L 1 R 231/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 230/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 231/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten hat.

Die am 1965 in der damaligen Sowjetunion geborene Klägerin studierte von 1982 bis Juni 1987 am Moskauer Institut für chemischen Maschinenbau. 1985 heiratete sie in M ihren deutschen Ehemann, der ebenfalls an dem genannten Institut studierte und vor seinem Studium nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. 1986 kam das gemeinsame Kind in M zur Welt. Die Familie siedelte am 26. Juni 1987 in die damalige DDR um. Dort nahmen der Ehemann der Klägerin am 1. September 1987 und die Klägerin selbst am 1. November 1987 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf.

Die Klägerin beantragte am 19. März 2003 die Feststellung von Kindererziehungszeiten sowie von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2004 rentenrechtlich relevante Daten fest. Dabei erkannte sie die Zeit vom 1. bis zum 30. Juni 1987 als Kindererziehungszeit sowie die Zeit vom 1. Juni 1987 bis zum 18. Juni 1996 als Berücksichtigungszeit an. Die Zeit vom 1. Juli 1986 bis zum 31. Mai 1987 könne nicht als Kindererziehungszeit festgestellt werden, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Gleiches gelte für die Anerkennung der Zeit vom 19. Juni 1986 bis zum 31. Mai 1987 als Berücksichtigungszeit.

Dagegen legte die Klägerin am 1. März 2004 Widerspruch ein und trug vor, der geltend gemachte Anspruch leite sich daraus ab, dass ihr Ehemann während des Aufenthaltes in der Sowjetunion in die deutsche Erwerbswelt integriert gewesen sei. Er sei zum Studium nach M delegiert worden. Insoweit liege ein Fall vor, der mit einer Entsendung vergleichbar sei und wesentliche Elemente eines Rumpfarbeitsverhältnisses enthalte. Die Zeit des Studiums in M zähle bei ihm als Zeit der Betriebszugehörigkeit. Die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Zeiten stelle im Übrigen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Hinblick auf Studentenehepaare in der Bundesrepublik Deutschland bzw. auf Spätaussiedler mit Ansprüchen nach dem Fremdrentengesetz (FRG) dar. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 mit der Begründung zurück, sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann seien als Studenten nicht – wie für die Feststellung der geltend gemachten Zeiten erforderlich – beschäftigt gewesen.

Dagegen hat die Klägerin am 8. März 2005 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Ihr Ehemann sei während seiner Studienzeit in M voll in das Sozial- und Rentensystem der DDR integriert gewesen. Im Rahmen der pauschalen Studentenversicherung seien Beiträge in die Sozialsysteme der DDR gezahlt worden. Darüber hinaus habe er im Rahmen eines Studienförderungsvertrages enge vertragliche Beziehungen mit seinem späteren Arbeitgeber, dem VEB", unterhalten. Dies werde durch die Anerkennung der Studienzeit als Betriebszugehörigkeit untermauert. Diese vertraglichen Beziehungen enthielten wesentliche Elemente eines sogenannten Rumpfarbeitsverhältnisses, für das das Bundessozialgericht (BSG) die Gleichstellung einer Erziehung im Ausland mit einer Inlandserziehung anerkannt habe. Im Übrigen stelle die Entscheidung der Beklagten einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) dar.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7. Mai 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes K Pflichtbeitragszeiten aufzuweisen. Die pauschale Studentenversicherung des Ehemannes sei nicht auf der Grundlage eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Bei dem Ehemann seien auch nicht die Grundsätze einer Quasi-Entsendung bzw. eines Rumpfarbeitsverhältnisses anzuwenden. Ferner liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

