L 13 AL 3438/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 1183/10 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3438/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1) Eine erstmalige Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gem. § 2 AÜG kann in der Regel nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erstritten werden, da ansonsten die Hauptsache vollständig vorweggenommen würde.

2) Eine Verpflichtung zur ""vorläufigen"" Erteilung der Erlaubnis scheidet jedenfalls dann aus, wenn berechtigte Zweifel an der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG erforderlichen Zuverlässigkeit bestehen; denn die Beweiserleichterung zugunsten der Erlaubnisbehörde gilt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in verstärktem Maße.

3) Der Streitwert für das gem. § 197a SGG gerichtskostenpflichtige Verfahren ist hier mangels hinreichender Anhaltspunkte in Höhe des Auffangwertes des § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen. Auch eine Reduzierung des Auffangwertes ist nicht deshalb angezeigt, weil es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, da eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt worden war.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes für beide Rechtszüge.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, gerichtet auf Erteilung einer Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung auf ein Jahr, hat sich nach Einlegung der Beschwerde durch übereinstimmende Erledigungserklärung (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens s. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 158 VwGO Rdnr. 5 m.w.N.) erledigt, so dass gem. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO das Gericht über die Kosten durch Beschluss nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden hat. Hiernach ist eine Kostentragung der Antragstellerin gerechtfertigt, da ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben war.

