrecke. Bei der Patientin K. sei der Fortsetzungsantrag am 20. Juni 2006 gestellt worden, der Anerkennungsbescheid sei am 11. August 2006 erfolgt, also nach Bekanntgabe des info.doc Nr. 3 vom Juni 2006. Vor allem stehe der Weiterbehandlung der Patientinnen § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V entgegen, also das Ende der Zulassung kraft Gesetzes mit dem 68. Lebensjahr. Der Klägerin sei diese Altersgrenze bekannt gewesen, so dass sie kurz vor Erreichen der Altersgrenze keine Langzeitfälle mehr habe annehmen dürfen, wie dies in den beiden Fällen F. und K. erfolgt sei.
Die Klägerin hat am 11. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben, welches mit Urteil vom 22. Juli 2009 die Klage abgewiesen hat. Die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung der Klägerin sei rechtmäßig. Der Berufungsausschuss habe mit seinem Beschluss dem Grundsatz Rechnung getragen, dem Psychotherapeuten eine geräumige Auslauffrist für seine Tätigkeit zu gewähren, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes könne dieser Beschluss jedoch keine unendliche Geltung beanspruchen. Abzuwägen sei der Gesundheitsschutz der Patienten durch die Vermeidung eines Therapeutenwechsels mit dem Faktum des Zulassungsendes aufgrund des Erreichens der Altersgrenze. Hiernach sei die Entscheidung der Beklagten, weitere Abrechnungen fast drei Jahre nach Zulassungsende nicht mehr zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden, da innerhalb dieses langen Zeitraums behutsam ein Therapeutenwechsel habe eingeleitet werden können.
Gegen das ihr am 18. August 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. September 2009 Berufung eingelegt.
Sie meint, es sei bereits nicht nachvollziehbar, wenn das Sozialgericht maßgeblich auf die Altersgrenze von 68 Jahren abstelle, die der Gesetzgeber mittlerweile selber aufgehoben habe. Unberücksichtigt bleibe der bereits im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 15. Juni 2005 (S 5/27 KA 2166/04) hervorgehobene Aspekt, dass der Beschluss des Berufungsausschusses ihr erlaubt habe, anbehandelte Patienten ohne zeitliche Befristung bis zum Abschluss der Behandlung zu behandeln. Diese Voraussetzungen hätten bei beiden Patientinnen vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. Juli 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. November 2006, 12. März 2007, 28. Juni 2007 und 20. September 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die abgesetzten Leistungen zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts. Aus der Aufhebung der Altersgrenze ab dem 1. Oktober 2008 könne für den vorliegenden Fall nichts geschlossen werden. Aus dem Beschluss des Berufungsausschusses könne nicht abgelesen werden, dass damit der Klägerin eine zeitlich unbefristete Behandlungserlaubnis erteilt worden sei, sondern dieser habe der Klägerin lediglich die Möglichkeit geben wollen, die bereits antherapierten Fälle im Rahmen der bereits zum Zeitpunkt der Beendigung der Zulassung genehmigten Therapie in vollen Umfang durchzuführen. Das habe aber nicht die Berechtigung umfasst, die Durchführung neuer Therapien (also Fortsetzungs- und Änderungsanträge) bei den Krankenkassen zu beantragen. Die Patientin F. sei aber über das Ende der Zulassung hinaus noch bis Juni 2006, also 2,5 Jahre, die Patientin K. sogar bis März 2007, also 3 ¼ Jahre, weiterbehandelt worden. Aus dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 15. Juni 2005, welches in einem anderen Zusammenhang ergangen sei, könne die Klägerin keine Rechte herleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts kann nicht aufrechterhalten bleiben. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Abrechungen der Klägerin hinsichtlich der Patientinnen F. und K. sachlich-rechnerisch zu berichtigen.
Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG, denn die Klägerin erstrebt die Auszahlung höheren Honorars (vgl. Clemens in JurisPK zu § 106a SGB V Rdnr. 44).
