Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 4731/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4341/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2010 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger vorläufig ab sofort, jedoch längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die zelluläre Immuntherapie, bestehend aus einer Therapie mit dendritischen Zellen und kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, einer kombinierten Hyperthermie (aktiv und passiv) und einer Therapie mit onkolytischen Viren bei Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren T. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erneuten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beklagte zu verpflichten, ihm die zelluläre Immuntherapie bei Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren T. vorläufig als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Der 1958 geborene Kläger, der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bezieht, ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner. Im Juli 2008 wurde ein mäßiggradig differenziertes intrahepatitisches cholangiozelluläres Karzinom Segment II, III, IV, V, pT3 (bifokal ) 5 cm), pN0, PM0, G2, L0, V0, R0 lokal diagnostiziert. Es erfolgte im August 2008 eine erweiterte Hemihepatektomie rechts mit Hepaticojejunostomie (Entfernung von 70 v.H. der Leber). Postoperativ traten ein septischer Schock bei Dünndarmileus, Dünndarmischämie sowie Biliom bei Galleleckage und Oberbauchperitonitis mit Leberinsuffizienz, was eine operative Revision erforderte, ein akutes Nierenversagen, eine Thrombose sowie eine Lungenembolie auf (Bericht des Oberarztes Privatdozent Dr. N. , Universitätsklinikum T. , vom 17. November 2008). Im Februar 2009 wurden multiple, neu aufgetretene Metastasen der Restleber diagnostiziert und die Indikation zu einer palliativen Chemotherapie gestellt (Bericht des Assistenzarztes Dr. B. , Universitätsklinikum T. , vom 12. Februar 2009). Nach Vorstellung und Erörterung in der hepatobillären Konferenz empfahl auch Prof. Dr. B. , Universitätsklinikum H. eine Chemotherapie mittels Capecitabin oder Gemcitabin (Berichte vom 23. Februar und 15. April 2009).
Der Kläger lehnte eine Chemotherapie ab und begab sich in Behandlung einer Heilpraktikerin mit Spezialisierung auf Krebserkrankungen sowie des Dr. Bach, der eine "metronomische Chemotherapie" mit dem Arzneimittel Endoxan sowie in Verbindung mit Behandlungsmethoden der Homöopathie durchführte. Des Weiteren stellte er sich erstmals am 22. Juni 2009 bei dem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren T. vor und schloss mit diesem den Patientenvertrag vom 22. Juni 2009.
Arzt T. beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 16. Juli 2009 für den Kläger die Erstattung der Kosten einer Immuntherapie eines rezidivierenden cholangiozellulären Karzinoms mit dendritischen Zellen, kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, kombinierter Hyperthermie (aktiv und passiv) und onkolytischen Viren. Aufgrund des Krankheitsverlaufes gebe es keine kurative schulmedizinische Strategie mehr. Alle Standardtherapien seien ausgeschöpft. Ob es palliative Behandlungsmethoden gebe, sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Die Kriterien des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) seien erfüllt. Alle Bausteine seiner Immuntherapie hätten eine wissenschaftliche Anerkennung erreicht (Verweis auf dem Antrag beigefügte Unterlagen). Ärztin Dr. Probst, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern, vertrat in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 2009 die Auffassung, alle vertraglichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien nicht ausgeschöpft. Zur Verfügung stehe die Fortsetzung einer symptomatischen Tumortherapie über eine onkologische Praxis oder Ambulanz. Durch die Anwendung der beantragten Behandlung bestehe keine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Beklagte lehnte es unter Verweis auf diese Stellungnahme ab, die Kosten für die spezielle Immuntherapie bei Arzt T. zu tragen, da diese nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre (Bescheid vom 29. Juli 2009).
Der Kläger erhob Widerspruch. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 17. September 2009 (mit ergänzender Stellungnahme vom 2. Oktober 2009) beschrieb Diplom-Chemiker und Arzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin Dr. Bäzner, MDK Baden-Württemberg, die einzelnen Therapieformen der komplexen (Immun-)Therapie des Arztes T. und empfahl, Kosten für die beantragte Behandlung nicht zu übernehmen. Von einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei zwar auszugehen. Derzeit gebe es aber keine belastbaren Hinweise für eine Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit Hyperthermie oder andere hier beantragte außervertragliche Therapien bei vorliegender Indikation. Der Erlaubnisvorbehalt hinsichtlich der Hyperthermie-Behandlung gelte nur für den ambulanten, nicht aber für den stationären Bereich. Die Wirksamkeit und der Nutzen einer Therapie mit dendritischen Zellen sei unter Zugrundelegung der Kriterien der evidenzbasierten Medizin bisher nicht ausreichend durch Daten aus klinischen Studien belegt. Geeignete, in ihrer Wirksamkeit gesicherte Therapiekonzepte (Interventionelle Verfahren, Chemotherapie, Strahlentherapie) würden in Vertragseinrichtungen angeboten. Die hier im Rahmen privatärztlicher Behandlung gewählte experimentelle Therapie habe bisher keinen Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken erbracht. Arzt T. sei weder Internist noch Onkologe und verfüge nicht über den für die Durchführung von Krebsbehandlungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung notwendigen Facharztstandard. Die beantragte Leistung sei nicht unaufschiebbar gewesen.
Der Kläger, der wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten die Behandlung bei Arzt T. am 14. Oktober 2009 beendet hatte, legte die von Arzt T. veranlasste Stellungnahme des Immunologen Prof. Dr. Peters vom 18. November 2009 vor. Es sei von einem Erfolg der bisherigen Therapie, die voraussichtlich alleine nicht ausreiche, auszugehen. Die gewählte Therapiemaßnahme sei eine im Vergleich zur Chemotherapie nicht toxische sowie dem Stadium angemessene palliative Behandlungsform und entspreche der in den onkologischen Leitlinien geforderten Therapieorientierung an der Lebensqualität des Patienten und müsse als wissenschaftlich begründeter individueller Heilversuch gesehen werden. Unter Berücksichtigung der onkologischen Leitlinien existierten bis zum heutigen Zeitpunkt keine Standardtherapieverfahren, die die Prognose von cholangiozellulären Karzinomen hinsichtlich des Gesamtüberlebens wesentlich verbesserten.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2009). Zur Begründung verwies er auf das Gutachten des Dr. B. sowie die Empfehlungen der Universitätskliniken T. und H. zu einer Chemotherapie mittels Capecitabin oder Gemcitabin.
Der Kläger beantragte beim Sozialgericht Stuttgart (SG) am 21. Januar 2010 einstweiligen Rechtsschutz (S 16 KR 443/10 ER) und erhob am 22. Januar 2010 Klage (S 16 KR 474/10), die noch anhängig ist.
Auf den Antrag des Klägers vom 21. Januar 2010 verpflichtete das SG nach schriftlicher Vernehmung den Kläger behandelnder Ärzte (dazu sogleich) mit Beschluss vom 4. März 2010 die Beklagte, dem Kläger vorläufig ab sofort bis zum 30. Juni 2010, jedoch längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die Immuntherapie, bestehend aus einer Therapie mit dendritischen Zellen und kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, einer kombinierten Hyperthermie (aktiv und passiv) und einer Therapie mit onkolytischen Viren bei Arzt für Allgemeinmedizin T. als Sachleistung zu gewähren. Im Übrigen (für die Zeit ab 1. Juli 2010) lehnte das SG den Antrag ab. Da eine endgültige Entscheidung über den Anspruch des Klägers mangels hinreichender Klarheit über das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht möglich sei, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Bei dieser sei zu berücksichtigen, dass das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Klägers als eines der höchsten Grundrechte betroffen sei. Eine weitergehende Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als der Therapieumfang von ca. vier Monaten sei nicht erforderlich. Sollte eine Fortführung der Therapie über den 30. Juni 2010 hinaus erforderlich sein, könne eine Entscheidung über die Fortführung der Therapie erst nach Ablauf eines überwiegenden Teils der vorläufig zugesprochenen Behandlung anhand eines konkreten Therapieplanes und der Dokumentation der Behandlungsmaßnahmen und des Behandlungsverlaufes getroffen werden. Die allein von der Beklagten eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 31. März 2010 (L 11 KR 1199/10 ER-B) zurück. Es schloss sich im Ergebnis der Auffassung des SG an und führte ergänzend aus, es spreche einiges dafür, dass ein Seltenheitsfall vorliege. Aufgrund dieser Entscheidungen behandelte Arzt T. den Kläger in der Zeit vom 25. März bis 20. Mai 2010 mit aktiver Fiebertherapie, tumoradaptierten onkolytischen Viren, Tiefen-Hyperthermie und mit dendritischen Zellen.
