L 9 U 4984/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4613/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4984/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25. August 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Neufestsetzung seines Jahresarbeitsverdienstes (JAV) für die Berechnung seiner Verletztenrente und begehrt die Festsetzung eines höheren JAV.

Der 1975 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Schule mit der mittleren Reife von September 1993 bis Juli 1996 eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer in einer Brauerei, bei der er dann bis April 1997 im erlernten Beruf tätig war. Anschließend absolvierte er seinen Zivildienst, während dem er vom 04. bis 09. August 1997 den Abschlusslehrgang mit Abschlussprüfung zum Rettungssanitäter absolvierte (Gesamtausbildung für Rettungssanitäter: 520 Stunden). Nach dem Zivildienst erwarb er am Berufskolleg an der Gewerblichen Schule G. die Fachhochschulreife (Zeugnis vom 07. Juli 1999). Ab 01. September 2000 war er als ordentlicher Student an der Fachhochschule (FH) F. im Studiengang Marketing und Vertrieb immatrikuliert. Daneben betrieb er ab 01. Januar 2001 einen Handel mit Computerartikeln (wobei er im Jahr 2001 Laptops und Computer im Wert von 21.000,00 DM zum Zwecke des Weiterverkaufs erwarb und bis September 2001 Waren im Wert von ca. 9.000,00 DM davon verkauft hatte). Nach seinem Studium, das er voraussichtlich am 31. März 2004 mit der Berufsbezeichnung Diplom-Wirtschaftsingenieur - im weiteren Dipl.-WI - (FH), Fachrichtung Marketing und Vertrieb, abgeschlossen hätte, hatte er in diesem Beruf tätig werden wollen. Seinen Computerhandel, der gemäß den vorgelegten Unterlagen im Jahr 2001 keinen Gewinn erbrachte, hätte er - so seine Angaben - nach dem Studium aufrecht erhalten, vorausgesetzt, er hätte Gewinn abgeworfen und sich rechtlich und zeitlich mit seiner Berufstätigkeit vereinbaren lassen.

Am 23. September 2001 erlitt der Kläger einen bei der Beklagten versicherten Unfall, als er einer verunfallten PKW-Fahrerin Hilfe leisten wollte. Er zog sich hierbei u. a. eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung, multiple Frakturen und eine Lungenkontusion zu.

Nach langwierigem Behandlungsverlauf erfolgte im Rahmen der beruflichen Wiedereingliederung vom 19. Januar bis 27. Februar 2004 eine Berufsfindungsmaßnahme beim Berufsförderungswerk Heidelberg und ab 12. Januar 2005 ein kaufmännischer Vorbereitungskurs im Stephanuswerk, der wegen Überforderung im April 2005 beendet wurde. Ein anschließendes "Schnupperpraktikum" als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen ergab ebenfalls keine Eignung, weswegen die Reha-Vorbereitungsmaßnahme im Stephanuswerk am 19. April 2005 abgebrochen wurde. Danach nahm der Kläger eine Probebeschäftigung bei der Fa. IT-K. GmbH mit eingeschränkter Arbeitszeit auf, wo er in der Folge als Aushilfe arbeitete. Am 13. August 2007 hat er angegeben, diese Tätigkeit sei aufgegeben.

Mit Bescheid vom 20. September 2006 erkannte die Beklagte den Unfall als Versicherungsfall an und gewährte Rente ab 12. Januar 2005 auf unbestimmte Zeit in Höhe der Vollrente zunächst unter Zugrundelegung des Mindest-JAV. Sobald die noch durchzuführenden Feststellungen zum JAV nach § 90 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) abgeschlossen seien, erfolge dessen Neufeststellung und eine Neuberechnung der Rente.

