Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1474/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4207/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 06. August 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II streitig.
Der am 1949 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 20. Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 03. Mai 2006 [Bewilligungszeitraum vom 20. Dezember 2005 bis zum 30. Mai 2006], vom 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006 [Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2006 bis zum 30. November 2006], vom 30. Oktober 2006 [Bewilligungszeitraum vom 01. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007], vom 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 [Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2007 bis zum 30. November 2007], vom 29. Oktober 2007 [Bewilligungszeitraum vom 01. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008], vom 13. Mai 2008 und 18. Mai 2008 [Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008], wobei der Kläger gegen diese jeweils keinen Widerspruch eingelegt hat). Der Beklagte berücksichtigte dabei die monatlichen Regelleistungen in Höhe von 345,- EUR (bis 30. Juni 2007), 347,- EUR (01. Juli 2007 bis 30. Juni 2008) bzw. 351,- EUR (ab 01. Juli 2008) sowie die dem Kläger entstehenden monatlichen Aufwendungen für die Miete einschließlich der Heizkosten- und Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 610,77 EUR bzw. 650,77 EUR (ab 01. Oktober 2006). Zuletzt bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 einen monatlichen Gesamtbetrag von 997,77 EUR und für die Zeit vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 in Höhe von 997,77 EUR bzw. ab 01.07.2008 in Höhe von 1001,77 EUR.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 beantragte er die Übernahme seiner Stromkosten ab 01. Januar 2008 zu 50 %. Zur Begründung führte er aus, dass es bei den meisten Mietern keinen Unterschied zwischen Heizkosten, Warmwasserkosten und Stromkosten gebe. Demgegenüber habe er getrennte Energielieferanten für Heizung/Warmwasser und Strom, wobei nur Heizung/Warmwasser in seiner Miete enthalten seien. Die Stromrechnung müsse er persönlich zahlen und von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzweigen. Zudem sei die Sicherung des Existenzminimums längst nicht mehr gewährleistet. Insbesondere die Preise für Nahrungsmittel und Strom seien stark gestiegen. Inflationsbedingt müsste das Arbeitslosengeld II bei 365,- EUR pro Monat liegen.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2008 lehnte die Beklagte zusätzliche Leistungen mit der Begründung ab, dass die Stromkosten sowie die Aufwendungen für die Anschaffung von Lebensmitteln mit der gewährten Pauschale der Regelleistungen abgedeckt seien. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06./07. Januar 2008 Widerspruch ein. Die Ablehnung der Übernahme der Stromkosten und der Anpassung der Regelleistung an die Inflationsrate sei unzutreffend. Während seit Einführung des Arbeitslosengeldes II dieses nur gering angehoben worden sei, seien die Lebenshaltungskosten um ca. 7 % gestiegen, was zu einem erheblichen Kaufkraftverlust bei den Empfängern von Arbeitslosengeld II führe. Die Grundsicherung müsste inzwischen bei 394,- EUR monatlich liegen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 24. April 2008 den Hinweis, dass der Antrag auf Gewährung zusätzlicher Kosten für Strom und eine Anpassung an die Inflationsrate abzulehnen sei. Die Regelleistung umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege, Hausrat und Haushaltsenergie. Die Höhe der Regelleistung werde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bekanntgegeben, sei für 12 Monate maßgebend und werde zum 01. Juli eines Jahres entsprechend der Änderung des aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
Hiergegen erhob der Kläger am 05. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er ist der Auffassung, dass die Höhe des Regelsatzes verfassungswidrig sei. Die Regelleistung müsse rückwirkend ab Anfang 2005 an die tatsächliche Inflationsrate angepasst werden, um im Sinne des Art. 1 Grundgesetz verfassungskonform zu sein und die Vorgaben aus dem SGB für die Grundsicherung eines menschenwürdigen Daseins für jedermann zu erfüllen.