Zur Begründung seiner Klage, mit der der Kläger sowohl die Erstattung bislang aufgewendeter Kosten als auch die Gewährung der zellulären Immuntherapie als Sachleistung begehrt, beschrieb der Kläger - wie bereits in der Begründung seines Widerspruchs - die einzelnen Bausteine der Therapie des Arztes T. , die zur Anwendung kommen, und führte weiter aus, zwar handle es sich bei der zellulären Immuntherapie um eine neue Behandlungsmethode nach § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), deren Teilelemente oder Varianten (aktiv-spezifische Immuntherapie mit autologer Tumorzellvakzine und Hyperthermie) bereits vom Gemeinsamen Bundesausschuss bzw. vom früheren Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden seien. Er habe dennoch aufgrund verfassungskonformer Auslegung unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005 sowie wegen des Vorliegens eines Seltenheitsfalles, weil er an einem äußerst seltenen Tumor leide, Anspruch auf die zelluläre Immuntherapie. Diese Behandlungsmethode verfolge das Ziel, die Krebserkrankung zu heilen, mithin kurative Ziele. Die Schulmedizin könne keine kurative Behandlung mehr zur Verfügung stellen. Die empfohlene Chemotherapie habe nur noch palliative Wirkung sowie generell Schwächen und verringere sogar die Überlebenszeit des Erkrankten. Außerdem dürfe Gemcitabin bei eingeschränkter Leberfunktion nicht angewendet werden. Die Wirksamkeit der zellulären Immuntherapie sei durch eine Reihe von Studien und klinischen Prüfungen neueren Datums, die Arzt T. bereits der Beklagten vorgelegt habe, belegt, die der damalige Bundesausschuss der Ärzte (heute Gemeinsamer Bundesausschuss) bei den bereits am 10. April 2000 erfolgten Beratungen hinsichtlich der Aufnahme der Therapiemethode in die damalige Anlage B (nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) in den damaligen Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien), heute Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), noch gar nicht habe berücksichtigen können. Alle vier Therapiebausteine, die bei ihm zur Anwendung kämen (aktive Hyperthermie = Fiebertherapie, lokoregionale Tiefenthermotherapie, Therapie mit onkolytischen Viren und Therapie mit dendritischen Zellen), begründeten eine Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Dies habe sich auch in seinem Krankheitsverlauf gezeigt. Nach Wiederaufnahme der zellulären Immuntherapie habe der Tumormarker von 411 U/ml (4. Februar 2010) auf 205 U/ml (27. April 2010) und 166 U/ml (5. Mai 2010) gesenkt werden können. Prof. Dr. C. , Radiologische Klinik des Universitätsklinikums T. , beurteile in dem (vorgelegten) Bericht vom 18. Juni 2010 die am 14. Juni 2010 durchgeführte Magnetresonanztomografie der Leber dahin, im kurzzeitigen Verlauf nach RECIST stable disease bei teilweise geringerer Größenregredienz der Läsionen sowie teilweise Zunahme der Nekrose der Tumormanifestation, welche als indirektes Zeichen eines Therapieansprechens bewertet werden könne, im Vergleich zur Voruntersuchung vom 5. November 2009 teils konstante, teils größenprogrediente Läsionen. Auch aufgrund der am 6. August 2010 durchgeführten weiteren Magnetresonanztomograhie der Leber komme Prof. Dr. C. in seinem (vorgelegten) Bericht vom 10. August 2010 zur Beurteilung einer geringeren Größenprogredienz (wenige Millimeter) mehrerer Referenzläsionen sowie keiner extrahepatitischen Manifestation.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Bescheide entgegen und vertrat die Auffassung, die Magnetresonanztomografie am 6. August 2010 weise eine Befundverschlechterung aus. Ferner legte sie das Gutachten der Ärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie Prof. Dr. H. und Dr. W. , MDK N. Kompetenz Centrum Onkologie, vom 29. März 2010 vor. Es ergäben sich weder medizinische noch sozialrechtliche Hinweise, dass der Einsatz der experimentellen Therapien durch Arzt T. beim Kläger als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden könne. Diese Behandlung sei - auch im Sinne der Patientenschutzrechte - ausschließlich auf kontrollierte klinische Prüfungen zu verweisen. Der Einsatz der vertraglich verfügbaren Therapieoptionen könne im Behandlungsfall abgewogen werden. Falls diese nicht (mehr) angezeigt seien, stünden vertragliche und vertragsärztliche palliative Therapiemaßnahmen, z.B. zur Schmerzlinderung, Besserung der Befindlichkeit, zur Verfügung.
Zu diesem von der Beklagten vorgelegten Gutachten wandte der Kläger ein, es berücksichtige nicht verschiedene wesentliche Studien zur Hyperthermie und zur Therapie mit onkolytischen Viren, den vom BVerfG vorausgesetzten Maßstab der Beurteilung (kein vollwissenschaftlicher Nachweis wie bei den Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses) sowie den konkreten Therapieerfolg und verwechsele die Begriffe "Wirkungsweise" und "Wirksamkeit" im Hinblick auf die Hyperthermie.
Das SG vernahm den Kläger behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen. Internist/Gastroenterologe Prof. Dr. R. , Chefarzt der Reha-Klinik O. , legte u.a. seinen Entlassungsbericht vom 29. Dezember 2009 über das vom 11. November bis 16. Dezember 2009 durchgeführte stationäre Heilverfahren vor und gab weiter an (Auskunft vom 5. Februar 2010), zur Weiterbehandlung stünden als allgemein anerkannte Therapiemaßnahmen Radiotherapie, systemische oder lokoregionäre Chemotherapie, Chemoembolisation, theoretisch gegebenenfalls auch totale Heptektomie mit Lebertransplantation zur Verfügung. Bekannt sei allerdings, dass der vorliegende Tumor in der Regel nur schlecht auf strahlen- oder chemotherapeutische Maßnahmen anspreche, so dass die derzeit zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Maßnahmen in ihrer Wirksamkeit als durchaus beschränkt anzusehen seien. Das Verfahren der zellulären Immuntherapie habe bis heute experimentellen Charakter innerhalb klinischer Studien oder werde außerhalb klinischer Studien nur als unkonventionelle Therapie (Alternativtherapie) angeboten. Gewisse Erfolge im Hinblick auf eine vorübergehende Eindämmung der Tumorerkrankung hätten sich bisher wohl beim fortgeschrittenen Nierenkarzinom und beim Melanom gezeigt, ohne dass jedoch von einem Durchbruch die Rede sein könne. Wissenschaftliche Studien, welche eine eventuelle spezielle signifikante Wirksamkeit des Therapieverfahrens beim cholangiozellulären Karzinom belegten, seien ihm nicht bekannt. Prof. Dr. B. (Auskunft vom 9. Februar 2010) gab an, die in den Arztbriefen vom 23. Februar und 15. April 2009 aufgeführten Behandlungsmaßnahmen entsprächen dem allgemeinen medizinischen Standard. Die zelluläre Immuntherapie sei nicht indiziert. Bei dieser Therapie sei ihm aufgrund seiner persönlichen Erfahrung und Kompetenz in Übereinstimmung mit der geltenden wissenschaftlichen nationalen und internationalen Literatur ein Heilungseffekt bei metastasierendem cholangiozellulärem Karzinom und Folgezustand nach erweiterter Hemihepatektomie rechts nicht bekannt, ebenso ein Nutzen dieser von Arzt T. durchgeführten Therapie. Arzt T. berichtete in seiner Auskunft vom 10. Februar 2010 über die vom 22. Juni bis 14. Oktober 2009 durchgeführte Behandlung und führte weiter aus, da die Diagnosestellung 20 Monate zurückliege, habe die gewählte Immuntherapie die mediane Überlebenszeit (Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Patienten noch am Leben bzw. verstorben sei) von 10 Monaten bereits verdoppelt, obwohl die wichtigsten Bausteine, nämlich die Therapie mit patienteneigenen dendritischen Zellen, die einmal monatlich verabreicht würden, und natürlichen Killerzellen, die ein einziges Mal im Zusammenhang mit der ersten dendritischen Zellvaccine verabreicht werde, noch gar nicht zum Einsatz gekommen sei. Der anfängliche Tumormarker Ca 19-9 habe von 195 bis nach Ende der Therapie auf 172 gesenkt werden können. Ausweislich der Magnetresonanztomografie (der Leber) habe das Tumorwachstum sofort verlangsamt und schließlich völlig gestoppt werden können. Nach Abbruch der Therapie habe eine explosionsartige Erhöhung (des Tumormarkers Ca 19-9) auf 396 (Stand: 19. Januar 2010) stattgefunden. Da von der Leber nur noch ein kleiner Rest übrig sei, so dass die Entgiftungskapazität hochgradig eingeschränkt sei, sei es ein Kunstfehler, im vorliegenden Fall eine Chemotherapie zu versuchen, da diese selbst bei einem Patienten mit vollständig erhaltener Leber nur marginale Gewinne zeige. Die medizinischen Risiken der zellulären Immuntherapie seien gering, jedenfalls geringer als bei der Chemotherapie. Privatdozent Dr. L. , Universitätsklinikum T. , berichtete in seiner Auskunft vom 12. Februar 2010 über die durchgeführten Behandlungen, insbesondere die Magnetresonanztomografie-Verlaufsuntersuchungen der Leber (8. Juli 2009: deutlicher Progress der Lebermetastasierung; 31. August 2009: bezüglich der Zahl der Läsionen unverändert, einige der Läsionen wiesen im kurzfristigen Verlauf tendenziell eine geringere Größenprogredienz auf; 7. Oktober 2009: im Vergleich zur Voruntersuchung weitgehend konstante Darstellung der disseminierten hepatischen Filialisierung; 6. November 2009: im kurzfristigen Verlauf unveränderte Darstellung der multiplen Lebermetastasen; 4. Februar 2010: im Verlauf überwiegend Progress der multiplen Lebermetastasen, kein Nachweis extrahepatischer Manifestationen im untersuchten Gebiet), und führte weiter aus, als allgemein anerkannt und medizinischer Standard gelte im Falle der Erkrankung des Klägers eine systemische Chemotherapie. Zu der zellulären Immuntherapie könne er keine Stellungnahme abgeben. Nach Durchsicht der aktuellen Datenlage in der Wissensdatenbank (PubMed) handele es sich bei der zellulären Immuntherapie um eine sich rasch in der Entwicklung befindliche Therapieform. Nach Datenlage der Wissensdatenbank existiere zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine evidenzbasierte klinische Studie zur Anwendung beim cholangiozellulären Karzinom. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. bezog sich in seiner Auskunft vom 24. Februar 2010 auf die ihm zugegangenen Befundberichte. Zu Nutzen und Wirkungsweise der Therapie könne keine Aussage gemacht werden. Das Universitätsklinikum T. legte die von ihm gefertigten Berichte über stationäre und ambulante Behandlungen vor.
Auf Veranlassung des SG erstattete Prof. Dr. Dr. B. , Chefarzt der Abteilung Innere Medizin II (Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Infektiologie) der Medizinischen Universitätsklinik des Universitätsklinikums F. , das Gutachten nach Aktenlage vom 6. Juli 2010. Zur Behandlung des cholangiozellulären Karzinoms in kurativer Absicht stünde nur eine Operation wie die durchgeführte Hemihepatektomie zur Verfügung. In ausgewählten Fällen werde auch eine Lebertransplantation durchgeführt, welche allerdings keine etablierte Therapie darstelle. Bei lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem cholangiozellulärem Karzinom bestehe eine palliative Situation mit mehreren individuellen Therapiemöglichkeiten mit dem Ziel der Symptomlinderung und der Lebensverlängerung. Bei dem Kläger sei eine systemische Chemotherapie mit Gemcitabin oder die Kombination von Gemcitabin mit einem platinhaltigen Präparat die einzige allgemein anerkannte, klinischem Stand entsprechende Therapieoption. Voraussetzung hierfür sei ein ausreichender Allgemeinzustand. Die so genannte zelluläre Immuntherapie nach dem Therapieplan des Arztes T. sei kein etabliertes Therapieverfahren und als Therapie beim cholangiozellulären Karzinom bisher nicht erprobt sowie Nutzen und Risiken der angewandten Therapiemaßnahmen seien nicht hinreichend bekannt. Die dendritische Zell-Vakzinierungstherapie werde vor allem bei Patienten mit malignem Melanom oder Nierenzellkarzinom in Pilotstudien, Fallstudien oder in klinischen Studien untersucht. Da die zelluläre Immuntherapie zum Teil eine experimentelle Behandlung sei, könne über die Risiken der Therapie keine sichere Aussage getroffen werden. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen seien bisher nicht berichtet worden. Wegen der experimentellen Therapie sei die erforderliche Fachkompetenz nicht eindeutig geklärt. Therapeutischer Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer alleinigen oder begleitenden Hyperthermie-Behandlung beim cholangiozellulären Karzinom seien nicht belegt. Seit 2005 seien keine relevanten Studien zur Hyperthermie beim cholangiozellulären Karzinom publiziert worden. Zur Virustherapie mit Newcastle-Desease-Viren existierten eine größere Phase I-Studie mit 79 Patienten, von denen lediglich ein Patient ein cholangiozelluläres Karzinom gehabt habe sowie Anwendungsbeobachtungen beim aggressiven Gehirntumor. Untersuchungen einer Virustherapie beim cholangiozellulären Karzinom existierten nicht. Zur Vakzinierungstherapie mit dendritischen Zellen existierten aktuell ebenfalls keine größeren, randomisierten Studien, die Wirksamkeit der Therapie hinsichtlich validierter klinischer Eckpunkte, wie Gesamtüberleben, belegten. Hinsichtlich der Therapie eines cholangiozellulären Karzinoms existierten keine Daten. Die Inzidenz des cholangiozellulären Karzinoms reiche weltweit von etwa einem Fall pro Jahr und 100.000 Einwohnern in den USA bis zu 7,3 in Israel. Bösartige Tumore der Gallenblase und der Gallenwege träten insgesamt bei Frauen häufiger als bei Männern auf. Jedes Jahr erkrankten in Deutschland etwa 2.000 Frauen und 4.000 Männer. Die Häufigkeit der Tumore nehme nach dem 60. Lebensjahr zu. Auch wenn das cholangiozelluläre Karzinom eine eher seltene Erkrankung sei, werde sie national und international systematisch erforscht. Es gebe mehrere Studien für die Evaluation der Therapie in der palliativen Situation. Die Behandlung des Klägers mit der zellulären Immuntherapie sei nicht evidenzbasiert und deshalb außerhalb einer klinischen Studie nicht indiziert.
