L 9 U 425/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2608/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 425/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. November 2006 aufgehoben soweit die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 20 vom Hundert der Vollrente zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu gewährenden Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 25.04.2002 streitig.

Der 1946 geborene Kläger ist für die Firma S. P. S. GmbH als Richtmeister beschäftigt gewesen. Sein Aufgabengebiet umfasste dabei den Aufbau und die Inbetriebnahme von Verfestigungsanlagen in Raffinerien- und Chemieanlagen. Seit dem 25.02.2002 befand er sich im Auftrag seines Arbeitgebers in Venezuela, um sieben Kühlbandanlagen mit Pastillator für Schwefel in Betrieb zu nehmen. Am 26.04.2002 kam es bei Arbeiten an einer Schwefelverfestigungsanlage ohne Atemschutzmaßnahmen zu einer Exposition gegenüber Schwefeldämpfen, worauf der Kläger in Venezuela stationär behandelt wurde (Diagnosen: rechtsseitige sekundäre Basalpneumonie, Pneumonitis nach Einatmen von Wasserstoffsulfid und Abszess auf Höhe der rechtsseitigen Lungenbasis). Im Verlauf der Behandlung kam es zur Ausbildung eines Pneumothorax und eines Pleuraergusses rechts, weshalb eine 12-tägige intensivmedizinische Behandlung mit Anlage einer Thoraxdrainage erforderlich war. Der Kläger kehrte am 10.06.2002 nach Deutschland zurück und stellte sich am 12.06.2002 bei seinem Hausarzt Dr. Sch. vor. Dieser veranlasste wegen einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit und der möglichen beruflichen Verursachung eine Vorstellung beim D-Arzt Dr. B. und eine lungenfachärztliche Abklärung bei Prof. Dr. D., Klinik Sch., G ... Nachdem dort eine Indikation zur operativen Sanierung bei chronischem Pneumothorax mit bullösen Formationen im Bereich des basalen Unterlappensegments rechts für erforderlich gehalten wurde (Bericht Dr. D.), stellte sich der Kläger am 25.06.2002 zur Einholung einer Zweitmeinung bei Prof. Dr. G., Klinik L. vor. Prof. Dr. G. vermerkte einen Tabakkonsum von zwei Schachteln Zigaretten täglich seit 38 Jahren und stellte zunächst eine leichte restriktive Ventilationsstörung sowie eine nur geringfügige bronchiale Obstruktion fest. Der rechte Lungenlappen stelle sich bei den computertomographischen Untersuchungen hochgradig geschrumpft dar, er sei medial und dorsal gefesselt, nach lateral sei er ca. in der Mitte der Breite des rechten Hemithorax begrenzt. Lateral davon bestehe ein großer pleuraler Luftraum und es ließen sich mehrere Blasen im rechten Unterlappen feststellen. Er führte aus, dass eine hohe Exposition mit Schwefelwasserstoff rasch zu einem kardiovaskulären Kollaps und Tod führe, was alle Effekte an den Atmungsorganen überlagere. Bedeutsame Reizerscheinungen an den Atemwegen könnten deshalb nur bei geringer Exposition auftreten. Er stimme Dr. D. zu, dass es sich bei dem radiologischen Lungenbefund um einen Zufallsbefund anlässlich des Betriebsunfalles vom 25.04.2002 handele. Veränderungen, wie sie in der Computertomographie vom 30.04.2002, also vier Tage nach dem Unfalltag, nachweisbar seien, könnten nicht in dieser Zeit entstanden sondern müssten vorbestehend sein. Radiologisch lasse sich in der diesjährigen Verlaufskontrolle ein entzündlicher Prozess feststellen, welcher am 26.04.2002 zu einer erheblichen Volumenverminderung geführt und welcher sich zwar jetzt deutlich gebessert habe, aber im gewissen Ausmaß noch immer vorhanden sei.

Im von der Beklagten veranlassten fachradiologischen Gutachten von Prof. Dr. N., Berufsgenossenschaftliche Kliniken B. wurde ausgeführt, dass die Voruntersuchung vom 03.01.1997 des Radiologen F. bereits eine erkennbare Hypertransparenz des rechten Unterlappens im Sinne eines zu diesem Zeitpunkt bestehenden Lungenemphysems belege. Es müsse von einem im Verlauf von 1997 bis 2002 progredienten Geschehen mit bullöser Transformation des Emphysems und zunehmenden narbigen Veränderungen ausgegangen werden, welches bereits zum Zeitpunkt des Inhalationstraumas in voller Ausprägung bestanden habe. Im Hinblick auf das Inhalationstrauma sei von einem ursächlichen Zusammenhang mit dem posttraumatisch diagnostizierten und therapierten Pneumothorax rechtsseitig auszugehen, wenngleich es sich hier um eine Schädigung bei vorbestehenden Lungenveränderungen handele. Im ebenfalls von der Beklagten in Auftrag gegebenen fachinternistisch-pneumologischen Gutachten von Prof. Dr. Sch.-W. vom 27.01.2003 wurden eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COLD-Stadium IIa), ein groß-bullöses Lungenemphysem rechts basal, ein Zustand nach Pneumothorax rechtsseitig mit residualen narbigen Lungenveränderungen, ein Nikotinabusus und eine Hypercholesterinämie angegeben. Der Sachverständige führte aus, dass im Hinblick auf das Inhalationstrauma von einem ursächlichen Zusammenhang mit dem posttraumatisch diagnostizierten Pneumothorax rechtsseitig auszugehen sei, wenngleich es sich um eine Schädigung bei vorbestehenden Lungenveränderungen im Sinne eines lokalisierten basalen Emphysems rechts gehandelt habe. Zum anderen sei eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung in Folge des Unfallereignisses eingetreten. Die regelmäßig erhobenen Lungenfunktionsdaten belegten, dass die Funktionsstörungen im Verlauf progredient zugenommen hätten. Aufgrund des zeitlichen Verlaufs sei das Unfallereignis zumindest als wesentliche Teilursache des Krankheitsgeschehens aufzufassen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezifferte der Sachverständige auf 20 %.