Rechtsgrundlage für die vorgenommene Berichtigung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, der die Beklagte gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - abgerechnet worden sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten war das vorliegend der Fall.
Der Beschluss des Berufungsausschusses vom 14. Juli 2004 hat der Klägerin die Genehmigung erteilt, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Dieser Bescheid ist bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG). Es spielt daher keine Rolle, ob die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Zulassung durch den Berufungsausschuss tatsächlich vorlagen. Die Beklagte muss die hier getroffene Regelung unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Berufungsausschusses gegen sich gelten lassen.
In Bezug auf die Behandlung der Patientinnen F. und K. war die Beklagte deshalb nicht berechtigt, die Abrechnungen der Klägerin sachlich-rechnerisch zu korrigieren. Denn die Auslegung des Beschlusses des Berufungsausschusses vom 14. Juli 2004 ergibt, dass der Klägerin damit die Genehmigung erteilt worden ist, Kinder und Jugendliche, die am 31. Dezember 2003 in ihrer Behandlung standen, bis zum Abschluss der Behandlung weiterzubehandeln, und zwar ohne zeitliche Befristung. Insoweit umfasste der Beschluss des Zulassungsausschusses – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch Behandlungsabschnitte im Rahmen laufender (Langzeit-) Therapien, die erst nach dem Ende der Zulassung der Klägerin aufgrund von Fortsetzungsanträgen von den Krankenkassen genehmigt wurden. Der Auffassung der Beklagten, der Beschluss des Berufungsausschusses sei so auszulegen, dass die Genehmigung zur Weiterbehandlung sich lediglich auf den jeweiligen Bewilligungsbescheid der Krankenkasse bezog, also mit dem Abschluss eines Bewilligungszeitraums auch die Befugnis der Klägerin zur Behandlung der Kinder und Jugendlichen endete, kann der Senat nicht folgen.
Maßgeblich für die Auslegung von Verwaltungsakten ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung und ihre darin abgegebene Erklärung und der aus dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wie er für den Adressaten des Verwaltungsaktes erkennbar geworden ist (vgl. u.a. BSGE 48, 56, 58; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29; Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Aufl. 2007, § 31 Rdnr. 25). Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung, wonach mit dem im Beschluss erwähnten "Abschluss" der Abschluss des jeweiligen durch die Krankenkasse bewilligten Behandlungsabschnitts gemeint sei, entspricht weder wörtlich noch sinngemäß dem erkennbaren Regelungswillen des Berufungsausschusses. Denn in dem Beschluss ist mit keinem Wort von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid der Krankenkasse die Rede, sondern der Klägerin wird die Genehmigung erteilt, "anbehandelte Fälle bis zu ihrem Abschluss" weiter zu behandeln. Gegenstand der Genehmigung war also die psychotherapeutische Behandlung des jeweiligen Falls bis zum Abschluss der Behandlung. Noch deutlicher ergibt sich dies aus den Beschlussgründen, die zeigen, dass der Berufungsausschuss der Klägerin eine zeitlich nicht beschränkte und damit auch Fortsetzungsanträge umfassende Genehmigung zur Behandlung bereits anbehandelter Kinder und Jugendlicher erteilt hat. Denn es heißt dort, dass der Berufungsausschuss die Genehmigung für anbehandelte Fälle im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erteilt habe, wonach eine geräumige Auslauffrist für die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit zu gewähren sei. Im Hinblick darauf, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen der Therapeut nicht ausgewechselt werden solle, und im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragene Unterversorgung in der Region mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und die damit verbundenen Wartefristen habe der Berufungsausschluss die Auslauffrist "nicht begrenzt". Diese Formulierung lässt sich nur so verstehen, dass der Berufungsausschluss die Genehmigung für bereits laufende Behandlungen zeitlich nicht beschränken und insbesondere nicht an bereits erteilte Bewilligungsbescheide der Krankenkassen und sich hieraus ergebende zeitliche Befristungen knüpfen, sondern die einmal begründete Patienten-Therapeuten-Beziehung bis zu ihrem Abschluss schützen wollte. Denn anders lässt sich insbesondere der Hinweis, dass bei Kindern und Jugendlichen der Therapeut nicht ausgewechselt werden solle, nicht verstehen.