Mit Bescheid vom 02. November 2006 setzte die Beklagte den JAV ab 31. März 2004 (voraussichtlicher Abschluss des Studiums) bzw. ab 12. Januar 2005 (Rentenbeginn) auf 36.224,79 EUR neu fest. Da sich der Versicherungsfall während des Studiums ereignet habe, werde der JAV von dem Zeitpunkt an, in dem die Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen worden wäre, neu berechnet. Der Kläger habe wegen des Unfalles sein Studium zum Dipl.-WI (FH), Fachrichtung Marketing und Vertrieb, nicht fortsetzen und beenden können, das er voraussichtlich zum 31. März 2004 abgeschlossen hätte. Zu diesem Zeitpunkt sei der JAV neu festzusetzen, wobei der Tarif maßgebend sei, der am Umrechnungszeitpunkt, hier dem 31. März 2004, für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters gelte. Maßgebend sei der branchenspezifische Tarifvertrag (TV), der für das Unternehmen generell in Betracht komme. Unter Berücksichtigung der Angaben der angeschriebenen Unternehmen, bei denen sich der Kläger nach seinen Angaben nach dem Studium beworben hätte, sei der TV der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg und Nordbaden maßgebend. Unter Eingruppierung in die Lohnstufe T4 (Dipl.-WI (FH), Fachrichtung Marketing und Vertrieb, Alter 29 Jahre, Berufseinsteiger) ergebe sich ein tarifliches Einkommen von 36.224,79 EUR (Monatsgehalt 2.753,58 EUR, Weihnachtsgeld 963,75 EUR, Urlaubsvergütung 1.899,00 EUR, vermögenswirksame Leistungen 319,08 EUR). Ein Anspruch auf tarifliche Leistungszulage bestehe erst nach Ablauf der sechsmonatigen Probezeit. Sie könne nicht berücksichtigt werden, weil die Verhältnisse zum Umrechnungszeitpunkt am 31. März 2004 maßgebend seien. Die bei einem Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres vorzunehmende Prüfung, ob der JAV nach § 90 Abs. 2 SGB VII gegenüber dem nach § 90 Abs. 1 SGB VII ermittelten JAV günstiger sei, ergebe, ausgehend vom Unfallzeitpunkt und einem seitdem angepassten JAV, einen Betrag von 33.761,18 EUR (Monatsgehalt 2.564,64 EUR, Weihnachtsgeld 897,62 EUR, Urlaubsvergütung 1.768,80 EUR und vermögenswirksame Leistungen 319,08 EUR), angepasst zum 01. Juli 2002 und zum 01. Juli 2003 einen Betrag von 34.849,12 EUR, womit der günstigere Betrag von 36.224,79 EUR zu Grunde zu legen sei. Hiervon ausgehend errechnete die Beklagte eine monatliche Rente von 2.012,49 EUR und eine Nachzahlung seit 12. Januar 2005 in Höhe von 24.156,27 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 2. November 2006 verwiesen.

Grundlage dieser Entscheidung waren u.a. die Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Tätigkeiten und der geplanten beruflichen Entwicklung, Bescheinigungen der FH F. vom 27. Oktober 2003 sowie 4. April und 8. September 2005, des Steuerberaters K. vom 23. Oktober 2003 und Auskünfte benannter potenzieller Arbeitgeber nach Ende des Studiums (Fa. B. GmbH, Mechanische Oberflächenveredelung, Fa. Sp. S. GmbH, Fa. ESK C. GmbH, Fa. DC. AG) sowie der beigezogene Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg Nordbaden mit Gehaltstafel.