Mit Schreiben vom 05. Mai 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten nunmehr rückwirkend ab 01. Januar 2006 eine Erhöhung des Regelsatzes gemäß der tatsächlichen Preissteigerungsrate für die Lebenshaltungskosten (Inflationsrate) nach den Daten des statistischen Bundesamtes, um den der tatsächlichen Teuerung entsprechenden Kaufkraftverlust abzufangen und zu kompensieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Februar 2008 hinsichtlich der Höhe der Regelleistung als unbegründet zurück. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasse die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Regelleistung pauschaliere die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten laufenden und einmaligen Bedarfe. Die Aufwendungen für Haushaltsenergie, also die vom Kläger vorliegend geltend gemachten Stromkosten, seien daher von der Regelleistung umfasst. Die Höhe der Regelleistung sei in § 20 Abs. 1 und 4 SGB II gesetzlich festgelegt. Eine Anpassung des Regelsatzes in Höhe der Inflationsrate sei im SGB II nicht vorgesehen. Gemäß § 20 Abs. 4 SGB II erfolge allerdings einer Anpassung zum 01. Juli eines Jahres um den Vomhundertsatz, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung ändere. Dies stelle allerdings keine inflationsbedingte Anpassung unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten dar. Vielmehr werde durch die Orientierung an der Veränderung des Rentenwertes die Lohnentwicklung abgebildet. Eine gesonderte Gewährung von Kosten für Haushaltsenergie oder eine Erhöhung der Regelleistung wegen der Aufwendungen für den sich verteuernden Haushaltsstrom durch einmalige Leistungen sei im SGB II nicht vorgesehen. Im Übrigen bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Höhe der Regelleistungen. Auch im Rahmen der Leistungen für Unterkunft und Heizung könnten die Aufwendungen des Klägers für den Haushaltsstrom nicht berücksichtigt werden. Nach § 22 Abs. 1 SGB II seien die für den Gebrauch der Mietsache geschuldeten Kosten wie der Kaltmietzins und die mietvertraglich geschuldeten Betriebs- und Nebenkosten zu übernehmen, soweit sie angemessen seien. Die Aufwendungen für den Haushaltsstrom seien nicht mietvertraglich geschuldet und damit nicht im Rahmen von § 22 SGB II zu übernehmen, sondern aus der Regelleistung zu erbringen.
Mit Gerichtsbescheid vom 06. August 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung eines über den bewilligten hinausgehenden Betrages zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in der jeweils gesetzlichen Höhe nach § 20 SGB II umfasse ausweislich des klaren Gesetzeswortlauts insbesondere Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Höhe der Regelleistung sei in § 20 Abs. 1 und Abs. 4 SGB II gesetzlich festgelegt. Eine Anpassung an einen davon abweichenden Bedarf sehe das SGB II nicht vor. Bestehe in einer in der Regelleistung nach § 20 SGB II berücksichtigten Bedarfsgruppe ein Bedarf, der über den dort enthaltenen hinaus gehe, seien vom Hilfebedürftigen Einsparungen in anderen Bedarfsgruppen vorzunehmen. Der Hilfebedürftige habe die vorhandenen Mittel "umzuschichten". Ein Anspruch des Klägers auf darlehensweise Übernahme der (teilweisen) Stromkostenabschläge durch die Beklagte gestützt auf § 23 Abs. 1 SGB II komme ebenfalls nicht in Betracht. Zwar handle es sich bei den vom Kläger geltend gemachten monatlichen Aufwendungen für Haushaltsenergie um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf, jedoch liege keine Unabweisbarkeit in diesem Sinne vor. Unabweisbarkeit liege nur dann vor, wenn es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bedarfe komme, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw. aufgefangen werden könne. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, seine monatlichen Abschlagszahlungen für die Haushaltsenergie durch Umschichtungen selbst aufzubringen, womit die darlehensweise Übernahme dieses Bedarfs aufgrund einer anzunehmenden Unabweisbarkeit i.S. des § 23 Abs. 1 SGB II bereits aus systematischen Gründen nicht in Betracht komme. Die Höhe der monatlichen Regelleistung nach § 20 SG II zur Sicherung des Lebensunterhalts verstoße nicht gegen das Grundgesetz und das darin enthaltene Sozialstaatsgebot, sodass der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf eine höhere, seiner Ansicht nach verfassungskonforme Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II habe.
