Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 6453/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2195/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kurzarbeitergeld für den Monat Juni 2009 und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen in pauschaliertem Umfang i.H.v. insg. 3.156,56 EUR.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Spritzgusstechnik und Werkzeugbau in der Rechtsform einer GmbH. Für die Monate Mai bis November 2009 setzte sie für die Betriebsabteilung Werkzeugbau und Büro Kurzarbeit fest und zeigte dies der Beklagten am 27.04.2009 an. Sie gab an, die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich werde auf 24 Stunden wöchentlich reduziert. Sie begründete dies u.a. mit Umsatz- und konjunkturbedingten Auftragsrückgängen.
Mit Bescheid vom 06.05.2009 bewilligte die Beklagte für die vom Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmer der Betriebsabteilung Werkzeugbau/ Büro ab 01.05.2009 bis längstens 30.11.2009 Kurzarbeitergeld. Sie führte im Bescheid u.a. an, Kurzarbeitergeld und die pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen seien jeweils für einen Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen. Die Anträge müssten innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten bei der Agentur für Arbeit Freiburg eingereicht werden. Die Ausschlussfrist beginne mit Ablauf des Kalendermonats, für den das Kurzarbeitergeld beantragt werde. Aufgrund von Anträgen, die nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Ausschlussfrist bei der Agentur für Arbeit eingingen, könnten keine Leistungen gewährt werden.
Nachdem die Klägerin am 04.06.2009 die Auszahlung von Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Mai 2009 beantragt hatte, gewährte die Beklagte der Klägerin Kurzarbeitergeld i.H.v. 4.149,31 EUR und erstattete Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form i.H.v. 2.105,51 EUR.
Mit Antrag vom 12.10.2009, bei der Beklagten am 14.10.2009 eingegangen, beantragte die Klägerin die Auszahlung von Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Juni 2009 i.H.v. 2.054,21 EUR und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 1.082,35 EUR. Auf dem Antragsformular vermerkte Fr. A. Herr handschriftlich "wurde aus Unwissenheit vergessen".
Mit Bescheid vom 02.11.2009 entschied die Beklagte, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne. Sie führte hierzu an, der Antrag sei nach § 325 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten einzureichen gewesen. Die Ausschlussfrist, auf die die Klägerin sowohl im Anerkennungsbescheid als auch in den Hinweisen zum Antragsverfahren hingewiesen worden sei, sei für den Abrechnungsmonat Juni 2009 am 30.09.2009 abgelaufen. Der Antrag sei nach Ablauf dieser Frist eingegangen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 SGB III. Sie trug hierzu vor, die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien auf die Ausschlussfrist anwendbar (Berufung auf Gagel, SGB III, § 325, Rn. 18). Die Versäumung der Frist sei darauf zurückzuführen, dass eine Mitarbeiterin des von der Klägerin mit der Lohnabrechnung beauftragten Steuerbüros - Fr. B. -, die als Urlaubsvertretung für die ansonsten zuständige Mitarbeiterin Fr. Maier tätig geworden sei, die Anträge auf Kurzarbeitergeld anders als üblich gekennzeichnet und sie ohne gesonderten Hinweis an die Klägerin übergeben habe. Die Mitarbeiter des Steuerbüros seien sorgfältig ausgewählt, überwacht und beaufsichtigt worden. Der zuständige Mitarbeiter der Klägerin habe sich auf die üblicherweise erteilten Hinweise des Steuerbüros verlassen, er sei einem entschuldbaren Tatsachenirrtum unterlegen. Die Ausschlussfrist diene dazu, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Solche träten jedoch vorliegend nicht auf, weswegen es als verhältnismäßig erscheine, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie begründete dies damit, dass die Klägerin die bis zum 30.09.2009 reichende Ausschlussfrist versäumt habe; der Antrag sei erst am 14.10.2009 eingegangen. Eine Ausschlussfrist wie die des § 325 Abs. 3 SGB III führe regelmäßig zu einem Anspruchsausschluss. Auch bei unverschuldeter Fristversäumnis sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht möglich, weswegen die Gründe der Versäumung der Frist nicht von Bedeutung seien. Die Klägerin sei überdies durch den Bescheid vom 06.05.2009 frühzeitig und zutreffend über die Antragspflichten und den drohenden Rechtsnachteil informiert worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.12.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen ihre Widerspruchsbegründung wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 SGB III sei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich. Dies ergebe sich aus dem Kontext der gesetzlichen Regelung. Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 verwiesen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend hat es ausgeführt, die Frist des § 325 Abs. 3 SGB III stelle eine gesetzliche Ausschlussfrist dar, deren Versäumung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zugänglich sei. Die Frist habe am 01.06.2009 zu laufen begonnen und sei mit dem 30.09.2009 abgelaufen. Der Antrag sei erst am 14.10.2009 eingegangen und daher verspätet.
