Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2709/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 182/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 insgesamt aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. bis 29. April 2005 sowie eine hiermit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 1.118,92 EUR.
Der 1973 geborene Kläger meldete sich am 8. Juli 2004 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Im Antragsformular verneinte er die Frage nach einer Beschäftigung. Die Beklagte bewilligte Alg für die Zeit vom 8. Juli 2004 bis 29. April 2005 (Restanspruch nach Vorbezug) mit einem täglichen Leistungssatz von 29,24 EUR. Ab 1. Mai 2005 war der Kläger als freier Handelsvertreter für die Firma I ... selbstständig tätig.
Am 26. Juni 2006 wurde die Beklagte von der Polizeidirektion Heidenheim im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Firma I ... informiert, dass eine auf den Kläger ausgestellte Lohnabrechnung für Januar 2005 aufgefunden worden sei. Im Rahmen der Anhörung durch die Beklagte gab der Kläger an, er habe in keinem Beschäftigungsverhältnis zur Firma I ... gestanden. Mit dem Geschäftsführer sei nur errechnet worden, was er an Umsatz bringen müsse, um bei der Firma ein gewisses Gehalt zu beziehen. Für die Lohnabrechnung habe er keine Erklärung.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 1. Januar 2005 auf, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis von mindestens 15 Stunden wöchentlich gestanden habe und nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Die vom 1. Januar bis 29. April 2005 zu Unrecht erbrachten Leistungen von 4.317 EUR (Alg sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) seien zu erstatten.
Im Widerspruchsverfahren teilte der ehemalige Geschäftsführer A. K. der nicht mehr existenten Firma I-. auf Nachfrage der Beklagten mit, der Kläger sei sein Schwager. Dieser habe sich während seiner Arbeitslosigkeit um eine Stelle in der Firma bemüht. Um den Kostenfaktor abzuschätzen, sei eine unverbindliche Lohnabrechnung erstellt worden. Tatsächlich habe der Kläger in der strittigen Zeit nicht in der Firma gearbeitet. Wie alle anderen Familienangehörigen auch, habe er in der Zeit von Januar bis ca. Juli 2005 lediglich bei den erforderlichen Renovierungsarbeiten der neu geschaffenen Büroräume unentgeltlich mitgeholfen.
A.K. wurde vom Amtsgericht Heidenheim mit Urteil vom 4. Dezember 2006 (2 AK 35/06 - LS 23 JS 180855) wegen Urkundenfälschung in drei Fällen, Betrug in zwei Fällen, Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 16 Fällen sowie wegen Missbrauch von Titeln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den im Rahmen eines Ermittlungs- und Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer der Firma I- ... getroffenen Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Kläger ab 1. Januar 2005 eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, die Arbeitslosigkeit ausschließe. Da der Kläger die Aufnahme der Erwerbstätigkeit nicht mitgeteilt habe und durch das Merkblatt für Arbeitslose über seine Mitteilungspflichten informiert gewesen sei, habe er grob fahrlässig gehandelt.
Am 13. Juli 2007 hat der Kläger zum Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben. Er macht weiterhin geltend, im streitigen Zeitraum nicht für die Firma I- ... gearbeitet zu haben. Ein gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen Betrugs zum Nachteil der Beklagten (22 Js 8908/08) wurde von der Staatsanwaltschaft Ellwangen am 24. Juni 2008 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt.
