Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 353/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 36/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 14/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 13. Februar 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte über den Antrag der Klägerin für die Quartale III/06, IV/06 sowie II/07 bis IV/07 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden hat.
Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen (RLV) ab dem Quartal 3/06.
Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 2006 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie gehört der Honorar(unter)gruppe B 2.25 an (Psychologische Psychotherapeuten/ psychotherapeutisch tätige Ärzte/ Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) und ist abrechnungstechnisch der Fachgruppe VfG 84-93 zugeordnet.
Die Honorarentwicklung der Klägerin in den Quartalen III/06 bis IV/07 gestaltete sich wie folgt:
Quartal III/06 IV/06 I/07 II/07 III/07 IV/07
Honorarbescheid: 16.3.2007 17.4.2007 17.7.2007 17.10.2007 17.1.2008 8.5.2008
Bruttohonorar PK + EK in Euro 9.569,16 26.823,08 27.712,68 26.976,87 25.656,68 24.930,73
Fallzahl PK + EK 42 48 53 48 53 56
Anzahl der Leistungen nach
Ziff. 35130 (Bericht Kurzzeittherapie, 710 Punkte 10 9
Ziff. 35131 (Bericht Langzeittherapie, 1.420 Punkte) 12 9 1 5 8 1
Ziff. 35140 (Biographische Anamnese, 1.310 Punkte) 32 13 7 5 8 6
Ziff. 35141 (Zuschlag, 475 Punkte) 33 13 7 5 8 1
Ziff. 35150 (Probatorische Sitzung, 1.495 Punkte) 109 57 23 35 22 16
Praxisbezogenes Regelleistungsvolumen 46.195,8 52.862,4 58.247,0 52.531,2 57.600,0 61.616,8
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 345.890,0 198.640,0 117.175,0 100.865,0 134.580,0 94.750,0
Überschreitung 299.694,2 145.776,6 58.928,0 48.333,8 76,979,6 33.133,2
Am 28. Juli 2006 beantragte die Klägerin, ihre Besonderheiten bei der Zuerkennung des Regelleistungsvolumens zu berücksichtigen. Ihr würden pro Patient ca. 1.000 Punkte zugewiesen werden. Die von ihr übernommene Praxis habe zuvor Erwachsene behandelt. Sie habe nur neue Patienten. Die Erstdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen umfasse pro Patient ca. 13.000 Punkte. Würden ihr pro Patient bei einem Punktwert von 2,8 Cent lediglich 1.000 Punkte zugewiesen werden, bedeute das bei 30 Patienten ein Quartalseinkommen von ca. 840,00 EUR bei Vollzeittätigkeit. Sie bitte daher darum, für die erste Zeit das Regelleistungsvolumen auszusetzen.
Mit Bescheid vom 25. September 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens ab den Quartalen III/06 ab. Der Honorarverteilungsvertrag sehe für die Fachgruppe der Klägerin folgende arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen vor:
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0-5 6-59 60+ 0-5 6-59 60+
Fallpunktzahl 1.050 1.054 1.054 956 1.166 1.065
Eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen sei nur aus Gründen der Sicherstellung möglich. Im Planungsbereich A-Stadt-Stadt bestehe jedoch eine Überversorgung an psychologischen Psychotherapeuten. Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass sie als neue Praxis bisher überwiegend die dem Regelleistungsvolumen unterliegenden nichtgenehmigungspflichtigen Leistungen (wie z.B. die probatorischen Sitzungen) erbringe, stünden dieser Situation seit der Einführung von Budgets, Regelleistungsvolumina etc. alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten gegenüber. Eine gesonderte Berücksichtigung des in der Anfangsphase deutlich höheren Aufwandes an nichtgenehmigungspflichtigen Leistungen bezogen auf das medizinische Kennenlernen eines Patienten sei nicht möglich.
Die Klägerin erhob am 19. Oktober 2006 Widerspruch und trug vor, in der Realität bestehe ein signifikanter Therapieplatzmangel in A-Stadt insbesondere für Kinder. Familien müssten durchschnittlich sechs bis neun Monate auf einen Therapieplatz warten. Sie habe im ersten Quartal ihrer Tätigkeit ca. 70 % nicht genehmigungspflichtige Leistungen erbracht. Diese würden zum Großteil nicht oder miserabel bezahlt. Ihre Einnahmen von 10.000,00 EUR im ersten Abrechnungsquartal würden gerade einmal ihre Fixkosten decken. Das Problem werde sich auch in den nächsten Quartalen nicht relativieren, da die nicht genehmigungspflichtigen Leistungen allgemein das Regelleistungsvolumen bei weitem überschritten und regelmäßig nicht honorierte Leistungen ihrer Berufsgruppe darstellten. Es entspreche berufsethischen Grundsätzen, erst nach einer ausführlichen Diagnostik und Therapieplanung einen Therapieantrag zu stellen; dafür reichten die im Regelleistungsvolumen enthaltenen Stunden bei weitem nicht aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der Klage vom 10. August 2007 hat die Klägerin geltend gemacht, die Fallpunktzahl des Regelleistungsvolumens von durchschnittlich rund 1.100 Punkten sei für sie als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zu niedrig und mit den Grundsätzen einer verteilungsgerechten Vergütung nicht vereinbar. Vor Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfe es einer exakten Eingangsdiagnostik. Dazu gehörten der Ordinationskomplex (510 Punkte), 5 probatorische Sitzungen (5x1545 = 7.725 Punkte), biographische Anamnese (1310 Punkte) und der Bericht zum Gutachten (1.420 Punkte), insgesamt 10.965 Punkte. Die von der Beklagten errechneten Fallpunktzahlen seien angesichts dessen völlig unzureichend. Noch unhaltbarer erscheine dieses Regelleistungsvolumen, wenn die Situation der Berufsanfänger/innen in Betracht bezogen werde, denn diese könnten in den ersten 3 bis 4 Quartalen in Ermangelung bereits laufender Psychotherapien praktisch nur probatorische Sitzungen abrechnen. Das führe dazu, dass nach den hohen finanziellen Belastungen der Berufsausbildung und den notwendigen Investitionen im Rahmen der Praxiseröffnung eine nahezu einjährige Praxisphase beginne, in der selbst bei voller Praxisauslastung nur Verluste gemacht werden könnten.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2009 die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zwar seien die Regelungen zu den praxisindividuellen Regelleistungsvolumina in Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrags (HVV) vom 10. November 2005 grundsätzlich rechtmäßig. Die Vertragsparteien des HVV hätten aber verkannt, dass hinsichtlich der Bemessung des Regelleistungsvolumens zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede bestünden, dass die einheitlichen Fallpunktzahlen für diese Gruppen in der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstießen. Zudem ermächtige Abschnitt III 3.1 Abs. 3 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 die Vertragsparteien des HVV, zur Sicherung einer ausreichenden medizinischen Versorgung Anpassungen des Regelleistungsvolumens vorzunehmen. Im Hinblick auf die signifikanten Unterschiede zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten seien die Vertragsparteien des HVV verpflichtet gewesen hiervon Gebrauch zu machen. Hierzu hat das Sozialgericht ausgeführt, in das Regelleistungsvolumen der Honorargruppe der Klägerin fielen, da die genehmigungspflichtigen Leistungen der Psychotherapie nicht einbezogen seien, insbesondere die Ordinationsgebühr und die probatorischen Sitzungen. Die Ordinationsgebühr betrage für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten 120 Punkte für alle Altersklassen (Ziffer 23210 bis 23212 EBM), für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten: 510 Punkte für alle Altersklassen (Ziffer 23214 EBM). Die probatorische Sitzung werde mit 1.495 Punkten bewertet (Ziffer 35150 EBM). Sie falle bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten nach den von der Beklagten vorgelegten Daten durchschnittlich 0,62mal im Quartal, bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchschnittlich 0,84mal im Quartal an. Hieraus ergebe sich, dass die Gruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten das Regelleistungsvolumen statistisch immer um mindestens 48 % bis 82 % überschreite, wobei in der Hauptgruppe der 6 bis 18 Jahre alten Versicherten die Überschreitung 65 % im Primär- und 48 % im Ersatzkassenbereich betrage. Hingegen überschreite die Gruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte und psychologischen Psychotherapeuten rechnerisch lediglich in der Gruppe der 0 bis 5 Jahre alten Versicherten das Regelleistungsvolumen um 9 %. Hierbei sei zu beachten, dass das Regelleistungsvolumen auf dem Leistungsbedarf von lediglich 80 % im Referenzzeitraum beruhe, gewisse Überschreitungen des Regelleistungsvolumens also systemimmanent seien. Die Zusammenführung beider Gruppen in einer Honorargruppe sei daher eine nicht hinnehmbare ungerechtfertigte Gleichbehandlung und führe insbesondere zur Nichtbeachtung der vom Bewertungsausschuss im EBM festgelegten Höherbewertung des Ordinationskomplexes für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Die Ziffer 23214 EBM habe gegenüber den Ziffern 23210 bis 23212 EBM einen höheren fakultativen Leistungsinhalt. Damit unterstelle der Bewertungsausschuss grundsätzlich einen höheren Leistungsaufwand, was sich im Regelleistungsvolumen abbilden müsse, da bereits mit der Einbeziehung dieses zusätzlichen Aufwands in eine Komplexziffer eine Budgetierung erfolgt sei. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung folge auch nicht daraus, dass von den 1390 psychologischen Psychotherapeuten 80 eine Doppelzulassung als psychologischer Psychotherapeut und als Kinder- und Jugendlichentherapeut habe und 183 psychologische Psychotherapeuten auch die Genehmigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen besäßen. Die Zusammenführung beider Gruppen beruhe nur insoweit auf sachgerechten Erwägungen, als eine einheitliche Honorargruppe gebildet werde, nicht hingegen soweit für alle Teile der Honorar(unter)gruppe gleich große Fallpunktzahlen gebildet würden. An der Ungleichbehandlung ändere sich auch nichts dadurch, dass das Regelleistungsvolumen wegen der Herausnahme der genehmigungspflichtigen Psychotherapieleistungen nur einen geringen Teil der Honorarforderung betreffe. Die Vertragsparteien des HVV hätten dementsprechend eine Anpassung der Fallpunktzahlen für die Teilgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unter Beachtung der unterschiedlichen Bewertung des Ordinationskomplexes vorzunehmen und die unterschiedlichen Anforderungen der probatorischen Sitzungen zu berücksichtigen. Im Übrigen liege aufgrund der Neuniederlassung der Klägerin ein Ausnahmefall vor, der die Beklagte nach Ziffer 6.3 HVV verpflichte, ihr Ermessen im Sinne einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen auszuüben. Die probatorischen Sitzungen (Ziffer 35150 EBM) fielen in den ersten Quartalen einer neu gegründeten Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie vermehrt an. Eine Mischkalkulation mit den bereits in Psychotherapie übernommenen Behandlungsfällen sei am Anfang einer Praxistätigkeit nicht bzw. nur sehr begrenzt möglich. Zudem seien die Fallzahlen sehr gering, so dass einzelne Behandlungsfälle viel stärker ins Gewicht fielen. Für das erste Quartal nach Niederlassung müssten daher die Leistungen nach Ziffer 35150 EBM aus dem Regelleistungsvolumen herausgerechnet werden, für die Folgequartale, also das zweite bis achte Quartal, sei das Regelleistungsvolumen zu verdoppeln.