Gegen den am 16.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.05.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 zu verurteilen, ihr für den Monat Juni 2009 Kurzarbeitergeld i.H.v. 2.054,21 EUR zu gewähren und Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 1.082,35 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides sowie ihrem Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren.
Mit Schriftsatz vom 11.06.2010 hat die Klägerin, mit Schriftsatz vom 29.06.2010 die Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführte KUG-Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 02.11.20009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den Monat Juni 2009 keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Gemäß § 169 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt (Nr. 1), die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr. 2), die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr. 3) und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (Nr. 4). Gemäß § 325 Abs. 3 SGB III in der ab dem 01.11.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.04.2006 (BGBl. I 926) ist Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen; die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die die Leistungen beantragt werden.
Die Frist des § 325 Abs. 3 SGB III begann mit dem Ablauf des 30.06.2009, d.h. am 01.07.2009 zu laufen (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Sie endete mit dem Ablauf des 30.09.2009 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Der Antrag der Klägerin ging jedoch erst am 14.10.2009 und damit verspätet bei der Beklagten ein. Mit dem Ablauf der Ausschlussfrist geht ein vollständiger Anspruchsverlust einher. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten am 27.04.2009 angezeigt hat, dass für die Monate Mai bis November 2009 für die Betriebsabteilung Werkzeugbau und Büro Kurzarbeit festgesetzt worden ist. Diese Anzeige kann nicht als Antrag i.S.d. § 325 Abs. 3 SGB III ausgelegt werden (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 28.03.2006 - L 1 AL 30/04 - veröffentlicht in juris).
In die versäumte Frist ist der Klägerin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach der für Fristversäumnisse im Verwaltungsverfahren anwendbaren Regelung des § 27 Abs. 1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung ist nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt nicht nur in Fällen, in denen ausdrücklich bestimmt ist, "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen" oder eine ähnliche Wortwahl gebraucht wird. Der entgegenstehenden Ansicht (Hünecke in Gagel SGB III § 325 Rn. 14, 18), auf die sich die Klägerin beruft, folgt der Senat nicht. In § 27 Abs. 5 SGB X wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Ausschluss der Wiedereinsetzung jederzeit durch Gesetz angeordnet werden kann. Es wird jedoch nicht vorgeschrieben, wie im jeweiligen Gesetz dieser Ausschluss anzuordnen ist. Die Verwendung des Wortes "Ausschlussfrist" bei einer Fristbestimmung in einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift, die nach Inkrafttreten des SGB X am 01.01.1981 erlassen worden ist, weist regelmäßig darauf hin, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung dieser Frist ausgeschlossen sein soll. Dies gilt jedenfalls für Vorschriften wie § 325 Abs. 3 SGB III, bei denen sich der Antrag nur auf Leistungen für die Vergangenheit beziehen kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 05.02.2004 - B 11 AL 47/03 R -veröffentlicht in juris, dort Rn. 12).
Schließlich war die Beklagte auch nicht im Wege eines Bescheidungsurteils zu verpflichten, die ermessensgebundene Zulassung einer verspäteten Antragstellung nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III "zur Vermeidung unbilliger Härten" zu prüfen. Diese Regelung findet vorliegend, ungeachtet der Frage, ob im Falle der Klägerin eine unbillige Härte überhaupt anzuerkennen wäre, keine Anwendung. Nach ihrer Stellung im Gesetz ist ihre Anwendung den in Abs. 1 Satz 1 der Bestimmung geregelten Fällen vorbehalten, in denen die Leistungserbringung davon abhängig gemacht wird, dass der Antrag vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt wird. Abweichend davon ist für das Kurzarbeitergeld in § 324 Abs. 2 Satz 2 SGB III aber gerade geregelt, dass diese Leistung nachträglich zu beantragen ist.
Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, nach dessen Maßgabe das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist, findet vorliegend keine Anwendung, da die Klägerin vorliegend zu dem durch § 183 SGG privilegierten Personenkreis, für den Gerichtskostenfreiheit besteht, zählt. Trotz der gesetzlichen Bestimmungen, die den Durchführungsweg bzw. die Auszahlung von Kurzarbeitergeld in besonderer Art und Weise regeln, als Arbeitgeber oder Betriebsvertretung Kurzarbeit anzeigen (§ 173 Abs. 1 Satz 2 SGB III) und Kurzarbeitergeld beantragen (§ 323 Abs. 2 SGB III), ist der jeweilige Arbeitnehmer materiell-rechtlicher Anspruchsinhaber (Krodel in Niesel/ Brand, SGB III, 5. Aufl., 2010, § 169, Rn. 18). Der Arbeitgeber, vorliegend die Klägerin, oder die Betriebsvertretung machen insofern den Anspruch auf Kurzarbeitergeld als Verfahrens- und Prozessstandschafter der Arbeitnehmer geltend (vgl. Bieback in Gagel, SGB III, § 169 Rn. 48). Hierdurch erfährt der Charakter des Kurzarbeitergeldes als Sozialleistung i.S.d. §§ 11 Satz 1, 19 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Erstes Buch jedoch keine Änderung, weswegen derjenige, der den Anspruch auf die Sozialleistung gerichtlich geltend macht zu den Leistungsempfängern i.S.d. § 183 SGG zu zählen ist, selbst wenn ihm diese Leistung persönlich nicht zu Gute kommt. Jedes andere Ergebnis widerspräche Sinn und Zweck sowie Regelungsgehalt des § 183 SGG, der Empfänger von Sozialleistungen von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreien will (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02.2006 - L 9 AL 76/05 - veröffentlicht in juris; vgl. auch Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 183, Rn. 6).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kurzarbeitergeld für den Monat Juni 2009 und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen in pauschaliertem Umfang i.H.v. insg. 3.156,56 EUR.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Spritzgusstechnik und Werkzeugbau in der Rechtsform einer GmbH. Für die Monate Mai bis November 2009 setzte sie für die Betriebsabteilung Werkzeugbau und Büro Kurzarbeit fest und zeigte dies der Beklagten am 27.04.2009 an. Sie gab an, die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich werde auf 24 Stunden wöchentlich reduziert. Sie begründete dies u.a. mit Umsatz- und konjunkturbedingten Auftragsrückgängen.
Mit Bescheid vom 06.05.2009 bewilligte die Beklagte für die vom Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmer der Betriebsabteilung Werkzeugbau/ Büro ab 01.05.2009 bis längstens 30.11.2009 Kurzarbeitergeld. Sie führte im Bescheid u.a. an, Kurzarbeitergeld und die pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen seien jeweils für einen Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen. Die Anträge müssten innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten bei der Agentur für Arbeit Freiburg eingereicht werden. Die Ausschlussfrist beginne mit Ablauf des Kalendermonats, für den das Kurzarbeitergeld beantragt werde. Aufgrund von Anträgen, die nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Ausschlussfrist bei der Agentur für Arbeit eingingen, könnten keine Leistungen gewährt werden.
Nachdem die Klägerin am 04.06.2009 die Auszahlung von Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Mai 2009 beantragt hatte, gewährte die Beklagte der Klägerin Kurzarbeitergeld i.H.v. 4.149,31 EUR und erstattete Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form i.H.v. 2.105,51 EUR.
Mit Antrag vom 12.10.2009, bei der Beklagten am 14.10.2009 eingegangen, beantragte die Klägerin die Auszahlung von Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Juni 2009 i.H.v. 2.054,21 EUR und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 1.082,35 EUR. Auf dem Antragsformular vermerkte Fr. A. Herr handschriftlich "wurde aus Unwissenheit vergessen".