Mit Urteil vom 17. November 2009 hat das SG den Bescheid vom 17. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete. Diese Voraussetzungen lägen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005 nicht vor. Allein aufgrund der Gehaltsabrechnung für Januar 2005 könne nicht auf eine tatsächliche Beschäftigung geschlossen werden. Hinsichtlich des Monats April 2005 sei die Klage dagegen unbegründet. Anspruch auf Alg habe nur, wer u.a. arbeitslos sei. Dies sei nach § 119 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ein Arbeitnehmer dann, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger schließe die Beschäftigungslosigkeit nur dann nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeiten weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassten (§ 119 Abs. 3 SGB III). Das SG sei davon überzeugt, dass der Kläger im April 2005 mehr als 15 Stunden in der Woche bei der Firma I- ... gearbeitet habe. Es stütze sich insoweit auf die Aussage des M.W., die er im Ermittlungsverfahren gegen den Kläger bei der Kriminalpolizeiinspektion G. am 24. Juli 2006 gemacht habe. M.W. habe angegeben, dass bei seinem Eintritt in die Firma am 1. April 2006 auch der Kläger dort beschäftigt gewesen sei, Angebote erstellt und Montagen durchgeführt habe. Der Kläger sei ihm als freier Mitarbeiter und Montageleiter vorgestellt worden. An dieser Aussage habe das SG entgegen anders lautender Angaben des Klägers sowie der Tatsache, dass keine Meldung bei der zuständigen Krankenkasse erfolgt sei und keine Zahlungen auf das Konto des Klägers festgestellt worden seien, keine Zweifel. Hierbei berücksichtige das SG auch die Unkorrektheiten in der Firma, die durch das Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer offensichtlich geworden seien. Auch die Tatsache, dass der Kläger ab 1. Mai 2005 als Selbstständiger für die Firma gearbeitet habe, schließe einen früheren Beginn nicht aus, zumal A.K. angegeben habe, dass er dem Kläger nach dem Gedanken, sich selbstständig zu machen, das Kennenlernen der Software in der Firma erlaubt habe. Der Kläger habe die Arbeitsaufnahme nicht mitgeteilt und damit seine Sorgfaltspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Auch hätte er aufgrund der Hinweise im Merkblatt erkennen können und müssen, dass der Leistungsanspruch bei einer Arbeitsaufnahme entfalle. Gemäß § 330 Abs. 3 SGB III sei die Leistungsbewilligung für April 2005 zu Recht aufgehoben und die Leistung gemäß § 50 SGB X zurückgefordert worden.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 9. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 11. Januar 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger habe sich dafür, dass er im streitigen Zeitraum nicht bei der Firma I- ... beschäftigt gewesen sei, auf das Zeugnis seiner damaligen Ehefrau M.P. sowie des A.K. berufen. Das SG habe unterlassen, diese Zeugen zu hören. Völlig überraschend habe sich das SG auf die Aussage des M.W. vom 24. Juli 2006 gestützt und damit das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör massiv verletzt. Auch dieser Zeuge hätte persönlich vernommen werden müssen, um seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Der Kläger bleibe dabei, dass er auch im April 2005 nicht für die o.g. Firma gearbeitet habe und wiederhole sein Beweisangebot auf Vernehmung der Zeugen M.P. und A.K. Einer Verwertung der schriftlichen Aussage des M.W. werde widersprochen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 insgesamt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. Soweit der Bevollmächtigte vortrage, die von ihm benannten Zeugen seien nicht angehört worden, sei entgegen zu halten, dass versäumt worden sei, eine Zeugeneinvernahme zu beantragen. Zeugen zum gesamten Vorbringen zu benennen, entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Ellwangen (23 Js 4518/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist in der Sache auch begründet, denn auch für den noch streitigen Zeitraum ist der Bescheid vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 nur noch hinsichtlich des Zeitraums 1. bis 29. April 2005. Die von der Aufhebung der Alg-Bewilligung für diesen Zeitraum betroffene Erstattungsforderung beläuft sich auf 862,17 EUR Alg, 230,46 EUR Beiträge zur Krankenversicherung und 26,29 EUR Beiträge zur Pflegeversicherung.
Als Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg kommt hier nur § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Betracht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt. Die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung verlangt eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen. Eine Änderung der Verhältnisse liegt hier dann vor, wenn nach Ergehen des Bewilligungsbescheids der Anspruch auf Gewährung von Alg entfallen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn der Kläger im April 2005 nicht arbeitslos gewesen wäre. Nach § 118 Abs. 1 SGB III haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die u.a. arbeitslos sind. Arbeitslos ist nach § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der (1.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme kann zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden, dass der Kläger im April 2005 eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt hat. Damit ist seine Arbeitslosigkeit nicht entfallen, so dass eine Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der Leistungen nicht in Betracht kommt.