Soweit die Beklagte auf das Rundschreiben info.doc vom Juni 2006 hinweist, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsposition der Klägerin ist der Verfügungssatz des Beschlusses des Berufungsausschusses und wie dieser von der Klägerin objektiv verstanden werden durfte. Nachträgliche interpretatorische Äußerungen der Beklagten hierzu – seien sie einzelfallbezogen oder genereller Art – sind demgegenüber von Vornherein unbeachtlich.
Hiernach ist die sachlich-rechnerische Berichtigung in Bezug auf die Patientin K. rechtswidrig. Diese stand am 31. Dezember 2003 bereits in Langzeittherapie (analytische Psychotherapie), welche in der Folgezeit lediglich um weitere Leistungsabschnitte verlängert wurde.
Gleiches gilt in Bezug auf die Patientin F. (geb. 1986), bei der ebenfalls bereits seit 2003 eine Langzeittherapie stattfand. Allerdings war die Patientin F. im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Leistungen bereits volljährig. Dies führt aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem Vergütungsausschluss. Denn es ist nicht zu erkennen, dass der Berufungsausschuss mit seiner Formulierung, dass "anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss" weiterbehandelt werden dürfen, die Klägerin auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr beschränken wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Ausschuss mit der Formulierung "Kinder und Jugendliche" an das fachliche Begriffsverständnis im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie anknüpfen wollte. Kinder und Jugendliche in diesem Sinne sind jedoch solche Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das ergibt sich zunächst aus § 1 Abs. 2 Psychotherapeutengesetz. Danach erstreckt sich die Berechtigung zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf Patienten, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ausnahmen von Satz 1 sind zulässig, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs eine gemeinsame psychotherapeutische Behandlung von Kindern oder Jugendlichen mit Erwachsenen erforderlich ist oder bei Jugendlichen eine vorher mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann. Für den vertragspsychotherapeutischen Bereich gilt keine andere Altersregelung. Weder die Psychotherapie-Vereinbarung noch die Psychotherapie-Richtlinien enthalten eine von der Altersgrenze des Psychotherapeutengesetzes abweichende Regelung. Auch der EBM 2000plus knüpft für die Abrechnungsfähigkeit der Leistungen an dieses Alter an. Nach der Präambel zu Ziffer 23 – Psychotherapeutische Leistungen (Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) – können die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen ausschließlich von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sowie von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (ausschließlich für die Behandlung von Patienten bis zum vollendeten 21. Lebensjahr) berechnet werden. Soweit sich die Beklagte demgegenüber für ihr Begriffsverständnis auf die Präambel zu Ziffer 35.3 EBM 2005 plus beruft, ist festzustellen, dass sich dies lediglich auf psychodiagnostische Testverfahren bezieht, die je Behandlungsfall für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nur bis zu einer Gesamtpunktzahl von 3000 Punkten, für Versicherte ab Beginn des 19. Lebensjahres nur bis zu einer Gesamtpunktzahl von 2000 Punkten berechnungsfähig sind. Diese vergütungsbezogene Sonderregelung für den speziellen
Fall psychodiagnostischer Testverfahren ist ersichtlich ungeeignet, ein allgemeines Sprachverständnis der Formulierung "Kinder und Jugendliche" im Zusammenhang mit der Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen zu begründen.
Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses die Behandlung von Patienten mit Beginn der Volljährigkeit ausschließen wollte. Denn der Beschluss formuliert nicht, dass Kinder und Jugendliche (nur) bis zum vollendeten 18. Lebensjahr weiterbehandelt werden dürfen, sondern der Klägerin wird die Genehmigung erteilt, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Auch sonst gibt der Beschluss keinen Hinweis darauf, dass die Formulierung "Kinder und Jugendliche" anders als im fachspezifischen Sinne, also unter Einbeziehung der unter 21jährigen, gemeint gewesen sein könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
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