Gegen den am 9. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 3. April 2009 Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass Streitgegenstand des Verfahrens lediglich die Quartale III/2006 bis IV/2007 sind. Sodann hat die Klägerin die Klage, soweit sie auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal I/2007 zielte, zurückgenommen, da der Honorarbescheid für dieses Quartal bestandskräftig geworden ist. Hinsichtlich der übrigen streitbefangenen Quartale hat die Klägerin gegen die Honorarbescheide der Beklagten Widerspruch eingelegt; die Widerspruchsverfahren sind im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruhend gestellt worden.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, es sei unzulässig, dass das Sozialgericht im Rahmen eines Antrags auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Regelleistungsvolumen überprüfe und insoweit die Beklagte zu einer Neuregelung verpflichte. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Regelleistungsvolumens könne nur im Rahmen der Anfechtung des Honorarbescheids geprüft werden. Das Sozialgericht gelange zu der Feststellung, dass das Regelleistungsvolumen fehlerhaft bemessen sei. Die Berechnungsformel sei aber durch den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 verbindlich vorgegeben und das Sozialgericht zeige nicht auf, dass es zu Fehlern im Berechnungsvorgang der Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens gekommen sei. Die Zusammenführung von verschiedenen Arztgruppen – hier der ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – sei vom Beschluss des Bewertungsausschusses gedeckt und auch sachgerecht, weil es zwischen beiden Gruppen zahlreiche Überschneidungen gebe (z.B. Doppelzulassungen, Genehmigungen zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen). Bei den probatorischen Sitzungen sei die Frequenz dieser Leistung bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit 0,84 pro Behandlungsfall nicht entscheidend höher als bei den Psychologischen Psychotherapeuten mit 0,62, so dass allein dies keine Aufsplittung beim Regelleistungsvolumen rechtfertige. Der Höherbewertung des Ordinationskomplexes sei bereits durch die Transkodierung der Leistungen nach dem EBM 1996 auf die Verhältnisse EBM 2000plus hinreichend Rechnung getragen. Sofern sich die Festsetzung der Fallpunktzahl für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aber tatsächlich als unzureichend erweise, so müsse dies unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung hingenommen werden, weil sich die Einführung des Systems der Regelleistungsvolumen als umfängliche Neuregelung einer komplexen Materie darstelle, bei der gröbere Typisierungen anfangs erlaubt seien. Eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen sei nach dem HVV nur aus Sicherstellungsgründen möglich und könne nicht auf den Status als "junge Praxis" gestützt werden, zumal die Klägerin überdurchschnittliche Fallzahlen aufweise und auch ein überdurchschnittliches Honorar erzielt habe. Zudem hätten alle Ärzte in der Anfangsphase ihrer ärztlichen Tätigkeit einen höheren Beratungsaufwand, ohne dass dies eine Abweichung vom Regelleistungsvolumen erlaube; schon aus Gleichbehandlungsgründen sei dies unzulässig. Der Status als "junge Praxis" werde dadurch berücksichtigt, dass nach dem HVV keine Fallzahlbegrenzung stattfinde, bis der Fachgruppendurchschnitt erreicht werde. Schließlich seien die Vorgaben, die das Sozialgericht hinsichtlich der erforderlichen Ausweitung des Regelleistungsvolumens mache, zu beanstanden. So sei das völlige Aussetzen des Regelleistungsvolumens mit dem Beschluss des Bewertungsausschusses unvereinbar, der lediglich Anpassungen des Regelleistungsvolumens aus Sicherstellungsgründen vorsehe. Der Gesamtsystematik des Beschlusses des Bewertungsausschusses laufe es zuwider, einen Anspruch auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen mit der Zahl der erforderlichen probatorischen Sitzungen zu begründen, da es sich insoweit um Leistungen handele, die einer Mengenausweitung zugänglich seien. Einen Verfahrensfehler stelle es dar, dass das Sozialgericht eine Neuregelung des HVV fordere, aber die Beiladung der unmittelbar daran beteiligten Krankenkassen unterlassen habe.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 13. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die gebotene Sonderregelung habe auch für die Zeit nach der Neufassung des HVV zu gelten. Die Ausstattung des Regelleistungsvolumens für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sei völlig unzureichend, weil bereits mit Ordinations- und Konsultationsgebühr das Regelleistungsvolumen praktisch ausgeschöpft werde, bevor auch nur eine Gesprächsleistung erbracht worden sei. In der Anfangsphase komme es insbesondere wegen der erforderlichen probatorischen Sitzungen zu geradezu grotesken Überschreitungen des Regelleistungsvolumens. Sie als junge Praxis erziele in den ersten Quartalen nicht nur keinen Verdienst, sondern müsse den gesamten Praxisbetrieb auf eigene Kosten aufrechterhalten. Mit der Errichtung einer Barriere absoluter Unwirtschaftlichkeit würden mittelbar auch Sicherstellungsaspekte berührt, denn derart systemwidrige Honorarbedingungen bewirkten, dass im Prinzip niederlassungswillige Psychotherapeuten sich an einer Niederlassung gehindert sähen. Völlig unzutreffend sei der Hinweis der Beklagten, durch die Transkodierung vom EBM 1996 auf den EBM 2000plus und der Höherbewertung des Ordinationskomplexes sei den Interessen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten hinreichend Rechnung getragen, denn gerade durch die Gruppenbildung mit den psychologischen Psychotherapeuten im Rahmen des Regelleistungsvolumens gehe dies wieder unter. Der Hinweis auf Anfangs- und Erprobungsregelungen gehe fehl, denn die Beklagte habe seit Einführung der Regelleistungsvolumina zum 1. April 2005 mehr als ein Jahr Zeit gehabt, die Konsequenzen zu ziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, soweit er die angegriffenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung über den Antrag der Klägerin verurteilt hat. Allerdings steht die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, zu deren Beachtung die Beklagte durch den Gerichtsbescheid verurteilt worden ist, mit dem Gesetz nicht in vollen Umfang in Einklang. Insoweit war die Beklagte zu verpflichten, die Neubescheidung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats vorzunehmen.
Einer Beiladung der Krankenkassen(-verbände) bedurfte es nicht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer Honorarverteilungsregelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten notwendig nur einheitlich ergehen kann (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr. 8).
Streitgegenstand des Verfahrens sind, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, lediglich die Quartale III/06, IV/06, II/07 bis IV/07. Insoweit hat das Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt, über den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens für die Quartale ab III/2006 (insoweit enthält der Gerichtsbescheid auf S. 10 einen offensichtlichen Schreibfehler, soweit dort vom Quartal II/2005 die Rede ist) neu zu entscheiden. Das ist erforderlich, weil der HVV 2005 die Unterschiede zwischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den übrigen Psychotherapeuten nicht ausreichend berücksichtigt und die einheitlichen Fallpunktzahlen für alle Psychotherapeuten in der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV deshalb rechtswidrig sind. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts besteht allerdings kein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aufgrund einer Ausnahmeentscheidung des Vorstands.