Gegen den dem Kläger am 07. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 02. September 2008 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Bemessung des Regelsatzes verfassungswidrig sei. Während seit Einführung von "Hartz IV" im Januar 2005 die Lebenshaltungskosten um schätzungsweise 9 % gestiegen seien, sei der Regelleistungssatz lediglich von 343,- EUR auf 347,- EUR angehoben worden, was zur einer Unterdeckung von rund 8 % und einem entsprechenden Kaufkraftverlust führe. Entscheidend sei, dass die Wirklichkeit für Leistungsempfänger viel schlimmer aussehe. In den untersten Einkommensschichten mache der Anteil für den Grundbedarf 80 % des zur Verfügung stehenden Einkommens aus, während sich dieser Anteil bei höheren Einkommensschichten kontinuierlich reduziere. Für Empfänger von Sozialleistungen gingen Einkünfte zu 100 % für die Grundsicherung drauf. Gerade bei den Gütern für den Grundbedarf, nämlich Lebensmitteln und Energie, sei die Teuerungsrate in den letzten 18 Monaten extrem hoch gewesen. Die Inflation bei den Lebenshaltungskosten sei stärker als die gesamte Inflation ausgefallen, sodass von einem Kaufkraftverlust von rund 11 % gegenüber Januar 2005 auszugehen sei. Um die gleiche Kaufkraft zu erhalten wie im ersten Halbjahr 2005, müsse der Regelsatz bei 380,- EUR liegen. Auch sei die Höhe der Grundsicherung bereits zum Zeitpunkt ihres Beginns Anfang 2005 zu niedrig gewesen, da auf die Einkommens- und Verbrauchsausgaben 2003 zurückgegriffen worden sei.
Schließlich richte sich die Berufung auch aus formalrechtlichen Gründen gegen den Gerichtsbescheid des SG. Er habe die Klage bereits Anfang Mai 2008 beim SG eingereicht. Erst fünf Wochen später, Anfang Juni 2008 sei der Widerspruchsbescheid erlassen worden. Damit sei ihm die Möglichkeit genommen worden, hiergegen Klage zu erheben. Die Beklagte habe nach Einreichung der Klage nicht den Widerspruchsbescheid zum Inhalt der Klage machen können. Das Gericht hätte die Auslassungen der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid nicht berücksichtigen dürfen. Ihm sei daher der vorgeschriebene Rechtsweg verbaut worden. Vielmehr hätten die Widerspruchsbescheide zeitlich vor seiner Klage erfolgen müssen oder das Gericht hätte den nach Klageerhebung eingereichten Widerspruchsbescheid nicht verwerten dürfen. Hätte die Beklagte den offiziellen Widerspruchsbescheid vor seiner Klage verfasst und zugestellt, dann wäre die Klage wesentlich anders ausgefallen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheids des SG Mannheim vom 06. August 2008 aufzuheben, 2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 zu verpflichten, die Bescheide vom 03. Mai 2006, vom 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006, vom 30. Oktober 2006, vom 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 sowie vom 29. Oktober 2007 zurückzunehmen und für die Zeit ab 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 höhere Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf den Gerichtsbescheid des SG sowie ihren Widerspruchsbescheid. Hinsichtlich der vom Kläger angeführten formalrechtlichen Gründe führt die Beklagte aus, dass die Klage wegen des fehlenden Vorverfahrens ursprünglich unzulässig gewesen sei. Der Kläger habe ausreichend Möglichkeit gehabt, sich im Rahmen der Klage vor dem SG zu den Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid zu äußern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten des SG Mannheim (S 7 AS 1397/09) und LSG Baden-Württemberg (L 12 AS 3884/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und der Kläger wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend macht (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008, mit dem die Beklagte die