L 12 AS 821/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 4681/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 821/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Befangenheitsgesuche gegen VRLSG S., RLSG B., RSG v. B. und RLSG W. werden als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

In der Sache wendet sich der Beschwerdeführer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Wegfall des Arbeitslosengelds II (Alg II) für drei Monate wegen einer Sanktion.

Der 1982 geborene Beschwerdeführer ist Diplomdesigner (FH) im Fachbereich Design/Industrie. Er schloss am 29. April 2010 mit der Beschwerdegegnerin eine Eingliederungsvereinbarung, in der er sich verpflichtete, während der Gültigkeitszeit dieser Eingliederungsvereinbarung (1. Mai bis 31. Oktober 2010) für jeden Kalendermonat jeweils mindestens vier Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und hierüber schriftliche Nachweise jeweils bis zum 5. des Folgemonats vorzulegen.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2010 bewilligte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2010 in Höhe von 359 EUR monatlich. Kosten für Unterkunft und Heizung fallen beim Beschwerdeführer, der bei seiner Mutter wohnt, nicht an.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2010 senkte die Beschwerdegegnerin die Regelleistung für die Monate August bis Oktober 2010 um 30 v.H. ab, weil der Beschwerdeführer für Mai 2010 ohne wichtigen Grund keine Nachweise über die geforderten Eigenbemühungen eingereicht habe. Ein deswegen beim Sozialgerichts Karlsruhe (SG) gestellter Eilantrag blieb ohne Erfolg (S 15 AS 2970/10 ER).

Mit Bescheid vom 19. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2010 senkte die Beschwerdegegnerin die Regelleistung für die Monate September bis November 2010 wegen fehlender Eigenbemühungen für Juni 2010 um 60 v.H. ab. Ein Eilantrag blieb ebenfalls erfolglos (S 15 AS 3727/10), ein Klageverfahren ist anhängig (S 15 AS 3628/10).

Mit Bescheid vom 16. September 2010 stellte die Beschwerdegegnerin fest, dass das Alg II wegen wiederholter Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers für die Monate Oktober bis Dezember 2010 vollständig entfalle. Der Beschwerdeführer habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zum Nachweis von Eigenbemühungen für Juli 2010 nicht erfüllt. Zugleich wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er auf Antrag in "angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen" erhalten könne.

Ein deswegen gestellter Eilantrag blieb erfolglos (S 15 AS 3912/10 ER; Senatsbeschluss i.S. L 12 AS 820/11 ER-B).

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2010 hat die Beschwerdegegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. September 2010 zurückgewiesen. Bei den vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Bewerbungen auf Stellen im "höheren Verwaltungsdienst" handele es sich nicht um Bewerbungen, die eine erfolgreiche Integration versprächen bzw. eine Chance auf Einstellung böten.

Hiergegen richtet sich der am 9. November 2010 gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Ein Klageverfahren ist diesbezüglich ebenfalls anhängig (S 15 AS 4680/10).

Mit Beschluss vom 21. Februar 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Das als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Auszahlung der Leistungen im Sanktionszeitraum und Versicherung in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu verstehende Begehren sei nicht begründet. Über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung entscheide das Gericht nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung. Je größer die Erfolgschancen in der Hauptsache seien, umso geringere Anforderungen seien an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Sei die Klage aussichtslos, werde die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, seien die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibe eine allgemeine Interessenabwägung. Nach summarischer Prüfung sei die Absenkung nicht zu beanstanden. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II werde das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigere, eine in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflicht zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Dies gelte nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweise (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach Abs. 1 werde das Alg II um 60 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung gemindert. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 werde das Alg II um 100 v.H. gemindert. Eine wiederholte Pflichtverletzung liege nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliege (§ 31 Abs. 3 Satz 1, 4 SGB II). Die Sanktionsvoraussetzungen habe die Beschwerdegegnerin zu Recht bejaht. Der Beschwerdeführer habe die in der Eingliederungsvereinbarung vom 29. April 2010 zulässigerweise und ausreichend klar vereinbarte Pflicht zum Nachweis von mindestens vier Eigenbemühungen pro Monat trotz ausreichender Rechtsfolgenbelehrung wiederholt nicht erfüllt. Auch Beginn, Dauer und Höhe der Absenkung seinen nicht zu beanstanden. Die Beschwerdegegnerin sei daher zur rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Sanktionszeitraum nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) berechtigt gewesen, weil der Beschwerdeführer nicht davon habe ausgehen dürfen, mit Bewerbungen auf noch besetzte Stellen bzw. auf Stellen, deren Voraussetzungen er offensichtlich nicht erfülle, seinen Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung zu genügen. Aus den genannten Gründen sei auch die begehrte Regelungsanordnung nicht zu erlassen, weil der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht bestehe.