Gegen den den JAV neu festsetzenden Bescheid erhob der Kläger am 04. Dezember 2006 Widerspruch mit welchem er u. a. geltend machte, bei der Festsetzung des JAV sei von einer Einstufung in die Vergütungsgruppe T5 auszugehen, nachdem er gelernter Brauer und Mälzer sowie auch ausgebildeter Rettungssanitäter sei. Ferner bestehe auf Grund der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt, wie er im Juli 2007 geltend machte, ein extremer Nachfrageüberhang nach Dipl.-WI (FH), weswegen T5 der absolut übliche Eingangstarif sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass er während seines Studiums einer selbstständigen Tätigkeit nachgegangen sei, die er auch nach erfolgreichem Abschluss des Studiums weiterhin hätte ausüben können.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 zurück. Der JAV sei zutreffend festgesetzt. Für die Feststellung des JAV nach § 90 Abs. 1 SGB VII sei das fiktive Ende des Studiums als Dipl.-WI (FH), Fachrichtung Marketing und Vertrieb, somit der 31. März 2004 maßgebend. Der Versicherte sei so zu stellen, als hätte er den Unfall nach Beendigung der Berufsausbildung erlitten, wobei maßgebend das Entgelt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters sei, das durch TV vorgesehen sei, bezogen auf ein Jahr in die Zukunft ab Umrechnungszeitpunkt. Maßgeblich sei die übliche bzw. überwiegende Erscheinungsform einer beruflichen Tätigkeit. Der JAV sei dabei abstrakt und losgelöst von den individuellen Fähigkeiten des betroffenen Versicherten festzustellen. Unter Berücksichtigung der Angaben der Unternehmen, in denen sich der Kläger nach dem Studium habe bewerben wollen, sei der TV der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg und Nordbaden maßgebend. Der JAV sei für den Kläger nach der Tarifstufe T4 zu bemessen. Eine Eingruppierung in T4 erfordere als Tätigkeitsmerkmal schwierigere technische Tätigkeiten, die mehrjährige Berufserfahrung oder einer Fachschulausbildung entsprechende Berufskenntnisse erforderten. Die Angestellten dieser Gruppe arbeiteten selbstständig auf Grund gegebener Unterlagen und Anweisungen. Eine Eingruppierung nach T5 erfordere als Tätigkeitsmerkmale Tätigkeiten gemäß T4, die aber mehr Selbstständigkeit und Erfahrung erforderten. Eine mehrjährige Berufserfahrung wie hier als gelernter Brauer und Mälzer sowie ausgebildeter Rettungssanitäter sei bereits bei einer Einstufung in T4 berücksichtigt. Die Eingruppierung nach T4 erfolge allgemein bei Personen, die das Studium mit Diplom (FH) abgeschlossen hätten. Nach allgemeinen Erfahrungswerten erfolge eine höhere Eingruppierung in T5 ausnahmsweise nur nach einem abgeschlossenen Hochschulstudium (Universität). Hiervon ausgehend ergebe sich ein JAV von 36.224,79 EUR. Die während des Studiums ausgeübte Nebentätigkeit könne bei der Neuberechnung des JAV nicht berücksichtigt werden. Nach § 90 Abs. 1 SGB VII sei nach Abschluss der Ausbildung und sofern ein TV zu Grunde gelegt werden könne, bei der Neuberechnung des JAV nur das tarifliche Arbeitsentgelt des Ausbildungsberufes zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 verwiesen.