Mit dieser Entscheidung wird der zulässige Rahmen der rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens entgegen der Ansicht der Beklagten nicht überschritten. Im Rahmen einer Klage, die sich gegen die Ablehnung eines Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen durch den Vorstand der Beklagten nach Ziffer 6.3 HVV wendet, ist es allerdings ausgeschlossen, die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags mit der Begründung zu verurteilen, dass der HVV als solcher hinsichtlich der dort vorgenommenen Festlegung von Regelleistungsvolumen-Fallpunktzahlen für einzelne Fach(unter)gruppen rechtswidrig ist. Vorliegend war das Begehren der Klägerin jedoch nicht allein auf eine Ausnahmeregelung durch den Vorstand gerichtet, sondern sie begehrte darüber hinausgehend grundsätzliche Änderungen bezüglich des Regelleistungsvolumens. Zwar hatte die Klägerin im Rahmen ihres Schreibens vom 26. Juli 2006 ursprünglich beantragt, im Rahmen einer Sonderregelung "innerhalb der ersten Zeit" nach der Praxisgründung das Regelleistungsvolumen auszusetzen. Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin allerdings weitergehend vorgetragen, das Problem mit den nicht genehmigungspflichtigen Leistungen werde sich auch in den nächsten Quartalen nicht relativieren, da diese Leistungen das Regelleistungsvolumen bei weitem überschritten und regelmäßig nicht honorierte Leistungen ihrer Berufsgruppe darstellten; die im Regelleistungsvolumen enthaltenen Stunden reichten für die Diagnostik und Therapieplanung bei weitem nicht aus. Damit war das Begehren der Klägerin aber nicht mehr allein eine Erweiterung des Regelleistungsvolumens im Rahmen einer Einzelfallentscheidung der Beklagten, sondern sie stellte der Sache nach die grundsätzliche Geltung und Rechtmäßigkeit der im HVV hinsichtlich der für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vorgenommenen Festsetzung des Regelleistungsvolumens in Frage. Die Beklagte hat dies aufgegriffen, indem sie im Widerspruchsbescheid nicht allein Ausführungen zur Frage einer Sonderregelung gemacht, sondern sich generell zur Geltung und Unbedenklichkeit der für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten festgelegten Regelleistungsvolumina geäußert hat. Damit ist die Klage jedoch auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die Gültigkeit der fachgruppenspezifischen Regelleistungsvolumina als solche richtet. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. Februar 2010 (B 6 KA 31/08 R, juris) darauf hingewiesen, dass es im Vertragsarztrecht zulässig ist, Vorfragen, welche Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids zu klären. Bei einem Antrag, der sich gegen die Festlegung eines Regelleistungsvolumens richtet und dabei umfassend auf eine Besserstellung gerichtet ist, ist die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Regelungen im HVV im Rahmen inzidenter Normenprüfung zu prüfen (BSG a. a. O. Rdnr. 11 f.). Allerdings dürfen die Honorarbescheide nicht bestandskräftig geworden sein, weil sich dann der Anspruch auf eine Sonderregelung erledigt (BSG a. a. O.). Das ist jedoch, wie oben bereits ausgeführt, nicht der Fall.
In der Sache tritt der Senat der Auffassung des Sozialgerichts bei, dass zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede bestehen, dass die einheitlichen Fallpunktzahlen für diese Gruppen in der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßen.
Nach Anlage I zum Teil III zum Beschluss des Bewertungsausschusses gemäß § 85 Abs. 4a SGB V vom 29. Oktober 2004 (BRLV, DÄ 2004, 101 (46), A – 3129) werden für die in der Anlage genannten Arztgruppen Regelleistungsvolumen berechnet, wobei der Beschluss vorsieht, dass im Honorarverteilungsvertrag weitere Differenzierungen oder Zusammenfassungen der nachfolgend genannten Arztgruppen vereinbart werden können. Zu den in der Anlage aufgeführten Arztgruppen gehören die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte, die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Der HVV hat diese drei Gruppen zusammengefasst und ihnen ein einheitliches Regelleistungsvolumen zugeordnet.
Der Beschluss des Bewertungsausschusses sowie die daran anknüpfenden Regelungen in Ziffer 6.3 HVV sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. u. a. HLSG, Urteil vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07; Urteil vom 29. April 2009, L 4 KA 76/08; Urteil vom 24. Juni 2009, L 4 KA 85/05, alle veröffentlicht in juris). Das gilt jedoch nicht für die durch den HVV vorgenommene Zuordnung eines einheitlichen Regelleistungsvolumens für die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte, die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Denn wie das Sozialgericht überzeugend darlegt, wird hier in einer mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unvereinbaren Weise wesentlich ungleiches gleich behandelt. Nach den in sich schlüssigen und von der Beklagten nicht angegriffenen Berechnungen des Sozialgerichts kommt es bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aufgrund der im EBM mit 510 Punkten bewerteten Ordinationsgebühr (Ziffer 23214 EBM) - im Vergleich zu der mit lediglich 120 Punkten bewerten Ordinationsgebühr bei den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten (Ziffer 23210 ff. EBM) - und der bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchschnittlich höheren Anzahl probatorischer Sitzungen regelhaft zu deutlichen Überschreitungen des Regelleistungsvolumens. Das Sozialgericht errechnet allein für den Ordinationskomplex und die probatorischen Sitzungen einen durchschnittlichen quartalsbezogenen Leistungsbedarf von 1.736 Punkten in der Fachgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, was in der Hauptgruppe der 6 bis 18 Jahre alten Versicherten zu einer regelhaften Überschreitung des Regelleistungsvolumens von 65 % im Primär- und 48 % im Ersatzkassenbereich führt. Während bei den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten das Regelleistungsvolumen von durchschnittlich ca. 1050 Punkten den Leistungsbedarf adäquat abbildet, ist das bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten damit nicht der Fall und hat insbesondere zur Folge, dass die durch den Bewertungsausschuss erfolgte relationale Höherbewertung der Ordinationsziffer 23214 untergeht. Zu Recht weist das Sozialgericht aber darauf hin, dass es sich bei der Ziffer 23214 um eine Komplexziffer handelt, deren Bewertung mit 510 Punkten einen gegenüber den anderen Psychotherapeuten erheblich gesteigerten Leistungsaufwand unterstellt, der sich aus dem Leistungsinhalt "intensive Beratung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen bzw. schulischen Auswirkungen und deren Bewältigung" ergibt. Insoweit verfängt auch der Hinweis der Beklagten nicht, dass bei den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten zusätzliche Gesprächsleistungen z.B. nach Ziffer 23220 EBM anfallen und zu ähnlich hohen Punktzahlen wie bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten führen können. Denn eine über den Ordinationskomplex hinausgehende intensive Beratung kann auch bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten anfallen und die Gesprächsziffern (wie die Ziffer 23220 EBM) gelten für die gesamte Honorar(unter)gruppe.
Die hier entstehenden Ungleichheiten sind nicht als notwendige Folge generalisierender und pauschalierender Regelungen zu akzeptieren, weil es sich um eine systematische Ungleichbehandlung handelt und die wirtschaftlichen Auswirkungen bei der betroffenen Gruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten wegen der typischerweise kleinen Anzahl von Patienten auch nicht zu vernachlässigen sind. Aus diesem Grund ist es ebenfalls nicht zulässig, wegen der Überschneidungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Fall der sog. Doppelzulassung oder der Genehmigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen nach den Psychotherapie-Richtlinien diese gleich zu behandeln. Denn hierbei handelt es sich, wie das Sozialgericht zu Recht darlegt, nicht um den Regelfall, sondern um die Ausnahme. Auf die diesbezüglichen Darlegungen des Sozialgerichts nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs. 4 SGG).
Soweit die Beklagte einwendet, das Sozialgericht lege nicht dar, dass es zu Fehlern bei der Berechnung der Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens nach Maßgabe der Berechnungsformel im Beschluss des Bewertungsausschusses gekommen sei, geht dies an der Argumentation des Sozialgerichts vorbei. Denn das Sozialgericht hat nicht das Rechenwerk nach Maßgabe der Formel in Anlage 2 zum Teil III des BRLV beanstandet, sondern bemängelt zu Recht, dass der HVV die Berechnung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl für das Regelleistungsvolumen nicht – wie dies aus Gleichheitsgründen geboten ist – getrennt nach dem Leistungsbedarf der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten einerseits und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten andererseits vorgenommen hat.
Ebenfalls unbeachtlich ist die Argumentation der Beklagten, die dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit widersprechende Festlegung müsse unter dem Aspekt einer Anfangs- und Erprobungsregelung gewürdigt werden. Denn das kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn eine Regelung schon von ihrer Struktur her mit höherrangigen Vorgaben nicht vereinbar ist (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, Juris Rdnr. 31). Eben dies ist vorliegend der Fall, denn der unterschiedliche Leistungsbedarf der Fachgruppe der Klägerin resultiert im Wesentlichen unmittelbar aus den normativen Vorgaben des EBM.
Die Vertragsparteien des HVV sind daher verpflichtet, die Fallpunktzahlen für die Fachgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unter Beachtung der unterschiedlichen Bewertung des Ordinationskomplexes und der durchschnittlich höheren Zahl der probatorischen Sitzungen neu zu verhandeln. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nimmt der Senat auch insoweit Bezug.
Soweit das Sozialgericht darüber hinaus eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung im Rahmen der Ausnahmeregelung nach Ziffer 6.3 HVV bejaht und die Notwendigkeit einer vollständigen Freistellung vom Regelleistungsvolumen im ersten und einer Verdoppelung des Regelleistungsvolumens innerhalb der folgenden sieben Quartale sieht, folgt der Senat dem hingegen nicht.
Nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ist der Vorstand der KV Hessen ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.
Eine Sicherstellungsproblematik liegt im Fall der Klägerin nicht vor. Für die Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z. B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Diese Aspekte sind in gleicher Weise bei der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Der Beklagten steht bei der Gewichtung dieser Kriterien ein Beurteilungsspielraum zu (Urteil des Senats vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07 - juris). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die durch Auslegung des Begriffs "Sicherstellung" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.
Eine Sicherstellungsproblematik hat die Beklagte im Fall der Klägerin zu Recht verneint. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass ohne das Leistungsangebot der Klägerin die Versorgung mit Leistungen der Kinder- und Jugendpsychotherapie im Raum A-Stadt gefährdet wäre, da es hier eine Vielzahl entsprechender Therapeuten gibt. Die Klägerin hat das im Klageverfahren auch nicht mehr geltend gemacht.
Soweit das Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil davon ausgeht, der Begriff der Sicherstellung in Ziffer 6.3 HVV sei nicht in diesem engen Sinne, sondern weitergehend zu verstehen im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle, folgt der Senat dem nicht. Angesichts des ausdrücklich auf Sicherstellungsgründe beschränkten Wortlauts kann Ziffer 6.3 HVV nicht im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle verstanden werden. Es ist daher auch ausgeschlossen, das Fehlen einer generalklauselartigen Härtefallregelung im Wege ergänzender Auslegung in den HVV hineinzuinterpretieren (vgl. Urteile des Senats vom 17.3.2010, L 4 KA 25/08 u. a. – Revision anhängig –). Allerdings ist der HVV insoweit mit höherrangigem Recht unvereinbar, denn aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgt die Notwendigkeit, Ausnahmen vom Regelleistungsvolumen nicht allein im Fall einer Sicherstellungsproblematik, sondern auch in Härtefällen machen zu können. Es besteht daher eine Verpflichtung der Vertragsparteien des HVV, diesen um eine entsprechende Härteklausel zu ergänzen und noch rechtshängige Anträge auf Sonderregelungen auf der Grundlage dieser Neuregelung zu bescheiden (Urteile des Senats a. a. O.).
Im Fall der Klägerin fehlt es jedoch bereits an einem derartigen Härte- oder Ausnahmefall. Das Sozialgericht hat diesen mit der Begründung bejaht, dass bei einer neuen Praxis wie der der Klägerin in den ersten Quartalen vermehrt probatorische Sitzungen anfielen, die mit 1495 Punkten bewertet seien und jeweils bis zu fünfmal (bzw. bei geplanter analytischer Psychotherapie bis zu achtmal) abgerechnet werden könnten. Das Regelleistungsvolumen pro Patient betrage aber lediglich rund 1050 Punkte. Eine Mischkalkulation mit den bereits in Psychotherapie übernommenen Behandlungsfällen sei am Anfang einer Praxistätigkeit nicht bzw. nur sehr begrenzt möglich. Deshalb müssten die probatorischen Sitzungen im ersten Quartal aus dem Regelleistungsvolumen ganz herausgenommen werden; für die Folgequartale bis zum Abschluss des zweiten Jahres sei dieses zu verdoppeln.
Das sieht der Senat anders. In der Neuniederlassung eines Arztes bzw. Psychotherapeuten kann kein atypischer oder Härtefall gesehen werden, der eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen rechtfertigt. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass mit jeder Neuniederlassung ein erhöhter Aufwand für den Arzt bzw. Psychotherapeuten verbunden ist, um sich mit den Patienten vertraut zu machen und diese an sich zu binden. Gerade in dieser Situation ist die Gefahr von Mengenausweitungen bei den ärztlichen Leistungen, denen das Instrument der Regelleistungsvolumina entgegen wirken soll (vgl. hierzu die Urteile des Senats a. a. O.), besonders groß. Das gilt auch für die probatorischen Sitzungen, die nicht genehmigungspflichtig sind und über deren Umfang der Therapeut nach eigener Indikationsstellung entscheidet (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, B 6 KA 9/07 R = BSGE 100, 254, 279).
Die Zeitgebundenheit der probatorischen Sitzungen (mindestens 50 Minuten) hat allerdings bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur Folge, dass die bei einer Praxisneugründung notwendigerweise erhöhte Anzahl dieser Sitzungen zwangsläufig zu einer Überschreitung des Regelleistungsvolumens führt, da bereits mit der Ordination (Ziffer 23214 EBM, 510 Punkte) und der Durchführung einer probatorischen Sitzung (Ziffer 35150 EBM, 1495 Punkte) 2005 Punkte anfallen. Selbst unter Berücksichtigung der – wie dargelegt – erforderlichen Erhöhung des Regelleistungsvolumens für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im HVV, welche in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden muss, bedeutet dies, dass zu Beginn der Tätigkeit in erheblichem Umfang Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens und damit nur noch zum unteren Punktwert vergütet werden.
Ob dieser Aspekt im Einzelfall dazu führen kann, dass in außergewöhnlichen Konstellationen eine Praxisneugründung einen atypischen Fall begründet, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Im Fall der Klägerin fehlt es gerade an individuellen Aspekten, welche die Notwendigkeit einer Sonderregelung begründen könnten. Bei ihr hat sich nämlich bereits im dritten Quartal nach der Niederlassung die Zahl der probatorischen Sitzungen mit 23 bei 53 Behandlungsfällen völlig normalisiert und nicht einmal mehr den Durchschnitt der Fachgruppe erreicht. Erhebliche Überschreitungen gab es nur im ersten und eingeschränkt noch im zweiten Quartal (III/06: 109 bei 42 Behandlungsfällen = 340,2 % mehr als der Fachgruppendurchschnitt; IV/06: 57 bei 48 Behandlungsfällen = 109,01 % des Fachgruppendurchschnitts). Die Klägerin hat also in kurzer Zeit einen Patientenstamm aufgebaut, bei dem sie genehmigungspflichtige Psychotherapieleistungen erbringen konnte, was zu einem starken Rückgang probatorischer Sitzungen und zu wesentlich geringeren Überschreitungen des Regelleistungsvolumens geführt hat. Angesichts dessen vermag der Senat dem Sozialgericht, welches die Notwendigkeit einer auf zwei Jahre ausgedehnten Sonderregelung angenommen hat, schon im Hinblick auf die von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungen nicht zu folgen. Hinzu kommt der wirtschaftliche Erfolg der Klägerin. Denn diese hat bereits im ersten Quartal ihrer Berufstätigkeit ein Honorar von 9.569,16 EUR bei 42 Behandlungsfällen erzielt und sich damit schon in der Nähe des Durchschnitts ihrer Fachgruppe bewegt, der nach den von der Beklagten mitgeteilten Daten im Quartal III/06 bei 13.444,10 EUR bei 46 Behandlungsfällen lag. Im Quartal IV/06 lag die Klägerin mit einem Honorar von 26.823,08 EUR bei 48 Behandlungsfällen bereits weit oberhalb des Fachgruppendurchschnitts von 18.926,99 EUR bei 51 Behandlungsfällen. Dies setzt sich in den Folgequartalen fort, in denen die Klägerin stets weit oberhalb des Fachgruppendurchschnitts abgerechnet hat. Damit fehlt es aber auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten an den Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen.
Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den sog. "Aufbaupraxen" bzw. "Anfängerpraxen" kann die Klägerin keine weitergehenden Ansprüche herleiten. Das Bundessozialgericht verlangt, dass solchen Praxen in der Aufbauphase die sofortige Steigerung auf den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe möglich sein muss. Der jungen Praxis muss die Möglichkeit eingeräumt werden, durch den Zugewinn an Patienten den Umsatz zu steigern. Das ist nach dem HVV 2005 indes der Fall. Die Klägerin hatte keine Beschränkungen hinsichtlich der Fallzahl hinzunehmen und konnte ab dem zweiten Quartal ihrer Tätigkeit einen Umsatz oberhalb des Fachgruppendurchschnitts generieren.
Ebenso wenig ist aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Mai 2008 (B 6 KA 49/07 R, juris) abzuleiten, dass bei Praxen in der Aufbauphase die probatorischen Sitzungen zwingend in einem weitergehenden Umfang honoriert werden müssen. Das BSG führt aus, dass für die "für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen" ein Mindestpunktwert von 2,56 Cent garantiert sein muss (juris Rdnr. 57). Wie hoch diese Mindestzahl anzusetzen ist wird nicht näher konkretisiert. Die Ausgestaltung dieser Vorgabe ist damit Sache der Vertragsparteien des HVV. Sofern diese – wie oben im Einzelnen dargelegt – eine Neuregelung des Regelleistungsvolumens vornehmen, welches hinsichtlich der probatorischen Sitzungen den "notwendigen Mindestbedarf" abdecken und hierfür eine angemessene Honorierung vorsehen, ist dies ausreichend. Die Notwendigkeit einer speziellen Regelung für neu gegründete Praxen folgt hieraus nicht, da es sich hierbei lediglich um ein Verteilungsproblem handelt. Die Anzahl der tatsächlich erforderlichen probatorischen Sitzungen pro Patient ist bei diesen Praxen auf längere Sicht betrachtet nicht höher als bei etablierten Praxen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Von einer Quotelung im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme hat der Senat abgesehen, weil dies nur ein Quartal betrifft und die Klägerin insgesamt weit überwiegend obsiegt hat.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen (RLV) ab dem Quartal 3/06.
Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 2006 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie gehört der Honorar(unter)gruppe B 2.25 an (Psychologische Psychotherapeuten/ psychotherapeutisch tätige Ärzte/ Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) und ist abrechnungstechnisch der Fachgruppe VfG 84-93 zugeordnet.
Die Honorarentwicklung der Klägerin in den Quartalen III/06 bis IV/07 gestaltete sich wie folgt:
Quartal III/06 IV/06 I/07 II/07 III/07 IV/07
Honorarbescheid: 16.3.2007 17.4.2007 17.7.2007 17.10.2007 17.1.2008 8.5.2008
Bruttohonorar PK + EK in Euro 9.569,16 26.823,08 27.712,68 26.976,87 25.656,68 24.930,73
Fallzahl PK + EK 42 48 53 48 53 56
Anzahl der Leistungen nach
Ziff. 35130 (Bericht Kurzzeittherapie, 710 Punkte 10 9
Ziff. 35131 (Bericht Langzeittherapie, 1.420 Punkte) 12 9 1 5 8 1
Ziff. 35140 (Biographische Anamnese, 1.310 Punkte) 32 13 7 5 8 6
Ziff. 35141 (Zuschlag, 475 Punkte) 33 13 7 5 8 1
Ziff. 35150 (Probatorische Sitzung, 1.495 Punkte) 109 57 23 35 22 16
Praxisbezogenes Regelleistungsvolumen 46.195,8 52.862,4 58.247,0 52.531,2 57.600,0 61.616,8
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 345.890,0 198.640,0 117.175,0 100.865,0 134.580,0 94.750,0
Überschreitung 299.694,2 145.776,6 58.928,0 48.333,8 76,979,6 33.133,2
Am 28. Juli 2006 beantragte die Klägerin, ihre Besonderheiten bei der Zuerkennung des Regelleistungsvolumens zu berücksichtigen. Ihr würden pro Patient ca. 1.000 Punkte zugewiesen werden. Die von ihr übernommene Praxis habe zuvor Erwachsene behandelt. Sie habe nur neue Patienten. Die Erstdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen umfasse pro Patient ca. 13.000 Punkte. Würden ihr pro Patient bei einem Punktwert von 2,8 Cent lediglich 1.000 Punkte zugewiesen werden, bedeute das bei 30 Patienten ein Quartalseinkommen von ca. 840,00 EUR bei Vollzeittätigkeit. Sie bitte daher darum, für die erste Zeit das Regelleistungsvolumen auszusetzen.
Mit Bescheid vom 25. September 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens ab den Quartalen III/06 ab. Der Honorarverteilungsvertrag sehe für die Fachgruppe der Klägerin folgende arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen vor:
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0-5 6-59 60+ 0-5 6-59 60+
Fallpunktzahl 1.050 1.054 1.054 956 1.166 1.065
Eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen sei nur aus Gründen der Sicherstellung möglich. Im Planungsbereich A-Stadt-Stadt bestehe jedoch eine Überversorgung an psychologischen Psychotherapeuten. Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass sie als neue Praxis bisher überwiegend die dem Regelleistungsvolumen unterliegenden nichtgenehmigungspflichtigen Leistungen (wie z.B. die probatorischen Sitzungen) erbringe, stünden dieser Situation seit der Einführung von Budgets, Regelleistungsvolumina etc. alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten gegenüber. Eine gesonderte Berücksichtigung des in der Anfangsphase deutlich höheren Aufwandes an nichtgenehmigungspflichtigen Leistungen bezogen auf das medizinische Kennenlernen eines Patienten sei nicht möglich.
Die Klägerin erhob am 19. Oktober 2006 Widerspruch und trug vor, in der Realität bestehe ein signifikanter Therapieplatzmangel in A-Stadt insbesondere für Kinder. Familien müssten durchschnittlich sechs bis neun Monate auf einen Therapieplatz warten. Sie habe im ersten Quartal ihrer Tätigkeit ca. 70 % nicht genehmigungspflichtige Leistungen erbracht. Diese würden zum Großteil nicht oder miserabel bezahlt. Ihre Einnahmen von 10.000,00 EUR im ersten Abrechnungsquartal würden gerade einmal ihre Fixkosten decken. Das Problem werde sich auch in den nächsten Quartalen nicht relativieren, da die nicht genehmigungspflichtigen Leistungen allgemein das Regelleistungsvolumen bei weitem überschritten und regelmäßig nicht honorierte Leistungen ihrer Berufsgruppe darstellten. Es entspreche berufsethischen Grundsätzen, erst nach einer ausführlichen Diagnostik und Therapieplanung einen Therapieantrag zu stellen; dafür reichten die im Regelleistungsvolumen enthaltenen Stunden bei weitem nicht aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der Klage vom 10. August 2007 hat die Klägerin geltend gemacht, die Fallpunktzahl des Regelleistungsvolumens von durchschnittlich rund 1.100 Punkten sei für sie als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zu niedrig und mit den Grundsätzen einer verteilungsgerechten Vergütung nicht vereinbar. Vor Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfe es einer exakten Eingangsdiagnostik. Dazu gehörten der Ordinationskomplex (510 Punkte), 5 probatorische Sitzungen (5x1545 = 7.725 Punkte), biographische Anamnese (1310 Punkte) und der Bericht zum Gutachten (1.420 Punkte), insgesamt 10.965 Punkte. Die von der Beklagten errechneten Fallpunktzahlen seien angesichts dessen völlig unzureichend. Noch unhaltbarer erscheine dieses Regelleistungsvolumen, wenn die Situation der Berufsanfänger/innen in Betracht bezogen werde, denn diese könnten in den ersten 3 bis 4 Quartalen in Ermangelung bereits laufender Psychotherapien praktisch nur probatorische Sitzungen abrechnen. Das führe dazu, dass nach den hohen finanziellen Belastungen der Berufsausbildung und den notwendigen Investitionen im Rahmen der Praxiseröffnung eine nahezu einjährige Praxisphase beginne, in der selbst bei voller Praxisauslastung nur Verluste gemacht werden könnten.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2009 die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zwar seien die Regelungen zu den praxisindividuellen Regelleistungsvolumina in Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrags (HVV) vom 10. November 2005 grundsätzlich rechtmäßig. Die Vertragsparteien des HVV hätten aber verkannt, dass hinsichtlich der Bemessung des Regelleistungsvolumens zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede bestünden, dass die einheitlichen Fallpunktzahlen für diese Gruppen in der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstießen. Zudem ermächtige Abschnitt III 3.1 Abs. 3 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 die Vertragsparteien des HVV, zur Sicherung einer ausreichenden medizinischen Versorgung Anpassungen des Regelleistungsvolumens vorzunehmen. Im Hinblick auf die signifikanten Unterschiede zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten seien die Vertragsparteien des HVV verpflichtet gewesen hiervon Gebrauch zu machen. Hierzu hat das Sozialgericht ausgeführt, in das Regelleistungsvolumen der Honorargruppe der Klägerin fielen, da die genehmigungspflichtigen Leistungen der Psychotherapie nicht einbezogen seien, insbesondere die Ordinationsgebühr und die probatorischen Sitzungen. Die Ordinationsgebühr betrage für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten 120 Punkte für alle Altersklassen (Ziffer 23210 bis 23212 EBM), für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten: 510 Punkte für alle Altersklassen (Ziffer 23214 EBM). Die probatorische Sitzung werde mit 1.495 Punkten bewertet (Ziffer 35150 EBM). Sie falle bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten nach den von der Beklagten vorgelegten Daten durchschnittlich 0,62mal im Quartal, bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchschnittlich 0,84mal im Quartal an. Hieraus ergebe sich, dass die Gruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten das Regelleistungsvolumen statistisch immer um mindestens 48 % bis 82 % überschreite, wobei in der Hauptgruppe der 6 bis 18 Jahre alten Versicherten die Überschreitung 65 % im Primär- und 48 % im Ersatzkassenbereich betrage. Hingegen überschreite die Gruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte und psychologischen Psychotherapeuten rechnerisch lediglich in der Gruppe der 0 bis 5 Jahre alten Versicherten das Regelleistungsvolumen um 9 %. Hierbei sei zu beachten, dass das Regelleistungsvolumen auf dem Leistungsbedarf von lediglich 80 % im Referenzzeitraum beruhe, gewisse Überschreitungen des Regelleistungsvolumens also systemimmanent seien. Die Zusammenführung beider Gruppen in einer Honorargruppe sei daher eine nicht hinnehmbare ungerechtfertigte Gleichbehandlung und führe insbesondere zur Nichtbeachtung der vom Bewertungsausschuss im EBM festgelegten Höherbewertung des Ordinationskomplexes für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Die Ziffer 23214 EBM habe gegenüber den Ziffern 23210 bis 23212 EBM einen höheren fakultativen Leistungsinhalt. Damit unterstelle der Bewertungsausschuss grundsätzlich einen höheren Leistungsaufwand, was sich im Regelleistungsvolumen abbilden müsse, da bereits mit der Einbeziehung dieses zusätzlichen Aufwands in eine Komplexziffer eine Budgetierung erfolgt sei. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung folge auch nicht daraus, dass von den 1390 psychologischen Psychotherapeuten 80 eine Doppelzulassung als psychologischer Psychotherapeut und als Kinder- und Jugendlichentherapeut habe und 183 psychologische Psychotherapeuten auch die Genehmigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen besäßen. Die Zusammenführung beider Gruppen beruhe nur insoweit auf sachgerechten Erwägungen, als eine einheitliche Honorargruppe gebildet werde, nicht hingegen soweit für alle Teile der Honorar(unter)gruppe gleich große Fallpunktzahlen gebildet würden. An der Ungleichbehandlung ändere sich auch nichts dadurch, dass das Regelleistungsvolumen wegen der Herausnahme der genehmigungspflichtigen Psychotherapieleistungen nur einen geringen Teil der Honorarforderung betreffe. Die Vertragsparteien des HVV hätten dementsprechend eine Anpassung der Fallpunktzahlen für die Teilgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unter Beachtung der unterschiedlichen Bewertung des Ordinationskomplexes vorzunehmen und die unterschiedlichen Anforderungen der probatorischen Sitzungen zu berücksichtigen. Im Übrigen liege aufgrund der Neuniederlassung der Klägerin ein Ausnahmefall vor, der die Beklagte nach Ziffer 6.3 HVV verpflichte, ihr Ermessen im Sinne einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen auszuüben. Die probatorischen Sitzungen (Ziffer 35150 EBM) fielen in den ersten Quartalen einer neu gegründeten Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie vermehrt an. Eine Mischkalkulation mit den bereits in Psychotherapie übernommenen Behandlungsfällen sei am Anfang einer Praxistätigkeit nicht bzw. nur sehr begrenzt möglich. Zudem seien die Fallzahlen sehr gering, so dass einzelne Behandlungsfälle viel stärker ins Gewicht fielen. Für das erste Quartal nach Niederlassung müssten daher die Leistungen nach Ziffer 35150 EBM aus dem Regelleistungsvolumen herausgerechnet werden, für die Folgequartale, also das zweite bis achte Quartal, sei das Regelleistungsvolumen zu verdoppeln.
