L 18 AS 1026/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 148 AS 39047/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1026/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 2010 aufgehoben. Den Klägern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet. Den – bedürftigen - Klägern ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Die – am 11. November 2009 eingegangene und damit zulässige – Klage auf Gewährung weiterer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iHv 143,06 EUR monatlich für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Zwar dürfte bei der im PKH-Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen sein, dass die Bruttokaltmiete der von den Klägern bewohnten Unterkunft im bezeichneten Zeitraum iHv 452,- EUR monatlich nicht angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ist (vgl. etwa den nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts – SG - Berlin abstrakt angemessenen Wert der Bruttokaltmiete für zwei Personen iHv 370,20 EUR - ARCHIV für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 1/2010 S 28 ff -). Ob sich aber ein Anspruch der Kläger auf die begehrten KdU-Leistungen auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ergibt, kann erst nach weiteren Sachermittlungen zweifelsfrei festgestellt werden, die das SG noch anzustellen haben wird. Der Klage kann daher eine ausreichende Erfolgsaussicht nicht von vornherein abgesprochen werden.

Ein Anspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auf Zahlung von KdU oberhalb der Angemessenheitsgrenze könnte sich zum Einen schon daraus ergeben, dass der Beklagte in der Kostensenkungsaufforderung vom 19. Januar 2009 falsche oder irreführende Angaben gemacht hat und dies möglicherweise ursächlich dafür gewesen war, dass des den Klägern unmöglich war, die unangemessen hohen Kosten durch geeignete Maßnahmen, z.B. einen Umzug, zu senken (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Bei dem Schreiben des Beklagten handelt es sich um ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion und nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. schon BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 7). Der Grundsicherungsträger ist dabei nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihm als angemessen anzusehenden Mietpreises hinaus den Leistungsempfänger "an die Hand zu nehmen" und im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise die KdU gesenkt werden können bzw. welche anderen Wohnungen er konkret anmieten kann (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 70/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 8; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen KdU (= 448,40 EUR Bruttowarmmiete) sind die Kläger zwar hinreichend über die Gesamtmiete informiert worden. Allerdings hat es der Beklagte verabsäumt, die aus seiner Sicht angemessene Bruttokaltmiete zu benennen und ggf. ein getrenntes Kostensenkungsverfahren für die Heizkosten anzustrengen. Die Angemessenheit der beiden Kostenarten ist aber unabhängig voneinander zu beurteilen. Das gilt auch für das Kostensenkungsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 29). Hier ist dies von besonderem Interesse, weil die monatliche Heizkostenvorauszahlung der Kläger ab 1. März 2009 sich von 50.- EUR um 130,- EUR auf 180,- EUR erhöht hat und darauf ein großer Teil der Erhöhung der Gesamtmiete beruht.

Selbst wenn die Kostensenkungsaufforderung aber noch als ausreichend anzusehen wäre bzw. die Kläger ihre Obliegenheit zur Senkung der KdU anderweitig gekannt hätten, ist im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II weiterhin zu prüfen, ob Kostensenkungsmaßnahmen im streitigen Zeitraum den Klägern möglich und subjektiv zumutbar waren. Insbesondere bedarf es auch – bislang vom SG nicht getroffener - Feststellungen dazu, ob eine konkrete Unterkunftsalternative mit angemessenen KdU im Vergleichsraum zur Verfügung stand. Die objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative wird zwar nur in Ausnahmefällen zu begründen sein (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Gleichwohl enthebt dies das Tatsachengericht nicht der Verpflichtung, entsprechende Ermittlungen anzustellen.

Eine Kostenentscheidung hat im PKH-Beschwerdeverfahren nicht zu ergehen (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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