L 18 AS 1632/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 20 AS 2153/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1632/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag, die Richter M, W und Dr. Sch wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu er- statten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerde- verfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Da der Befangenheitsantrag gegen die im Tenor bezeichneten Richter bereits unzulässig ist und entsprechend zu verwerfen war, konnte der Senat in ordnungsgemäßer Besetzung unter Beteiligung der abgelehnten Richter M und W über diesen Antrag entscheiden. Der Ablehnungsantrag gegen den Richter Dr. Sch war mangels Rechtsschutzinteresse schon deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil dieser Richter zur Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers und dessen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren nach dem Geschäftverteilungsplan des Landessozialgerichts nicht berufen ist.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der objektiv geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Das Ablehnungsgesuch ist hingegen kein zulässiges Mittel, um sich - wie vorliegend - (nur) gegen für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines oder mehrerer Richter zu wehren. Aus der im Rahmen einer früheren richterlichen Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung allein kann nämlich grundsätzlich kein Ablehnungsgrund hergeleitet werden, es sei denn, es läge eine willkürliche Entscheidung vor (vgl. BFH, Beschluss vom 16. Januar 2007 – VII S 23/06 (PKH) – juris; BFH, Beschluss vom 4. Mai 2006 – VI S 5/06 – juris). Der Kläger hat sein Ablehnungsgesuch lediglich mit – von ihm nicht geteilten - Rechtsausführungen des Senats in dem von ihm zitierten Entscheidungen begründet. Ein Befangenheitsantrag ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn er – wie hier – alleine dazu dienen soll, den Beteiligten vor einer ihm nicht genehmen Rechtsauffassung eines Gerichts zu schützen (vgl. BFH aaO).

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Frankfurt (Oder) vom 25. August 2010, mit der er bei verständiger Würdigung (vgl § 123 SGG) sein erstinstanzliches Antragsbegehren weiter verfolgt, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihm die in der Antragsschrift bezeichneten Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Januar 2011 zu erstatten, ist nicht begründet. Es fehlt, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, bereits an einem Anordnungsgrund iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Es ist nach wie vor weder eine Wohnungs- noch gar Obdachlosigkeit des Antragstellers zu besorgen, der die im Rubrum bezeichnete Unterkunft – ungekündigt – weiterhin bewohnt. Ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist für den Antragsteller jedenfalls derzeit nicht mit unzumutbaren, nicht rückgängig zu machenden Nachteilen verbunden. Der Antragsteller verkennt, dass er auch bei einem Mietvertrag mit seinem Sohn, der der Nutzung der im Rubrum bezeichneten Unterkunft zugrunde liegt, ein – ggf. einklagbares – Nutzungsrecht an der Wohnung hat, das nicht im Belieben des Vermieters ("Nutzungsgebers") steht. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss wird im Übrigen Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ("Schriftsatzkosten") für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussicht abzulehnen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung). Im Übrigen gilt auch insoweit, dass der Antragsteller die Kosten des Rechtsstreits insoweit nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen selbst aufbringen kann (§ 114 ZPO). Den Antrag auf Bewilligung von PKH hat der Antragsteller nach dem Inhalt seiner Beschwerdeschrift vom 29. August 2010 nur deshalb gestellt, um seine "Schriftsatzkosten" erstattet zu bekommen. Da das Verfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) gemäß § 183 Satz 1 SGG für den Antragsteller gerichtskostenfrei ist, kommt die Bewilligung von PKH in den Verfahren ohne Anwaltszwang (§ 73 Absatz 1 SGG) aber nur bei Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts oder bei besonderen Kosten (zB Kosten für die Beweisbeschaffung, Reisekosten, Kosten für Begleitpersonen) in Betracht. Denn nur dann fallen wegen der beabsichtigten Rechtsverfolgung bei dem Beteiligten Kosten (zB die Gebühren und Kosten des Prozessbevollmächtigten) an, die dann durch die PKH abgedeckt werden können (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2009 – L 19 AS 329/09 B PKH -; Sächsisches LSG, Beschluss vom 16. März 2009 - L 7 AS 63/09 B ER – juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. Mai 2004 – 12 CE 04.463 - juris). Liegen – wie hier - weder eine Bevollmächtigung noch ein Antrag nach § 73a Absatz 1 Satz 2 SGG vor, besteht für den Beteiligten grundsätzlich kein - über die allgemeine Lebensführung hinausgehendes - Kostenrisiko, welches Gegenstand einer PKH-Bewilligung sein könnte. Denn nach § 122 Abs. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung von PKH (nur) Rechtsfolgen für die entstehenden Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten und die Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte. Unter die mit der Rechtsverfolgung verbundenen Kosten im prozesskostenhilfe¬rechtlichen Sinne fallen somit nicht die so genannten Allgemeinkosten wegen eigener Aufwendungen wie Porto, Telefon und Schreibauslagen (vgl LSG Berlin-Brandenburg aaO, Sächsisches LSG aaO; Hessischer VGH, Beschluss vom 19. November 1993 - 9 TP 2075/983 - juris; Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage, S. 255, Rn. 621).

Das hier gefundene Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zwecke der Bewilligung von PKH und verletzt nicht den Anspruch des Antragstellers auf Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG (dazu BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2009 - 1 BvR 1517/08 - juris). Art. 3 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06 = NJW 2009, 209). Der Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit ist nicht verletzt, weil der Antragsteller gerade in freier Willensbestimmung von der Einschaltung eines Rechtsanwalts absehen will. Auch wird nach § 115 Abs. 3 ZPO PKH nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen. Der Gesetzgeber mutet in diesen Fällen der Partei zu, sich die fehlenden erforderlichen Mittel anderweitig zu beschaffen; außerdem stünde der mit dem Bewilligungsverfahren verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zu dem geringem Nutzen (vgl Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 116 Rn. 24). Dem Antragsteller ist somit zuzumuten, die Allgemeinkosten der Prozessführung aus dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (Arbeitslosengeld II) selbst aufzubringen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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