Mit Bescheid vom 02.11.2009 entschied die Beklagte, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne. Sie führte hierzu an, der Antrag sei nach § 325 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten einzureichen gewesen. Die Ausschlussfrist, auf die die Klägerin sowohl im Anerkennungsbescheid als auch in den Hinweisen zum Antragsverfahren hingewiesen worden sei, sei für den Abrechnungsmonat Juni 2009 am 30.09.2009 abgelaufen. Der Antrag sei nach Ablauf dieser Frist eingegangen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 SGB III. Sie trug hierzu vor, die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien auf die Ausschlussfrist anwendbar (Berufung auf Gagel, SGB III, § 325, Rn. 18). Die Versäumung der Frist sei darauf zurückzuführen, dass eine Mitarbeiterin des von der Klägerin mit der Lohnabrechnung beauftragten Steuerbüros - Fr. B. -, die als Urlaubsvertretung für die ansonsten zuständige Mitarbeiterin Fr. Maier tätig geworden sei, die Anträge auf Kurzarbeitergeld anders als üblich gekennzeichnet und sie ohne gesonderten Hinweis an die Klägerin übergeben habe. Die Mitarbeiter des Steuerbüros seien sorgfältig ausgewählt, überwacht und beaufsichtigt worden. Der zuständige Mitarbeiter der Klägerin habe sich auf die üblicherweise erteilten Hinweise des Steuerbüros verlassen, er sei einem entschuldbaren Tatsachenirrtum unterlegen. Die Ausschlussfrist diene dazu, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Solche träten jedoch vorliegend nicht auf, weswegen es als verhältnismäßig erscheine, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie begründete dies damit, dass die Klägerin die bis zum 30.09.2009 reichende Ausschlussfrist versäumt habe; der Antrag sei erst am 14.10.2009 eingegangen. Eine Ausschlussfrist wie die des § 325 Abs. 3 SGB III führe regelmäßig zu einem Anspruchsausschluss. Auch bei unverschuldeter Fristversäumnis sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht möglich, weswegen die Gründe der Versäumung der Frist nicht von Bedeutung seien. Die Klägerin sei überdies durch den Bescheid vom 06.05.2009 frühzeitig und zutreffend über die Antragspflichten und den drohenden Rechtsnachteil informiert worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.12.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen ihre Widerspruchsbegründung wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 SGB III sei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich. Dies ergebe sich aus dem Kontext der gesetzlichen Regelung. Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 verwiesen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend hat es ausgeführt, die Frist des § 325 Abs. 3 SGB III stelle eine gesetzliche Ausschlussfrist dar, deren Versäumung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zugänglich sei. Die Frist habe am 01.06.2009 zu laufen begonnen und sei mit dem 30.09.2009 abgelaufen. Der Antrag sei erst am 14.10.2009 eingegangen und daher verspätet.
Gegen den am 16.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.05.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 zu verurteilen, ihr für den Monat Juni 2009 Kurzarbeitergeld i.H.v. 2.054,21 EUR zu gewähren und Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 1.082,35 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides sowie ihrem Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren.
Mit Schriftsatz vom 11.06.2010 hat die Klägerin, mit Schriftsatz vom 29.06.2010 die Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführte KUG-Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 02.11.20009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den Monat Juni 2009 keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Gemäß § 169 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt (Nr. 1), die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr. 2), die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr. 3) und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (Nr. 4). Gemäß § 325 Abs. 3 SGB III in der ab dem 01.11.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.04.2006 (BGBl. I 926) ist Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen; die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die die Leistungen beantragt werden.
Die Frist des § 325 Abs. 3 SGB III begann mit dem Ablauf des 30.06.2009, d.h. am 01.07.2009 zu laufen (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Sie endete mit dem Ablauf des 30.09.2009 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Der Antrag der Klägerin ging jedoch erst am 14.10.2009 und damit verspätet bei der Beklagten ein. Mit dem Ablauf der Ausschlussfrist geht ein vollständiger Anspruchsverlust einher. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten am 27.04.2009 angezeigt hat, dass für die Monate Mai bis November 2009 für die Betriebsabteilung Werkzeugbau und Büro Kurzarbeit festgesetzt worden ist. Diese Anzeige kann nicht als Antrag i.S.d. § 325 Abs. 3 SGB III ausgelegt werden (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 28.03.2006 - L 1 AL 30/04 - veröffentlicht in juris).