Gegen den am 9. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 3. April 2009 Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass Streitgegenstand des Verfahrens lediglich die Quartale III/2006 bis IV/2007 sind. Sodann hat die Klägerin die Klage, soweit sie auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal I/2007 zielte, zurückgenommen, da der Honorarbescheid für dieses Quartal bestandskräftig geworden ist. Hinsichtlich der übrigen streitbefangenen Quartale hat die Klägerin gegen die Honorarbescheide der Beklagten Widerspruch eingelegt; die Widerspruchsverfahren sind im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruhend gestellt worden.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, es sei unzulässig, dass das Sozialgericht im Rahmen eines Antrags auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Regelleistungsvolumen überprüfe und insoweit die Beklagte zu einer Neuregelung verpflichte. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Regelleistungsvolumens könne nur im Rahmen der Anfechtung des Honorarbescheids geprüft werden. Das Sozialgericht gelange zu der Feststellung, dass das Regelleistungsvolumen fehlerhaft bemessen sei. Die Berechnungsformel sei aber durch den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 verbindlich vorgegeben und das Sozialgericht zeige nicht auf, dass es zu Fehlern im Berechnungsvorgang der Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens gekommen sei. Die Zusammenführung von verschiedenen Arztgruppen – hier der ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – sei vom Beschluss des Bewertungsausschusses gedeckt und auch sachgerecht, weil es zwischen beiden Gruppen zahlreiche Überschneidungen gebe (z.B. Doppelzulassungen, Genehmigungen zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen). Bei den probatorischen Sitzungen sei die Frequenz dieser Leistung bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit 0,84 pro Behandlungsfall nicht entscheidend höher als bei den Psychologischen Psychotherapeuten mit 0,62, so dass allein dies keine Aufsplittung beim Regelleistungsvolumen rechtfertige. Der Höherbewertung des Ordinationskomplexes sei bereits durch die Transkodierung der Leistungen nach dem EBM 1996 auf die Verhältnisse EBM 2000plus hinreichend Rechnung getragen. Sofern sich die Festsetzung der Fallpunktzahl für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aber tatsächlich als unzureichend erweise, so müsse dies unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung hingenommen werden, weil sich die Einführung des Systems der Regelleistungsvolumen als umfängliche Neuregelung einer komplexen Materie darstelle, bei der gröbere Typisierungen anfangs erlaubt seien. Eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen sei nach dem HVV nur aus Sicherstellungsgründen möglich und könne nicht auf den Status als "junge Praxis" gestützt werden, zumal die Klägerin überdurchschnittliche Fallzahlen aufweise und auch ein überdurchschnittliches Honorar erzielt habe. Zudem hätten alle Ärzte in der Anfangsphase ihrer ärztlichen Tätigkeit einen höheren Beratungsaufwand, ohne dass dies eine Abweichung vom Regelleistungsvolumen erlaube; schon aus Gleichbehandlungsgründen sei dies unzulässig. Der Status als "junge Praxis" werde dadurch berücksichtigt, dass nach dem HVV keine Fallzahlbegrenzung stattfinde, bis der Fachgruppendurchschnitt erreicht werde. Schließlich seien die Vorgaben, die das Sozialgericht hinsichtlich der erforderlichen Ausweitung des Regelleistungsvolumens mache, zu beanstanden. So sei das völlige Aussetzen des Regelleistungsvolumens mit dem Beschluss des Bewertungsausschusses unvereinbar, der lediglich Anpassungen des Regelleistungsvolumens aus Sicherstellungsgründen vorsehe. Der Gesamtsystematik des Beschlusses des Bewertungsausschusses laufe es zuwider, einen Anspruch auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen mit der Zahl der erforderlichen probatorischen Sitzungen zu begründen, da es sich insoweit um Leistungen handele, die einer Mengenausweitung zugänglich seien. Einen Verfahrensfehler stelle es dar, dass das Sozialgericht eine Neuregelung des HVV fordere, aber die Beiladung der unmittelbar daran beteiligten Krankenkassen unterlassen habe.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 13. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die gebotene Sonderregelung habe auch für die Zeit nach der Neufassung des HVV zu gelten. Die Ausstattung des Regelleistungsvolumens für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sei völlig unzureichend, weil bereits mit Ordinations- und Konsultationsgebühr das Regelleistungsvolumen praktisch ausgeschöpft werde, bevor auch nur eine Gesprächsleistung erbracht worden sei. In der Anfangsphase komme es insbesondere wegen der erforderlichen probatorischen Sitzungen zu geradezu grotesken Überschreitungen des Regelleistungsvolumens. Sie als junge Praxis erziele in den ersten Quartalen nicht nur keinen Verdienst, sondern müsse den gesamten Praxisbetrieb auf eigene Kosten aufrechterhalten. Mit der Errichtung einer Barriere absoluter Unwirtschaftlichkeit würden mittelbar auch Sicherstellungsaspekte berührt, denn derart systemwidrige Honorarbedingungen bewirkten, dass im Prinzip niederlassungswillige Psychotherapeuten sich an einer Niederlassung gehindert sähen. Völlig unzutreffend sei der Hinweis der Beklagten, durch die Transkodierung vom EBM 1996 auf den EBM 2000plus und der Höherbewertung des Ordinationskomplexes sei den Interessen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten hinreichend Rechnung getragen, denn gerade durch die Gruppenbildung mit den psychologischen Psychotherapeuten im Rahmen des Regelleistungsvolumens gehe dies wieder unter. Der Hinweis auf Anfangs- und Erprobungsregelungen gehe fehl, denn die Beklagte habe seit Einführung der Regelleistungsvolumina zum 1. April 2005 mehr als ein Jahr Zeit gehabt, die Konsequenzen zu ziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, soweit er die angegriffenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung über den Antrag der Klägerin verurteilt hat. Allerdings steht die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, zu deren Beachtung die Beklagte durch den Gerichtsbescheid verurteilt worden ist, mit dem Gesetz nicht in vollen Umfang in Einklang. Insoweit war die Beklagte zu verpflichten, die Neubescheidung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats vorzunehmen.
Einer Beiladung der Krankenkassen(-verbände) bedurfte es nicht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer Honorarverteilungsregelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten notwendig nur einheitlich ergehen kann (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr. 8).
Streitgegenstand des Verfahrens sind, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, lediglich die Quartale III/06, IV/06, II/07 bis IV/07. Insoweit hat das Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt, über den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens für die Quartale ab III/2006 (insoweit enthält der Gerichtsbescheid auf S. 10 einen offensichtlichen Schreibfehler, soweit dort vom Quartal II/2005 die Rede ist) neu zu entscheiden. Das ist erforderlich, weil der HVV 2005 die Unterschiede zwischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den übrigen Psychotherapeuten nicht ausreichend berücksichtigt und die einheitlichen Fallpunktzahlen für alle Psychotherapeuten in der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV deshalb rechtswidrig sind. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts besteht allerdings kein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aufgrund einer Ausnahmeentscheidung des Vorstands.