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2011 die Zeugen M.W., A.K., N.S. und M.P. vernommen. Keiner dieser Zeugen hatte noch eine genaue Erinnerung daran, in welchem Umfang der Kläger tatsächlich im April 2005 für die Firma I- ... tätig war. Übereinstimmend haben alle Zeugen angegeben, dass der Kläger sich zeitweise in den Räumen der Firma I- ... aufgehalten und dort an dem von ihm mitgebrachten Laptop gearbeitet bzw. sich mit dem Zeugen A.K. besprochen hat. M.W., der selbst nach eigenen Angaben täglich von Montag bis Freitag von ca. 8 bis 16 Uhr im Büro anwesend war, hat über wechselnde Anwesenheitszeiten des Klägers berichtet, manchmal tageweise, manchmal eine Woche, konnte sich letztlich jedoch nicht festlegen bezüglich der zeitlichen Einordnung der Tätigkeit des Klägers in den Monaten April bzw. Mai 2005 und danach, insbesondere, ob der Kläger schon im April "intensiv" gearbeitet hat. Darüber hinaus hat M.W. klargestellt, dass er den Kläger nicht erst am 1. April 2005 kennengelernt habe, sondern bereits am 21. Februar 2005; er könne sich nicht mehr erinnern, ob ihm der Kläger als abhängig Beschäftigter oder Selbstständiger vorgestellt worden sei. N.S., der als Mitgesellschafter ebenfalls täglich im Büro anwesend war, ging davon aus, dass der Kläger zwei bis drei Mal in der Woche dort gewesen war. Allerdings hat er ausgesagt, nicht zu wissen, was der Kläger mit A.K. besprochen oder gearbeitet habe. A.K. konnte ebenfalls keine Angaben dazu machen, in welchem Umfang der Kläger im April 2005 tätig war. M.P. schließlich, die selbst mit einem 25-Stunden Vertrag als Sekretärin für die Firma I- ... tätig gewesen war, hat ausgesagt, dass sich die Tätigkeit des Klägers nach ihrem Eindruck im Mai 2005 im Vergleich zur vorherigen Zeit nicht geändert habe. Auf Nachfrage hat sie ausgeführt, dass sich die Tätigkeit intensiviert habe, nachdem der Kläger den Entschluss gefasst hatte, sich selbstständig zu machen. Näher eingrenzen konnte sie diesen Zeitpunkt nicht, sie hat sich lediglich auf Frühjahr/Sommer 2005 festgelegt. Letztlich lässt sich angesichts dieser - in Anbetracht des Zeitablaufs verständlicherweise - ungenauen Aussagen keine Festlegung dahin treffen, dass der Kläger tatsächlich im April 2005 mindestens 15 Stunden wöchentlich tätig war. Hinzu kommt, dass unklar ist, was der Kläger während seiner Anwesenheit im Büro der I- ... im April 2005 überhaupt gemacht hat. Weder M.W., der ausdrücklich gesagt hat, mit dem Kläger keine gemeinsamen Projekte durchgeführt zu haben, noch N.S. konnten hierzu nähere Angaben machen. Der Kläger selbst hat angegeben, dass er seine Selbstständigkeit vorbereitet und deswegen öfter mit A.K. gesprochen habe, der ihm auch bei der Erstellung des Businessplanes geholfen habe. M.P. hat insoweit bestätigt, dass einiges durchzusprechen gewesen sei für die spätere Selbstständigkeit. Derartige Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf eine beabsichtigte spätere Selbstständigkeit sind für die Frage der Ausübung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich dauernden Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit jedoch unbeachtlich. Damit ist schon nicht klar, ob der Kläger überhaupt im April 2005 für die Firma I- ... tätig war.
Im Rahmen der Beweiswürdigung kann sich der Senat nach alledem nicht davon überzeugen, dass der Kläger im April 2005 eine Beschäftigung oder Tätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden ausgeübt hat, welche die Arbeitslosigkeit ausschließen und damit zur Aufhebung der Bewilligung berechtigten würde. Grundsätzlich gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 6, 70, 73; 43, 110, 112). Da vorliegend die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids auf der Grundlage des § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III im Streit steht, trifft die Beklagte die objektive Beweislast für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse und damit den Eintritt der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheids (vgl. BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1 S. 11). Die von der Rechtsprechung in Ausnahmefällen angenommene Beweislastumkehr kommt hier nicht zum Tragen.
Anerkannt ist eine derartige Beweislastumkehr für bestimmte Fallgestaltungen, in denen etwa der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl. BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 6; BSG SozR 4-1500 § 128 Nr. 5), also etwa in Konstellationen, in denen in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht mehr aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe des Betroffenen vorliegt. Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung von Arbeitslosenhilfe angenommen (vgl. BSGE 96, 238, 245 f. = SozR 4-4220 § 6 Nr. 4). Diese Erwägungen sind auf die vorliegende Fallgestaltung indessen nicht übertragbar. Steht schon nicht fest, dass der Kläger im April 2005 überhaupt für die I- ... tätig war, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, er habe seine Obliegenheit zur Mitteilung von Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt und dadurch zeitnahe Ermittlungen durch die Beklagte vereitelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. bis 29. April 2005 sowie eine hiermit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 1.118,92 EUR.