Der Kläger rügte, der Sachverständige habe die eingetretenen Therapieerfolge nach Wiederaufnahme der Immuntherapie am 25. März 2010 nicht berücksichtigt, weil diese erst nach Absendung der Unterlagen an den Sachverständigen vorgetragen und belegt worden seien und er (der Kläger) vom Sachverständigen nicht untersucht worden sei. Mit der Studie, auf die der Sachverständige seine Therapieempfehlung stütze, setze er sich nicht kritisch auseinander, obwohl gegen diese Studie Einwände wegen des Studiendesigns sowie des Auftretens von schweren bis irreparablen Nebenwirkungen bei zwei Drittel der Probanden während der Studie bestünden. Dem Sachverständigen mangele es auch an der fachlichen Kompetenz, weil er nicht immunologisch tätig sei.
Zu dem Gutachten des Sachverständigen legte die Beklagte das weitere Gutachten des Dr. B. vom 25. August 2010 vor. Er stimmte dem Gutachten des Sachverständigen zu und führte weiter aus, den vorliegenden Unterlagen sei keinesfalls zu entnehmen, dass die derzeit laufende Therapie als wirksam bezeichnet werden könne.
Am 3. August 2010 beantragte der Kläger beim SG erneut, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig ab 30. Juni 2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Hauptsacheverfahrens die Immuntherapie bei Arzt T. als Sachleistung zu gewähren. Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Klageverfahren machte er geltend, die erfolgreich durchgeführte Behandlung müsse unbedingt fortgesetzt werden. Die für einen weiteren Behandlungszyklus anfallenden Kosten von ungefähr EUR 23.000,00 könne er nicht aufbringen.
Die Beklagte trat dem Antrag unter Bezugnahme auf ihren Widerspruchsbescheid sowie auf ihr Vorbringen im Klageverfahren entgegen.
Das SG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 25. August 2010 ab. Der Kläger werde auch bei einer abschließenden Prüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben. Nach Einholung des Gutachtens (des Prof. Dr. Dr. B. ) im Hauptsacheverfahren stelle sich dessen Ausgang nicht mehr als offen dar. Von den kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BVerfG (u.a. Beschluss vom 6. Dezember 2005) liege zwar mit dem cholangiozellulären Karzinom eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, wovon auch die Beklagte ausgehe, vor. Aufgrund der mittlerweile durchgeführten medizinischen Ermittlungen sei die Kammer jedoch der Überzeugung, dass für die Behandlung dieser Erkrankung mit der palliativ ausgerichteten Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Therapie zur Verfügung stehe. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. begründe nachvollziehbar und plausibel, dass die von Arzt T. angewandte zelluläre Immuntherapie zur Behandlung des cholangiozellulären Karzinoms nicht medizinisch indiziert sei. Es handle sich um kein etabliertes Therapieverfahren und sei als Therapie bei einem cholangiozellulären Karzinom bisher nicht erprobt worden. Aufgrund der Bewertung der zellulären Immuntherapie durch den Sachverständigen, die im Übrigen auch Prof. Dr. H. und Dr. B. teilten, könne realistischerweise von einem kurativen Anspruch nicht ausgegangen werden. Auch Prof. Dr. R. , Prof. Dr. B. und Privatdozent Dr. L. gingen von einer palliativen Situation aus, für die eine kurative Behandlung nicht zur Verfügung stehe. Für die Annahme eines kurativen Behandlungsziels genüge es nicht, dass Arzt T. meine, seiner Therapie komme heilende Wirkung zu. Vielmehr müsse wissenschaftlich plausibel belegt sein, dass die begehrte Therapie realistischerweise einen kurativen Ansatz verfolge. Prof. Dr. Dr. B. stelle überzeugend dar, dass eine operative Behandlung die einzige Therapiemöglichkeit mit Aussicht auf Heilung sei. Nach dem derzeitigen Forschungsstand bestehe bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem cholangiozellulären Karzinom eine palliative Situation. Der Sachverständige habe auch überzeugend begründet, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine Wirkung der zellulären Immuntherapie bei einem cholangiozellulären Karzinom gebe. Damit könne die Therapie auch keinen kurativen Anspruch erheben. Abweichend von Arzt T. gehe auch Prof. Dr. Peters in seiner Stellungnahme vom 18. November 2006 von einer palliativen Situation und Behandlung aus. Der palliative Charakter der begehrten Therapie spiegele sich darüber hinaus auch in den aktuellen radiologischen Befunden des Universitätsklinikums T. vom 10. August 2010 wider, in denen im Vergleich zu den Voruntersuchungen größenprogrediente Läsionen nachweisbar seien und sich auch eine kleine neue Läsion finde. Auch sei nicht ersichtlich, dass die regelmäßig erforderliche abstrakte und konkrete auf den Versicherten bezogene Kosten-Nutzen-Analyse unter Beobachtung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs positiv ausgefallen und hinreichend dokumentiert worden sei. Den von Arzt T. angeforderten Unterlagen könne ein Gespräch hierzu nicht entnommen werden. Ein so genannter Seltenheitsfall liege nicht vor. Nach dem Gutachten des Sachverständigen handle es sich bei einem cholangiozellulären Karzinom zwar um eine selten auftretende Erkrankung, jedoch werde diese Erkrankung national und international systematisch erforscht, so dass bei der Erkrankung des Klägers kein singulärer Krankheitsfall angenommen werden könne.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 25. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 13. September 2010 beim SG Beschwerde eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, insbesondere die gegen die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. und des Prof. Dr. H. erhobenen Einwände, die er auch vertieft, und verweist ferner darauf, die Behandlung habe bei ihm sehr gut angesprochen (Senkung des Tumormarkers, nahezu die 5-fache mediane Überlebenszeit erreicht, Absterben von Tumorgewebe). Nach Abbruch der streitigen Therapie am 12. August 2010 habe er nur noch die metronomische Chemotherapie erhalten. Die turnusmäßigen Magnetresonanztomografie-Untersuchungen hätten am 16. September 2010 eine (wenn auch nur geringe) Größenprogredienz der Läsionen, am 2. November 2010 einen leichten Größenprogress sowie einen deutlichen Progress mit neu aufgetretenen Metastasen in der Milz sowie am 24. Februar 2011 ein Fortschreiten der Leber- und Milzmetastasen sowie eine neue aufgetretene Milzmetastase und vermutlich Knochenmetastase im Brustwirbelkanal gezeigt (vorgelegte Berichte des Prof. Dr. C. vom 24. September 2010, 4. November 2010 und 28. Februar 2011). Der Tumormarker sei auf 2226 (3. Februar 2011) gestiegen (vorgelegter Bericht des Dr. Dr. L. 8./14. Februar 2011). Die Vorgehensweise von Arzt T. bei der Herstellung sowohl der onkolytischen Viren als auch der dendritischen Zellen stehe im Einklang mit den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG).
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Sozialgericht Stuttgart anhängigen Hauptsacheverfahrens S 16 KR 474/10, die zelluläre Immuntherapie, bestehend aus einer Therapie mit dendritischen Zellen und kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, einer kombinierten Hyperthermie (aktiv und passiv) und einer Therapie mit onkolytischen Viren bei Arzt für Allgemeinmedizin T. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Eine Entscheidung im Rahmen einer Folgenabwägung sei nunmehr nicht mehr zulässig, da im Hauptsacheverfahren ein gerichtliches Gutachten vorliege, welches im Ergebnis einen Erfolg der Klage ausschließe. Aus den ihr vorgelegten Rechnungen ergebe sich, dass eine externe Herstellung/Transport von Viren und Transport von dendritischen Zellen erfolgt sei. Ihrer Auffassung nach dürften Ärzte nach dem AMG nur die selbst hergestellten Viren oder dendritischen Zellen bei ihren Patienten anwenden und berechnen, wenn sie eine jeweilige Herstellungserlaubnis hätten.