Die Antragstellerin hatte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Anspruch auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine -erstmalige- Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung für ein Jahr zu erteilen. Eine solche erstrebte Anordnung würde die Hauptsache vollständig vorwegnehmen, da gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 AÜG die Erlaubnis auf ein Jahr zu befristen ist. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darf aber grundsätzlich ein Klageverfahren nicht vorwegnehmen (Lüdtke, Kommentar zum SGG, 3. Auflage, § 86b SGG Rdnr. 46 m.w.N.). Dies gilt insbesondere, wenn erstmals eine Erlaubnis als rechtsgestaltender Verwaltungsakt erstrebt wird (Ulber, Kommentar zum SGG, 3. Auflage, Art. 2 [Änderung des SGG] Rdnr. 2; Schüren/Hamann, Kommentar zum AÜG, 4. Auflage, § 2 AÜG Rdnr. 127 m.w.N.; LSG Hamburg, Breith 1992,164), zumal diese kaum noch und wenn, dann nur für die Zukunft aufgehoben werden kann (Schüren/Hamann, a.a.O., § 4 AÜG Rdnr. 2; § 5 AÜG). Eine Ausnahme von dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache (Lüdtke, a.a.O., Rdnr. 47 m.w.N.) ist hier jedenfalls nicht zu machen. Denn ein Anordnungsanspruch auf Erteilung einer solchen Erlaubnis war sogar unwahrscheinlich und daher nicht glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Gem. § 3 Abs. 1 AÜG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller -im Falle einer juristischen Person die vertretungsberechtigten Organe (Schüren/Hamann, a.a.O. § 3 Rdnr. 68)- die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Hiernach gilt zugunsten der Behörde eine Beweiserleichterung, als sie -in einem Klageverfahren- nicht das Vorliegen des Versagungsgrundes selbst beweisen muss, sondern nur die Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen (Vermutungswirkung; Schüren/Hamann, a.a.O., § 3 AÜG Rdnr. 44). Dies gilt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in größerem Maße, zumal die Antragsgegnerin ihre Ermittlungen, die sie nach Art und Umfang bestimmt und von Amts wegen durchführt (§ 24 Abs.1 VwVfG; zu dessen Anwendbarkeit s. Ulber, a.a.O. § 2 AÜG Rdnr. 4 ff.), gerade zur Frage der Zuverlässigkeit noch nicht abgeschlossen hatte. Denn dann kann nicht darauf abgestellt werden, ob abgeschlossene Ermittlungen ausreichend Tatsachen ergeben haben, die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Es reicht dann aus, wenn während des Verfahrens berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit hervortreten. Solche Zweifel traten hier in großem Maße auf. Diese ergeben sich bereits aus dem Hinweis des Finanzamtes K., dass es sich nach bisheriger Erkenntnis (auch) bei dem Geschäftsführer H. um einen Strohmann des F. W. handelt. Denn es ist nicht die Zuverlässigkeit eines Strohmannes Prüfungsgegenstand des Erlaubnisverfahrens, worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Dieser Hinweis des Finanzamtes wird auch dadurch gestützt, dass Herr W. vielfach das Verfahren mit der Antragsgegnerin betrieben hat, und dies auch, nachdem Herr H. am 21. Juli 2009 zum Geschäftsführer bestellt worden ist, so dass auch dieser -in der Schweiz wohnhaft- nur Strohmann des Herrn W. sein kann. Die Begründung in der Beschwerdeschrift, der Geschäftsführer H. könne sich nicht um die Erlaubnis kümmern, da ihm die Rechtskenntnisse fehlten, der Jurist W. sei nur einer von mehreren Verwaltungsräten der V. Consulting AG und nicht Gesellschafter oder wirtschaftlicher Inhaber oder Betreiber der Antragstellerin, überzeugt nicht, da es Herrn H. sogar möglich war, die Gerichtsverfahren selbst zu betreiben, die auf eine Erteilung gerade dieser Erlaubnis gerichtet waren. Dass auch Herr H. nur Strohmann sein kann, wird bestätigt von der Stellungnahme der die Gerichtskosten des Sozialgerichts eintreibenden Gerichtsvollzieherin vom 1. Juni 2010, nach der sich die Geschäftsräume der Antragstellerin nicht hier befinden und der allein vorhandene Briefkasten von Herrn W. geleert wird, der "in der V. AG ist", die hier ebenfalls einen Briefkasten hat -wie die "Tochterfirmen A."- die -wie sie aus früheren Verfahren weiß- auf ihre Schreiben nicht reagiert und nie gezahlt hat. Aus dieser Stellungnahme werden jedenfalls Zweifel an der Zuverlässigkeit dessen deutlich, der die Geschäfte für das Unternehmen wirklich führt. Dass kein Organ der Antragstellerin die Gerichtskosten bezahlt, die die Antragstellerin wegen eines selbst eingeleiteten Verfahrens schuldet, mit dem sie gerade die Zuverlässigkeit ihres Organs geltend machen will, spricht weiterhin wesentlich gegen deren Zuverlässigkeit. Die Weigerung, den Gesellschaftsvertrag vorzulegen -dessen Anforderung durch die Antragsgegnerin erscheint in Anbetracht des Hinweises des Finanzamtes von der Amtsermittlungspflicht gedeckt (s.o.; zur Mitwirkungspflicht s. Ulber, a.a.O., § 2 AÜG Rdnr. 3,7)- rechtfertigt nach alledem auch den Verdacht, dass darin Regelungen enthalten sind, die der offiziellen Bestellung des Geschäftsführers widersprechen oder anderweitig einer Zuverlässigkeit abträglich sind. Schließlich hat die Antragsgegnerin zu Recht nachgehakt, weshalb noch unter dem 15. Dezember 2009 eine Übersicht des schweizerischen Steueramtes der Stadt F. über die Steuerpflicht des Herrn H. eine relativ hohe Differenz zwischen Soll und Haben für das Jahr 2009 ausweist, zumal Herr H. in einem ordentlichen Arbeitsverhältnis bei einer Bank in der Schweiz (Schreiben vom 10. November 2009, Blatt 61 der Verwaltungsakten) stehen soll und dadurch eine zeitnahe Abführung von Steuern gesichert sein dürfte. Schließlich ist auch nicht klar, ob diese Übersicht neben der Tätigkeit bei einer Bank auch die Geschäftsführertätigkeit für die A. Personal GmbH in K. (s. hierzu Schreiben vom 5. März 2010, Blatt 79 der Verwaltungsakten) umfasst. Die durch die übereinstimmende Erledigungserklärung obsolet gewordene Entscheidung des Sozialgerichts Konstanz hatte nach alledem zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Streitwert war gem. § 197a Abs. 1 SGG mangels hinreichender Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwertes nach der wirtschaftlichen Bedeutung gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5000 EUR festzusetzen, wobei eine Reduzierung des Auffangwertes nicht in Betracht kam. Zwar handelte es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Doch erstrebte der Antragsteller eine vollständige Vorwegnahme der Hauptsache, so dass eine Quotelung nicht angezeigt ist (s. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2009 unter B. 7.1). Der Senat macht von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch, dass der Streitwert für das Verfahren erster Instanz auf 5000 EUR abgeändert wird (s. hierzu BSG, Beschluss vom 19. September 2006, B 6 KA 30/06 B; Streitwertkatalog unter B. 12.1), da das Sozialgericht dies verkannt hat und eine einheitliche Streitwertfestsetzung angezeigt erscheint.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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