Mit dieser Entscheidung wird der zulässige Rahmen der rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens entgegen der Ansicht der Beklagten nicht überschritten. Im Rahmen einer Klage, die sich gegen die Ablehnung eines Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen durch den Vorstand der Beklagten nach Ziffer 6.3 HVV wendet, ist es allerdings ausgeschlossen, die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags mit der Begründung zu verurteilen, dass der HVV als solcher hinsichtlich der dort vorgenommenen Festlegung von Regelleistungsvolumen-Fallpunktzahlen für einzelne Fach(unter)gruppen rechtswidrig ist. Vorliegend war das Begehren der Klägerin jedoch nicht allein auf eine Ausnahmeregelung durch den Vorstand gerichtet, sondern sie begehrte darüber hinausgehend grundsätzliche Änderungen bezüglich des Regelleistungsvolumens. Zwar hatte die Klägerin im Rahmen ihres Schreibens vom 26. Juli 2006 ursprünglich beantragt, im Rahmen einer Sonderregelung "innerhalb der ersten Zeit" nach der Praxisgründung das Regelleistungsvolumen auszusetzen. Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin allerdings weitergehend vorgetragen, das Problem mit den nicht genehmigungspflichtigen Leistungen werde sich auch in den nächsten Quartalen nicht relativieren, da diese Leistungen das Regelleistungsvolumen bei weitem überschritten und regelmäßig nicht honorierte Leistungen ihrer Berufsgruppe darstellten; die im Regelleistungsvolumen enthaltenen Stunden reichten für die Diagnostik und Therapieplanung bei weitem nicht aus. Damit war das Begehren der Klägerin aber nicht mehr allein eine Erweiterung des Regelleistungsvolumens im Rahmen einer Einzelfallentscheidung der Beklagten, sondern sie stellte der Sache nach die grundsätzliche Geltung und Rechtmäßigkeit der im HVV hinsichtlich der für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vorgenommenen Festsetzung des Regelleistungsvolumens in Frage. Die Beklagte hat dies aufgegriffen, indem sie im Widerspruchsbescheid nicht allein Ausführungen zur Frage einer Sonderregelung gemacht, sondern sich generell zur Geltung und Unbedenklichkeit der für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten festgelegten Regelleistungsvolumina geäußert hat. Damit ist die Klage jedoch auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die Gültigkeit der fachgruppenspezifischen Regelleistungsvolumina als solche richtet. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. Februar 2010 (B 6 KA 31/08 R, juris) darauf hingewiesen, dass es im Vertragsarztrecht zulässig ist, Vorfragen, welche Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids zu klären. Bei einem Antrag, der sich gegen die Festlegung eines Regelleistungsvolumens richtet und dabei umfassend auf eine Besserstellung gerichtet ist, ist die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Regelungen im HVV im Rahmen inzidenter Normenprüfung zu prüfen (BSG a. a. O. Rdnr. 11 f.). Allerdings dürfen die Honorarbescheide nicht bestandskräftig geworden sein, weil sich dann der Anspruch auf eine Sonderregelung erledigt (BSG a. a. O.). Das ist jedoch, wie oben bereits ausgeführt, nicht der Fall.
In der Sache tritt der Senat der Auffassung des Sozialgerichts bei, dass zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede bestehen, dass die einheitlichen Fallpunktzahlen für diese Gruppen in der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßen.
Nach Anlage I zum Teil III zum Beschluss des Bewertungsausschusses gemäß § 85 Abs. 4a SGB V vom 29. Oktober 2004 (BRLV, DÄ 2004, 101 (46), A – 3129) werden für die in der Anlage genannten Arztgruppen Regelleistungsvolumen berechnet, wobei der Beschluss vorsieht, dass im Honorarverteilungsvertrag weitere Differenzierungen oder Zusammenfassungen der nachfolgend genannten Arztgruppen vereinbart werden können. Zu den in der Anlage aufgeführten Arztgruppen gehören die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte, die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Der HVV hat diese drei Gruppen zusammengefasst und ihnen ein einheitliches Regelleistungsvolumen zugeordnet.
Der Beschluss des Bewertungsausschusses sowie die daran anknüpfenden Regelungen in Ziffer 6.3 HVV sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. u. a. HLSG, Urteil vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07; Urteil vom 29. April 2009, L 4 KA 76/08; Urteil vom 24. Juni 2009, L 4 KA 85/05, alle veröffentlicht in juris). Das gilt jedoch nicht für die durch den HVV vorgenommene Zuordnung eines einheitlichen Regelleistungsvolumens für die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte, die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Denn wie das Sozialgericht überzeugend darlegt, wird hier in einer mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unvereinbaren Weise wesentlich ungleiches gleich behandelt. Nach den in sich schlüssigen und von der Beklagten nicht angegriffenen Berechnungen des Sozialgerichts kommt es bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aufgrund der im EBM mit 510 Punkten bewerteten Ordinationsgebühr (Ziffer 23214 EBM) - im Vergleich zu der mit lediglich 120 Punkten bewerten Ordinationsgebühr bei den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten (Ziffer 23210 ff. EBM) - und der bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchschnittlich höheren Anzahl probatorischer Sitzungen regelhaft zu deutlichen Überschreitungen des Regelleistungsvolumens. Das Sozialgericht errechnet allein für den Ordinationskomplex und die probatorischen Sitzungen einen durchschnittlichen quartalsbezogenen Leistungsbedarf von 1.736 Punkten in der Fachgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, was in der Hauptgruppe der 6 bis 18 Jahre alten Versicherten zu einer regelhaften Überschreitung des Regelleistungsvolumens von 65 % im Primär- und 48 % im Ersatzkassenbereich führt. Während bei den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten das Regelleistungsvolumen von durchschnittlich ca. 1050 Punkten den Leistungsbedarf adäquat abbildet, ist das bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten damit nicht der Fall und hat insbesondere zur Folge, dass die durch den Bewertungsausschuss erfolgte relationale Höherbewertung der Ordinationsziffer 23214 untergeht. Zu Recht weist das Sozialgericht aber darauf hin, dass es sich bei der Ziffer 23214 um eine Komplexziffer handelt, deren Bewertung mit 510 Punkten einen gegenüber den anderen Psychotherapeuten erheblich gesteigerten Leistungsaufwand unterstellt, der sich aus dem Leistungsinhalt "intensive Beratung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen bzw. schulischen Auswirkungen und deren Bewältigung" ergibt. Insoweit verfängt auch der Hinweis der Beklagten nicht, dass bei den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten zusätzliche Gesprächsleistungen z.B. nach Ziffer 23220 EBM anfallen und zu ähnlich hohen Punktzahlen wie bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten führen können. Denn eine über den Ordinationskomplex hinausgehende intensive Beratung kann auch bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten anfallen und die Gesprächsziffern (wie die Ziffer 23220 EBM) gelten für die gesamte Honorar(unter)gruppe.
Die hier entstehenden Ungleichheiten sind nicht als notwendige Folge generalisierender und pauschalierender Regelungen zu akzeptieren, weil es sich um eine systematische Ungleichbehandlung handelt und die wirtschaftlichen Auswirkungen bei der betroffenen Gruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten wegen der typischerweise kleinen Anzahl von Patienten auch nicht zu vernachlässigen sind. Aus diesem Grund ist es ebenfalls nicht zulässig, wegen der Überschneidungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Fall der sog. Doppelzulassung oder der Genehmigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen nach den Psychotherapie-Richtlinien diese gleich zu behandeln. Denn hierbei handelt es sich, wie das Sozialgericht zu Recht darlegt, nicht um den Regelfall, sondern um die Ausnahme. Auf die diesbezüglichen Darlegungen des Sozialgerichts nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs. 4 SGG).
Soweit die Beklagte einwendet, das Sozialgericht lege nicht dar, dass es zu Fehlern bei der Berechnung der Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens nach Maßgabe der Berechnungsformel im Beschluss des Bewertungsausschusses gekommen sei, geht dies an der Argumentation des Sozialgerichts vorbei. Denn das Sozialgericht hat nicht das Rechenwerk nach Maßgabe der Formel in Anlage 2 zum Teil III des BRLV beanstandet, sondern bemängelt zu Recht, dass der HVV die Berechnung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl für das Regelleistungsvolumen nicht – wie dies aus Gleichheitsgründen geboten ist – getrennt nach dem Leistungsbedarf der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten einerseits und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten andererseits vorgenommen hat.
Ebenfalls unbeachtlich ist die Argumentation der Beklagten, die dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit widersprechende Festlegung müsse unter dem Aspekt einer Anfangs- und Erprobungsregelung gewürdigt werden. Denn das kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn eine Regelung schon von ihrer Struktur her mit höherrangigen Vorgaben nicht vereinbar ist (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, Juris Rdnr. 31). Eben dies ist vorliegend der Fall, denn der unterschiedliche Leistungsbedarf der Fachgruppe der Klägerin resultiert im Wesentlichen unmittelbar aus den normativen Vorgaben des EBM.
Die Vertragsparteien des HVV sind daher verpflichtet, die Fallpunktzahlen für die Fachgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unter Beachtung der unterschiedlichen Bewertung des Ordinationskomplexes und der durchschnittlich höheren Zahl der probatorischen Sitzungen neu zu verhandeln. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nimmt der Senat auch insoweit Bezug.
Soweit das Sozialgericht darüber hinaus eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung im Rahmen der Ausnahmeregelung nach Ziffer 6.3 HVV bejaht und die Notwendigkeit einer vollständigen Freistellung vom Regelleistungsvolumen im ersten und einer Verdoppelung des Regelleistungsvolumens innerhalb der folgenden sieben Quartale sieht, folgt der Senat dem hingegen nicht.
Nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ist der Vorstand der KV Hessen ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.
Eine Sicherstellungsproblematik liegt im Fall der Klägerin nicht vor. Für die Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z. B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Diese Aspekte sind in gleicher Weise bei der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Der Beklagten steht bei der Gewichtung dieser Kriterien ein Beurteilungsspielraum zu (Urteil des Senats vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07 - juris). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die durch Auslegung des Begriffs "Sicherstellung" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.
Eine Sicherstellungsproblematik hat die Beklagte im Fall der Klägerin zu Recht verneint. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass ohne das Leistungsangebot der Klägerin die Versorgung mit Leistungen der Kinder- und Jugendpsychotherapie im Raum A-Stadt gefährdet wäre, da es hier eine Vielzahl entsprechender Therapeuten gibt. Die Klägerin hat das im Klageverfahren auch nicht mehr geltend gemacht.
Soweit das Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil davon ausgeht, der Begriff der Sicherstellung in Ziffer 6.3 HVV sei nicht in diesem engen Sinne, sondern weitergehend zu verstehen im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle, folgt der Senat dem nicht. Angesichts des ausdrücklich auf Sicherstellungsgründe beschränkten Wortlauts kann Ziffer 6.3 HVV nicht im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle verstanden werden. Es ist daher auch ausgeschlossen, das Fehlen einer generalklauselartigen Härtefallregelung im Wege ergänzender Auslegung in den HVV hineinzuinterpretieren (vgl. Urteile des Senats vom 17.3.2010, L 4 KA 25/08 u. a. – Revision anhängig –). Allerdings ist der HVV insoweit mit höherrangigem Recht unvereinbar, denn aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgt die Notwendigkeit, Ausnahmen vom Regelleistungsvolumen nicht allein im Fall einer Sicherstellungsproblematik, sondern auch in Härtefällen machen zu können. Es besteht daher eine Verpflichtung der Vertragsparteien des HVV, diesen um eine entsprechende Härteklausel zu ergänzen und noch rechtshängige Anträge auf Sonderregelungen auf der Grundlage dieser Neuregelung zu bescheiden (Urteile des Senats a. a. O.).
Im Fall der Klägerin fehlt es jedoch bereits an einem derartigen Härte- oder Ausnahmefall. Das Sozialgericht hat diesen mit der Begründung bejaht, dass bei einer neuen Praxis wie der der Klägerin in den ersten Quartalen vermehrt probatorische Sitzungen anfielen, die mit 1495 Punkten bewertet seien und jeweils bis zu fünfmal (bzw. bei geplanter analytischer Psychotherapie bis zu achtmal) abgerechnet werden könnten. Das Regelleistungsvolumen pro Patient betrage aber lediglich rund 1050 Punkte. Eine Mischkalkulation mit den bereits in Psychotherapie übernommenen Behandlungsfällen sei am Anfang einer Praxistätigkeit nicht bzw. nur sehr begrenzt möglich. Deshalb müssten die probatorischen Sitzungen im ersten Quartal aus dem Regelleistungsvolumen ganz herausgenommen werden; für die Folgequartale bis zum Abschluss des zweiten Jahres sei dieses zu verdoppeln.
Das sieht der Senat anders. In der Neuniederlassung eines Arztes bzw. Psychotherapeuten kann kein atypischer oder Härtefall gesehen werden, der eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen rechtfertigt. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass mit jeder Neuniederlassung ein erhöhter Aufwand für den Arzt bzw. Psychotherapeuten verbunden ist, um sich mit den Patienten vertraut zu machen und diese an sich zu binden. Gerade in dieser Situation ist die Gefahr von Mengenausweitungen bei den ärztlichen Leistungen, denen das Instrument der Regelleistungsvolumina entgegen wirken soll (vgl. hierzu die Urteile des Senats a. a. O.), besonders groß. Das gilt auch für die probatorischen Sitzungen, die nicht genehmigungspflichtig sind und über deren Umfang der Therapeut nach eigener Indikationsstellung entscheidet (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, B 6 KA 9/07 R = BSGE 100, 254, 279).
Die Zeitgebundenheit der probatorischen Sitzungen (mindestens 50 Minuten) hat allerdings bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur Folge, dass die bei einer Praxisneugründung notwendigerweise erhöhte Anzahl dieser Sitzungen zwangsläufig zu einer Überschreitung des Regelleistungsvolumens führt, da bereits mit der Ordination (Ziffer 23214 EBM, 510 Punkte) und der Durchführung einer probatorischen Sitzung (Ziffer 35150 EBM, 1495 Punkte) 2005 Punkte anfallen. Selbst unter Berücksichtigung der – wie dargelegt – erforderlichen Erhöhung des Regelleistungsvolumens für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im HVV, welche in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden muss, bedeutet dies, dass zu Beginn der Tätigkeit in erheblichem Umfang Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens und damit nur noch zum unteren Punktwert vergütet werden.
Ob dieser Aspekt im Einzelfall dazu führen kann, dass in außergewöhnlichen Konstellationen eine Praxisneugründung einen atypischen Fall begründet, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Im Fall der Klägerin fehlt es gerade an individuellen Aspekten, welche die Notwendigkeit einer Sonderregelung begründen könnten. Bei ihr hat sich nämlich bereits im dritten Quartal nach der Niederlassung die Zahl der probatorischen Sitzungen mit 23 bei 53 Behandlungsfällen völlig normalisiert und nicht einmal mehr den Durchschnitt der Fachgruppe erreicht. Erhebliche Überschreitungen gab es nur im ersten und eingeschränkt noch im zweiten Quartal (III/06: 109 bei 42 Behandlungsfällen = 340,2 % mehr als der Fachgruppendurchschnitt; IV/06: 57 bei 48 Behandlungsfällen = 109,01 % des Fachgruppendurchschnitts). Die Klägerin hat also in kurzer Zeit einen Patientenstamm aufgebaut, bei dem sie genehmigungspflichtige Psychotherapieleistungen erbringen konnte, was zu einem starken Rückgang probatorischer Sitzungen und zu wesentlich geringeren Überschreitungen des Regelleistungsvolumens geführt hat. Angesichts dessen vermag der Senat dem Sozialgericht, welches die Notwendigkeit einer auf zwei Jahre ausgedehnten Sonderregelung angenommen hat, schon im Hinblick auf die von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungen nicht zu folgen. Hinzu kommt der wirtschaftliche Erfolg der Klägerin. Denn diese hat bereits im ersten Quartal ihrer Berufstätigkeit ein Honorar von 9.569,16 EUR bei 42 Behandlungsfällen erzielt und sich damit schon in der Nähe des Durchschnitts ihrer Fachgruppe bewegt, der nach den von der Beklagten mitgeteilten Daten im Quartal III/06 bei 13.444,10 EUR bei 46 Behandlungsfällen lag. Im Quartal IV/06 lag die Klägerin mit einem Honorar von 26.823,08 EUR bei 48 Behandlungsfällen bereits weit oberhalb des Fachgruppendurchschnitts von 18.926,99 EUR bei 51 Behandlungsfällen. Dies setzt sich in den Folgequartalen fort, in denen die Klägerin stets weit oberhalb des Fachgruppendurchschnitts abgerechnet hat. Damit fehlt es aber auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten an den Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen.
Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den sog. "Aufbaupraxen" bzw. "Anfängerpraxen" kann die Klägerin keine weitergehenden Ansprüche herleiten. Das Bundessozialgericht verlangt, dass solchen Praxen in der Aufbauphase die sofortige Steigerung auf den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe möglich sein muss. Der jungen Praxis muss die Möglichkeit eingeräumt werden, durch den Zugewinn an Patienten den Umsatz zu steigern. Das ist nach dem HVV 2005 indes der Fall. Die Klägerin hatte keine Beschränkungen hinsichtlich der Fallzahl hinzunehmen und konnte ab dem zweiten Quartal ihrer Tätigkeit einen Umsatz oberhalb des Fachgruppendurchschnitts generieren.
Ebenso wenig ist aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Mai 2008 (B 6 KA 49/07 R, juris) abzuleiten, dass bei Praxen in der Aufbauphase die probatorischen Sitzungen zwingend in einem weitergehenden Umfang honoriert werden müssen. Das BSG führt aus, dass für die "für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen" ein Mindestpunktwert von 2,56 Cent garantiert sein muss (juris Rdnr. 57). Wie hoch diese Mindestzahl anzusetzen ist wird nicht näher konkretisiert. Die Ausgestaltung dieser Vorgabe ist damit Sache der Vertragsparteien des HVV. Sofern diese – wie oben im Einzelnen dargelegt – eine Neuregelung des Regelleistungsvolumens vornehmen, welches hinsichtlich der probatorischen Sitzungen den "notwendigen Mindestbedarf" abdecken und hierfür eine angemessene Honorierung vorsehen, ist dies ausreichend. Die Notwendigkeit einer speziellen Regelung für neu gegründete Praxen folgt hieraus nicht, da es sich hierbei lediglich um ein Verteilungsproblem handelt. Die Anzahl der tatsächlich erforderlichen probatorischen Sitzungen pro Patient ist bei diesen Praxen auf längere Sicht betrachtet nicht höher als bei etablierten Praxen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Von einer Quotelung im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme hat der Senat abgesehen, weil dies nur ein Quartal betrifft und die Klägerin insgesamt weit überwiegend obsiegt hat.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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