Prof. Dr. Dr. B. ist in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 14. Oktober 2010, die er auf Veranlassung des SG abgegeben hat, bei seiner Auffassung geblieben, die von Arzt T. angewandte zelluläre Immuntherapie sei sowohl in ihren Einzelkomponenten als auch in ihrer Kombination bisher keine wirksame bzw. etablierte Therapie zur Behandlung eines cholangiozellulären Karzinoms. Dass es dem Kläger subjektiv gut gehe, sei eher der Biologie des Tumors anzurechnen als der von Arzt T. durchgeführten zellulären Immuntherapie. Dass in der Magnetresonanztomographie-Untersuchung vom 6. August 2010 alle Lebermetastasen größenprogredient seien und im Segment II der Leber sogar eine neue Läsion zur Darstellung komme, entspreche einem Therapieversagen. Nach Hemihepatektomie sei eine Chemotherapie möglich, da sich das Lebergewebe und damit auch die Leberfunktion auch nach großen Resektionen wie beim Kläger schnell erhole. Eine Studie beim malignen Melanom sei vorzeitig abgebrochen worden, da die Therapie mit dendritischen Zellen gegenüber der herkömmlichen Chemotherapie keinen Vorteil gezeigt habe. Zu betonen sei, dass verschiedene Tumorentitäten nicht einfach miteinander verglichen werden könnten und somit eine Übertragung von Studienergebnissen zulässig sei. Für das cholangiozelluläre Karzinom lägen keinerlei Informationen bezüglich der angewandten Therapiemethoden vor. In seiner Abteilung gebe es zahlreiche Forschungsprojekte mit entsprechenden Erfahrungen im Bereich der Immunologie, der Urologie und Onkologie. Der Kläger sei einer Einladung zur Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung nicht nachgekommen, was allerdings auch nicht zwingend erforderlich sei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass auch diese ergänzende gutachterliche Stellungnahme nicht ausreichend auf den Verlauf der Erkrankung und das Ansprechen der Therapie eingehe (lange Überlebenszeit, geringe Größenprogredienz). Die Behauptung zur Erholung der Leber sei nicht näher erläutert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens und der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig. Einer der Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das SG hat den (erneuten) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbunden sind, desto weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
1. Entgegen der Auffassung des SG besteht ein Anordnungsanspruch. Der Senat beurteilt den Ausgang des Hauptsacheverfahrens auch derzeit noch nicht als ersichtlich aussichtlos.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die ärztliche Behandlung umfasst nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V alle Tätigkeiten des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sind. Jedoch unterliegt der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung, für den ambulanten Bereich insoweit das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. dazu Bundessozialgericht - BSG - SozR 4-2500 § 27 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (ständige Rechtsprechung, BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8), wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte grundsätzlich gebunden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch LSG, Urteil vom 30. August 2006 - L 5 KR 281/06 - und ausführlich m.w.N. Urteil vom 31. Oktober 2007 - L 5 KR 2563/07 -, beide veröffentlicht in juris).
1.2. Bei der vom Kläger begehrten zellulären Immuntherapie zur Behandlung des cholangiozelluläres Karzinoms handelt es sich um eine neue (ambulante) Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine positive Empfehlung abgegeben hat. Die Hyperthermie als ambulante Behandlung ist sogar ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen (Anlage II Nr. 42 der Methoden-Richtlinie). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
1.3. Anhaltspunkte dafür, dass ein Systemversagen vorliegt, weil sich der Gemeinsame Bundesausschuss nicht mit der zellulären Immuntherapie beschäftigt hat, gibt es nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht und sind auch für den Senat nicht erkennbar. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2500 § 27 Nr. 8) kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden.
1.4. Ob eine erweiterte Leistungspflicht der Beklagten in Betracht zu ziehen ist, weil der Kläger an einer seltenen Krankheit im Sinne der Rechtsprechung des BSG leidet, erscheint fraglich. Eine solche ist eine Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. z.B. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 1). Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. bezeichnet in seinem Gutachten vom 6. Juli 2010 das cholangiozelluläre Karzinom zwar als eine eher seltene Erkrankung, weist aber auch darauf hin. dass diese Erkrankung national und international erforscht wird.
1.5. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes vermag der Senat allerdings noch nicht die Aussage zu treffen, dass die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG nicht in Betracht kommen. Trotz fehlender Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss kann eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, die beim Kläger vorliegt, bestehen. Dies ist der Fall, wenn für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, wenn für eine neue Behandlungsmethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (vgl. BVerfG SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach (z.B. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 12) setzt ein Anspruch voraus, dass bezüglich der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
1.5.1. Der Senat vermag derzeit nicht abschließend zu beurteilen, ob eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Eine potentielle kurative Therapie ist wohl nur noch in einer Lebertransplantation zu sehen, die allerdings von keinem der Ärzte, die sich im Laufe des bisherigen Verfahrens geäußert haben, ernsthaft in Erwägung gezogen worden ist. Zur Verfügung stehen damit allenfalls noch palliative Behandlungen. Als solche käme nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. sowie den Angaben des Prof. Dr. B. im Bericht vom 15. April 2009 und des Dr. B. im Bericht vom 12. Februar 2009 beim Kläger die Chemotherapie mittels Capecitabin oder Gemcitabin in Betracht. Prof. Dr. Dr. B. setzt in seinem Gutachten allerdings voraus, dass für diese Behandlung ein ausreichender Allgemeinzustand bestehe, und geht in seiner ergänzenden Stellungnahme davon aus, dass der Umstand, dass beim Kläger der Großteil der Leber entfernt worden ist, der Chemotherapie-Behandlung nicht entgegenstehe. Insoweit handelt es sich nur um generelle Aussagen. Dazu, ob die konkrete gesundheitliche Situation des Klägers die empfohlene Chemotherapie, ggfs. zu welchem Zeitpunkt, zulässt, enthalten das Gutachten und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen keine Ausführungen. Auch die von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. H. vom 29. März 2010 und des Dr. B. vom 25. August 2010 gehen nur allgemein auf die theoretisch bestehenden Behandlungsmöglichkeiten ein, ohne konkret beim Kläger vorliegende Befunde zu würdigen. Im Übrigen hat Prof. Dr. R. in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge vom 5. Februar 2010 angegeben, es sei bekannt, dass der Tumor eines cholangiozellulären Karzinoms in der Regel nur schlecht auf strahlentherapeutische und chemotherapeutische Maßnahmen anspreche.
1.5.2. Auch eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist nicht ausgeschlossen. Erforderlich ist insoweit nicht ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine alternative, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehörende Therapie bestimmte Erfolge erzielen kann. Es reichen, wie sich aus der Formulierung schon ergibt, "Indizien" aus. Die Maßstäbe für Entscheidungen, die auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin zu treffen sind, sind insoweit nicht heranzuziehen. Der Krankheitsverlauf lässt eine dieses Kriterium verneinende Aussage - jedenfalls derzeit - nicht zu. Der Kläger hat unter Vorlage entsprechender Befundberichte dargelegt, dass sich der Tumormarker CA 19-9 während der von Arzt T. durchgeführten Behandlung gesenkt (von 411 U/ml [4. Februar 2010], 205 U/ml [27. April 2010], 166 U/ml [5. Mai 2010]) und nach Abbruch der Behandlung im August 2010 wieder angestiegen ist. Ebenso zeigten die turnusmäßigen Magnetresonanztomographie-Untersuchungen der Leber zunächst keinen Fortschritt der Lebermetastasen oder Metastasen in anderen Körperregionen. Seine Behauptung in der ergänzenden Stellungnahme vom 14. Oktober 2010, dies sei eher der Biologie des Tumors anzurechnen als der von Arzt T. durchgeführten zellulären Immuntherapie, hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. nicht näher begründet. Auch zu den möglichen Ursachen der deutlichen Überschreitung der medianen Überlebenszeit äußert sich der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. weder in seinem Gutachten noch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme. Das gleiche gilt für die von der Beklagten im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahmen des Prof. Dr. H. vom 29. März 2010 und des Dr. B. vom 25. August 2010.
Allein mit der Begründung, die zelluläre Immuntherapie befinde sich noch im experimentellen Stadium und habe sich außerhalb klinischer Studien nicht etabliert, kann das Kriterium einer auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht verneint werden. Vielmehr ist es gerade Folge der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei lebensbedrohlicher oder regelmäßig tödlich verlaufender Krankheit, dass wissenschaftlich noch nicht anerkannte Behandlungsmethode gleichwohl von den gesetzlichen Krankenkassen zu erbringen sind. Maßgeblich ist deshalb, ob es bestimmte Indizien gibt, die der weiteren Erforschung und Prüfung der Behandlungsmethode bedürfen, um negative oder positive Aussagen zu der Behandlungsmethode machen zu können. Dies ist nicht auszuschließen. Dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. entnimmt der Senat, dass die dendritische Zell-Vakzinierungstherapie vor allem bei Patienten mit malignem Melanom oder Nierenzellkarzinom in Pilotstudien, Fallstudien oder in klinischen Studien untersucht wird. Hierauf haben auch bereits Dr. B. in seinem Gutachten vom 17. September 2009 und Prof. Dr. R. in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge vom 5. Februar 2010 hingewiesen. Des Weiteren hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. auch hinsichtlich anderer Krebserkrankungen auf verschiedene Studien zur Hyperthermie, Virustherapie und Vakzinierungstherapie mit dendritischen Zellen hingewiesen. Daraus ist zu folgern, dass es jedenfalls bestimmte Indizien gibt, die eine weitere Erforschung und Prüfung verschiedener Therapieansätze bei Krebserkrankungen erforderlich machen. Eine Aussage, dass jegliche auch palliative Auswirkung auf das Krankheitsgeschehen fehlt, erscheint jedenfalls derzeit nicht möglich.
Bei der dargestellten Sachlage kann der Senat jedenfalls derzeit auch nicht erkennen, dass mögliche Risiken der zellulären Immuntherapie deren voraussichtlichen Nutzen überwiegen oder in Zukunft überwiegen werden.
2. Ein Anordnungsgrund liegt vor.
Dem Kläger drohen erhebliche Gefahren für Leib und Leben. Er hat jedenfalls plausibel dargelegt, dass sich sein Gesundheitszustand in den letzten Monaten verschlechtert hat. Der Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und kann angesichts der anfallenden Kosten von sicher über EUR 10.000,00 nicht darauf verwiesen werden, die Behandlung zunächst auf eigene Kosten selbst durchzuführen und anschließend bei der Beklagten die Erstattung der Kosten nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend zu machen.
