Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3621/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5502/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.10.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum vollen Pflegeversicherungsbeitrag aus ihrer Witwenrente.
Die im Jahr 1942 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten eine Alters- und eine große Witwenrente. Sie ist als Rentnerin in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert.
Mit Bescheid vom 08.03.2004 stellte die Beklagte den Rentenanspruch der Klägerin neu fest. Aus der Rente der Klägerin werde ab dem 01.04.2004 der volle Beitrag zur Pflegeversicherung von 1,7 % einbehalten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass bisher der Beitrag zur Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte von den Rentnerinnen und Rentnern und der Rentenversicherung zu tragen gewesen sei. Ab 01.04.2004 sei der Beitrag zur Pflegeversicherung jedoch von den Rentnerinnen und Rentnern allein zu tragen. Der errechnete Pflegeversicherungsbeitrag belief sich auf 9,64 EUR, der monatliche Zahlbetrag der Witwenrente ab 01.04.2004 auf 512,20 EUR.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid - vertreten durch ihren damaligen Bevollmächtigten - am 13.04.2004 Widerspruch. Sie wandte sich gegen die volle Beteiligung am Pflegeversicherungsbeitrag. Nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst zum Ruhen gebracht wurde, erließ die Beklagte unter dem 28.06.2006 einen Widerspruchsbescheid, mit dem die Beklagte den Widerspruch zurückwies. Die Klägerin wandte sich dagegen mit einer am 04.07.2006 beim Sozialgericht Freiburg eingegangenen Klage (S 6 R 3241/06). Das Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 04.10.2006 zum Ruhen gebracht.
Am 16.06.2009 erließ die Beklagte einen mit "Zweitschrift" überschriebenen Widerspruchsbescheid (AS 20-21 der SG-Akte) über den Widerspruch der Klägerin gegen die volle Tragung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab dem 01.04.2004, in welchem sie sich auf die gesetzlichen Vorgaben zur Entrichtung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung berief. Für den Rentenbezug ab 01.04.2004 sei der aus der Rente zu zahlende Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung vom Rentner allein zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 07.10.2008 zum Ausdruck gebracht, dass die fragliche gesetzliche Regelung nicht gegen das Grundgesetz verstoße.
Am 23.07.2009 erhob die Klägerin dagegen Klage vor dem Sozialgericht Freiburg und ließ ausführen, der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts könne nicht gefolgt werden. Die Rentenkürzungen seit 1995 seien in ihrer Gesamtheit unverhältnismäßig.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2009 ab. Die Klägerin habe gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI seit dem 01.04.2004 den Beitrag zu ihrer gesetzlichen Pflegeversicherung allein zu tragen. Sie sei als Rentnerin in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der bis zum 31.03.2004 gültigen Fassung (a. F.) in Verbindung mit § 249 a SGB V seien die nach der Rente zu bemessenden Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung je zur Hälfte von den in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Rentnern und vom Rentenversicherungsträger zu tragen gewesen. Dieser Verweis auf § 249 a SGB V sei durch Art. 6 Nr. 1 des 2. SGB VI-ÄndG gestrichen worden. Stattdessen sei § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI dahingehend ergänzt worden, dass nunmehr "die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ( ) von dem Mitglied allein zu tragen" seien. Die Gesetzesänderung sei gemäß Art. 13 Abs. 4 des 2. SGB VI-ÄndG zum 01.04.2004 in Kraft getreten. Die Beklagte habe diese Neuregelung im Bescheid vom 08.03.2004 ordnungsgemäß umgesetzt.