Der Kläger stellte sich am 30.07.2003 bei Prof. Dr. M.-Qu., Universitätsklinikum F. vor. Dieser beschrieb ein chronisches Atemwegsleiden mit Belastungsdyspnoe nach einer Schadgas-Exposition im April 2002. Durch ein Parasympatholytikum sei die Normalisierung der Resistance und eine gewisse Entblähung erreicht worden. Es habe sich bei einer diskreten Restriktion eine deutliche Störung der O2-Aufnahme gezeigt. Die vorgelegten Computertomographien des Thorax klärten diese Diskrepanz nicht auf. Insbesondere die rechts basalen Veränderungen wie Emphysem, Bulla und Narbenstränge und möglichweise auch ein Lungensequester könnten diese Diskrepanz nicht erklären. Weil eine kardiale Ursache weitgehend ausgeschlossen sei und die CT eine pU.onale Ursache nicht erkennen lasse, müsse weiter diagnostiziert werden. Eine definitive Klärung sei sicherlich nur per Histologie möglich.

Der zwischenzeitlich von der Beklagten beauftragte Sachverständige Prof. Dr. H. teilte unter dem 24.10.2003 mit, dass er nach Durchsicht der gesamten Aktenunterlagen, der Thorax- und CT-Bilder davon ausgehe, dass zumindest teilweise der charakteristische Befund einer asbestbedingten Lungen- und Pleuraveränderung vorliege. Es seien daher weitere Ermittlungen des TAD hinsichtlich einer beruflichen Asbeststaubexposition erforderlich. Im daraufhin eingeleiteten Berufskrankheitenverfahren hat sich ein Asbestkontakt des Klägers nicht bestätigt. Die Beklagte lehnte eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung mit Bescheid vom 13.04.2004 (bestandskräftig) ab. In seinem Gutachten vom 09.06.2004 wies Prof. Dr. H. dann darauf hin, dass sich eine klinisch relevante Schwefeldioxid-Intoxikation nicht durch lungenfunktionsanalytische Messdaten habe untermauern lassen. Schwefeldioxid entfalte eine schädigende Wirkung im Bereich der oberen und mittleren Atemwege. Insofern müsste eine messtechnisch nachweisbare Obstruktion von klinisch relevanter Bedeutung in den zentralen Bronchialabschnitten vorhanden sein, was jedoch nicht der Fall sei. Da sich ein Inhalationstrauma im Sinne einer Schwefeldioxid-Intoxikation nicht belegen lasse, könne auch der Vermutung von Prof. Dr. N. nicht zugestimmt werden, dass das Inhalationstrauma im ursachlichen Zusammenhang mit dem rechtsseitigen Pneumothorax stehen könne. Er, Prof. Dr. H., gehe davon aus, dass eine vorbestehende Emphysemblase geplatzt sei und zu einem Pneumothorax mit nachfolgender Pneumonie geführt habe. Eine Schwefeldioxid-Intoxikation als Ursache für dieses Krankheitsgeschehen sei nicht wahrscheinlich. Diese Beurteilung werde gestützt durch den Nachweis einer sogenannten Einrollatelektase im rechten Lungenunterlappen. Diese sei schon am 17.05.2002 in Venezuela angefertigten CT-Bildern beschrieben worden. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Anerkennung ein BK Nr. 4302 lägen nicht vor, auch die Merkmale eines Arbeitsunfalles seien nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 13.10.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen der Erkrankung am 26.04.2002 aufgrund einer Pneumonie rechts ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2002 zurück. Die Beklagte stellte klar, dass das Ereignis vom 25.04.2002 mit dem angefochtenen Bescheid als Arbeitsunfall anerkannt worden sei. Ein Anspruch auf Leistungen wegen der Erkrankung ab dem 26.04.2002 bestehe aber nicht, weil ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Unfall nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Die auf das Ereignis zurückzuführenden Körperbeeinträchtigungen seien folgenlos ausgeheilt.