Diese Belange des Klägers gehen im Rahmen der Folgenabwägung den Belangen der Beklagten und auch denen der Versichertengemeinschaft vor, dass Leistungen, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung gehören, zu erbringen und die entsprechenden Kosten hierfür zu tragen sind. Dies ist zudem Folge der verfassungskonformen Auslegung der Bestimmungen des Leistungsrechts des SGB V, die dazu führen, dass ausnahmsweise eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
Unter Berücksichtigung dessen hält auch der erkennende Senat wie bereits der 11. Senat des LSG im Beschluss vom 31. März 2010 allein die Bedenken hinsichtlich des Facharztstandards von Arzt T. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für nicht durchgreifend. Das Gleiche gilt für die Frage, ob Arzt T. über erforderliche Genehmigungen nach dem AMG, bestimmte Leistungen erbringen zu dürfen, verfügt. Die (zwar auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich mögliche) Klärung führte zu einer Verzögerung der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz. Sie muss deshalb - falls es auf sie überhaupt ankommen sollte - im Klageverfahren erfolgen. Falls Arzt T. über erforderliche Genehmigungen nicht verfügen sollte, dürfte er möglicherweise bestimmte Leistungen nicht abrechnen. Diese könnte die Beklagte von der ihr vorgelegten Liquidation absetzen. Dies wäre dann aber weder Gegenstand des Klageverfahrens noch des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger vorläufig ab sofort, jedoch längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die zelluläre Immuntherapie, bestehend aus einer Therapie mit dendritischen Zellen und kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, einer kombinierten Hyperthermie (aktiv und passiv) und einer Therapie mit onkolytischen Viren bei Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren T. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erneuten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beklagte zu verpflichten, ihm die zelluläre Immuntherapie bei Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren T. vorläufig als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Der 1958 geborene Kläger, der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bezieht, ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner. Im Juli 2008 wurde ein mäßiggradig differenziertes intrahepatitisches cholangiozelluläres Karzinom Segment II, III, IV, V, pT3 (bifokal ) 5 cm), pN0, PM0, G2, L0, V0, R0 lokal diagnostiziert. Es erfolgte im August 2008 eine erweiterte Hemihepatektomie rechts mit Hepaticojejunostomie (Entfernung von 70 v.H. der Leber). Postoperativ traten ein septischer Schock bei Dünndarmileus, Dünndarmischämie sowie Biliom bei Galleleckage und Oberbauchperitonitis mit Leberinsuffizienz, was eine operative Revision erforderte, ein akutes Nierenversagen, eine Thrombose sowie eine Lungenembolie auf (Bericht des Oberarztes Privatdozent Dr. N. , Universitätsklinikum T. , vom 17. November 2008). Im Februar 2009 wurden multiple, neu aufgetretene Metastasen der Restleber diagnostiziert und die Indikation zu einer palliativen Chemotherapie gestellt (Bericht des Assistenzarztes Dr. B. , Universitätsklinikum T. , vom 12. Februar 2009). Nach Vorstellung und Erörterung in der hepatobillären Konferenz empfahl auch Prof. Dr. B. , Universitätsklinikum H. eine Chemotherapie mittels Capecitabin oder Gemcitabin (Berichte vom 23. Februar und 15. April 2009).
Der Kläger lehnte eine Chemotherapie ab und begab sich in Behandlung einer Heilpraktikerin mit Spezialisierung auf Krebserkrankungen sowie des Dr. Bach, der eine "metronomische Chemotherapie" mit dem Arzneimittel Endoxan sowie in Verbindung mit Behandlungsmethoden der Homöopathie durchführte. Des Weiteren stellte er sich erstmals am 22. Juni 2009 bei dem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren T. vor und schloss mit diesem den Patientenvertrag vom 22. Juni 2009.
Arzt T. beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 16. Juli 2009 für den Kläger die Erstattung der Kosten einer Immuntherapie eines rezidivierenden cholangiozellulären Karzinoms mit dendritischen Zellen, kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, kombinierter Hyperthermie (aktiv und passiv) und onkolytischen Viren. Aufgrund des Krankheitsverlaufes gebe es keine kurative schulmedizinische Strategie mehr. Alle Standardtherapien seien ausgeschöpft. Ob es palliative Behandlungsmethoden gebe, sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Die Kriterien des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) seien erfüllt. Alle Bausteine seiner Immuntherapie hätten eine wissenschaftliche Anerkennung erreicht (Verweis auf dem Antrag beigefügte Unterlagen). Ärztin Dr. Probst, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern, vertrat in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 2009 die Auffassung, alle vertraglichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien nicht ausgeschöpft. Zur Verfügung stehe die Fortsetzung einer symptomatischen Tumortherapie über eine onkologische Praxis oder Ambulanz. Durch die Anwendung der beantragten Behandlung bestehe keine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Beklagte lehnte es unter Verweis auf diese Stellungnahme ab, die Kosten für die spezielle Immuntherapie bei Arzt T. zu tragen, da diese nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre (Bescheid vom 29. Juli 2009).
Der Kläger erhob Widerspruch. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 17. September 2009 (mit ergänzender Stellungnahme vom 2. Oktober 2009) beschrieb Diplom-Chemiker und Arzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin Dr. Bäzner, MDK Baden-Württemberg, die einzelnen Therapieformen der komplexen (Immun-)Therapie des Arztes T. und empfahl, Kosten für die beantragte Behandlung nicht zu übernehmen. Von einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei zwar auszugehen. Derzeit gebe es aber keine belastbaren Hinweise für eine Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit Hyperthermie oder andere hier beantragte außervertragliche Therapien bei vorliegender Indikation. Der Erlaubnisvorbehalt hinsichtlich der Hyperthermie-Behandlung gelte nur für den ambulanten, nicht aber für den stationären Bereich. Die Wirksamkeit und der Nutzen einer Therapie mit dendritischen Zellen sei unter Zugrundelegung der Kriterien der evidenzbasierten Medizin bisher nicht ausreichend durch Daten aus klinischen Studien belegt. Geeignete, in ihrer Wirksamkeit gesicherte Therapiekonzepte (Interventionelle Verfahren, Chemotherapie, Strahlentherapie) würden in Vertragseinrichtungen angeboten. Die hier im Rahmen privatärztlicher Behandlung gewählte experimentelle Therapie habe bisher keinen Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken erbracht. Arzt T. sei weder Internist noch Onkologe und verfüge nicht über den für die Durchführung von Krebsbehandlungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung notwendigen Facharztstandard. Die beantragte Leistung sei nicht unaufschiebbar gewesen.
Der Kläger, der wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten die Behandlung bei Arzt T. am 14. Oktober 2009 beendet hatte, legte die von Arzt T. veranlasste Stellungnahme des Immunologen Prof. Dr. Peters vom 18. November 2009 vor. Es sei von einem Erfolg der bisherigen Therapie, die voraussichtlich alleine nicht ausreiche, auszugehen. Die gewählte Therapiemaßnahme sei eine im Vergleich zur Chemotherapie nicht toxische sowie dem Stadium angemessene palliative Behandlungsform und entspreche der in den onkologischen Leitlinien geforderten Therapieorientierung an der Lebensqualität des Patienten und müsse als wissenschaftlich begründeter individueller Heilversuch gesehen werden. Unter Berücksichtigung der onkologischen Leitlinien existierten bis zum heutigen Zeitpunkt keine Standardtherapieverfahren, die die Prognose von cholangiozellulären Karzinomen hinsichtlich des Gesamtüberlebens wesentlich verbesserten.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2009). Zur Begründung verwies er auf das Gutachten des Dr. B. sowie die Empfehlungen der Universitätskliniken T. und H. zu einer Chemotherapie mittels Capecitabin oder Gemcitabin.
Der Kläger beantragte beim Sozialgericht Stuttgart (SG) am 21. Januar 2010 einstweiligen Rechtsschutz (S 16 KR 443/10 ER) und erhob am 22. Januar 2010 Klage (S 16 KR 474/10), die noch anhängig ist.
Auf den Antrag des Klägers vom 21. Januar 2010 verpflichtete das SG nach schriftlicher Vernehmung den Kläger behandelnder Ärzte (dazu sogleich) mit Beschluss vom 4. März 2010 die Beklagte, dem Kläger vorläufig ab sofort bis zum 30. Juni 2010, jedoch längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die Immuntherapie, bestehend aus einer Therapie mit dendritischen Zellen und kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, einer kombinierten Hyperthermie (aktiv und passiv) und einer Therapie mit onkolytischen Viren bei Arzt für Allgemeinmedizin T. als Sachleistung zu gewähren. Im Übrigen (für die Zeit ab 1. Juli 2010) lehnte das SG den Antrag ab. Da eine endgültige Entscheidung über den Anspruch des Klägers mangels hinreichender Klarheit über das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht möglich sei, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Bei dieser sei zu berücksichtigen, dass das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Klägers als eines der höchsten Grundrechte betroffen sei. Eine weitergehende Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als der Therapieumfang von ca. vier Monaten sei nicht erforderlich. Sollte eine Fortführung der Therapie über den 30. Juni 2010 hinaus erforderlich sein, könne eine Entscheidung über die Fortführung der Therapie erst nach Ablauf eines überwiegenden Teils der vorläufig zugesprochenen Behandlung anhand eines konkreten Therapieplanes und der Dokumentation der Behandlungsmaßnahmen und des Behandlungsverlaufes getroffen werden. Die allein von der Beklagten eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 31. März 2010 (L 11 KR 1199/10 ER-B) zurück. Es schloss sich im Ergebnis der Auffassung des SG an und führte ergänzend aus, es spreche einiges dafür, dass ein Seltenheitsfall vorliege. Aufgrund dieser Entscheidungen behandelte Arzt T. den Kläger in der Zeit vom 25. März bis 20. Mai 2010 mit aktiver Fiebertherapie, tumoradaptierten onkolytischen Viren, Tiefen-Hyperthermie und mit dendritischen Zellen.