Die Neuregelung in Form der vollen Tragung der Beiträge zur Pflegeversicherung verstoße entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten nicht gegen Verfassungsrecht. Die Klägerin sei nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, denn schon der Schutzbereich der Eigentumsgarantie sei nicht eröffnet. Das Bundesverfassungsgericht habe im Kammerbeschluss vom 07.10.2008 (BVerfG 1. Senat 2. Kammer, 1 BvR 2995/06, 1 BvR. 740/07 (juris)) überzeugend ausgeführt, die von Art. 14 GG geschützte pflegeversicherungsrechtliche Position der berechtigten Rentner werde durch die Streichung der Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an den Pflegeversicherungsaufwendungen nicht berührt. Die Einbeziehung sozialversicherungsrechtlicher Positionen in den Eigentumsschutz setze voraus, dass sie für den Berechtigten von solcher Bedeutung seien, dass ihr Fortfall oder ihre Einschränkung die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühren würde. Die Klägerin müsse nach der gesetzlichen Neuregelung zwar den vollen Pflegeversicherungsbeitrag zahlen, dieser sei aber so niedrig und prozentual an den Rentenbezug angepasst, dass hierdurch keine existenzbedrohende Verringerung des Rentenbetrags eingetreten sei und den Rentnern der Zugang zur Pflegeversicherung weiterhin ermöglicht bleibe, die ihnen auch im Pflegefall die Existenz sichere. Der von der Klägerin nunmehr selbst zu zahlende Anteil von weiteren 0,85 % führe bei einer Bruttorente von 567,08 EUR zu einer zusätzlichen Beitragslast von 4,82 EUR. Hierbei handele es sich um einen Betrag, welcher für die existenzielle Sicherung des Einzelnen nicht von Bedeutung sei und nicht zu wesentlichen Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung zwinge. Dagegen könne auch nicht mit einer Überlastung der Rentner durch in den vergangenen Jahren insgesamt steigenden Belastungen argumentiert werden. Denn auch bei einer Gesamtschau der die Rentner treffenden Belastungen liege keine Überlastung vor.
Die Streichung der Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an den Aufwendungen für die Pflegeversicherung verstoße auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wie das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Kammerentscheidung überzeugend ausgeführt habe, müsse dem Gesetzgeber eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Die Abschaffung der hälftigen Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers beim Pflegeversicherungsbeitrag sei von dem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt gewesen, einem Finanzierungsdefizit der gesetzlichen Rentenversicherung entgegen zu wirken. Die Aussetzung der Rentenanpassung zum 01.07.2004 diene wie die angegriffene Regelung der Stabilisierung des Beitragssatzes von 19,5 % und damit der Stabilisierung des Rentenversicherungssystems insgesamt (vgl. BTDrucks 15/1830, S. 8). Es liege innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsermessens, wenn er der Stabilisierung oder der Verringerung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung Priorität - insbesondere aus arbeitsmarktpolitischen Gründen - einräume. Die Beklagte habe damit zutreffend die von der Klägerin zu tragenden Beiträge zur Pflegeversicherung bei der Zahlung der Rente einbehalten (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI i.V.m. § 255 Abs. 2 SGB V).
Gegen den an ihren früheren Bevollmächtigten am 27.10.2009 zur Zustellung zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.11.2009 Berufung eingelegt.
Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Klage mit Schriftsatz vom 27.08.2010 begründet. Das Sozialgericht habe seine Entscheidung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts getroffen. Dessen Auffassung werde aber nicht geteilt. Die Summierung der über Jahre hinweg erfolgten Beitragserhöhungen verletze die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, da durch eine Pflichtversicherung eine Schmälerung der rentenrechtlich eigentumsgeschützten Position erfolge. Man könne nicht die einzelne Beitragserhöhung betrachten, sondern müsse die Gesamtheit der Maßnahmen berücksichtigen. Die Klägerin sei zudem zweifach betroffen, da sie eine Hinterbliebenenrente und eine eigene Rente erhalte. Ihr werde mit allen Maßnahmen mit Sicherheit 20 % ihrer erwirtschafteten und durch Beiträge aufgebauten Rentenanwartschaften kaputt gemacht. Damit sei das Maß der Verhältnismäßigkeit überschritten. Da die Dinge in ihrer Gesamtheit zu sehen seien, brauche eine spezifizierte Begründung zu den einzelnen Eingriffs- und Kürzungsvorschriften nicht abgegeben zu werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.10.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß den §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Mit Schreiben des Senats vom 28.01.2011 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 08.03.2004 bereits Gegenstand des vom Sozialgericht Freiburg zum Ruhen gebrachten Klageverfahrens S 6 R 3241/06 ist, und dass sich daraus nach Auffassung des Senats die Unzulässigkeit der Klage im vorliegenden Verfahren ergibt.