Mit dem Ziel der Gewährung einer Verletztenrente hat der Kläger hiergegen am 04.05.2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Er hat auf die Ausführungen von Prof. Dr. G. verwiesen, der schon darauf hingewiesen habe, dass trotz guter Ganzkörperplethysmographie bei Ergometrie nur eine Leistung von 50 Watt habe erreicht werden können. Es sei kaum vorstellbar, dass ein Mensch mit so hochgradig eingeschränkter Leistungsfähigkeit (50 Watt) zuvor auf einer Ölplattform habe arbeiten können. Er hat ein internistisch-pneumologisches Gutachten (Prof. Dr. D.) der Klinik Sch. vom 25.04.2005 für eine private Versicherung des Klägers vorgelegt. Dort wird von einer erheblichen Beeinträchtigung der normalen körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers berichtet. Das Gutachten geht von einer Gesamt-MdE von 60 % aus, wovon 10 % durch eine Vorschädigung der Lunge bedingt sei, 30 % durch die Unfallfolgen und 20 % durch eine nicht unfallbedingte ätiologisch in diesem Zusammenhang nicht weiter zu klärende Tachykardie.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines pneumologischen Gutachtens bei Dr. K., Universitätsklinikum U ... In dem von Prof. Dr. H. mitunterzeichneten Gutachten vom 31.05.2006 vertrat der Sachverständige die Auffassung, dass es an der Kausalität des Unfallereignisses für die Pneumonie mit den nachfolgenden Komplikationen keinen wesentlichen Zweifel geben könne. Auch wenn schon eine vorbestehende Emphysembildung im Bereich des rechten Unterlappens bestanden haben dürfte, was aufgrund der vorliegenden Röntgenaufnahmen von 1997 anzunehmen sei, sei es erst durch das Inhalationstrauma zu einer wesentlichen Verschlechterung gekommen. Der Kläger sei vorher klinisch komplett asymptomatisch, gut belastbar und arbeitsfähig gewesen. Erst infolge des Inhalationstraumas sei es zur Ausbildung einer Pneumonie im rechten Unterlappen und aufgrund des begleitenden starken Hustens dann wohl zur Ruptur der Emphysembulla mit konsekutivem Pneumothorax gekommen. Im weiteren Verlauf habe auch nach Ausheilung der Pneumonie und nach der Therapie des Pneumothorax rechts eine starke bronchiale Hyperreagibilität persistiert, die bis zum heutigen Tag nachweisbar sei. Weil der Kläger vor dem Unfallereignis nicht über derartige Beschwerden geklagt habe, müsse auch hier kausal von der Bedeutung des Unfallereignisses für die Ausbildung eines protrahierten "reactive airway dysfunction syndrome" (RADS) ausgegangen werden. Die durch die Unfallfolgen bedingte MdE werde auf 20 vH geschätzt. Darüber hinaus liege auch eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor. Als Folgen der beruflich bedingten Erkrankung beständen eine persistierende Dyspnoe bei schon geringer Belastungsstufe, ein verstärkter Hustenreiz und Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit sowie eine deutliche Neigung zu Atemwegsinfekten. Die MdE hierfür sei mit 20 vH anzunehmen, weil der Kläger mit einer Fahrradergometerbelastung bis maximal 150 Watt und einer altersentsprechend noch normalen maximalen Sauerstoffaufnahme noch gut belastbar sei.

Unter Vorlage eines Berichtes des Internisten Dr. H. vom 09.09.2006 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass eine Spiroergometrie mit Belastungsstufen 25 und 50 Watt bei schwerster Dyspnoe habe abgebrochen werden müssen. Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H. vorgelegt, der daran festgehalten hat, dass sowohl der Krankheitsverlauf wie auch die Expositionsbedingungen nach den Erkenntnissen der arbeitsmedizinischen Wissenschaft nicht geeignet gewesen seien, die vermutete Atemwegserkrankung zu verursachen.

Mit Urteil vom 13.11.2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Ziffer 1 des Tenors) und festgestellt, dass der Zustand nach Pneumothorax und die obstruktive Atemwegserkrankung Folgen des Versicherungsfalles vom 25.04.2002 sind (Ziffer 2 des Tenors). Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 26.04.2002 bis 31.08.2002 Verletztengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Ziffer 3 des Tenors) sowie eine Verletztenrente in Höhe einer MdE von 40 vH, beginnend ab dem 01.09.2002 auf Dauer (Ziffer 4 des Tenors). Das SG hat sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. Sch.-W. und das Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. K. gestützt.