Der 1973 geborene Kläger meldete sich am 8. Juli 2004 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Im Antragsformular verneinte er die Frage nach einer Beschäftigung. Die Beklagte bewilligte Alg für die Zeit vom 8. Juli 2004 bis 29. April 2005 (Restanspruch nach Vorbezug) mit einem täglichen Leistungssatz von 29,24 EUR. Ab 1. Mai 2005 war der Kläger als freier Handelsvertreter für die Firma I ... selbstständig tätig.
Am 26. Juni 2006 wurde die Beklagte von der Polizeidirektion Heidenheim im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Firma I ... informiert, dass eine auf den Kläger ausgestellte Lohnabrechnung für Januar 2005 aufgefunden worden sei. Im Rahmen der Anhörung durch die Beklagte gab der Kläger an, er habe in keinem Beschäftigungsverhältnis zur Firma I ... gestanden. Mit dem Geschäftsführer sei nur errechnet worden, was er an Umsatz bringen müsse, um bei der Firma ein gewisses Gehalt zu beziehen. Für die Lohnabrechnung habe er keine Erklärung.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 1. Januar 2005 auf, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis von mindestens 15 Stunden wöchentlich gestanden habe und nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Die vom 1. Januar bis 29. April 2005 zu Unrecht erbrachten Leistungen von 4.317 EUR (Alg sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) seien zu erstatten.
Im Widerspruchsverfahren teilte der ehemalige Geschäftsführer A. K. der nicht mehr existenten Firma I-. auf Nachfrage der Beklagten mit, der Kläger sei sein Schwager. Dieser habe sich während seiner Arbeitslosigkeit um eine Stelle in der Firma bemüht. Um den Kostenfaktor abzuschätzen, sei eine unverbindliche Lohnabrechnung erstellt worden. Tatsächlich habe der Kläger in der strittigen Zeit nicht in der Firma gearbeitet. Wie alle anderen Familienangehörigen auch, habe er in der Zeit von Januar bis ca. Juli 2005 lediglich bei den erforderlichen Renovierungsarbeiten der neu geschaffenen Büroräume unentgeltlich mitgeholfen.
A.K. wurde vom Amtsgericht Heidenheim mit Urteil vom 4. Dezember 2006 (2 AK 35/06 - LS 23 JS 180855) wegen Urkundenfälschung in drei Fällen, Betrug in zwei Fällen, Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 16 Fällen sowie wegen Missbrauch von Titeln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den im Rahmen eines Ermittlungs- und Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer der Firma I- ... getroffenen Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Kläger ab 1. Januar 2005 eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, die Arbeitslosigkeit ausschließe. Da der Kläger die Aufnahme der Erwerbstätigkeit nicht mitgeteilt habe und durch das Merkblatt für Arbeitslose über seine Mitteilungspflichten informiert gewesen sei, habe er grob fahrlässig gehandelt.
Am 13. Juli 2007 hat der Kläger zum Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben. Er macht weiterhin geltend, im streitigen Zeitraum nicht für die Firma I- ... gearbeitet zu haben. Ein gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen Betrugs zum Nachteil der Beklagten (22 Js 8908/08) wurde von der Staatsanwaltschaft Ellwangen am 24. Juni 2008 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt.