Die Beteiligten haben sodann mit Schriftsätzen vom 01.02.2011 und vom 08.02.2011 erneut ihr Einverständnis mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß den §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Freiburg sowie auf die Akten der Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Klage vor dem Sozialgericht war bereits unzulässig.
Der Zulässigkeit der Klage, die gegen einen "undatierten Bescheid" in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 16.06.2009 gerichtet war, steht der auch im sozialgerichtlichen Verfahren gem. §§ 94 SGG, 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 94 Rn. 7) zu beachtende Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen. Der Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009 betrifft die volle Tragung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, die der Klägerin erstmals mit Bescheid vom 08.03.2004 auferlegt worden war. Hiergegen hatte sie bereits ein Vorverfahren durchgeführt, über das mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2006 entschieden worden war. Dagegen hatte die Klägerin Klage vor dem SG Freiburg erhoben (S 6 R 3241/06). Dieses Klageverfahren war mit Beschluss vom 04.10.2006 zum Ruhen gebracht worden.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur maßgeblichen Frage der Entrichtung des vollen Beitrags zur Pflegeversicherung erließ die Beklagte den weiteren Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009. Dieser ersetzt den Widerspruchsbescheid vom 26.06.2006 und ist daher nach § 96 Abs. 1 SGG in das noch rechtshängige und fortzuführende Verfahren S 6 R 3241/06 einzubeziehen. Der Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009 bezieht sich seinem Inhalt nach auf den bereits im noch rechtshängigen Klageverfahren S 6 R 3241/06 angefochtenen Ausgangsbescheid vom 08.03.2004, so dass durch ihn keine weitere Klagemöglichkeit eröffnet werden konnte. Die dennoch erhobene Klage vom 23.07.2009 ist folglich wegen vorbestehender Rechtshängigkeit unzulässig gewesen, so dass die Berufung bereits insoweit unbegründet ist.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum vollen Pflegeversicherungsbeitrag aus ihrer Witwenrente.
Die im Jahr 1942 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten eine Alters- und eine große Witwenrente. Sie ist als Rentnerin in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert.
Mit Bescheid vom 08.03.2004 stellte die Beklagte den Rentenanspruch der Klägerin neu fest. Aus der Rente der Klägerin werde ab dem 01.04.2004 der volle Beitrag zur Pflegeversicherung von 1,7 % einbehalten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass bisher der Beitrag zur Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte von den Rentnerinnen und Rentnern und der Rentenversicherung zu tragen gewesen sei. Ab 01.04.2004 sei der Beitrag zur Pflegeversicherung jedoch von den Rentnerinnen und Rentnern allein zu tragen. Der errechnete Pflegeversicherungsbeitrag belief sich auf 9,64 EUR, der monatliche Zahlbetrag der Witwenrente ab 01.04.2004 auf 512,20 EUR.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid - vertreten durch ihren damaligen Bevollmächtigten - am 13.04.2004 Widerspruch. Sie wandte sich gegen die volle Beteiligung am Pflegeversicherungsbeitrag. Nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst zum Ruhen gebracht wurde, erließ die Beklagte unter dem 28.06.2006 einen Widerspruchsbescheid, mit dem die Beklagte den Widerspruch zurückwies. Die Klägerin wandte sich dagegen mit einer am 04.07.2006 beim Sozialgericht Freiburg eingegangenen Klage (S 6 R 3241/06). Das Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 04.10.2006 zum Ruhen gebracht.
Am 16.06.2009 erließ die Beklagte einen mit "Zweitschrift" überschriebenen Widerspruchsbescheid (AS 20-21 der SG-Akte) über den Widerspruch der Klägerin gegen die volle Tragung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab dem 01.04.2004, in welchem sie sich auf die gesetzlichen Vorgaben zur Entrichtung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung berief. Für den Rentenbezug ab 01.04.2004 sei der aus der Rente zu zahlende Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung vom Rentner allein zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 07.10.2008 zum Ausdruck gebracht, dass die fragliche gesetzliche Regelung nicht gegen das Grundgesetz verstoße.