Hiergegen richtet sich die am 28. Februar 2011 eingelegte Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer geltend macht, die behauptete Sinnlosigkeit seiner Bewerbungen sei nicht gerechtfertigt. Zugleich hat er VRLSG Straub, RLSG Bolay, RSG von Berg und RLSG Waldeis wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.

II.

Die Befangenheitsgesuche des Beschwerdeführers sind unzulässig. Für ein Ablehnungsgesuch fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der abgelehnte Richter für das Verfahren nicht oder nicht mehr zuständig ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 60 Rdnr. 10b m.w.N.). Keiner der hier abgelehnten Richter gehört dem zur Entscheidung berufenen 12. Senat an, eine Zuständigkeit der abgelehnten Richter ist damit nicht gegeben. Die unzulässigen Ablehnungsgesuche sind daher zu verwerfen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend und ausführlich dargestellt und mit überzeugender Begründung dargelegt, warum der gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz keinen Erfolg haben kann. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Sanktionsbescheid auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig ist, weil die Beschwerdegegnerin im Absenkungsbescheid nicht zugleich eine Regelung über die Bewilligung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II getroffen hat (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2009 - L 5 AS 287/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. November 2009 - L 5 AS 365/09 B ER - und vom 10. Dezember 2009 - L 9 B 51/09 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. Oktober 2010 - L 29 AS 1420/10 B ER - und vom 6. Dezember 2010 - L 29 AS 1852/10 B ER - (alle juris)). Die als Ermessensleistung ausgestaltete Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II erfordert eine Einzelfallbetrachtung, welche indes nur möglich ist, wenn der konkrete Sachverhalt bei Anlaufen der Sanktion offenbar wird. Insoweit ist nicht zwangsläufig eine Erbringung ergänzender Leistungen erforderlich, sondern es ist durchaus möglich - wie dies im Übrigen auch hier nahe liegt - dass ein Hilfebedürftiger seinen Bedarf im Sanktionszeitraum auf andere Weise decken kann, etwa durch Unterstützungsleistungen von Verwandten. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen ist dem Gesetzeszweck des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II ausreichend Rechnung getragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Hilfebedürftige entweder nicht im Stande ist, seine bedrohliche Lage zu erfassen und/oder nicht in der Lage ist, aus der erkannten Situation die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, also etwa Lebensmittelgutscheine zu beantragen. In einem solchen Fall gebietet es auch die staatliche Schutzpflicht hinsichtlich der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Würde des Menschen nicht, den Grundsicherungsträger zu verpflichten, mit der Sanktionsentscheidung auch ohne einen entsprechenden Antrag des Hilfebedürftigen oder wenigstens einen Hinweis, dass entsprechende Sachleistungen überhaupt begehrt werden, stets zeitgleich darüber zu entscheiden, ob ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2009 - L 5 AS 287/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. November 2009 - L 5 AS 365/09 B ER - und vom 10. Dezember 2009 - L 9 B 51/09 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. Oktober 2010 - L 29 AS 1420/10 B ER - und vom 6. Dezember 2010 - L 29 AS 1852/10 B ER -; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - L 10 B 2154/08 AS ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. September 2009 - L 7 B 211/09 AS ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. April 2010 - L 13 AS 100/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Januar 2011 - L 2 AS 428/10 B ER - (alle juris)).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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