Deswegen hat der Kläger am 20. Dezember 2007 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit welcher er die Festsetzung eines höheren JAV erstrebt hat. Eine Einstufung nach T4 des Lohn- und Gehaltsrahmen-TV zwischen der IG Metall und der Metallindustrie Nordwürttemberg Nordbaden sei nicht sachgerecht. Er habe Berufserfahrung im erlernten und abgeschlossenen Beruf als Brauer und Mälzer und außerdem eine abgeschlossene Ausbildung als Rettungssanitäter. Ferner sei er neben dem Studium selbstständig als Händler mit Computerartikeln tätig gewesen. Er habe damit mehrjährige Berufserfahrung. Er sei auch so zu behandeln, als habe er ein abgeschlossenes FH-Studium aufzuweisen, nicht nur einen Fachschulabschluss. Infolge dessen sei er nach T5 des genannten TV einzuordnen. Im Übrigen sei eine "allgemeine Einschätzung" vorzunehmen. Nach der telefonischen Auskunft von Südwestmetall vom 14. September 2006 erfolge die Einstellung von Berufseinsteigern ohne Berufserfahrung nach T4. Es werde aber seit einigen Jahren auf Grund der Marktlage grundsätzlich auch über Tarif gezahlt. Ein- und Aufstiegschancen für Absolventen würden als sehr gut eingeschätzt. Einstiegsgehälter von 45.000,00 EUR und darüber seien üblich, bei Fachrichtung Marketing und Vertrieb auch von 50.000,00 EUR. Bei einer Einstufung nach T5 ergebe sich ein Jahresgehalt einschließlich einer Leistungszulage von 10 % für die ersten beiden Beschäftigungsjahre von 45.563,76 EUR und ab dem dritten Beschäftigungsjahr von 48.163,29 EUR. In dieser Höhe sei der JAV festzusetzen. Soweit die IG-Metall in den von der Beklagten vorgelegten Äußerungen vom 27. März 2008 und 18. April 2008 zunächst einen Entgeltanspruch nach T5 bestätigt habe und dann nach T4 sei der Gesinnungswandel nicht nachvollziehbar. In T4 seien Mitarbeiter mit Fachschulausbildung und ohne Berufserfahrung einzustufen oder solche, die keine Fachschulausbildung aufwiesen, dafür aber auf Grund ihrer Berufserfahrung schwierigere technische Tätigkeiten auszuführen in der Lage seien. Er sei zu stellen wie ein Hochschulabsolvent und nicht wie ein Fachschulabsolvent und verfüge ferner über Berufserfahrung. Im Übrigen ergebe sich auch bei Einstufung in T4 eine Steigerung vom ersten bis zum vierten Beschäftigungsjahr, was die Beklagte ebenfalls nicht berücksichtigt habe. Insgesamt sei er korrekterweise von Anfang an, also ab 12. Januar 2005 in T5 einzustufen. Wie Pressemitteilungen auch zu entnehmen sei, erhielten Fachhochschulabsolventen zu Beginn ihrer Tätigkeit Gehälter zwischen 40.000,00 und 70.000,00 EUR.

Die Beklagte hat im Klageverfahren vorgetragen, bei der Entscheidung über die Neufeststellung des JAV seien die Angaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg (bzw. die von dort beigezogenen Tarifunterlagen) berücksichtigt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den von ihr eingeholten Auskünften der IG Metall Baden-Württemberg. Nach dem maßgebenden TV der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg Nordbaden seien Berufsanfänger in T4 eingestuft. Für eine Eingruppierung in T5 werde mehr Selbstständigkeit und mehr Berufserfahrung im erlernten Beruf, für den dieser TV gelte, gefordert. Der Kläger habe zwar berufliche Erfahrung als gelernter Mälzer und als Rettungssanitäter und auch diverse Kenntnisse als Händler mit Computerartikeln erworben, was unter individuellen Gesichtspunkten bei der Einstellung berücksichtigt werden könne. Eine Berücksichtigung dessen sei jedoch nach dem entsprechenden TV nicht vorgesehen. Nach § 90 Abs. 1 SGB VII werde streng darauf abgestellt, welches Arbeitsentgelt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters nach TV vorgesehen sei, ohne dass es auf die individuellen Verhältnisse ankomme. Darüber hinaus seien auch bei der Berechnung nach § 90 Abs. 2 SGB VII Steigerungen nach Beschäftigungsjahren/Berufsjahren zu berücksichtigen, wenn der Verletzte das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Eine Steigerung nach Beschäftigungs- bzw. Berufsjahren könne in diesem Falle nicht berücksichtigt werden, da der Kläger zum Eintritt in das zweite Berufsjahr, hier dem 31. März 2005, bereits das 30. Lebensjahr vollendet gehabt habe. Hierzu hat die Beklagte von ihr eingeholte Äußerungen des Assessors Petri von der IG-Metall vom 27. März 2008 sowie vom 18. April 2008 vorgelegt. Danach sind Gegenstand der Einstufung nach den tariflichen Vorschriften sämtliche Tätigkeiten eines Beschäftigten. Weitere Entscheidungskriterien sind das Vorliegen einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer Hochschulausbildung, wobei bisher nicht unterschieden werde zwischen FH-Studium oder einem Universitätsstudium. Nach bisheriger Tarifpraxis würden Beschäftigte, die ein Hochschulstudium vorgewiesen und die entsprechenden Tätigkeiten ausgeübt hätten, in Gehaltsgruppe T4 eingruppiert. Wenn während des Hochschulstudiums eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, könne dies ein Indiz für eine individuelle Erfahrung bzw. Berufserfahrung sein. Gleiches gelte für eine überwiegend fachfremde ausgeübte selbständige Tätigkeit, die den Anforderungen an die Aufgabe im späteren Arbeitsverhältnis entsprochen habe.