In die versäumte Frist ist der Klägerin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach der für Fristversäumnisse im Verwaltungsverfahren anwendbaren Regelung des § 27 Abs. 1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung ist nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt nicht nur in Fällen, in denen ausdrücklich bestimmt ist, "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen" oder eine ähnliche Wortwahl gebraucht wird. Der entgegenstehenden Ansicht (Hünecke in Gagel SGB III § 325 Rn. 14, 18), auf die sich die Klägerin beruft, folgt der Senat nicht. In § 27 Abs. 5 SGB X wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Ausschluss der Wiedereinsetzung jederzeit durch Gesetz angeordnet werden kann. Es wird jedoch nicht vorgeschrieben, wie im jeweiligen Gesetz dieser Ausschluss anzuordnen ist. Die Verwendung des Wortes "Ausschlussfrist" bei einer Fristbestimmung in einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift, die nach Inkrafttreten des SGB X am 01.01.1981 erlassen worden ist, weist regelmäßig darauf hin, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung dieser Frist ausgeschlossen sein soll. Dies gilt jedenfalls für Vorschriften wie § 325 Abs. 3 SGB III, bei denen sich der Antrag nur auf Leistungen für die Vergangenheit beziehen kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 05.02.2004 - B 11 AL 47/03 R -veröffentlicht in juris, dort Rn. 12).
Schließlich war die Beklagte auch nicht im Wege eines Bescheidungsurteils zu verpflichten, die ermessensgebundene Zulassung einer verspäteten Antragstellung nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III "zur Vermeidung unbilliger Härten" zu prüfen. Diese Regelung findet vorliegend, ungeachtet der Frage, ob im Falle der Klägerin eine unbillige Härte überhaupt anzuerkennen wäre, keine Anwendung. Nach ihrer Stellung im Gesetz ist ihre Anwendung den in Abs. 1 Satz 1 der Bestimmung geregelten Fällen vorbehalten, in denen die Leistungserbringung davon abhängig gemacht wird, dass der Antrag vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt wird. Abweichend davon ist für das Kurzarbeitergeld in § 324 Abs. 2 Satz 2 SGB III aber gerade geregelt, dass diese Leistung nachträglich zu beantragen ist.
Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, nach dessen Maßgabe das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist, findet vorliegend keine Anwendung, da die Klägerin vorliegend zu dem durch § 183 SGG privilegierten Personenkreis, für den Gerichtskostenfreiheit besteht, zählt. Trotz der gesetzlichen Bestimmungen, die den Durchführungsweg bzw. die Auszahlung von Kurzarbeitergeld in besonderer Art und Weise regeln, als Arbeitgeber oder Betriebsvertretung Kurzarbeit anzeigen (§ 173 Abs. 1 Satz 2 SGB III) und Kurzarbeitergeld beantragen (§ 323 Abs. 2 SGB III), ist der jeweilige Arbeitnehmer materiell-rechtlicher Anspruchsinhaber (Krodel in Niesel/ Brand, SGB III, 5. Aufl., 2010, § 169, Rn. 18). Der Arbeitgeber, vorliegend die Klägerin, oder die Betriebsvertretung machen insofern den Anspruch auf Kurzarbeitergeld als Verfahrens- und Prozessstandschafter der Arbeitnehmer geltend (vgl. Bieback in Gagel, SGB III, § 169 Rn. 48). Hierdurch erfährt der Charakter des Kurzarbeitergeldes als Sozialleistung i.S.d. §§ 11 Satz 1, 19 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Erstes Buch jedoch keine Änderung, weswegen derjenige, der den Anspruch auf die Sozialleistung gerichtlich geltend macht zu den Leistungsempfängern i.S.d. § 183 SGG zu zählen ist, selbst wenn ihm diese Leistung persönlich nicht zu Gute kommt. Jedes andere Ergebnis widerspräche Sinn und Zweck sowie Regelungsgehalt des § 183 SGG, der Empfänger von Sozialleistungen von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreien will (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02.2006 - L 9 AL 76/05 - veröffentlicht in juris; vgl. auch Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 183, Rn. 6).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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