Mit Urteil vom 17. November 2009 hat das SG den Bescheid vom 17. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete. Diese Voraussetzungen lägen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005 nicht vor. Allein aufgrund der Gehaltsabrechnung für Januar 2005 könne nicht auf eine tatsächliche Beschäftigung geschlossen werden. Hinsichtlich des Monats April 2005 sei die Klage dagegen unbegründet. Anspruch auf Alg habe nur, wer u.a. arbeitslos sei. Dies sei nach § 119 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ein Arbeitnehmer dann, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger schließe die Beschäftigungslosigkeit nur dann nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeiten weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassten (§ 119 Abs. 3 SGB III). Das SG sei davon überzeugt, dass der Kläger im April 2005 mehr als 15 Stunden in der Woche bei der Firma I- ... gearbeitet habe. Es stütze sich insoweit auf die Aussage des M.W., die er im Ermittlungsverfahren gegen den Kläger bei der Kriminalpolizeiinspektion G. am 24. Juli 2006 gemacht habe. M.W. habe angegeben, dass bei seinem Eintritt in die Firma am 1. April 2006 auch der Kläger dort beschäftigt gewesen sei, Angebote erstellt und Montagen durchgeführt habe. Der Kläger sei ihm als freier Mitarbeiter und Montageleiter vorgestellt worden. An dieser Aussage habe das SG entgegen anders lautender Angaben des Klägers sowie der Tatsache, dass keine Meldung bei der zuständigen Krankenkasse erfolgt sei und keine Zahlungen auf das Konto des Klägers festgestellt worden seien, keine Zweifel. Hierbei berücksichtige das SG auch die Unkorrektheiten in der Firma, die durch das Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer offensichtlich geworden seien. Auch die Tatsache, dass der Kläger ab 1. Mai 2005 als Selbstständiger für die Firma gearbeitet habe, schließe einen früheren Beginn nicht aus, zumal A.K. angegeben habe, dass er dem Kläger nach dem Gedanken, sich selbstständig zu machen, das Kennenlernen der Software in der Firma erlaubt habe. Der Kläger habe die Arbeitsaufnahme nicht mitgeteilt und damit seine Sorgfaltspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Auch hätte er aufgrund der Hinweise im Merkblatt erkennen können und müssen, dass der Leistungsanspruch bei einer Arbeitsaufnahme entfalle. Gemäß § 330 Abs. 3 SGB III sei die Leistungsbewilligung für April 2005 zu Recht aufgehoben und die Leistung gemäß § 50 SGB X zurückgefordert worden.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 9. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 11. Januar 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger habe sich dafür, dass er im streitigen Zeitraum nicht bei der Firma I- ... beschäftigt gewesen sei, auf das Zeugnis seiner damaligen Ehefrau M.P. sowie des A.K. berufen. Das SG habe unterlassen, diese Zeugen zu hören. Völlig überraschend habe sich das SG auf die Aussage des M.W. vom 24. Juli 2006 gestützt und damit das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör massiv verletzt. Auch dieser Zeuge hätte persönlich vernommen werden müssen, um seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Der Kläger bleibe dabei, dass er auch im April 2005 nicht für die o.g. Firma gearbeitet habe und wiederhole sein Beweisangebot auf Vernehmung der Zeugen M.P. und A.K. Einer Verwertung der schriftlichen Aussage des M.W. werde widersprochen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 insgesamt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. Soweit der Bevollmächtigte vortrage, die von ihm benannten Zeugen seien nicht angehört worden, sei entgegen zu halten, dass versäumt worden sei, eine Zeugeneinvernahme zu beantragen. Zeugen zum gesamten Vorbringen zu benennen, entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Ellwangen (23 Js 4518/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist in der Sache auch begründet, denn auch für den noch streitigen Zeitraum ist der Bescheid vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2007 nur noch hinsichtlich des Zeitraums 1. bis 29. April 2005. Die von der Aufhebung der Alg-Bewilligung für diesen Zeitraum betroffene Erstattungsforderung beläuft sich auf 862,17 EUR Alg, 230,46 EUR Beiträge zur Krankenversicherung und 26,29 EUR Beiträge zur Pflegeversicherung.
Als Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg kommt hier nur § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Betracht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt. Die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung verlangt eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen. Eine Änderung der Verhältnisse liegt hier dann vor, wenn nach Ergehen des Bewilligungsbescheids der Anspruch auf Gewährung von Alg entfallen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn der Kläger im April 2005 nicht arbeitslos gewesen wäre. Nach § 118 Abs. 1 SGB III haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die u.a. arbeitslos sind. Arbeitslos ist nach § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der (1.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme kann zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden, dass der Kläger im April 2005 eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt hat. Damit ist seine Arbeitslosigkeit nicht entfallen, so dass eine Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der Leistungen nicht in Betracht kommt.