Am 23.07.2009 erhob die Klägerin dagegen Klage vor dem Sozialgericht Freiburg und ließ ausführen, der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts könne nicht gefolgt werden. Die Rentenkürzungen seit 1995 seien in ihrer Gesamtheit unverhältnismäßig.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2009 ab. Die Klägerin habe gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI seit dem 01.04.2004 den Beitrag zu ihrer gesetzlichen Pflegeversicherung allein zu tragen. Sie sei als Rentnerin in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der bis zum 31.03.2004 gültigen Fassung (a. F.) in Verbindung mit § 249 a SGB V seien die nach der Rente zu bemessenden Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung je zur Hälfte von den in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Rentnern und vom Rentenversicherungsträger zu tragen gewesen. Dieser Verweis auf § 249 a SGB V sei durch Art. 6 Nr. 1 des 2. SGB VI-ÄndG gestrichen worden. Stattdessen sei § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI dahingehend ergänzt worden, dass nunmehr "die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ( ) von dem Mitglied allein zu tragen" seien. Die Gesetzesänderung sei gemäß Art. 13 Abs. 4 des 2. SGB VI-ÄndG zum 01.04.2004 in Kraft getreten. Die Beklagte habe diese Neuregelung im Bescheid vom 08.03.2004 ordnungsgemäß umgesetzt.
Die Neuregelung in Form der vollen Tragung der Beiträge zur Pflegeversicherung verstoße entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten nicht gegen Verfassungsrecht. Die Klägerin sei nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, denn schon der Schutzbereich der Eigentumsgarantie sei nicht eröffnet. Das Bundesverfassungsgericht habe im Kammerbeschluss vom 07.10.2008 (BVerfG 1. Senat 2. Kammer, 1 BvR 2995/06, 1 BvR. 740/07 (juris)) überzeugend ausgeführt, die von Art. 14 GG geschützte pflegeversicherungsrechtliche Position der berechtigten Rentner werde durch die Streichung der Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an den Pflegeversicherungsaufwendungen nicht berührt. Die Einbeziehung sozialversicherungsrechtlicher Positionen in den Eigentumsschutz setze voraus, dass sie für den Berechtigten von solcher Bedeutung seien, dass ihr Fortfall oder ihre Einschränkung die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühren würde. Die Klägerin müsse nach der gesetzlichen Neuregelung zwar den vollen Pflegeversicherungsbeitrag zahlen, dieser sei aber so niedrig und prozentual an den Rentenbezug angepasst, dass hierdurch keine existenzbedrohende Verringerung des Rentenbetrags eingetreten sei und den Rentnern der Zugang zur Pflegeversicherung weiterhin ermöglicht bleibe, die ihnen auch im Pflegefall die Existenz sichere. Der von der Klägerin nunmehr selbst zu zahlende Anteil von weiteren 0,85 % führe bei einer Bruttorente von 567,08 EUR zu einer zusätzlichen Beitragslast von 4,82 EUR. Hierbei handele es sich um einen Betrag, welcher für die existenzielle Sicherung des Einzelnen nicht von Bedeutung sei und nicht zu wesentlichen Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung zwinge. Dagegen könne auch nicht mit einer Überlastung der Rentner durch in den vergangenen Jahren insgesamt steigenden Belastungen argumentiert werden. Denn auch bei einer Gesamtschau der die Rentner treffenden Belastungen liege keine Überlastung vor.