teilweise Rücknahme der bestandkräftigen Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 abgelehnt hat. Dabei bilden der angefochtene Ausgangsbescheid vom 27. Februar 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008 eine Einheit (§ 95 SGG), deren Aufhebung erforderlich ist, damit der Kläger sein Ziel erreichen kann. Demgegenüber enthält das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2008 keinen Widerspruchsbescheid, nämlich eine Entscheidung der Beklagten zur Regelung eines Einzelfalles auf der Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (vgl. §§ 85 Abs. 2 SGG, 31 S. 1 SGB X), sondern einen bloßen unverbindlichen Hinweis auf die Sach- und Rechtslage aus Sicht der Beklagten. In der Sache hat die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid über den Antrag des Klägers auf Überprüfung der bestandskräftigen und damit bindenden (§§ 39 Abs. 2 SGB X, 77 SGG) Bescheide vom 03. Mai 2006, 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006, 30. Oktober 2006, 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 sowie vom 29. Oktober 2007 und die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit ab 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 entschieden. Bei sachgerechter Auslegung des klägerischen Antrages (Schreiben vom 18. Oktober 2007, 07. März 2008 und 05. Mai 2008), die sich danach zu richten hat, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R-), war dieser auf die Überprüfung der zuvor ergangenen Bescheide gerichtet ist, nachdem das Begehren des Klägers auf höhere Leistungen und einen inflationsbedingten Ausgleich nur erfolgreich verfolgt werden kann, wenn die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide beseitigt wird. Dabei zielte der Antrag des Klägers auf eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide, die die Leistungsgewährung ab 01. Januar 2006 betreffen. Zwar beantragte der Kläger zunächst höhere Leistungen ab Januar 2008 (Schreiben vom 18. Oktober 2007), jedoch brachte er spätestens im Rahmen des Vorverfahrens (Schreiben vom 07. März 2008 und 05. Mai 2008) klar zum Ausdruck, dass er rückwirkend ab 01. Januar 2006 höhere Leistungen von der Beklagten begehrt. Über dieses Begehren hat die Beklagte in der Sache entschieden, indem sie die Gewährung höherer Leistungen ablehnte. Dagegen ist der Bescheid vom 13. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Mai 2008 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bewilligungsabschnitt vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008) nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Zwar mag die Beklagte für diesen Bewilligungszeitraum den klägerischen Antrag auf höhere Grundsicherungsleistungen abgelehnt haben, jedoch sind diese Bescheide mangels Widerspruchs bestandskräftig und damit bindend geworden. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte auf den Leistungsantrag des Klägers vom 06. Mai 2008 Leistungen ab 01. Juni 2008 bewilligt. Somit endete der Zeitraum, für den die Ablehnung der Leistungserbringung für die Vergangenheit durch Bescheid vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 ihre Wirkung entfaltet.
3. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide nach § 44 SGB X und auf Gewährung höherer Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG; vgl. bspw. Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. 2009, Rdnr. 100; Steinwedel in: KassKomm, § 44 SGB X Rdnr. 29).
4. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 03. Mai 2006, 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006, 30. Oktober 2006, 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 sowie vom 29. Oktober 2007 und auf die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008.