Gegen das am 23. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Juni 2007 Berufung eingelegt. Ergänzend und vertiefend trägt sie vor, es gehe ihr nicht um die Bewertung von Hochschulzeiten als Pflichtbeitragszeiten bzw. die Wertung des Auslandsaufenthaltes ihres Ehemannes als Rumpfarbeitsverhältnis. Vielmehr halte sie eine verfassungskonforme Ausdehnung von § 56 Abs. 3 Satz 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) analog zur Rechtsprechung des BSG zum Rumpfarbeitsverhältnis bzw. zur Quasi-Entsendung für angezeigt. Denn die vom BSG als Voraussetzung für eine verfassungskonforme Ausdehnung herangezogene hinreichend enge Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben und die damit gegebene Integration in des inländische Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem sei nicht nur durch ein (Rumpf-)Arbeitsverhältnis denkbar. Entscheidend sei, ob einer der beiden Ehepartner im Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland bzw. deren Rechtsvorgänger, der ehemaligen DDR, gestanden habe. Vorliegend sei ihr Ehemann aus folgenden Gründen während seines Studienaufenthaltes in Moskau in das inländische Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem der damaligen DDR und damit ihres Rechtsnachfolgers Bundesrepublik Deutschland integriert gewesen: Gleichstellung des Auslandsstudiums mit dem Inlandsstudium, gleiche rentenrechtliche Behandlung der Auslandsstudenten und der Inlandsstudenten über die pauschale Rentenversicherung der DDR, Delegierung durch den Staat der DDR, administrative Unterstellung der Studentenabteilung bei der Botschaft der DDR in Moskau für alle DDR-Studenten in der Sowjetunion, Stipendienzahlung durch die DDR, medizinische Behandlung auf Basis bilateraler Verträge bzw. gemäß Sozialversicherung der DDR bei Heimataufenthalten, Einbindung in das zentrale System der Absolventenlenkung, Praktikum beim zukünftigen Arbeitgeber während der Semesterferien nach dem 3. Studienjahr, Fördervertrag mit dem zukünftigen Arbeitgeber und Wertung der Hochschulzeit als Betriebszugehörigkeit. Im Übrigen habe zu keinem Zeitpunkt eine Integration in ein ausländisches Rentensystem vorgelegen, so dass eine Doppelnutzung ausgeschlossen werden könne. Bei der verfassungskonformen Ausdehnung sei außerdem zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Kindererziehung neben der Zahlung von Beiträgen eine der beiden Leistungen für das Rentensystem sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 5. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 zu verpflichten, die Zeit vom 1. Juli 1986 bis zum 31. Mai 1987 als Kindererziehungszeit sowie die Zeit vom 19. Juni 1986 bis zum 31. Mai 1987 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2007 zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Sie hat keinen Anspruch auf die Anerkennung weiterer Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeiten.

Anspruchsgrundlage ist § 149 Abs. 5 SGB VI. Danach ist der Versicherungsträger verpflichtet, einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid über die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, zu erlassen, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat.

Nach § 57 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 56 Abs. 1 bis 3 und 5, 249 Abs. 1 SGB VI sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind. Einem Elternteil wird nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (oder im Beitrittsgebiet, § 249a SGB VI) erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Klägerin erfüllt weder die Voraussetzung, dass die Erziehung im umstrittenen Zeitraum im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Beitrittsgebiet erfolgt ist, noch dass die Erziehung in der Sowjetunion einer solchen gleichsteht.

Die Klägerin hat sich während der streitigen Zeiträume nicht gewöhnlich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Beitrittsgebiet aufgehalten; auch hat sie in der Zeit des gewöhnlichen Aufenthalts in der ehemaligen Sowjetunion während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt ihrer Kinder wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit keine Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Ebenso wenig hat ihr Ehemann, mit dem sie sich gemeinsam in der Sowjetunion aufhielt, solche Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt oder diese Voraussetzung nur deshalb nicht erfüllt, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten versicherungsfreien Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Denn während seines Studiums fehlte jeglicher Ansatzpunkt für eine nach deutschem Sozialversicherungsrecht versicherungsfreie oder -pflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit.