Das SG hat eine Beschreibung des (auslaufenden) Studiengangs Marketing und Vertrieb der FH F. beigezogen.

Mit Urteil vom 25. August 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtene Neufestsetzung des JAV sei nicht zu beanstanden. Nachdem der Versicherungsfall während einer Berufsausbildung eingetreten sei, habe die Beklagte in Anwendung des § 90 SGB VII den JAV mit dem mutmaßlichen Ende der unfallbedingt nicht abgeschlossenen Ausbildung bzw. dem Beginn der Verletztenrente zutreffend neu festgestellt. Der Kläger habe darüber hinaus keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren JAV. Nach den vorliegenden Bescheinigungen hätte der Kläger sein Studium voraussichtlich Ende des Wintersemesters 2003/2004, also am 31. März 2004 abgeschlossen. Der Neufeststellung zu Grunde zu legen sei das Arbeitsentgelt, das am 31. März 2004 für Personen mit gleicher Ausbildung und gleichem Alter vorgesehen sei. Bei Vorhandensein tariflicher Regelungen - wie hier - sei auf den maßgeblichen TV abzustellen. Dies sei der Lohn- und Gehaltsrahmen-TV der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg Nordbaden. Wie der Kläger angegeben habe, hätte er sich nach Ende der Ausbildung bei der Fa. Sp. S. GmbH beworben, für die der genannte TV maßgeblich sei. Da der Kläger den Studiengang Dipl.-WI (FH), Fachrichtung Marketing und Vertrieb, belegt hatte, sei von der "T-Vergütung" des Tarifvertrages für technische Angestellte auszugehen. Hier sei die Tarifstufe T4 einschlägig. Deren - näher dargelegte - Tätigkeitsmerkmale seien erfüllt, nicht hingegen die - näher dargelegten - Merkmale der Tarifgruppe T5. Bei der Neuberechnung des JAV sei das Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das in dem Zeitpunkt des voraussichtlichen Endes der Ausbildung für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters vorgesehen sei ohne dass auf persönliche Umstände des Klägers wie Berufserfahrung und Werdegang abzustellen sei. Mit der Regelung des § 90 Abs. 1 SGB VII solle nur eine unbillige Härte vermieden werden, die dadurch entstehe, dass ein Versicherungsfall bereits vor oder während, nicht aber nach Ende einer Ausbildung eintrete. Nicht jeder Nachteil sei auszugleichen. Es sei alleine auf den Ausbildungsabschluss als Dipl.-WI (FH), Fachrichtung Marketing Vertrieb, und das Alters des Klägers (29 Jahre) beim voraussichtlichen Ende der Ausbildung abzustellen. Selbst wenn die individuelle Erfahrung zu berücksichtigen wäre, finde die mehrjährige Berufserfahrung bereits Erwähnung in Tarifgruppe T4. Auch unter Zugrundelegung der individuellen Verhältnisse des Klägers könne nicht vom Vorliegen von Kenntnissen, die eine Einstufung nach T5 rechtfertigten, ausgegangen werden. Die Berechnung des JAV auf Grund der Einstufung nach T4 sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Ausgehend von einem Monatsgehalt von 2.753,58 EUR im ersten Berufsjahr ergebe sich ein Jahresbetrag von 33.042,96 EUR zuzüglich Weihnachtsgeld, Urlaubsvergütung und vermögenswirksamer Leistungen und damit ein Gesamtbetrag von 36.224,79 EUR. Dem entsprechend habe die Beklagte den JAV zutreffend festgesetzt. Eine Neufestsetzung nach § 90 Abs. 2 SGB VII komme nicht in Betracht, weil der Kläger zum Zeitpunkt des fiktiven Abschlusses der Ausbildung am 31. März 2004 bereits 29 Jahre alt gewesen sei und eine Erhöhung des Entgeltes nach Abschluss des ersten Beschäftigungsjahres auf Grund des TV nicht in Betracht komme, da lediglich Erhöhungen zu berücksichtigen seien, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, hier dem 03. Januar 2005 vorgesehen seien. Bei einer Erhöhung nach Ablauf des ersten Beschäftigungsjahres hätte der Kläger bereits sein 30. Lebensjahr vollendet gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftlichen Urteilsgründe des SG verwiesen.