Gegen das der Beklagten am 15.01.2007 zugestellte Urteil hat diese am 23.01.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG sei entgegen der ausdrücklichen Voten der zuvor tätig gewesenen Gutachter, insbesondere Prof. Dr. Sch.-W. und Prof. Dr. H., nicht nur von einer rechtlich wesentlichen Verschlimmerung eines anlagebedingten Vorschadens im Sinne einer COPD durch das Unfallereignis ausgegangen, sondern vielmehr auch davon, dass bei dem Kläger im Bereich der Atemwege bestehende Beschwerden insgesamt bei der Festsetzung der unfallbedingten MdE zu berücksichtigen seien, was letztlich zur Verurteilung einer Rente nach einer MdE von 40 vH geführt habe. Sie vertritt unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. H., G., die Auffassung, dass sowohl eine gesonderte Bemessung bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Bereich der Atemwege vorgenommen werden könne und das vorbestehende anlagebedingte COPD abzugrenzen sei. Sie sei vergleichsweise bereit, unter Anerkennung einer unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität (UBH) eine Rente nach einer MdE von 20 vH der Vollrente zu gewähren. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, er gehe davon aus, dass die verschwielenden Veränderungen mit Pleuraplaques und einer Einroll-Atelektase als Vorschaden vorlägen, welche im rechten Untergeschoss zu einer Pneumatisationskammer geführt hätten. Diese Veränderungen stünden nicht im kausalen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis. Inwieweit hierfür aus versicherungsrechtlicher Sicht eine berufliche Einwirkung durch Asbest verantwortlich zu machen sei, bleibe unklar. Bei retrospektiver Betrachtungsweise sei nachvollziehbar, dass die bis zum Unfallereignis asymptomatische Vorerkrankung erst durch die tatsächlich eingetretene inhalative SO2-Noxe mit akuter bronchopulmonaler Symptomatik wahrgenommen worden sei und vermeintlich (kausal jedoch nicht begründet) auf das Unfallereignis bezogen worden sei. Sowohl die von allen Gutachtern festgestellte COPD als auch die nicht in Abrede gestellten Verschwielungen entsprächen einem Krankheitsgeschehen, welches in der Regel Jahrzehnte asymptomatisch bleibe und erst durch einschneidende bedrohliche klinische Befunde üblicherweise zur ärztlichen Feststellung führe. In der Regel seien dies Husten, Atemnot und/oder Blutbeimengungen im Auswurf. Im konkreten Einzelfall sei es das Unfallereignis gewesen mit einer bronchopulmonalen Symptomatik, welches zur Feststellung des bis dato klinisch stummen Vorschadens geführt habe. Er schließe sich den Vorgutachtern Dr. Sch.-W. und Prof. Dr. D. an, wonach das Unfallereignis bei dem beschriebenen Vorschaden COPD mit verschwielender Rippenfellentzündung und bullösen Lungenemphysem im rechten Untergeschoss einen Atemwegsreizzustand herbeigeführt habe, der im Sinne einer UBH oder eines RADS gedeutet werden könne. Die Anscheinsvermutung, dass der gesamte Schaden durch das Unfallereignis ausgelöst worden sei, sei schon allein deswegen nicht zu halten, weil zum Zeitpunkt des eingetretenen Unfalles bereits kalkdichte Schwielenbildungen (Pleuraplaques) und perifokale Emphysembullae vorgelegen hätten, für deren Entstehen in der Regel ein Entwicklungszeitraum von mehreren Jahrzehnten erforderlich sei. Die Anscheinsvermutung, dass das bullöse Emphysem einem abgekapseltem Pneumothorax - ausgelöst durch das Inhalationstrauma - entspräche, sei an keiner Stelle nachvollziehbar hinreichend wahrscheinlich gemacht worden. Wie bereits Prof. Dr. Sch.-W. ausgeführt habe, bestehe als Unfallfolge eine UBH, die entsprechend der Empfehlungen zur Begutachtung obstruktiver Atemwegserkrankung mit einer Dauer-MdE von 20 vH zutreffend eingeschätzt sei. Eine darüber hinausgehende Verschlimmerung der COPD mit verschwielendem Rippenfellschaden lasse sich nach Aktenlage nicht abgrenzen. Der Unfallschaden Pneumothorax als Folge des Inhalationstraumas sei nach Aktenlage nicht belegt. Der Nachweis von kalkdichten Pleuraplaques diaphragmal und costovertebral im Zusammenhang mit einer Einroll-Atelektase deute mit erdrückender Wahrscheinlichkeit auf eine Asbestfaserstaubexposition hin. Durch den Arbeitsunfall sei bei einem manifesten Vorschaden COPD und verschwielender Rippenfellentzündung rechts mit kalkdichten Pleuraplaques zusätzlich eine UBH eingetreten. Diese habe sich seit der Feststellung nicht rechtlich wesentlich weiter verschlimmert. Verschlimmert habe sich die respiratorische Partialinsuffizienz als typischer Folgezustand der COPD entsprechend der üblichen epidemiologischen Erwartungen der Entwicklung der COPD in der übrigen Bevölkerung mit vergleichbaren Lebensgepflogenheiten (Inhalationsrauchen). Der Vorschaden verschwielende Pleuritis mit kalkdichten Pleuraplaques sei das Resultat einer langjährigen Entzündungsentwicklung. Die verschwielende Pleuritis mit kalkdichten Pleuraplaques könne nicht durch das angeschuldigte Inhalationstrauma ausgelöst oder rechtlich verschlimmert worden sein.

Der Kläger entgegnet, durch die vorgelegten Berichte des Internisten und Kardiologen Dr. H. vom 09.09.2006 sowie vom 27.04.2007 sei belegt, dass er bei der Spiroergometrie nur bis 50 Watt belastbar gewesen sei und die Ergometrie bei schwerster Dyspnoe habe abgebrochen werden müssen. Aus den genannten Befunden gehe hervor, dass er durch die Folgen des Arbeitsunfalles deutlich in seiner pulmonalen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines lungenfachärztlichen Gutachtens bei Prof. Dr. H., T. am Universitätsklinikum H ... Er hat in seinem Gutachten vom 26.11.2007 ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Berufsanamnese des Klägers (teilweise Arbeit als Heizungsmonteur und Lüftungsmonteur) sowie bei der Maschinenmontage und den radiologisch auffälligen Pleuraplaques eine berufliche Asbestexposition sehr wahrscheinlich sei. Er schloss sich den Aussagen von Prof. Dr. H. an, wonach als Vorschaden eine COPD mit Lungenfunktionseinschränkungen vorgelegen habe und bedingt durch das Unfallereignis und der Schwefelinhalation ein RADS aufgetreten sei, welches in vollem Umfang auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Auf pneumologischem Gebiet sei von einer Gesamt-MdE von 40 vH auszugehen, die abgrenzbaren Folgen des Unfalles seien mit 20 vH auf Dauer anzusetzen.