Die Streichung der Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an den Aufwendungen für die Pflegeversicherung verstoße auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wie das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Kammerentscheidung überzeugend ausgeführt habe, müsse dem Gesetzgeber eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Die Abschaffung der hälftigen Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers beim Pflegeversicherungsbeitrag sei von dem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt gewesen, einem Finanzierungsdefizit der gesetzlichen Rentenversicherung entgegen zu wirken. Die Aussetzung der Rentenanpassung zum 01.07.2004 diene wie die angegriffene Regelung der Stabilisierung des Beitragssatzes von 19,5 % und damit der Stabilisierung des Rentenversicherungssystems insgesamt (vgl. BTDrucks 15/1830, S. 8). Es liege innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsermessens, wenn er der Stabilisierung oder der Verringerung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung Priorität - insbesondere aus arbeitsmarktpolitischen Gründen - einräume. Die Beklagte habe damit zutreffend die von der Klägerin zu tragenden Beiträge zur Pflegeversicherung bei der Zahlung der Rente einbehalten (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI i.V.m. § 255 Abs. 2 SGB V).
Gegen den an ihren früheren Bevollmächtigten am 27.10.2009 zur Zustellung zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.11.2009 Berufung eingelegt.
Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Klage mit Schriftsatz vom 27.08.2010 begründet. Das Sozialgericht habe seine Entscheidung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts getroffen. Dessen Auffassung werde aber nicht geteilt. Die Summierung der über Jahre hinweg erfolgten Beitragserhöhungen verletze die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, da durch eine Pflichtversicherung eine Schmälerung der rentenrechtlich eigentumsgeschützten Position erfolge. Man könne nicht die einzelne Beitragserhöhung betrachten, sondern müsse die Gesamtheit der Maßnahmen berücksichtigen. Die Klägerin sei zudem zweifach betroffen, da sie eine Hinterbliebenenrente und eine eigene Rente erhalte. Ihr werde mit allen Maßnahmen mit Sicherheit 20 % ihrer erwirtschafteten und durch Beiträge aufgebauten Rentenanwartschaften kaputt gemacht. Damit sei das Maß der Verhältnismäßigkeit überschritten. Da die Dinge in ihrer Gesamtheit zu sehen seien, brauche eine spezifizierte Begründung zu den einzelnen Eingriffs- und Kürzungsvorschriften nicht abgegeben zu werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.10.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß den §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Mit Schreiben des Senats vom 28.01.2011 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 08.03.2004 bereits Gegenstand des vom Sozialgericht Freiburg zum Ruhen gebrachten Klageverfahrens S 6 R 3241/06 ist, und dass sich daraus nach Auffassung des Senats die Unzulässigkeit der Klage im vorliegenden Verfahren ergibt.
Die Beteiligten haben sodann mit Schriftsätzen vom 01.02.2011 und vom 08.02.2011 erneut ihr Einverständnis mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß den §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Freiburg sowie auf die Akten der Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Klage vor dem Sozialgericht war bereits unzulässig.
Der Zulässigkeit der Klage, die gegen einen "undatierten Bescheid" in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 16.06.2009 gerichtet war, steht der auch im sozialgerichtlichen Verfahren gem. §§ 94 SGG, 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 94 Rn. 7) zu beachtende Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen. Der Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009 betrifft die volle Tragung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, die der Klägerin erstmals mit Bescheid vom 08.03.2004 auferlegt worden war. Hiergegen hatte sie bereits ein Vorverfahren durchgeführt, über das mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2006 entschieden worden war. Dagegen hatte die Klägerin Klage vor dem SG Freiburg erhoben (S 6 R 3241/06). Dieses Klageverfahren war mit Beschluss vom 04.10.2006 zum Ruhen gebracht worden.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur maßgeblichen Frage der Entrichtung des vollen Beitrags zur Pflegeversicherung erließ die Beklagte den weiteren Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009. Dieser ersetzt den Widerspruchsbescheid vom 26.06.2006 und ist daher nach § 96 Abs. 1 SGG in das noch rechtshängige und fortzuführende Verfahren S 6 R 3241/06 einzubeziehen. Der Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009 bezieht sich seinem Inhalt nach auf den bereits im noch rechtshängigen Klageverfahren S 6 R 3241/06 angefochtenen Ausgangsbescheid vom 08.03.2004, so dass durch ihn keine weitere Klagemöglichkeit eröffnet werden konnte. Die dennoch erhobene Klage vom 23.07.2009 ist folglich wegen vorbestehender Rechtshängigkeit unzulässig gewesen, so dass die Berufung bereits insoweit unbegründet ist.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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