Zur Begründung seiner Klage, mit der der Kläger sowohl die Erstattung bislang aufgewendeter Kosten als auch die Gewährung der zellulären Immuntherapie als Sachleistung begehrt, beschrieb der Kläger - wie bereits in der Begründung seines Widerspruchs - die einzelnen Bausteine der Therapie des Arztes T. , die zur Anwendung kommen, und führte weiter aus, zwar handle es sich bei der zellulären Immuntherapie um eine neue Behandlungsmethode nach § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), deren Teilelemente oder Varianten (aktiv-spezifische Immuntherapie mit autologer Tumorzellvakzine und Hyperthermie) bereits vom Gemeinsamen Bundesausschuss bzw. vom früheren Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden seien. Er habe dennoch aufgrund verfassungskonformer Auslegung unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005 sowie wegen des Vorliegens eines Seltenheitsfalles, weil er an einem äußerst seltenen Tumor leide, Anspruch auf die zelluläre Immuntherapie. Diese Behandlungsmethode verfolge das Ziel, die Krebserkrankung zu heilen, mithin kurative Ziele. Die Schulmedizin könne keine kurative Behandlung mehr zur Verfügung stellen. Die empfohlene Chemotherapie habe nur noch palliative Wirkung sowie generell Schwächen und verringere sogar die Überlebenszeit des Erkrankten. Außerdem dürfe Gemcitabin bei eingeschränkter Leberfunktion nicht angewendet werden. Die Wirksamkeit der zellulären Immuntherapie sei durch eine Reihe von Studien und klinischen Prüfungen neueren Datums, die Arzt T. bereits der Beklagten vorgelegt habe, belegt, die der damalige Bundesausschuss der Ärzte (heute Gemeinsamer Bundesausschuss) bei den bereits am 10. April 2000 erfolgten Beratungen hinsichtlich der Aufnahme der Therapiemethode in die damalige Anlage B (nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) in den damaligen Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien), heute Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), noch gar nicht habe berücksichtigen können. Alle vier Therapiebausteine, die bei ihm zur Anwendung kämen (aktive Hyperthermie = Fiebertherapie, lokoregionale Tiefenthermotherapie, Therapie mit onkolytischen Viren und Therapie mit dendritischen Zellen), begründeten eine Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Dies habe sich auch in seinem Krankheitsverlauf gezeigt. Nach Wiederaufnahme der zellulären Immuntherapie habe der Tumormarker von 411 U/ml (4. Februar 2010) auf 205 U/ml (27. April 2010) und 166 U/ml (5. Mai 2010) gesenkt werden können. Prof. Dr. C. , Radiologische Klinik des Universitätsklinikums T. , beurteile in dem (vorgelegten) Bericht vom 18. Juni 2010 die am 14. Juni 2010 durchgeführte Magnetresonanztomografie der Leber dahin, im kurzzeitigen Verlauf nach RECIST stable disease bei teilweise geringerer Größenregredienz der Läsionen sowie teilweise Zunahme der Nekrose der Tumormanifestation, welche als indirektes Zeichen eines Therapieansprechens bewertet werden könne, im Vergleich zur Voruntersuchung vom 5. November 2009 teils konstante, teils größenprogrediente Läsionen. Auch aufgrund der am 6. August 2010 durchgeführten weiteren Magnetresonanztomograhie der Leber komme Prof. Dr. C. in seinem (vorgelegten) Bericht vom 10. August 2010 zur Beurteilung einer geringeren Größenprogredienz (wenige Millimeter) mehrerer Referenzläsionen sowie keiner extrahepatitischen Manifestation.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Bescheide entgegen und vertrat die Auffassung, die Magnetresonanztomografie am 6. August 2010 weise eine Befundverschlechterung aus. Ferner legte sie das Gutachten der Ärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie Prof. Dr. H. und Dr. W. , MDK N. Kompetenz Centrum Onkologie, vom 29. März 2010 vor. Es ergäben sich weder medizinische noch sozialrechtliche Hinweise, dass der Einsatz der experimentellen Therapien durch Arzt T. beim Kläger als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden könne. Diese Behandlung sei - auch im Sinne der Patientenschutzrechte - ausschließlich auf kontrollierte klinische Prüfungen zu verweisen. Der Einsatz der vertraglich verfügbaren Therapieoptionen könne im Behandlungsfall abgewogen werden. Falls diese nicht (mehr) angezeigt seien, stünden vertragliche und vertragsärztliche palliative Therapiemaßnahmen, z.B. zur Schmerzlinderung, Besserung der Befindlichkeit, zur Verfügung.
Zu diesem von der Beklagten vorgelegten Gutachten wandte der Kläger ein, es berücksichtige nicht verschiedene wesentliche Studien zur Hyperthermie und zur Therapie mit onkolytischen Viren, den vom BVerfG vorausgesetzten Maßstab der Beurteilung (kein vollwissenschaftlicher Nachweis wie bei den Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses) sowie den konkreten Therapieerfolg und verwechsele die Begriffe "Wirkungsweise" und "Wirksamkeit" im Hinblick auf die Hyperthermie.
Das SG vernahm den Kläger behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen. Internist/Gastroenterologe Prof. Dr. R. , Chefarzt der Reha-Klinik O. , legte u.a. seinen Entlassungsbericht vom 29. Dezember 2009 über das vom 11. November bis 16. Dezember 2009 durchgeführte stationäre Heilverfahren vor und gab weiter an (Auskunft vom 5. Februar 2010), zur Weiterbehandlung stünden als allgemein anerkannte Therapiemaßnahmen Radiotherapie, systemische oder lokoregionäre Chemotherapie, Chemoembolisation, theoretisch gegebenenfalls auch totale Heptektomie mit Lebertransplantation zur Verfügung. Bekannt sei allerdings, dass der vorliegende Tumor in der Regel nur schlecht auf strahlen- oder chemotherapeutische Maßnahmen anspreche, so dass die derzeit zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Maßnahmen in ihrer Wirksamkeit als durchaus beschränkt anzusehen seien. Das Verfahren der zellulären Immuntherapie habe bis heute experimentellen Charakter innerhalb klinischer Studien oder werde außerhalb klinischer Studien nur als unkonventionelle Therapie (Alternativtherapie) angeboten. Gewisse Erfolge im Hinblick auf eine vorübergehende Eindämmung der Tumorerkrankung hätten sich bisher wohl beim fortgeschrittenen Nierenkarzinom und beim Melanom gezeigt, ohne dass jedoch von einem Durchbruch die Rede sein könne. Wissenschaftliche Studien, welche eine eventuelle spezielle signifikante Wirksamkeit des Therapieverfahrens beim cholangiozellulären Karzinom belegten, seien ihm nicht bekannt. Prof. Dr. B. (Auskunft vom 9. Februar 2010) gab an, die in den Arztbriefen vom 23. Februar und 15. April 2009 aufgeführten Behandlungsmaßnahmen entsprächen dem allgemeinen medizinischen Standard. Die zelluläre Immuntherapie sei nicht indiziert. Bei dieser Therapie sei ihm aufgrund seiner persönlichen Erfahrung und Kompetenz in Übereinstimmung mit der geltenden wissenschaftlichen nationalen und internationalen Literatur ein Heilungseffekt bei metastasierendem cholangiozellulärem Karzinom und Folgezustand nach erweiterter Hemihepatektomie rechts nicht bekannt, ebenso ein Nutzen dieser von Arzt T. durchgeführten Therapie. Arzt T. berichtete in seiner Auskunft vom 10. Februar 2010 über die vom 22. Juni bis 14. Oktober 2009 durchgeführte Behandlung und führte weiter aus, da die Diagnosestellung 20 Monate zurückliege, habe die gewählte Immuntherapie die mediane Überlebenszeit (Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Patienten noch am Leben bzw. verstorben sei) von 10 Monaten bereits verdoppelt, obwohl die wichtigsten Bausteine, nämlich die Therapie mit patienteneigenen dendritischen Zellen, die einmal monatlich verabreicht würden, und natürlichen Killerzellen, die ein einziges Mal im Zusammenhang mit der ersten dendritischen Zellvaccine verabreicht werde, noch gar nicht zum Einsatz gekommen sei. Der anfängliche Tumormarker Ca 19-9 habe von 195 bis nach Ende der Therapie auf 172 gesenkt werden können. Ausweislich der Magnetresonanztomografie (der Leber) habe das Tumorwachstum sofort verlangsamt und schließlich völlig gestoppt werden können. Nach Abbruch der Therapie habe eine explosionsartige Erhöhung (des Tumormarkers Ca 19-9) auf 396 (Stand: 19. Januar 2010) stattgefunden. Da von der Leber nur noch ein kleiner Rest übrig sei, so dass die Entgiftungskapazität hochgradig eingeschränkt sei, sei es ein Kunstfehler, im vorliegenden Fall eine Chemotherapie zu versuchen, da diese selbst bei einem Patienten mit vollständig erhaltener Leber nur marginale Gewinne zeige. Die medizinischen Risiken der zellulären Immuntherapie seien gering, jedenfalls geringer als bei der Chemotherapie. Privatdozent Dr. L. , Universitätsklinikum T. , berichtete in seiner Auskunft vom 12. Februar 2010 über die durchgeführten Behandlungen, insbesondere die Magnetresonanztomografie-Verlaufsuntersuchungen der Leber (8. Juli 2009: deutlicher Progress der Lebermetastasierung; 31. August 2009: bezüglich der Zahl der Läsionen unverändert, einige der Läsionen wiesen im kurzfristigen Verlauf tendenziell eine geringere Größenprogredienz auf; 7. Oktober 2009: im Vergleich zur Voruntersuchung weitgehend konstante Darstellung der disseminierten hepatischen Filialisierung; 6. November 2009: im kurzfristigen Verlauf unveränderte Darstellung der multiplen Lebermetastasen; 4. Februar 2010: im Verlauf überwiegend Progress der multiplen Lebermetastasen, kein Nachweis extrahepatischer Manifestationen im untersuchten Gebiet), und führte weiter aus, als allgemein anerkannt und medizinischer Standard gelte im Falle der Erkrankung des Klägers eine systemische Chemotherapie. Zu der zellulären Immuntherapie könne er keine Stellungnahme abgeben. Nach Durchsicht der aktuellen Datenlage in der Wissensdatenbank (PubMed) handele es sich bei der zellulären Immuntherapie um eine sich rasch in der Entwicklung befindliche Therapieform. Nach Datenlage der Wissensdatenbank existiere zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine evidenzbasierte klinische Studie zur Anwendung beim cholangiozellulären Karzinom. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. bezog sich in seiner Auskunft vom 24. Februar 2010 auf die ihm zugegangenen Befundberichte. Zu Nutzen und Wirkungsweise der Therapie könne keine Aussage gemacht werden. Das Universitätsklinikum T. legte die von ihm gefertigten Berichte über stationäre und ambulante Behandlungen vor.
Auf Veranlassung des SG erstattete Prof. Dr. Dr. B. , Chefarzt der Abteilung Innere Medizin II (Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Infektiologie) der Medizinischen Universitätsklinik des Universitätsklinikums F. , das Gutachten nach Aktenlage vom 6. Juli 2010. Zur Behandlung des cholangiozellulären Karzinoms in kurativer Absicht stünde nur eine Operation wie die durchgeführte Hemihepatektomie zur Verfügung. In ausgewählten Fällen werde auch eine Lebertransplantation durchgeführt, welche allerdings keine etablierte Therapie darstelle. Bei lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem cholangiozellulärem Karzinom bestehe eine palliative Situation mit mehreren individuellen Therapiemöglichkeiten mit dem Ziel der Symptomlinderung und der Lebensverlängerung. Bei dem Kläger sei eine systemische Chemotherapie mit Gemcitabin oder die Kombination von Gemcitabin mit einem platinhaltigen Präparat die einzige allgemein anerkannte, klinischem Stand entsprechende Therapieoption. Voraussetzung hierfür sei ein ausreichender Allgemeinzustand. Die so genannte zelluläre Immuntherapie nach dem Therapieplan des Arztes T. sei kein etabliertes Therapieverfahren und als Therapie beim cholangiozellulären Karzinom bisher nicht erprobt sowie Nutzen und Risiken der angewandten Therapiemaßnahmen seien nicht hinreichend bekannt. Die dendritische Zell-Vakzinierungstherapie werde vor allem bei Patienten mit malignem Melanom oder Nierenzellkarzinom in Pilotstudien, Fallstudien oder in klinischen Studien untersucht. Da die zelluläre Immuntherapie zum Teil eine experimentelle Behandlung sei, könne über die Risiken der Therapie keine sichere Aussage getroffen werden. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen seien bisher nicht berichtet worden. Wegen der experimentellen Therapie sei die erforderliche Fachkompetenz nicht eindeutig geklärt. Therapeutischer Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer alleinigen oder begleitenden Hyperthermie-Behandlung beim cholangiozellulären Karzinom seien nicht belegt. Seit 2005 seien keine relevanten Studien zur Hyperthermie beim cholangiozellulären Karzinom publiziert worden. Zur Virustherapie mit Newcastle-Desease-Viren existierten eine größere Phase I-Studie mit 79 Patienten, von denen lediglich ein Patient ein cholangiozelluläres Karzinom gehabt habe sowie Anwendungsbeobachtungen beim aggressiven Gehirntumor. Untersuchungen einer Virustherapie beim cholangiozellulären Karzinom existierten nicht. Zur Vakzinierungstherapie mit dendritischen Zellen existierten aktuell ebenfalls keine größeren, randomisierten Studien, die Wirksamkeit der Therapie hinsichtlich validierter klinischer Eckpunkte, wie Gesamtüberleben, belegten. Hinsichtlich der Therapie eines cholangiozellulären Karzinoms existierten keine Daten. Die Inzidenz des cholangiozellulären Karzinoms reiche weltweit von etwa einem Fall pro Jahr und 100.000 Einwohnern in den USA bis zu 7,3 in Israel. Bösartige Tumore der Gallenblase und der Gallenwege träten insgesamt bei Frauen häufiger als bei Männern auf. Jedes Jahr erkrankten in Deutschland etwa 2.000 Frauen und 4.000 Männer. Die Häufigkeit der Tumore nehme nach dem 60. Lebensjahr zu. Auch wenn das cholangiozelluläre Karzinom eine eher seltene Erkrankung sei, werde sie national und international systematisch erforscht. Es gebe mehrere Studien für die Evaluation der Therapie in der palliativen Situation. Die Behandlung des Klägers mit der zellulären Immuntherapie sei nicht evidenzbasiert und deshalb außerhalb einer klinischen Studie nicht indiziert.