Der Kläger bestreitet, einen relevanten Kontakt mit Asbest gehabt zu haben. Ein Nachweis von Asbest im Lungengewebe sei auch niemals erfolgt. So werde in einer Befundmitteilung vom 04.09.2003 durch Dr. G. berichtet, dass sich im Lungenbiopsat Asbestkörperchen nicht hätten nachweisen lassen. Vor Eintritt des Schadensereignisses hätten die vorbestehenden Lungenveränderungen keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit ergeben, wie aus den vorliegenden Gutachten und einer Stellungnahme seines Arbeitgebers hervorgehe. Er hat auf das Gutachten von Prof. Dr. D. verwiesen, der von einem kardialen Anteil in der Verursachung ausgegangen sei, und auf ein vorgelegtes Gutachten des Toxikologen Prof. Dr. W. für den Arbeitgeber des Klägers, wonach es durchaus Hinweise gebe, dass durch eine Exposition gegenüber Schwefeldioxid selbst in vergleichsweise niedrigen Konzentrationen eine Beeinträchtigung der Herzfunktion erfolge. Hieraus sei zu folgern, dass auch die bei ihm vorliegende Tachykardie unabhängig davon, in welchen Anteilen sich die Ursache auf Atemwege oder Herz verteile, mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehe. Prof. Dr. W. hat in diesem Gutachten ausgeführt, dass zwischen der erlittenen Schwefeldioxid-Intoxikation und den jetzt vorliegenden Atembeschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang bestehe. Mit Wahrscheinlichkeit liege auch zwischen der erlittenen Schwefeldioxid-Intoxikation und den bei ihm jetzt anfallsweise auftretenden Tachykardien ein Kausalzusammenhang vor. Die Atemwegserkrankung schätze er mit einer MdE von 30 vH, die anfallsweise auftretenden Tachykardien mit einer MdE von 20 vH ein, sodass "in logischer folge" insgesamt eine MdE von 50 vH vorliege.

Die Beklagte hat hierauf eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. H. (21.02.2008) vorgelegt, der die ausführlichen Bewertungen in seinem Gutachten und im Gutachten des Prof. Dr. H. durch die vorgenommene kausale Zusammenhangsdiskussion nicht entkräftet sah. Die kausale Zusammenhangsbeurteilung sei anhand der Lungenfunktionsfeststellungen und der Auswirkung der beschriebenen Vorschäden (COPD und deren Verschlimmerung) vorzunehmen. Diese Abgrenzung orientiere sich an tatsächlichen klinischen Feststellungen und der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verschlimmerung durch Vergleich der Lungenfunktionsprüfungen.

In der vom Senat veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat Prof. Dr. H. ausgeführt, dass die radiologischen Brückenbefunde durch einen fehlenden Nachweis von Asbestkörperchen im Rahmen einer bronchologischen Untersuchung nicht entkräftet würden. Zusätzlich zum Inhalationstrauma bestünden konkurrierende Ursachen, wie der langjährige Nikotinkonsum. Durch die Ausführungen von Prof. Dr. W. ergäben sich bezüglich der vorgenommenen Abwägung keine neuen Aspekte. Das Fehlen von pulmonalen Beschwerden vor dem Unfallereignis werde nicht angezweifelt. Es ergebe sich deshalb auch keine relevante Konkurrenz zu dem vorgelegten hausärztlichen Attest.

In einem vor dem Berichterstatter durchgeführten Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes am 10.03.2009 haben die Beteiligten folgenden Teilvergleich geschlossen:

1. Die Beklagte anerkennt als Folge des Unfallereignisses vom 25.04.2002 eine unspezifische bronchiale Hyperreaktivität. 2. Die Beklagte gewährt dem Kläger für den Zeitraum vom 25.04.2002 bis 22.10.2003 unter Anrechnung der Lohnfortzahlung Verletztengeld. 3. Die Beklagte gewährt dem Kläger ab 23.10.2003 Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH. 4. Der Kläger macht aus dem Urteil vom 13.11.2006 hinsichtlich Ziffer 2 und 3 des Tenors keine weitergehenden Ansprüche geltend.