§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für ein Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die zu überprüfenden Bewilligungsbescheide der Beklagten waren anfänglich, d. h. nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Kläger in dem Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Zwar war der Kläger Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil er das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet hatte, erwerbsfähig und in dem streitigen Zeitraum auch durchgehend hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB II). Jedoch ist dem Kläger, wie die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 und das SG im Gerichtsbescheid vom 06. August 2008 zu Recht festgestellt haben, Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Höhe bewilligt worden. Insofern nimmt der Senat auf die Darlegungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist noch anzuführen, dass die Beklagte die Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II) vollständig übernommen hat, was auch der Kläger nicht in Abrede stellt. Die Regelleistung nach § 20 SGB II wurde in der jeweils gesetzlich festgeschriebenen Höhe erbracht. Eine darüberhinausgehende Übernahme von Stromkosten, hier für Haushaltsenergie, war nicht möglich. So hat das Bundessozialgericht (beispielsweise Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R -; Beschluss vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -) wiederholt festgestellt, dass die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile umfasst (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II in der seit 01. August 2006 geänderten Fassung). Bereits für die Rechtslage vor dieser Klarstellung in § 20 Abs. 1 SGB II kam nach der Rechtsprechung eine zusätzliche Übernahme von Stromkosten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über die in § 20 SGB II normierte Regelleistung hinaus nicht in Betracht. Auch ist nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 und vom 24. März 2010 eine Korrektur der Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II für die Vergangenheit weder zulässig noch veranlasst. Denn das Bundesverfassungsgericht konnte gerade nicht feststellen, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge unzureichend sind. Daher sah es den Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen als verpflichtet an, für die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II ab 01. Januar 2005 höhere Leistungen festzusetzen. Da die Vorschriften des SGB II weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Gründen des Urteils vom 09. Februar 2010 nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist, steht fest, dass es bei den im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II festgesetzten Regelleistungen bleiben wird und der Kläger mit seinem Begehren auf Gewährung höherer Leistungen nicht durchdringen kann. Schließlich scheidet § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II als Anspruchsgrundlage bereits deswegen aus, weil nach dieser Vorschrift keine dauerhaften, monatlich wiederkehrenden pauschalen Bedarfe, wie die vom Kläger geltend gemachte Übernahme der Aufwendungen für Haushaltsstrom und inflationsbedingte Anpassung der monatlichen Regelleistung, gedeckt werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II streitig.
Der am 1949 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 20. Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 03. Mai 2006 [Bewilligungszeitraum vom 20. Dezember 2005 bis zum 30. Mai 2006], vom 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006 [Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2006 bis zum 30. November 2006], vom 30. Oktober 2006 [Bewilligungszeitraum vom 01. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007], vom 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 [Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2007 bis zum 30. November 2007], vom 29. Oktober 2007 [Bewilligungszeitraum vom 01. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008], vom 13. Mai 2008 und 18. Mai 2008 [Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008], wobei der Kläger gegen diese jeweils keinen Widerspruch eingelegt hat). Der Beklagte berücksichtigte dabei die monatlichen Regelleistungen in Höhe von 345,- EUR (bis 30. Juni 2007), 347,- EUR (01. Juli 2007 bis 30. Juni 2008) bzw. 351,- EUR (ab 01. Juli 2008) sowie die dem Kläger entstehenden monatlichen Aufwendungen für die Miete einschließlich der Heizkosten- und Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 610,77 EUR bzw. 650,77 EUR (ab 01. Oktober 2006). Zuletzt bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 einen monatlichen Gesamtbetrag von 997,77 EUR und für die Zeit vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 in Höhe von 997,77 EUR bzw. ab 01.07.2008 in Höhe von 1001,77 EUR.