S 4 U 28/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 28/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 39/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Begehrt ein Unternehmer die Überweisung an einen anderen als den bisherigen UV-Träger, hat der angegangen UV-Träger, sofern er dem Antrag nicht entsprechen will, spätestens vor Erlass des Widerspruchsbescheides die Schiedsstelle für Katasterfragen der DGUV e.V. anzurufen. Dies gilt unabhängig davon, ob zwischen den beteiligten UV-Trägern Konsens über die Zuständigkeit herrscht.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2009 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit der Beklagten als Trägerin der Gesetzlichen Unfallversicherung für das Unternehmen des Klägers. Der Kläger betreibt ausweislich der Auskunft aus dem Gewerberegister der Gemeinde A Stadt vom 21. Mai 1999 seit dem 15. Februar 1999 ein Unternehmen, das die Durchführung und Vermittlung von Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutzarbeiten aller Art umfasst sowie alle damit in Verbindung zu bringender Montagearbeiten einschließlich des Verkaufs von Isoliermaterial, Beratung und Projektleitung für technische Isolierungen. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger unter dem 11. Mai 1999 als Art des Unternehmens "Isolierarbeiten" an, wobei im Rahmen von durchzuführenden Montagearbeiten Metallteile montiert würden. Mit Bescheid vom 1. Juni 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Unternehmen ab dem 15. Februar 1999 der Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am Main angehöre. Mit Schreiben vom 16. Juli 2008 beantragte der Kläger Überweisung seines Unternehmens an die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd als zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Zur Begründung führte er aus, die Tätigkeit seines Unternehmens entspreche nicht dem Gewerbezweig "Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus", sondern dem Gewerbezweig des Industrieisolierens. Mit Bescheid vom 2. Januar 2009 lehnte die Beklagte die Überweisung des Unternehmens des Klägers an die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 S. 4 SGB VII nicht vorlägen, da weder die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten von Anfang an unrichtig gewesen sei noch sich die Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers geändert habe. Beim Gewerberegister sei das klägerische Unternehmen mit der Durchführung und Vermittlung von Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz arbeiten aller Art sowie aller damit in Verbindung zu bringender Montagearbeiten eingetragen. Eine am 7. November 2008 durchgeführte Betriebsführung habe ergeben, dass der Tätigkeitsbereich des klägerischen Unternehmens seit Betriebsbeginn im Wesentlichen gleich geblieben sei. Im Übrigen bestehe zwischen der Beklagten und der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd Einigkeit darüber, dass für die Tätigkeiten des klägerischen Unternehmens die Zuständigkeit der Beklagten bestehe. Eine Unrichtigkeit des bindend gewordenen Zugehörigkeitsbescheides vom 1. Juni 1990 sei somit nicht gegeben. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2009 Widerspruch erhoben. Zur Begründung führte er aus, dass in jedem Fall eine Änderung der Zuständigkeit für sein Unternehmen vorliege. Die Eintragung im Gewerberegister habe lediglich deklaratorische Wirkung, entscheidend sei die Tätigkeit eines Unternehmens, die tatsächlich ausgeübt werde. Unzutreffend sei, dass zwischen der Beklagten und der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd Einvernehmen darüber bestehe, dass die Beklagte als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für sein Unternehmen zuständig sei. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 S. 4 SGB VII nicht vorlägen. Für Tätigkeiten aus dem Bereich Montagearbeiten/Isolierarbeiten sei die Beklagte der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger. Ausweislich einer Betriebsprüfung vom 7. November 2008 liege der Schwerpunkt der klägerischen Tätigkeit bei Dämmarbeiten an Rohren, Leitungen und Anlagen. Blechteile würden überwiegend fertig bezogen. In der kleineren Werkstatt würden nur geringe Arbeiten durchgeführt; aufwändigere würden an Subunternehmer vergeben. Die Blecharbeiten seien Hilfstätigkeiten, um die eigentlichen Montagetätigkeiten auf den Baustellen durchzuführen. Dies gelte seit Beginn der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers, so dass insoweit keine Veränderungen vorlegen. Daher sei die Feststellung der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten weder von Anfang an unrichtig, noch hätten sich zwischenzeitlich Veränderungen ergeben. Die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd habe die sachliche Zuständigkeit der Beklagten bestätigt. Mit Schreiben vom 15. April 2009, das am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, hat der Kläger Klage erhoben und verfolgt sein Begehren auf Überweisung seines Unternehmens in den Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Zuständigkeit der Beklagten sei fehlerhaft, was auch dazu führen, dass sein Unternehmen nicht tätigkeitskonform in eine Tarifstelle der Beklagten eingruppiert sei. Zudem sei entgegen der Ankündigung der Beklagten kein Verfahren vor der Prüfstelle für Katasterfragen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (im Folgenden: DGUV) durchgeführt worden.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, eine Überweisung nach § 136 Abs. 1 S. 4 Alt. 2 SGB VII vorzunehmen,
hilfsweise,
einen Wechsel in die zuständige Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd zu ermöglichen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Zugehörigkeit des klägerischen Unternehmens zur Beklagten von Anfang an zutreffend gewesen sei. Änderungen hätten sich ebenfalls nicht ergeben. Da die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd ausweislich einer e-mail-Nachricht vom 22. Dezember 2008 die Zugehörigkeit zur Beklagten für zutreffend erachte, sei kein Raum für die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens. Dieses Verfahren solle Katasterstreitigkeiten "zwischen z.B. den Berufsgenossenschaft dem vor den Sozialgerichten vermeiden". Eine solche Streitigkeit liege aber zwischen der Beklagten und der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd gerade nicht vor. Im Übrigen habe ein Votum der Schiedsstelle keine bindende Wirkung für den Kläger, es stelle ebenso kein Präjudiz für das Sozialgericht dar. Daher werde der Kläger unabhängig von der Durchführung des Schiedsstellenverfahrens nicht in seinen rechtlichen Möglichkeiten zur Überprüfung der Entscheidung der Beklagten beschnitten. Rechtlich sei die Durchführung des Schiedsverfahrens keine formelle Voraussetzung für den Erlass eines Widerspruchsbescheides.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Beklagte war nicht befugt, über den Widerspruch des Klägers zu entscheiden, ohne zuvor das Verfahren vor der Schiedsstelle für Katasterfragen der DGUV in Gang zu setzen und durchzuführen. Daher erweisen sich die angegriffenen Bescheide als rechtswidrig und verletzen zudem den Kläger in seinen Rechten. Mit Beschluss der Mitgliederversammlung 2/2006 vom 1. Dezember 2006 des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V. (HVBG) – im Folgenden: Errichtungsbeschluss – wurde eine "Schiedsstelle für Katasterfragen" (im Folgenden nur: Schiedsstelle) errichtet. Unter Nr. 3 des Errichtungsbeschlusses wird ausgeführt: "Jede BG ( ) ist zur Anrufung der Schiedsstelle verpflichtet, wenn ( ) &61607; ein Unternehmen mit der Begründung der Zuständigkeit einer anderen deutschen BG (UV-Trägers) Widerspruch gegen einen Aufnahmebescheid eingelegt hat und die BG (der UV-Träger) diesem Widerspruch nicht abhelfen will. &61607; ein Unternehmen einen Antrag auf Überweisung an einen anderen UV-Träger gestellt hat und der formal zuständige UV-Träger dem nicht statt geben will. ( ) Um eine Entscheidung der Schiedsstelle innerhalb der Fristen des § 88 SGG (Untätigkeitsklage) zu ermöglichen, verpflichten sich die UV-Träger, in den Fällen der obligatorischen Anrufung der Schiedsstelle (Abs. 3) den Antrag innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags bzw. Widerspruchs des Unternehmers zu stellen." Damit wurde durch die Mitgliederversammlung des HVGB für ihre Mitglieder die vereinsrechtliche Verpflichtung normiert, bei Vorliegen eines Überweisungsantrags die Schiedsstelle anzurufen. Diese Verpflichtung ist eine Rechtspflicht, denn anders lässt sich die Formulierung des Beschlusses nicht auslegen, der eindeutig den Begriff der Verpflichtung sowie der "obligatorischen Anrufung" enthält. Der aktuellen Wirksamkeit dieser Rechtspflicht für die Beklagte steht nicht entgegen, dass der Errichtungsbeschluss noch durch die Mitgliederversammlung des HVGB gefasst worden ist, der sich zwischenzeitlich im Wege der Verschmelzung mit dem Bundesverband der Unfallkassen zur DGUV zusammengeschlossen hat und somit als eigener Rechtsträger nicht mehr existiert. Denn zum Einen ist die nach wie vor bestehende Wirksamkeit des Errichtungsbeschlusses (mit diesem Argument) von keinem Beteiligten in Abrede gestellt worden. Zum Anderen hat die DGUV auf Nachfrage der Kammer mitgeteilt, dass der der Schaffung des DGUV zugrund liegende Verschmelzungsvertrag das Fortbestehen der Beschlüsse des HVBG sichergestellt habe. Auch die nach der Verschmelzung fortgeführte Tätigkeit der Schiedsstelle unter den Bedingungen des Errichtungsbeschlusses spricht für dessen fortdauernde Wirksamkeit. Diese Rechtspflicht ist für die Beklagte als Mitglied der DGUV als Rechtsnachfolgerin des HVGB bindend (s. Weick, in: Staudinger, BGB [Neubearbeitung 2005], § 32 Rn. 37; AG Grevenbroich, Urteil vom 25. Juni 1990 – 11 C 79/90 –, NJW 1990, S. 2646 [2647]), ohne dass es insoweit auf die Rechtsnatur eines Beschlusses der Mitgliederversammlung eines Vereins ankäme (s. dazu Weick, ebd.; Reuter, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2007, § 32 Rn. 23). Die Mitgliederversammlung der HVBG als Rechtsvorgängerin der DGUV war auch befugt, diesen Beschluss mit Wirkung für die Mitglieder der heutigen DGUV zu fassen. Dies folgt aus der satzungsmäßigen Aufgabenbestimmung der DGUV, wonach dem Verband gem. § 2 Abs. 4 Nr. 9 der Satzung die "Klärung von allen grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung in der gesetzlichen Unfallversicherung" obliegt. Hierunter fällt auch die Einrichtung der Schiedsstelle, die nach dem Errichtungsbeschluss die Vermeidung von "Katasterstreitigkeiten vor den Sozialgerichten" bezweckt. Dies wird einerseits dadurch erreicht, dass die Berufsgenossenschaften gem. Nr. 7 des Errichtungsbeschlusses darauf verzichtet haben, bei Katasterstreitigkeiten mit anderen UV-Trägern überhaupt Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. Andererseits erfolgt dies durch die weitergehende Verpflichtung der Berufsgenossenschaften, sich jeder Entscheidung der Schiedsstelle zu unterwerfen. Als zentralem Schiedsgericht ohne Instanzenzug kommt damit der Schiedsstelle die Aufgabe zu, die Anwendung der Regeln des Katasterwesens bundeseinheitlich zu regeln und durch Einzelfallfallentscheidungen Zuständigkeitsfragen grundsätzlich zu klären. Damit dient die Errichtung der Schiedsstelle dem Satzungszweck der DGUV und konnte so von der Mitgliederversammlung beschlossen werden. Dass hierfür die Zuständigkeit des Vorstandes gegeben gewesen wäre oder der Errichtungsbeschluss an formellen oder materiell-rechtlichen Mängeln leiden würde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit war die Beklagte verpflichtet, binnen eines Monats nach Eingang des Überweisungsantrages des Klägers vom 26. Juli 2008, jedenfalls aber vor Erlass des angegriffenen Ablehnungsbescheides die Schiedsstelle anzurufen. Indem sie dies unterlassen hat, handelte sie ihrer vereinsrechtlichen Verpflichtung zuwider. Dieser vereinsrechtliche Verstoß führt zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die Anrufung der Schiedsstelle, die eine Rechtspflicht bürgerlich-rechtlicher Natur darstellt, keine verwaltungsverfahrensrechtliche Ausprägung enthält. Sie ist daher nicht im engeren Sinne des Verwaltungsrechts eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Ablehnungsbescheides vom 2. Januar 2009. Ebenso wenig ist sie eine Prozessvoraussetzung für