Der Kläger hat erklärt, dass er hinsichtlich der Verurteilung zur Gewährung von Verletztenrente vor dem 23.10.2003 aus dem angefochtenen Urteil keine Ansprüche herleiten werde.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.11.2006 insofern aufzuheben, als sie verurteilt wurde, dem Kläger ab 23.10.2003 Verletztenrente nach einer höheren MdE als um 20 vH zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines wissenschaftlich begründeten arbeitsmedizinischen Fachgutachtens nach Aktenlage bei Prof. Dr. N., Klinikum der Universität M ... In dem zusammen mit Dr. W. erstellten Gutachten führt Prof. Dr. N. aus, dass durch das Röntgen-Thoraxbild von 1997 narbige Strukturumbauten im Bereich des Lungenunterfeldes sowie begleitend eine unmittelbar in der Nachbarschaft zu den narbigen Strukturumbauten erkennbare Hypertransparenz im Unterfeld rechts nachgewiesen seien. Als Vorschaden finde sich radiologisch das Bild eines bullösen Emphysems im Bereich des rechten Untergeschoßes, das Bild eines zentroacinären Emphysems im Bereich der Restlunge mit Betonung der Lungenoberfelder, zudem eine Asbest-assoziierte Veränderung der Pleura im Sinne einer Rundatelaktase, begleitend Pleuraplaques. Als gesichert nach dem Unfallereignis sei eine COPD GOLD 2 anzusehen. Unabhängig vom Unfallereignis sei es als Folge der COPD im zeitlichen Verlauf zu einer Verschlechterung der Lungenfunktionsparameter sowie einer Einschränkung der pulmonalen Leistungsfähigkeit gekommen. Des Weiteren habe sich blutgasanalytisch das Bild einer leichten respiratorischen Partialinsuffizienz als Folge der COPD auf der Basis eines langjährigen inhalativen Zigarettenrauchens gezeigt. Ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 25.04.2002 sei das RADS und die hierdurch verursachte bronchiale Hyperreagibilität zurückzuführen. Diese sei mit einer MdE von 20 vH ausreichend bewertet. Typisch für ein RADS sei die Symptomatik mit Atemnot und Husten nach Exposition gegenüber unspezifischen Reizen. Klinisch im Vordergrund stünden jedoch die Belastungsatemnot und die erhöhte Infektneigung, welche in einem engen Zusammenhang mit dem durch das inhalative Zigarettenrauchen bedingten Vorschaden stünden. Die im zeitlichen Verlauf aufgetretenen Veränderungen hinsichtlich der Diffusionskapazität, die zunehmende Einschränkung der Lungenfunktionsbefunde und die zunehmende Einschränkung der kardiopU.onalen Leistungsfähigkeit seien die zeitliche Abfolge einer COPD und stünden nicht in einem Zusammenhang mit dem Unfallereignis, insbesondere deshalb, weil Schwefeldioxid sich als wasserlösliches Gas vorwiegend von Seiten des Schädigungsmechanismus in den oberen und mittleren Atemwege abspiele und nicht geeignet sei, Schäden im Bereich der Alveolen hervorzurufen, sodass unbedingt eine Abgrenzung der bronchialen Hyperreagibilität im Ausmaß der Funktionseinschränkung aufgrund der Vorschädigung vorgenommen werden müsse. Das vorbestehende Lungenemphysem sei im zeitlichen Verlauf bereits vor dem Unfallereignis progredient gewesen und Basis für die jetzt vorliegende Leistungseinschränkung. Die von Seiten des Klägers vorliegende kardiopulmonale Leistungseinbuße stehe nicht im Zusammenhang mit dem posttraumatisch diagnostizierten und entsprechend therapierten Pneumothorax rechts. Die sich im zeitlichen Verlauf abzeichnende kardiopulmonale Leistungseinschränkung könne nicht als Folge des Pneumothorax gewertet werden. Die vorliegenden verschwielenden Veränderungen seien ursächlich im Zusammenhang mit einer möglichen Asbest-assoziierten Pleura- bzw. Lungenparenchymveränderung zu sehen. Als Folge des Inhalationstraumas sei es zur Ausbildung einer Pneumonie im rechten Unterlappen gekommen, die Ruptur einer Emphysembulla sei als Unfallfolge vorhanden gewesen, wegen des begleitenden starken Hustens. Im weiteren Verlauf persistiere nach Ausheilung der Pneumonie und nach Therapie des Pneumothorax rechts eine bronchiale Hyperreagibilität, die im weiteren Verlauf konstant nachzuweisen gewesen sei. Die Gesamt-MdE des tatsächlich vorliegenden Körperschadens sei mit 40 vH zutreffend eingeschätzt, die UBH sei mit einer MdE von 20 vH ausreichend entschädigt.

Der Kläger verweist auf die Stellungnahme von Prof. Dr. D. im internistisch-pneumologischen Gutachten. Dieser habe den durch das Schadensereignis bedingten MdE-Prozentsatz auf 30 vH geschätzt. Darüber hinaus verweist er auf das ärztliche Attest des Dr. Sch. vom 23.07.2004, wonach die Lunge im Januar 1996 mit unauffälligem Befund geröntgt worden sei. Auch der bei einem Gesundheits-Checkup am 03.01.1997 erhobene Lungenbefund sei ebenfalls völlig regelrecht und unauffällig gewesen. Insoweit verweist er auf den vom Radiologen F. wiedergegebenen Befund.

Mit Bescheid vom 11.12.2009 hat die Beklagte dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 23.10.2003 um 20 vH gewährt. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen hat sie eine UBH nach Inhalationstrauma anerkannt. Die verschwielenden Veränderungen der Lunge mit Pleuraplaques und Einroll-Atelektase sowie ein bullöses Emphysem lägen unabhängig vom Arbeitsunfall vor.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143,144,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig.

Gegenstand des Rechtsstreits ist aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen Teilvergleiches am 10.03.2009 lediglich noch die Höhe der zu gewährenden Verletztenrente ab 23.10.2003 wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 25.04.2002, soweit diese im von der Beklagten mit der Berufung angefochtenen Urteil des SG vom 13.11.2006 mit mehr als 20 vH der Vollrente festgestellt wurde. Soweit das SG über die Anerkennung von Unfallfolgen, die Zahlung von Verletztengeld und den Beginn der Verletztenrente entschieden hat, ist der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich erledigt. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, weil dem Kläger keine Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 20 vH der Vollrente zusteht.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verB.iche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und JURIS).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Der Kläger hat unstreitig einen nach § 4 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 8 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Arbeitsunfall erlitten, als es am 25.04.2002 zu einer Intoxikation mit Schwefeldioxid gekommen war.

Festzustellen ist darüber hinaus, dass die Einwirkung von Schwefeldioxid rechtlich wesentlich zu der von den Sachverständigen Prof. Dr. Sch.-W., Prof. Dr. D., Prof. Dr. H. und später auch von Dr. K. (als RADS), Prof. Dr. H. (als RADS) und Prof. Dr. N. beschriebenen UBH geführt hat. Diese dadurch verursachte Steigerung der broncho-pulmonalen Empfindlichkeit mit Husten und Atemnot nach Exposition gegenüber unspezifischen Reizen ist mit einer MdE von 20 vH angemessen bewertet, was der Senat insbesondere den Einschätzungen von Prof. Dr. N. und bereits zuvor den Expertisen von Prof. Dr. Sch.-W., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. H. entnimmt. Bei der Bewertung der MdE bleibt mangels eines Nachweises einer möglicherweise bereits zum Unfallzeitpunkt vorliegenden Vorschädigung, die nach einem über 38jährigen Tabakkonsums von bis zu 2 Schachteln am Tag (Prof. Dr. G., Bericht vom 04.07.2004) zu erwarten wäre, unberücksichtigt, dass insoweit auch (nur) eine Verschlimmerung einer vorbestehenden UBH eingetreten sein könnte (Prof. Dr. N. Bl. 236 LSG-Akten).