Gegen das am 29. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Oktober 2009 Berufung eingelegt, mit welcher er sein Begehren unverändert weiterverfolgt. Er hat sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Ferner hat er u. a. ausgeführt, das SG habe zu Unrecht eine Fachschulausbildung seiner FH-Ausbildung gleichgesetzt. Entgegen der Ansicht des SG sei im Rahmen der tariflichen Zuordnung auch die berufliche Erfahrung zu berücksichtigen. Er sei jedenfalls als Hochschulabsolvent und nicht als Fachschulabsolvent einzustufen, korrekterweise wäre von einer Einstufung nach T5 auszugehen gewesen. Hierzu hat er noch ein Schreiben der Fa. B. GmbH vom 12. Februar 2010 vorgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25. August 2009 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2007 zu verurteilen, mit Wirkung zum 31. März 2004 bzw. ab Rentenbeginn 12. Januar 2005 einen Jahresarbeitsverdienst von 45.563,76 EUR bis 31. Mai 2006 und ab 01. Juni 2006 von 48.163,29 EUR festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen gegenüber dem SG sowie das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage und der Berufung allein gegen die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vorgenommene Neufestsetzung des JAV.

Der JAV, dessen Erhöhung der Kläger erstrebt, ist - neben dem Grad der MdE - Rechnungsgrundlage für die dem Kläger nach fiktiver Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ab 12. Januar 2005 zustehenden Verletztenrente. Für die Feststellung des JAV ist im Regelfall der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§§ 14, 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) des Verletzten in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist, maßgebend (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Grundsätzlich bleiben diese Verdienstverhältnisse für alle Zukunft Grundlage der Geldleistungen und sind spätere Erwerbsaussichten in der Regel bei der Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt u. a. dann, wenn der Versicherungsfall während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt. In diesem Fall wird nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wenn es für den Versicherten günstiger ist, der JAV von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch TV vorgesehen ist (§ 90 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort des Versicherten gilt (§ 90 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB VII).

Nach der Zweckbestimmung des § 90 Abs. 1 SGB VII sollen - ebenso wie die nach der vor dem 01. Januar 1997 geltenden Vorgängervorschriften des § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) - Personen, die schon vor oder während der Zeit der Ausbildung für einen Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten (so BSG, Urteil vom 04. Dezember 1994, 2 RU 69/90, zur Vorgängervorschrift). Die Tätigkeit, die zum Unfall führte, muss nicht in innerem Zusammenhang zwischen Schul- oder Berufsausbildung gestanden haben, es genügt insofern ein zeitlicher Zusammenhang mit der Ausbildung (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2000, B 2 U 31/99 in Juris).

Unter Berücksichtigung der genannten Bestimmungen war der JAV unter Zugrundelegung des Verdienstes, den der Kläger zum Zeitpunkt der (fiktiven) Beendigung seines Studiums, dem 31. März 2004, erzielt hätte, festzulegen.

Für Versicherte, die zur Zeit des Versicherungsfalles das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird, wenn es für sie günstiger ist, der JAV jeweils nach dem Arbeitsentgelt neu festgesetzt, das zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichung eines bestimmten Berufsjahres oder bei Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch TV vorgesehen ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB VII). Besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort des Versicherten gilt (§ 90 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB VII). Nach § 90 Abs. 2 Satz 2 werden nur Erhöhungen berücksichtigt, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres vorgesehen sind.

Die Beklagte hat unter Beachtung dieser Bestimmungen den JAV des Klägers zutreffend festgesetzt.