das sozialgerichtliche Verfahren. Gleichwohl hat der Kläger als eine Überweisung begehrender Unternehmer einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über die Ablehnung der Zuständigkeitsänderung erst dann entscheidet und ihn somit zur Inanspruchnahme sozialgerichtlichen Rechtsschutzes zwingt, wenn das Schiedsstellenverfahren durchgeführt worden ist. Dieser Anspruch ergibt sich aus Folgendem: Das Errichtung und das Verfahren der Schiedsstelle dient dem Errichtungsbeschluss nach zunächst einer objektiven Zielsetzung: Katasterstreitigkeiten vor den Sozialgerichten sollen vermieden werden. Dies erfährt seine weitestgehende Ausprägung dadurch, dass die Unfallversicherungsträger gem. Nr. 7 des Errichtungsbeschlusses auf staatlichen sozialgerichtlichen Rechtsschutz verzichtet haben. Streitigkeiten zwischen Berufsgenossenschaften in Katasterfragen können hiernach nicht mehr vor Sozialgerichten ausgetragen werden. Darüber hinaus aber wird die Zielsetzung dadurch erreicht, dass sich die Berufsgenossenschaften der Entscheidung der Schiedsstelle auch in anderen Fällen unterwerfen, so auch wenn dem Verfahren keine Katasterstreitigkeit zwischen Berufsgenossenschaften zugrunde liegt, also insbesondere dann, wenn zwischen einer Berufsgenossenschaft und einem Unternehmer über die Zuständigkeit gestritten wird. Entscheidet die Schiedsstelle in diesen Fällen zugunsten eines Unternehmers, so ist die ihre Zuständigkeit zu Unrecht reklamierende Berufsgenossenschaft aufgrund der Unterwerfung unter den Schiedsstellenspruch verpflichtet, eine etwaig beantragte Überweisung auszusprechen. Ebenso ist die nach Nr. 4 des Errichtungsbeschlusses zwingend zu beteiligende aufnehmende Berufsgenossenschaft zu dieser Aufnahme des Unternehmers verpflichtet. Die Anrufung eines Sozialgerichts erübrigt sich für den Unternehmer sodann mangels Beschwer, für die Berufsgenossenschaften aufgrund des Klageverzichts. Damit gewinnt das Schiedsstellenverfahren Bedeutung zugunsten eines Unternehmers: Folgt die Schiedsstelle seiner Zuständigkeitsauffassung, so erreicht er sein Ziel ohne die (nach § 197a SGG i.V.m. dem GKG gebührenpflichtige und zeitaufwändige) Anrufung staatlicher Gerichte. Gleichzeitig erhält er Zugang zu einem fachlich spezialisierten Gremium. Damit erweist sich der Errichtungsbeschluss als ein Rechtsakt auch zugunsten Dritter, nämlich jedenfalls zugunsten von Unternehmern, die eine Überweisung an einen anderen Unfallversicherungsträger begehren. Daher ist – ungeachtet der Rechtsnatur eines Beschlusses der Mitgliederversammlung eines Vereins (s. Weick, ebd., § 32 Rn. 37) – § 328 BGB zumindest entsprechend anzuwenden, so dass der Dritte – hier der eine Überweisung begehrende Unternehmer – im Vollzugsverhältnis (s. Gottwald, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2007, § 328 Rn. 30) einen Anspruch gegen die die Überweisung ablehnende Berufsgenossenschaft auf Anrufung der Schiedsstelle vor Bescheiderlass, ggf. spätestens vor Erlass eines Widerspruchsbescheides erhält. Dies ist zwar nicht ausdrücklich in den Errichtungsbeschluss aufgenommen worden; unter Anwendung der Auslegungsregelung des § 328 Abs. 2 BGB lässt sich ein anderes Ergebnis aber nicht begründen. Denn die Verpflichtung zur Anrufung ist – wie ausgeführt – eindeutig formuliert. Daher steht das Recht dem Dritten (Unternehmer) unmittelbar zu. Insbesondere sind keine rechtshemmenden oder -hindernden Bedingungen eingefügt. Insofern ist es unzutreffend, wenn die Beklagte meint, die Anrufung scheide dann aus, wenn die in Betracht kommenden Unfallversicherungsträger in der Zuständigkeitsfrage eine einheitliche Auffassung verträten. Denn das Fehlen der Einheitlichkeit ist nicht Voraussetzung für die Anrufungspflicht. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass der "formal zuständige UV-Träger" der Überweisung nicht stattgeben will. Aus welchen Gründen – etwa wegen einheitlicher Auffassung mit dem anderen Unfallversicherungsträger – er dies tut, ist unerheblich. Insoweit sieht sich die Kammer in Übereinstimmung mit dem Votum der 2. Kammer der Schiedsstelle vom 14. Oktober 2008, in dem diese festgestellt hat, dass das Schiedsstellenverfahren auch bei Einigkeit der beteiligten Unfallversicherungsträger über die Zuständigkeit durchzuführen sei; dies gelte jedenfalls dann, wenn die Anrufung der Schiedsstelle erfolgt sei. Diesbezüglich kann wegen des drittschützenden Charakters der Anrufungspflicht auch dann nicht anderes gelten, wenn die Anrufung noch nicht erfolgt ist. Daher folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 328 BGB, dass die Beklagte nicht berechtigt war, eine Entscheidung entgegen dem Antrag des Klägers zu treffen, ohne zuvor die Schiedsstelle anzurufen (so im Ergebnis auch Ricke, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 136 SGB VII Rn. 35 [Stand: 2009]). Prozessual ist der Kläger berechtigt, diesen Anspruch im vorliegenden Sozialprozess geltend zu machen. Zwar handelt es sich um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch, für dessen gerichtliche Durchsetzung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gericht gem. § 13 GVG gegeben sein könnte. Dies braucht aber nicht abschließend entschieden zu werden. Denn das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG sowie prozessökonomische Überlegungen führen dazu, diesen Anspruch auch im Katasterstreit vor dem Sozialgericht zu berücksichtigen. Der Anspruch auf Anrufung der Schiedsstelle ist ein verfahrensrechtlicher; denn inhaltlich bindet er nur die Unfallversicherungsträger, nicht aber beteiligte Unternehmer (vgl. Ricke, ebd., Rn. 36). Seine Durchsetzung kann jedenfalls dann, wenn bereits Bescheide ohne Durchführung des Schiedsstellenverfahrens erlassen worden sind, wirksam nur dadurch erfolgen, dass als Sanktion die Aufhebung die Bescheide mit der Pflicht zur Neubescheidung erfolgt. Dieses Kassationsrecht steht jedoch gem. § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG nur den Sozialgerichten zu. Um die Bestandskraft zu vermeiden, ist ein Unternehmer somit in jedem Fall gezwungen, Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. Wollte man vor diesem Hintergrund die Einschaltung der ordentlichen Gerichte verlangen, hätte dies parallel zu geschehen. Gleichzeitig müsste die Aussetzung des Sozialprozesses erfolgen, um eine vorgreifende Entscheidung ohne Berücksichtigung der Entscheidung über den Anspruch aus § 328 BGB zu vermeiden. Zudem ist zu beachten, dass ungeachtet des bürgerlich-rechtlichen Charakters des Errichtungsbeschlusses durch die Mitgliederversammlung des HVGB (mit Wirkung für die DGUV) als eines eingetragenen Vereins dieser unmittelbar auf die Beeinflussung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Unfallversicherungsträger und Unternehmen im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren gerichtet war. Es besteht somit ein enger Konnex zwischen bürgerlich-rechtlichem Errichtungsbeschluss und öffentlich-rechtlichem Verfahren. Bei Gesamtbetrachtung dieser Aspekte war die Kammer nicht gehindert, über die Frage der Rechtswirkung des Errichtungsbeschlusses selbst zu entscheiden. Nur so konnte der verfahrensrechtliche Anspruch des Klägers, nicht vor Durchführung des Schiedsverfahrens mit einem Ablehnungsbescheid belastet zu werden, effektiv im Wege der Kassation der angegriffenen Bescheide durchgesetzt werden. Der Bescheid vom 2. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2009 ist somit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; beide Bescheide sind aufzuheben. Die Beklagte ist sodann verpflichtet, die Schiedsstelle zur Durchführung des dortigen Verfahrens anzurufen. Nach Abschluss des Verfahrens hat sie den Kläger neu zu bescheiden, wobei sie der Bindungswirkung gem. Nr. 7 des Errichtungsbeschlusses unterliegt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG. Der Kläger konnte mit dem Ziel der Überweisung an die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd nicht durchdringen, sondern konnte nur ein Bescheidungsurteil erreichen; der geltend gemachte Überweisungsanspruch ist offen. Daher schien es dem Grad des klägerischen Erfolges angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
Rechtskraft
Aus
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