Die darüber hinaus vorliegende chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) ist jedoch keine Folge der stattgehabten Einwirkung von Schwefeldioxid, wie der Senat dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. N. und insbesondere den Ausführungen von Prof. Dr. H. entnimmt, und kann daher auch im Rahmen der Entschädigung der Unfallfolgen nicht zusätzlich berücksichtigt werden. Dabei ist nicht entscheidend, ob diese COPD nun als Vorschaden nachgewiesen ist. Denn die Annahme einer Verschlimmerung dieses Krankheitsbildes scheidet insoweit schon deshalb aus, weil der Nachweis einer bereits zum Unfallzeitpunkt vorliegenden Einschränkung im Sinne einer schon vorliegenden Erwerbsminderung nicht vorliegt. Fest steht aber, dass sich die COPD bzw. ihre Auswirkungen unabhängig von der Einwirkung des Schwefeldioxidgases entwickelt haben. Diese Entwicklung hat insbesondere Prof. Dr. N. in seinem Gutachten eindrucksvoll dargestellt. Er hat anhand der vorliegenden Lungenfunktionswerte belegt, dass die chronisch-obstruktive Ventilationsstörung seit 2002 deutlich fortschreitet. Verantwortlich ist hierfür - abgeleitet aus dem zeitlichen Verlauf der FEV1-Werte und der Diffusionskapazität - ein progredientes Lungenemphysem, dessen Fortschreiten auch durch die vorliegenden CT-Untersuchungen bestätigt wird.

Das hierfür verantwortliche Lungenemphysem steht mit der Einwirkung von Schwefeldioxid weder im Hinblick auf seine Entstehung noch im Hinblick auf eine Verschlimmerung in einem kausalen Zusammenhang sondern bestand bereits vor der hier streitigen Intoxikation. Der Senat stützt sich hierbei auf das radiologische Fachgutachten von Prof. Dr. N. vom 09.12.2002, welcher unter Auswertung von Röntgenthoraxaufnahmen vom 03.01.1997 und mehreren Aufnahmen im April, Juni, Juli und August 2002 sowie der zwischen April und August 2002 angefertigten Computertomographien der Thoraxorgane ein umschriebenes Emphysem des rechten Unterlappens mit teils großbullösen Veränderungen von bis zu 4 Zentimetern beschrieb und aufgrund der in der Voraufnahme vom 03.01.1997 und der dort erkennbaren Hypertransparenz dieses Lungenfeldes im Sinne eines zu diesem Zeitpunkt bestehenden Lungenemphysems ein im Verlauf von 1997 bis 2002 progredientes Geschehen diagnostizierte, mit bullöser Transformation des Emphysems und zunehmenden narbigen Veränderungen, welches zum Inhalationszeitpunkt in voller Ausprägung bestanden haben muss. Diese Deutung haben die nachfolgenden Gutachten nicht in Zweifel gezogen (Prof. Dr. Sch.-W., Bl. 67 d. Akten, Prof. Dr. H., Bl. 164 d. A., Prof. Dr. D. Bl. 16 SG-Akten, Dr. K./Prof. Dr. H. Bl. 63 SG-A., Prof. Dr. H., Bl. 53 LSG-Akte, Prof. Dr. N., Bl. 224 LSG-A.). Insbesondere Prof. Dr. H. hat nochmals darauf hingewiesen, dass ein bullöses Emphysem im rechten Untergeschoß und die zentroazinäre Emphysementwicklung in beiden Lungenober- und Spitzengeschossen als Ausdruck einer klinischen Diagnose COPD mit typischen Strukturmustern ("Pattern") bereits vor dem 26.04.2002 vorgelegen haben und dass es zur Entwicklung solcher Lungenschäden mit Emphysem in der Regel Jahrzehnte brauche. Die Befundung des Radiologen Dr. F. steht der gutachterlicherseits vertretenen Auffassung nicht entgegen, zumal ihm die den Gutachtern vorliegenden Verlaufsbefunde noch nicht zur Verfügung gestanden haben (können). Darauf, dass bereits zum Unfallzeitpunkt Lungenveränderungen vorlagen, die nicht mit dem Unfallereignis in Zusammenhang stehen (können), haben im Übrigen auch bereits Dr. D. und Prof. Dr. G. in ihren jeweiligen Befundberichten hingewiesen.