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2011 die Zeugen M.W., A.K., N.S. und M.P. vernommen. Keiner dieser Zeugen hatte noch eine genaue Erinnerung daran, in welchem Umfang der Kläger tatsächlich im April 2005 für die Firma I- ... tätig war. Übereinstimmend haben alle Zeugen angegeben, dass der Kläger sich zeitweise in den Räumen der Firma I- ... aufgehalten und dort an dem von ihm mitgebrachten Laptop gearbeitet bzw. sich mit dem Zeugen A.K. besprochen hat. M.W., der selbst nach eigenen Angaben täglich von Montag bis Freitag von ca. 8 bis 16 Uhr im Büro anwesend war, hat über wechselnde Anwesenheitszeiten des Klägers berichtet, manchmal tageweise, manchmal eine Woche, konnte sich letztlich jedoch nicht festlegen bezüglich der zeitlichen Einordnung der Tätigkeit des Klägers in den Monaten April bzw. Mai 2005 und danach, insbesondere, ob der Kläger schon im April "intensiv" gearbeitet hat. Darüber hinaus hat M.W. klargestellt, dass er den Kläger nicht erst am 1. April 2005 kennengelernt habe, sondern bereits am 21. Februar 2005; er könne sich nicht mehr erinnern, ob ihm der Kläger als abhängig Beschäftigter oder Selbstständiger vorgestellt worden sei. N.S., der als Mitgesellschafter ebenfalls täglich im Büro anwesend war, ging davon aus, dass der Kläger zwei bis drei Mal in der Woche dort gewesen war. Allerdings hat er ausgesagt, nicht zu wissen, was der Kläger mit A.K. besprochen oder gearbeitet habe. A.K. konnte ebenfalls keine Angaben dazu machen, in welchem Umfang der Kläger im April 2005 tätig war. M.P. schließlich, die selbst mit einem 25-Stunden Vertrag als Sekretärin für die Firma I- ... tätig gewesen war, hat ausgesagt, dass sich die Tätigkeit des Klägers nach ihrem Eindruck im Mai 2005 im Vergleich zur vorherigen Zeit nicht geändert habe. Auf Nachfrage hat sie ausgeführt, dass sich die Tätigkeit intensiviert habe, nachdem der Kläger den Entschluss gefasst hatte, sich selbstständig zu machen. Näher eingrenzen konnte sie diesen Zeitpunkt nicht, sie hat sich lediglich auf Frühjahr/Sommer 2005 festgelegt. Letztlich lässt sich angesichts dieser - in Anbetracht des Zeitablaufs verständlicherweise - ungenauen Aussagen keine Festlegung dahin treffen, dass der Kläger tatsächlich im April 2005 mindestens 15 Stunden wöchentlich tätig war. Hinzu kommt, dass unklar ist, was der Kläger während seiner Anwesenheit im Büro der I- ... im April 2005 überhaupt gemacht hat. Weder M.W., der ausdrücklich gesagt hat, mit dem Kläger keine gemeinsamen Projekte durchgeführt zu haben, noch N.S. konnten hierzu nähere Angaben machen. Der Kläger selbst hat angegeben, dass er seine Selbstständigkeit vorbereitet und deswegen öfter mit A.K. gesprochen habe, der ihm auch bei der Erstellung des Businessplanes geholfen habe. M.P. hat insoweit bestätigt, dass einiges durchzusprechen gewesen sei für die spätere Selbstständigkeit. Derartige Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf eine beabsichtigte spätere Selbstständigkeit sind für die Frage der Ausübung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich dauernden Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit jedoch unbeachtlich. Damit ist schon nicht klar, ob der Kläger überhaupt im April 2005 für die Firma I- ... tätig war.
Im Rahmen der Beweiswürdigung kann sich der Senat nach alledem nicht davon überzeugen, dass der Kläger im April 2005 eine Beschäftigung oder Tätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden ausgeübt hat, welche die Arbeitslosigkeit ausschließen und damit zur Aufhebung der Bewilligung berechtigten würde. Grundsätzlich gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 6, 70, 73; 43, 110, 112). Da vorliegend die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids auf der Grundlage des § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III im Streit steht, trifft die Beklagte die objektive Beweislast für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse und damit den Eintritt der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheids (vgl. BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1 S. 11). Die von der Rechtsprechung in Ausnahmefällen angenommene Beweislastumkehr kommt hier nicht zum Tragen.
Anerkannt ist eine derartige Beweislastumkehr für bestimmte Fallgestaltungen, in denen etwa der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl. BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 6; BSG SozR 4-1500 § 128 Nr. 5), also etwa in Konstellationen, in denen in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht mehr aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe des Betroffenen vorliegt. Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung von Arbeitslosenhilfe angenommen (vgl. BSGE 96, 238, 245 f. = SozR 4-4220 § 6 Nr. 4). Diese Erwägungen sind auf die vorliegende Fallgestaltung indessen nicht übertragbar. Steht schon nicht fest, dass der Kläger im April 2005 überhaupt für die I- ... tätig war, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, er habe seine Obliegenheit zur Mitteilung von Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt und dadurch zeitnahe Ermittlungen durch die Beklagte vereitelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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