Der Kläger rügte, der Sachverständige habe die eingetretenen Therapieerfolge nach Wiederaufnahme der Immuntherapie am 25. März 2010 nicht berücksichtigt, weil diese erst nach Absendung der Unterlagen an den Sachverständigen vorgetragen und belegt worden seien und er (der Kläger) vom Sachverständigen nicht untersucht worden sei. Mit der Studie, auf die der Sachverständige seine Therapieempfehlung stütze, setze er sich nicht kritisch auseinander, obwohl gegen diese Studie Einwände wegen des Studiendesigns sowie des Auftretens von schweren bis irreparablen Nebenwirkungen bei zwei Drittel der Probanden während der Studie bestünden. Dem Sachverständigen mangele es auch an der fachlichen Kompetenz, weil er nicht immunologisch tätig sei.
Zu dem Gutachten des Sachverständigen legte die Beklagte das weitere Gutachten des Dr. B. vom 25. August 2010 vor. Er stimmte dem Gutachten des Sachverständigen zu und führte weiter aus, den vorliegenden Unterlagen sei keinesfalls zu entnehmen, dass die derzeit laufende Therapie als wirksam bezeichnet werden könne.
Am 3. August 2010 beantragte der Kläger beim SG erneut, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig ab 30. Juni 2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Hauptsacheverfahrens die Immuntherapie bei Arzt T. als Sachleistung zu gewähren. Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Klageverfahren machte er geltend, die erfolgreich durchgeführte Behandlung müsse unbedingt fortgesetzt werden. Die für einen weiteren Behandlungszyklus anfallenden Kosten von ungefähr EUR 23.000,00 könne er nicht aufbringen.
Die Beklagte trat dem Antrag unter Bezugnahme auf ihren Widerspruchsbescheid sowie auf ihr Vorbringen im Klageverfahren entgegen.
Das SG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 25. August 2010 ab. Der Kläger werde auch bei einer abschließenden Prüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben. Nach Einholung des Gutachtens (des Prof. Dr. Dr. B. ) im Hauptsacheverfahren stelle sich dessen Ausgang nicht mehr als offen dar. Von den kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BVerfG (u.a. Beschluss vom 6. Dezember 2005) liege zwar mit dem cholangiozellulären Karzinom eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, wovon auch die Beklagte ausgehe, vor. Aufgrund der mittlerweile durchgeführten medizinischen Ermittlungen sei die Kammer jedoch der Überzeugung, dass für die Behandlung dieser Erkrankung mit der palliativ ausgerichteten Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Therapie zur Verfügung stehe. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. begründe nachvollziehbar und plausibel, dass die von Arzt T. angewandte zelluläre Immuntherapie zur Behandlung des cholangiozellulären Karzinoms nicht medizinisch indiziert sei. Es handle sich um kein etabliertes Therapieverfahren und sei als Therapie bei einem cholangiozellulären Karzinom bisher nicht erprobt worden. Aufgrund der Bewertung der zellulären Immuntherapie durch den Sachverständigen, die im Übrigen auch Prof. Dr. H. und Dr. B. teilten, könne realistischerweise von einem kurativen Anspruch nicht ausgegangen werden. Auch Prof. Dr. R. , Prof. Dr. B. und Privatdozent Dr. L. gingen von einer palliativen Situation aus, für die eine kurative Behandlung nicht zur Verfügung stehe. Für die Annahme eines kurativen Behandlungsziels genüge es nicht, dass Arzt T. meine, seiner Therapie komme heilende Wirkung zu. Vielmehr müsse wissenschaftlich plausibel belegt sein, dass die begehrte Therapie realistischerweise einen kurativen Ansatz verfolge. Prof. Dr. Dr. B. stelle überzeugend dar, dass eine operative Behandlung die einzige Therapiemöglichkeit mit Aussicht auf Heilung sei. Nach dem derzeitigen Forschungsstand bestehe bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem cholangiozellulären Karzinom eine palliative Situation. Der Sachverständige habe auch überzeugend begründet, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine Wirkung der zellulären Immuntherapie bei einem cholangiozellulären Karzinom gebe. Damit könne die Therapie auch keinen kurativen Anspruch erheben. Abweichend von Arzt T. gehe auch Prof. Dr. Peters in seiner Stellungnahme vom 18. November 2006 von einer palliativen Situation und Behandlung aus. Der palliative Charakter der begehrten Therapie spiegele sich darüber hinaus auch in den aktuellen radiologischen Befunden des Universitätsklinikums T. vom 10. August 2010 wider, in denen im Vergleich zu den Voruntersuchungen größenprogrediente Läsionen nachweisbar seien und sich auch eine kleine neue Läsion finde. Auch sei nicht ersichtlich, dass die regelmäßig erforderliche abstrakte und konkrete auf den Versicherten bezogene Kosten-Nutzen-Analyse unter Beobachtung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs positiv ausgefallen und hinreichend dokumentiert worden sei. Den von Arzt T. angeforderten Unterlagen könne ein Gespräch hierzu nicht entnommen werden. Ein so genannter Seltenheitsfall liege nicht vor. Nach dem Gutachten des Sachverständigen handle es sich bei einem cholangiozellulären Karzinom zwar um eine selten auftretende Erkrankung, jedoch werde diese Erkrankung national und international systematisch erforscht, so dass bei der Erkrankung des Klägers kein singulärer Krankheitsfall angenommen werden könne.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 25. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 13. September 2010 beim SG Beschwerde eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, insbesondere die gegen die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. und des Prof. Dr. H. erhobenen Einwände, die er auch vertieft, und verweist ferner darauf, die Behandlung habe bei ihm sehr gut angesprochen (Senkung des Tumormarkers, nahezu die 5-fache mediane Überlebenszeit erreicht, Absterben von Tumorgewebe). Nach Abbruch der streitigen Therapie am 12. August 2010 habe er nur noch die metronomische Chemotherapie erhalten. Die turnusmäßigen Magnetresonanztomografie-Untersuchungen hätten am 16. September 2010 eine (wenn auch nur geringe) Größenprogredienz der Läsionen, am 2. November 2010 einen leichten Größenprogress sowie einen deutlichen Progress mit neu aufgetretenen Metastasen in der Milz sowie am 24. Februar 2011 ein Fortschreiten der Leber- und Milzmetastasen sowie eine neue aufgetretene Milzmetastase und vermutlich Knochenmetastase im Brustwirbelkanal gezeigt (vorgelegte Berichte des Prof. Dr. C. vom 24. September 2010, 4. November 2010 und 28. Februar 2011). Der Tumormarker sei auf 2226 (3. Februar 2011) gestiegen (vorgelegter Bericht des Dr. Dr. L. 8./14. Februar 2011). Die Vorgehensweise von Arzt T. bei der Herstellung sowohl der onkolytischen Viren als auch der dendritischen Zellen stehe im Einklang mit den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG).
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Sozialgericht Stuttgart anhängigen Hauptsacheverfahrens S 16 KR 474/10, die zelluläre Immuntherapie, bestehend aus einer Therapie mit dendritischen Zellen und kostimulatorischen natürlichen Killerzellen, einer kombinierten Hyperthermie (aktiv und passiv) und einer Therapie mit onkolytischen Viren bei Arzt für Allgemeinmedizin T. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Eine Entscheidung im Rahmen einer Folgenabwägung sei nunmehr nicht mehr zulässig, da im Hauptsacheverfahren ein gerichtliches Gutachten vorliege, welches im Ergebnis einen Erfolg der Klage ausschließe. Aus den ihr vorgelegten Rechnungen ergebe sich, dass eine externe Herstellung/Transport von Viren und Transport von dendritischen Zellen erfolgt sei. Ihrer Auffassung nach dürften Ärzte nach dem AMG nur die selbst hergestellten Viren oder dendritischen Zellen bei ihren Patienten anwenden und berechnen, wenn sie eine jeweilige Herstellungserlaubnis hätten.