Auch eine sinngemäße Anwendung von § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI kommt nicht in Betracht. Die typisierende Grundwertung des Gesetzes, dem Betroffenen seien im Wesentlichen wegen der Kindererziehung – und nicht wegen Integration in eine ausländische Arbeitswelt – deutsche Rentenanwartschaften entgangen, kann nur dann gelten, wenn die Erziehenden vor der Geburt oder während der Kindererziehungszeit in einer hinreichend engen Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stehen (BSG, Urteil vom 17. November 1992 – 4 RA 15/91 –, juris). Das Erfordernis einer derartigen fortbestehenden Inlandsintegration ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1998 – 1 BvR 810/90 –, juris). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend auch nicht mittelbar über den Ehemann aufgrund eines fortbestehenden Arbeits- oder wenigstens eines sogenannten Rumpfarbeitsverhältnisses in der Zeit vom 19. Juni 1986 bis zum 31. Mai 1987 in der ehemaligen Sowjetunion erfüllt.

Nach der Rechtsprechung reicht es zwar aus, dass ein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis fortbesteht (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 29. September 1998 – B 4 RA 9/98 R –, juris). Eine solche fortdauernde Integration in das inländische Arbeitsleben ist aber nur dann gegeben, wenn zwar das inländische Arbeitsverhältnis für die Dauer der Auslandsbeschäftigung teilweise – etwa im Blick auf die Hauptpflichten (Arbeitsleistung/Zahlung von Arbeitsentgelt) zum Ruhen gebracht wird – aber aus ihm a) auch während der Auslandsbeschäftigung noch wechselseitige Rechte und Pflichten erwachsen, b) die Auslandsbeschäftigung von vornherein zeitlich durch Vertrag oder ihrer Eigenart nach rechtlich begrenzt ist und wenn c) rechtlich von vornherein sichergestellt ist, dass das inländische Beschäftigungsverhältnis nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung auch mit den Hauptpflichten in vollem Umfang wieder auflebt.

Dies ist vorliegend weder in der Person der Klägerin noch der ihres Ehemannes der Fall. Bei der Klägerin selbst liegt dies auf der Hand, denn vor ihrer Umsiedlung in die DDR hatte sie überhaupt keine arbeitsrechtliche Beziehung dorthin. Sie hat im Beitrittsgebiet erstmals am 1. November 1987, also nach dem hier umstrittenen Zeitraum, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.

Aber auch in der Person des Ehemannes, der vor seinem Studium nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn er stand während des hier umstrittenen Zeitraumes bzw. unmittelbar vor der Geburt des Kindes Kai nicht in einer hinreichend engen Beziehung zum Arbeits- und Erwerbsleben im Beitrittsgebiet. Das scheitert schon daran, dass weder vor seinem Aufenthalt in der Sowjetunion noch während dieser Zeit ein Beschäftigungsverhältnis zum VEB bestand, welches im Sinne eines Rumpfarbeitsverhältnisses hätte fortbestehen können. Das wird schon daran deutlich, dass der Ehemann der Klägerin im Studienförderungsvertrag mit dem VEB L. vom 24. Juli 1985 nicht als Beschäftigter oder Werktätiger bezeichnet ist, sondern als Student. Als solcher hatte er gemäß II. Nr. 4 des Vertrages die Verpflichtung, spätestens ein Jahr vor Beendigung des Studiums einen Arbeitsvertrag mit dem VEB L. abzuschließen. Diese Verpflichtung setzt gerade voraus, dass noch kein Arbeitsvertrag bestand. Er hat während seiner Studienzeit in der Sowjetunion auch kein Entgelt vom VEB L. bezogen, sondern lediglich Unterstützungsleistungen sowie Belohnungen für sehr gute bzw. gute Leistungen erhalten (vgl. III. des Studienförderungsvertrages). Im Sozialversicherungsausweis ist für die Zeit des Studiums in der Sowjetunion überdies lediglich die pauschale Studentenversicherung eingetragen. Es sind jedoch keine Beiträge ausgewiesen, die von dem VEB L. zur Sozialversicherung abgeführt worden sind. Erst nachdem der Ehemann der Klägerin in diesen Betrieb eingetreten ist (ab 1. September 1987), finden sich Eintragungen zu einem beitragspflichtigen Verdienst. Diesen Eintragungen misst der Senat einen hohen Stellenwert bei, denn gemäß § 286c SGB VI beinhalten Eintragungen im Sozialversicherungsausweis eine Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit. Vor diesem Hintergrund ist es ohne Belang, wer den Ehemann der Klägerin zum Studium delegiert hat. Von einem Rumpfarbeitsverhältnis kann selbst dann keine Rede sein, wenn die Delegierung durch den VEB L. erfolgt wäre. Denn das Beschäftigungsverhältnis mit dem VEB L. begann erst nach der Rückkehr in das Beitrittsgebiet.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Zeitdauer des erfolgreich abgeschlossenen Direktstudiums als Leuna-Betriebszugehörigkeit anerkannt wurde. Denn aus dem Schreiben der Abteilung Kader der Direktion für Kader und Bildung vom 2. Mai 1990 ergibt sich, dass dies auf einer lediglich kombinatsinternen Festlegung beruhte, die auch nur für Betriebsjubiläumsehrungen und Werkszuwendungen für Rentner galt. Soweit gesetzliche Regelungen zu beachten waren, war der Beginn der Arbeitstätigkeit beim VEB L. maßgeblich. Das ergibt sich nicht zuletzt ebenfalls aus dem genannten Schreiben vom 2. Mai 1990. Dort ist nämlich ausgeführt, dass als Berechnungsgrundlage für die Zusatzrente und für den Urlaubsanspruch weiterhin der 1. September 1987 (Beginn der Beschäftigung im VEB L. als Stichtag bestehen bleibe, weil hierfür gesetzliche Vorgaben zu beachten seien, denen das Kombinat Rechnung tragen müsse und nicht in seiner Entscheidungskompetenz lägen.