Nach seinen glaubhaften Angaben hätte er sich für eine Beschäftigung im Geltungsbereich des Tarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg und Nordbaden beworben und eine Stelle angenommen. Hiervon geht er auch selbst aus. Der Kläger hätte sein Studium an der FH F. nach den vorliegenden Auskünften planmäßig auch zum 31. März 2004 abgeschlossen und demzufolge dann - ohne die Unfallfolgen - eine entsprechende Tätigkeit aufgenommen.

Damit ist Grundlage für die Festlegung des JAV das Entgelt, das der Kläger in Anwendung des TV unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, des Studiums als Dipl.-WI (FH), Fachrichtung Marketing und Vertrieb, zu diesem Zeitpunkt nach den tariflichen Bestimmungen in seinem damaligen Lebensalter erzielt hätte. Heranzuziehen ist das Entgelt einer Person gleicher Ausbildung und gleichen Alters. Für das Merkmal "gleicher Ausbildung" ist abzustellen auf eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit. Eine unterwertige Tätigkeit ist ebenso wenig zu berücksichtigen wie eine höherwertige. Die Versicherten sollen von einer nicht ihrer Ausbildung entsprechenden beruflichen Anfangssituation weder Nachteile noch Vorteile haben. Etwaige Nebenverdienste sind nicht zu berücksichtigen (Ricke in Kasseler Kommentar § 90 SGB VII RdNr. 7 m.w.N.).

Gemessen daran hätte der Kläger zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der von der Beklagten eingeholten und dem SG vorgelegten Auskunft der IG Metall (Assessor Petri) ein Entgelt entsprechend der Tarifstufe T4 erzielt.

Soweit der Kläger geltend macht, er hätte ein Entgelt entsprechend der Tarifstufe T5 erzielt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Insbesondere sind hier etwaige besondere Bedingungen der Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, soweit diese zu übertariflichen Entlohnungen führten. Unter Berücksichtigung des Studiums und der vorherigen nicht einschlägigen Berufsausbildung als Brauer und Mälzer, der dieser Berufsausbildung anschließenden beruflichen Tätigkeit von Juli 1996 bis zum Beginn des Zivildienstes im April 1997 und der Ausbildung zum Rettungssanitäter (die insgesamt 520 Stunden dauert ["Grundsätze der Ausbildung des Personals im Rettungsdienst" vom Bund-Länderausschuss "Rettungswesen" vom 20. September 1977]) sowie der selbstständigen Tätigkeit mit Verkauf von Computerartikeln, die weder Gewinn abwarf noch - nach den Angaben vom 07. April 2003 - erwerbsmäßig nach außen ausgeübt wurde, ist eine höhere tarifliche Einstufung nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Auskunft des Assessors Petri von der IG Metall.

Tarifliche Erhöhungen, die ab dem zweiten Beschäftigungsjahr erfolgen, sind nicht zu berücksichtigen, da der Kläger das erste Ausbildungsjahr, ausgehend von dem fiktiven Ausbildungsende 31. März 2004 erst am 31. März 2005 und damit nach Vollendung seines 30. Lebensjahres abgeschlossen hätte.

Ferner sind ggf. übliche - arbeitsmarktbedingte - übertarifliche Vergütungen nicht zu berücksichtigen, da nur das tarifliche Entgelt maßgebend ist.

Im Übrigen hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen bei der Bestimmung des JAV die Tarifgruppe T4 des TV für die Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg Nordbaden zu Grunde zu legen ist und hiervon ausgehend der JAV zutreffend ermittelt wurde. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Der danach von der Beklagten ermittelte JAV ist auch der nach § 90 Abs. 1 und 2 SGB VII für den Kläger günstigst mögliche, u. a. auch gemessen am Verdienst vor Eintritt des Versicherungsfalles, so dass die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß §§ 153 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Bescheids und Widerspruchsbescheids sowie des Urteils des SG, denen der Senat nach eigener Prüfung folgt, verwiesen und von einer weiteren Begründung abgesehen.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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