Prof. Dr. Dr. B. ist in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 14. Oktober 2010, die er auf Veranlassung des SG abgegeben hat, bei seiner Auffassung geblieben, die von Arzt T. angewandte zelluläre Immuntherapie sei sowohl in ihren Einzelkomponenten als auch in ihrer Kombination bisher keine wirksame bzw. etablierte Therapie zur Behandlung eines cholangiozellulären Karzinoms. Dass es dem Kläger subjektiv gut gehe, sei eher der Biologie des Tumors anzurechnen als der von Arzt T. durchgeführten zellulären Immuntherapie. Dass in der Magnetresonanztomographie-Untersuchung vom 6. August 2010 alle Lebermetastasen größenprogredient seien und im Segment II der Leber sogar eine neue Läsion zur Darstellung komme, entspreche einem Therapieversagen. Nach Hemihepatektomie sei eine Chemotherapie möglich, da sich das Lebergewebe und damit auch die Leberfunktion auch nach großen Resektionen wie beim Kläger schnell erhole. Eine Studie beim malignen Melanom sei vorzeitig abgebrochen worden, da die Therapie mit dendritischen Zellen gegenüber der herkömmlichen Chemotherapie keinen Vorteil gezeigt habe. Zu betonen sei, dass verschiedene Tumorentitäten nicht einfach miteinander verglichen werden könnten und somit eine Übertragung von Studienergebnissen zulässig sei. Für das cholangiozelluläre Karzinom lägen keinerlei Informationen bezüglich der angewandten Therapiemethoden vor. In seiner Abteilung gebe es zahlreiche Forschungsprojekte mit entsprechenden Erfahrungen im Bereich der Immunologie, der Urologie und Onkologie. Der Kläger sei einer Einladung zur Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung nicht nachgekommen, was allerdings auch nicht zwingend erforderlich sei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass auch diese ergänzende gutachterliche Stellungnahme nicht ausreichend auf den Verlauf der Erkrankung und das Ansprechen der Therapie eingehe (lange Überlebenszeit, geringe Größenprogredienz). Die Behauptung zur Erholung der Leber sei nicht näher erläutert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens und der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig. Einer der Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das SG hat den (erneuten) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbunden sind, desto weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
1. Entgegen der Auffassung des SG besteht ein Anordnungsanspruch. Der Senat beurteilt den Ausgang des Hauptsacheverfahrens auch derzeit noch nicht als ersichtlich aussichtlos.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die ärztliche Behandlung umfasst nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V alle Tätigkeiten des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sind. Jedoch unterliegt der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung, für den ambulanten Bereich insoweit das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. dazu Bundessozialgericht - BSG - SozR 4-2500 § 27 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (ständige Rechtsprechung, BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8), wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte grundsätzlich gebunden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch LSG, Urteil vom 30. August 2006 - L 5 KR 281/06 - und ausführlich m.w.N. Urteil vom 31. Oktober 2007 - L 5 KR 2563/07 -, beide veröffentlicht in juris).
1.2. Bei der vom Kläger begehrten zellulären Immuntherapie zur Behandlung des cholangiozelluläres Karzinoms handelt es sich um eine neue (ambulante) Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine positive Empfehlung abgegeben hat. Die Hyperthermie als ambulante Behandlung ist sogar ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen (Anlage II Nr. 42 der Methoden-Richtlinie). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
1.3. Anhaltspunkte dafür, dass ein Systemversagen vorliegt, weil sich der Gemeinsame Bundesausschuss nicht mit der zellulären Immuntherapie beschäftigt hat, gibt es nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht und sind auch für den Senat nicht erkennbar. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2500 § 27 Nr. 8) kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden.
1.4. Ob eine erweiterte Leistungspflicht der Beklagten in Betracht zu ziehen ist, weil der Kläger an einer seltenen Krankheit im Sinne der Rechtsprechung des BSG leidet, erscheint fraglich. Eine solche ist eine Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. z.B. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 1). Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. bezeichnet in seinem Gutachten vom 6. Juli 2010 das cholangiozelluläre Karzinom zwar als eine eher seltene Erkrankung, weist aber auch darauf hin. dass diese Erkrankung national und international erforscht wird.
1.5. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes vermag der Senat allerdings noch nicht die Aussage zu treffen, dass die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG nicht in Betracht kommen. Trotz fehlender Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss kann eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, die beim Kläger vorliegt, bestehen. Dies ist der Fall, wenn für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, wenn für eine neue Behandlungsmethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (vgl. BVerfG SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach (z.B. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 12) setzt ein Anspruch voraus, dass bezüglich der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
1.5.1. Der Senat vermag derzeit nicht abschließend zu beurteilen, ob eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Eine potentielle kurative Therapie ist wohl nur noch in einer Lebertransplantation zu sehen, die allerdings von keinem der Ärzte, die sich im Laufe des bisherigen Verfahrens geäußert haben, ernsthaft in Erwägung gezogen worden ist. Zur Verfügung stehen damit allenfalls noch palliative Behandlungen. Als solche käme nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. sowie den Angaben des Prof. Dr. B. im Bericht vom 15. April 2009 und des Dr. B. im Bericht vom 12. Februar 2009 beim Kläger die Chemotherapie mittels Capecitabin oder Gemcitabin in Betracht. Prof. Dr. Dr. B. setzt in seinem Gutachten allerdings voraus, dass für diese Behandlung ein ausreichender Allgemeinzustand bestehe, und geht in seiner ergänzenden Stellungnahme davon aus, dass der Umstand, dass beim Kläger der Großteil der Leber entfernt worden ist, der Chemotherapie-Behandlung nicht entgegenstehe. Insoweit handelt es sich nur um generelle Aussagen. Dazu, ob die konkrete gesundheitliche Situation des Klägers die empfohlene Chemotherapie, ggfs. zu welchem Zeitpunkt, zulässt, enthalten das Gutachten und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen keine Ausführungen. Auch die von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. H. vom 29. März 2010 und des Dr. B. vom 25. August 2010 gehen nur allgemein auf die theoretisch bestehenden Behandlungsmöglichkeiten ein, ohne konkret beim Kläger vorliegende Befunde zu würdigen. Im Übrigen hat Prof. Dr. R. in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge vom 5. Februar 2010 angegeben, es sei bekannt, dass der Tumor eines cholangiozellulären Karzinoms in der Regel nur schlecht auf strahlentherapeutische und chemotherapeutische Maßnahmen anspreche.
1.5.2. Auch eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist nicht ausgeschlossen. Erforderlich ist insoweit nicht ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine alternative, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehörende Therapie bestimmte Erfolge erzielen kann. Es reichen, wie sich aus der Formulierung schon ergibt, "Indizien" aus. Die Maßstäbe für Entscheidungen, die auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin zu treffen sind, sind insoweit nicht heranzuziehen. Der Krankheitsverlauf lässt eine dieses Kriterium verneinende Aussage - jedenfalls derzeit - nicht zu. Der Kläger hat unter Vorlage entsprechender Befundberichte dargelegt, dass sich der Tumormarker CA 19-9 während der von Arzt T. durchgeführten Behandlung gesenkt (von 411 U/ml [4. Februar 2010], 205 U/ml [27. April 2010], 166 U/ml [5. Mai 2010]) und nach Abbruch der Behandlung im August 2010 wieder angestiegen ist. Ebenso zeigten die turnusmäßigen Magnetresonanztomographie-Untersuchungen der Leber zunächst keinen Fortschritt der Lebermetastasen oder Metastasen in anderen Körperregionen. Seine Behauptung in der ergänzenden Stellungnahme vom 14. Oktober 2010, dies sei eher der Biologie des Tumors anzurechnen als der von Arzt T. durchgeführten zellulären Immuntherapie, hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. nicht näher begründet. Auch zu den möglichen Ursachen der deutlichen Überschreitung der medianen Überlebenszeit äußert sich der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. weder in seinem Gutachten noch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme. Das gleiche gilt für die von der Beklagten im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahmen des Prof. Dr. H. vom 29. März 2010 und des Dr. B. vom 25. August 2010.
Allein mit der Begründung, die zelluläre Immuntherapie befinde sich noch im experimentellen Stadium und habe sich außerhalb klinischer Studien nicht etabliert, kann das Kriterium einer auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht verneint werden. Vielmehr ist es gerade Folge der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei lebensbedrohlicher oder regelmäßig tödlich verlaufender Krankheit, dass wissenschaftlich noch nicht anerkannte Behandlungsmethode gleichwohl von den gesetzlichen Krankenkassen zu erbringen sind. Maßgeblich ist deshalb, ob es bestimmte Indizien gibt, die der weiteren Erforschung und Prüfung der Behandlungsmethode bedürfen, um negative oder positive Aussagen zu der Behandlungsmethode machen zu können. Dies ist nicht auszuschließen. Dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. entnimmt der Senat, dass die dendritische Zell-Vakzinierungstherapie vor allem bei Patienten mit malignem Melanom oder Nierenzellkarzinom in Pilotstudien, Fallstudien oder in klinischen Studien untersucht wird. Hierauf haben auch bereits Dr. B. in seinem Gutachten vom 17. September 2009 und Prof. Dr. R. in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge vom 5. Februar 2010 hingewiesen. Des Weiteren hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. auch hinsichtlich anderer Krebserkrankungen auf verschiedene Studien zur Hyperthermie, Virustherapie und Vakzinierungstherapie mit dendritischen Zellen hingewiesen. Daraus ist zu folgern, dass es jedenfalls bestimmte Indizien gibt, die eine weitere Erforschung und Prüfung verschiedener Therapieansätze bei Krebserkrankungen erforderlich machen. Eine Aussage, dass jegliche auch palliative Auswirkung auf das Krankheitsgeschehen fehlt, erscheint jedenfalls derzeit nicht möglich.
Bei der dargestellten Sachlage kann der Senat jedenfalls derzeit auch nicht erkennen, dass mögliche Risiken der zellulären Immuntherapie deren voraussichtlichen Nutzen überwiegen oder in Zukunft überwiegen werden.
2. Ein Anordnungsgrund liegt vor.
Dem Kläger drohen erhebliche Gefahren für Leib und Leben. Er hat jedenfalls plausibel dargelegt, dass sich sein Gesundheitszustand in den letzten Monaten verschlechtert hat. Der Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und kann angesichts der anfallenden Kosten von sicher über EUR 10.000,00 nicht darauf verwiesen werden, die Behandlung zunächst auf eigene Kosten selbst durchzuführen und anschließend bei der Beklagten die Erstattung der Kosten nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend zu machen.
Diese Belange des Klägers gehen im Rahmen der Folgenabwägung den Belangen der Beklagten und auch denen der Versichertengemeinschaft vor, dass Leistungen, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung gehören, zu erbringen und die entsprechenden Kosten hierfür zu tragen sind. Dies ist zudem Folge der verfassungskonformen Auslegung der Bestimmungen des Leistungsrechts des SGB V, die dazu führen, dass ausnahmsweise eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
Unter Berücksichtigung dessen hält auch der erkennende Senat wie bereits der 11. Senat des LSG im Beschluss vom 31. März 2010 allein die Bedenken hinsichtlich des Facharztstandards von Arzt T. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für nicht durchgreifend. Das Gleiche gilt für die Frage, ob Arzt T. über erforderliche Genehmigungen nach dem AMG, bestimmte Leistungen erbringen zu dürfen, verfügt. Die (zwar auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich mögliche) Klärung führte zu einer Verzögerung der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz. Sie muss deshalb - falls es auf sie überhaupt ankommen sollte - im Klageverfahren erfolgen. Falls Arzt T. über erforderliche Genehmigungen nicht verfügen sollte, dürfte er möglicherweise bestimmte Leistungen nicht abrechnen. Diese könnte die Beklagte von der ihr vorgelegten Liquidation absetzen. Dies wäre dann aber weder Gegenstand des Klageverfahrens noch des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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