Darüber hinaus ist entscheidend, dass die Einwirkung von Schwefeldioxid lediglich zu Beeinträchtigungen der oberen und mittleren Atemwege führt. Diesem Umstand kommt umso mehr Bedeutung zu, als eine erhebliche Intoxikation entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. W. schon nicht nachgewiesen ist, worauf Prof. Dr. N. (und zuvor Prof. Dr. H.) zu Recht hingewiesen haben. Denn im Vordergrund der Beschwerden standen - wenn man die Berichte unmittelbar nach dem Unfallereignis zugrunde legt - nicht Atembeschwerden, sondern Übelkeit, Erbrechen und Desorientiertheit. So werden in der vorliegenden Übersetzung des Behandlungsberichtes des Krankenhauses in Venezuela zunächst Gastro-Intestinal-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) beschrieben und erst "später" hätten sich Beschwerden in den Atemwegen gezeigt (Bericht vom 23.05.2002). Auch im Bericht der Dr. D. vom 23.06.2006 war in der Anamnese festgehalten worden, dass der Kläger zunächst eine starke Übelkeit bemerkt habe, dann Brechreiz, Durchfall, Schwindel und Kreuzschmerzen gehabt habe. Eigentliche bronchopulmonale Symptome hätten nicht bestanden. Auf dem Rückflug nach Deutschland hätten starke Beschwerden bestanden, etwas Atemnot, starkes Schwitzen und Unwohlsein. Vergleichbares ist dem Bericht des erstkonsultierten Arztes in Deutschland Dr. Sch. zu entnehmen. Dort ist vermerkt, dass es nach dem Einatmen vermeintlich toxischer Gase zu Übelkeit, Brechreiz und Schwindel gekommen sei. Eine sofortige ärztliche Untersuchung in einem Krankenhaus hätte dann einen auffälligen Röntgenbefund der Lunge ergeben. Prof. Dr. H. hielt fest, dass der Kläger über ein Brennen der Augen, der Nase und des Rachens geklagt habe, sonst aber keine Beschwerden verspürt habe. Nach Feierabend habe er ohne besondere Beschwerden nach Hause fahren können und beim Abendessen sei ihm allmählich übel geworden. Wann die Atembeschwerden eingesetzt hätten, wisse er nicht mehr. Eine erhebliche Atemwegsproblematik ist damit erst im zeitlichen Verlauf nach dem Unfall und nicht schon unmittelbar belegt. Bei einer erheblichen Intoxikation hätte es aber aufgrund der ausgeprägten bronchokonstriktorischen Wirkung primär zu einer schweren Atemwegsobstruktion kommen müssen, die aber durch die vorliegenden Berichte gerade nicht belegt ist. So weist Prof. Dr. H. zu Recht darauf hin, dass eine messtechnisch nachweisbare Obstruktion von klinischer Relevanz zeitlich nach dem Arbeitsunfall in den zentralen Bronchialabschnitten nicht nachweisbar gewesen war. Insoweit kommt der von Dr. N. beschriebenen Inhalations-/Perfusionsszintigraphie vom 14.04.2003 und dem HRCT vom 02.09.2003 besondere Bedeutung zu. Beide belegen den - wie Prof. Dr. N. beschreibt - Lungenvorschaden, welcher auf das langjährige inhalative Zigarettenrauchen zurückzuführen ist. Eine Schädigung der Lungenbläschen - wie dies bei einem Lungenemphysem der Fall ist (vgl. Pschyrembel, 262. Auflage unter dem Stichwort "Lungenemphysem") - durch Schwefeldioxid ist aber wissenschaftlich nicht belegt (Prof. Dr. N., Bl. 236 LSG-Akte), sodass eine Inhalation von Schwefeldioxid hierfür schon nicht verantwortlich gemacht werden kann.

Die darüber hinaus beschriebenen narbigen Veränderungen und soweit diese auf eine Einwirkung von Asbest zurückgeführt werden sind für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht ausschlaggebend, da diesen Veränderungen keine klinische Relevanz beigemessen wurde und im Übrigen auch hier gilt, dass diese durch den 1997 erhobenen radiologischen Befund bereits vor dem Unfallzeitpunkt nachweisbar gewesen sind.

Soweit darüber hinaus insbesondere von den Sachverständigen Prof. Dr. Sch.-W. und Prof. Dr. N. der posttraumatisch diagnostizierte Pneumothorax rechtsseitig in einem Unfallzusammenhang gesehen wird, vermag dies eine andere Beurteilung der hier noch allein streitigen Höhe der MdE nicht zu rechtfertigen, nachdem dieser therapiert und die bestehende Pneumonie ausgeheilt ist.

Unter Berücksichtigung dessen kann das erstinstanzliche Urteil zur Höhe der zugesprochenen Verletztenrente keinen Bestand haben. Weil die Einschränkungen der Belastbarkeit (Belastungsatemnot) und die erhöhte Infektneigung klinisch im Vordergrund stehen und im Wesentlichen auf die durch das inhalative Zigarettenrauchen bedingte COPD zurückzuführen sind, ist ausgehend von einer Gesamt-Beeinträchtigung in einem Umfang von 40 vH (siehe hierzu die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil und die dort zitierten Vergleichswerte in der Rentenliteratur), keine höhere MdE als 20 vH zu begründen, welche die Beklagte dem Kläger im Rahmen des geschlossenen Teilvergleiches bereits zugestanden hat. Dies gilt auch unabhängig davon, ob man von einer Abgrenzbarkeit der Folgen des Arbeitsunfalles von den nicht unfallbedingten ausgeht oder die Auffassung vertritt, eine rechtlich wesentliche Verursachung des derzeitigen pulmonalen Zustandes und der Belastbarkeitsminderung komme nur dem unfallunabhängig bestehenden und fortschreitenden Lungenemphysem zu. Den sich angesichts der oben ausgeführten Befunderhebungen unmittelbar nach dem Unfall ergebenden Zweifeln einer tatsächlich erfolgten klinisch relevanten Intoxikation brauchte der Senat angesichts der Anerkennung der UBH als Unfallfolge und der zugestandenen Rente nach einer MdE von 20 vH der Vollrente nicht weiter nachzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente auch im Berufungsverfahren keinen Bestand hatte.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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