Weiterhin liegt keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 GG vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Danach ist der Gesetzgeber gehalten, wesentlich Gleiches nicht aus sachfremden Erwägungen ungleich und wesentlich Ungleiches dementsprechend nicht gleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 –, Rdnr. 10, juris). Die von der Klägerin genannten Vergleichsgruppen Studentenehepaare in der Bundesrepublik Deutschland bzw. Spätaussiedler mit Ansprüchen nach dem FRG sind in Bezug auf die Klägerin nicht wesentlich gleich. Die wesentlichen Unterschiede bestehen darin, dass sich die Mitglieder der ersten Gruppe während der Erziehung im Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit im Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben und die Angehörigen der zweiten Gruppe einen besonderen Status inne haben. Dieser besondere Status beruht auf dem Entschluss des bundesdeutschen Gesetzgebers, diesen Personenkreis in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern. Wenn der Gesetzgeber sich entschließt, die in den Herkunftsländern zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten sowie auch die dortigen Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten (§ 28b FRG) wie Zeiten zu behandeln, die die Berechtigten im System der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben, so ist dies ein Akt besonderer staatlicher Fürsorge. Der Gesetzgeber verfolgt damit das legitime Ziel, insbesondere Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler, die in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln, soweit als möglich mit Hilfe auch der Sozialversicherung zu integrieren, ohne zu dieser Lösung verfassungsrechtlich verpflichtet zu sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00 u. a. –, Rdnr. 81, juris).

Es liegt auch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 3 GG wegen einer Benachteiligung oder Bevorzugung wegen der Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat oder Herkunft vor. Das wird daran deutlich, dass die in § 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI angelegte Inlandsintegration nicht an die Abstammung oder Herkunft anknüpft, was sich schon daran zeigt, dass auch der Ehemann der Klägerin im umstrittenen Zeitraum keine Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten angerechnet bekommen könnte. Im Übrigen besitzt die Klägerin aufgrund ihrer 1997 erfolgten Einbürgerung mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft, ohne dass dies Auswirkungen auf die Anrechenbarkeit von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen, weil er die Grenzen der sinngemäßen Anwendung von § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI aufgrund verfassungskonformer Auslegung (BSG, Urteil vom 29. September 1998 – B 4 RA 9/98 R –, juris) für klärungsbedürftig hält.
Rechtskraft
Aus
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