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 beantragte er die Übernahme seiner Stromkosten ab 01. Januar 2008 zu 50 %. Zur Begründung führte er aus, dass es bei den meisten Mietern keinen Unterschied zwischen Heizkosten, Warmwasserkosten und Stromkosten gebe. Demgegenüber habe er getrennte Energielieferanten für Heizung/Warmwasser und Strom, wobei nur Heizung/Warmwasser in seiner Miete enthalten seien. Die Stromrechnung müsse er persönlich zahlen und von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzweigen. Zudem sei die Sicherung des Existenzminimums längst nicht mehr gewährleistet. Insbesondere die Preise für Nahrungsmittel und Strom seien stark gestiegen. Inflationsbedingt müsste das Arbeitslosengeld II bei 365,- EUR pro Monat liegen.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2008 lehnte die Beklagte zusätzliche Leistungen mit der Begründung ab, dass die Stromkosten sowie die Aufwendungen für die Anschaffung von Lebensmitteln mit der gewährten Pauschale der Regelleistungen abgedeckt seien. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06./07. Januar 2008 Widerspruch ein. Die Ablehnung der Übernahme der Stromkosten und der Anpassung der Regelleistung an die Inflationsrate sei unzutreffend. Während seit Einführung des Arbeitslosengeldes II dieses nur gering angehoben worden sei, seien die Lebenshaltungskosten um ca. 7 % gestiegen, was zu einem erheblichen Kaufkraftverlust bei den Empfängern von Arbeitslosengeld II führe. Die Grundsicherung müsste inzwischen bei 394,- EUR monatlich liegen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 24. April 2008 den Hinweis, dass der Antrag auf Gewährung zusätzlicher Kosten für Strom und eine Anpassung an die Inflationsrate abzulehnen sei. Die Regelleistung umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege, Hausrat und Haushaltsenergie. Die Höhe der Regelleistung werde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bekanntgegeben, sei für 12 Monate maßgebend und werde zum 01. Juli eines Jahres entsprechend der Änderung des aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
Hiergegen erhob der Kläger am 05. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er ist der Auffassung, dass die Höhe des Regelsatzes verfassungswidrig sei. Die Regelleistung müsse rückwirkend ab Anfang 2005 an die tatsächliche Inflationsrate angepasst werden, um im Sinne des Art. 1 Grundgesetz verfassungskonform zu sein und die Vorgaben aus dem SGB für die Grundsicherung eines menschenwürdigen Daseins für jedermann zu erfüllen.
Mit Schreiben vom 05. Mai 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten nunmehr rückwirkend ab 01. Januar 2006 eine Erhöhung des Regelsatzes gemäß der tatsächlichen Preissteigerungsrate für die Lebenshaltungskosten (Inflationsrate) nach den Daten des statistischen Bundesamtes, um den der tatsächlichen Teuerung entsprechenden Kaufkraftverlust abzufangen und zu kompensieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Februar 2008 hinsichtlich der Höhe der Regelleistung als unbegründet zurück. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasse die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Regelleistung pauschaliere die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten laufenden und einmaligen Bedarfe. Die Aufwendungen für Haushaltsenergie, also die vom Kläger vorliegend geltend gemachten Stromkosten, seien daher von der Regelleistung umfasst. Die Höhe der Regelleistung sei in § 20 Abs. 1 und 4 SGB II gesetzlich festgelegt. Eine Anpassung des Regelsatzes in Höhe der Inflationsrate sei im SGB II nicht vorgesehen. Gemäß § 20 Abs. 4 SGB II erfolge allerdings einer Anpassung zum 01. Juli eines Jahres um den Vomhundertsatz, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung ändere. Dies stelle allerdings keine inflationsbedingte Anpassung unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten dar. Vielmehr werde durch die Orientierung an der Veränderung des Rentenwertes die Lohnentwicklung abgebildet. Eine gesonderte Gewährung von Kosten für Haushaltsenergie oder eine Erhöhung der Regelleistung wegen der Aufwendungen für den sich verteuernden Haushaltsstrom durch einmalige Leistungen sei im SGB II nicht vorgesehen. Im Übrigen bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Höhe der Regelleistungen. Auch im Rahmen der Leistungen für Unterkunft und Heizung könnten die Aufwendungen des Klägers für den Haushaltsstrom nicht berücksichtigt werden. Nach § 22 Abs. 1 SGB II seien die für den Gebrauch der Mietsache geschuldeten Kosten wie der Kaltmietzins und die mietvertraglich geschuldeten Betriebs- und Nebenkosten zu übernehmen, soweit sie angemessen seien. Die Aufwendungen für den Haushaltsstrom seien nicht mietvertraglich geschuldet und damit nicht im Rahmen von § 22 SGB II zu übernehmen, sondern aus der Regelleistung zu erbringen.
Mit Gerichtsbescheid vom 06. August 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung eines über den bewilligten hinausgehenden Betrages zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in der jeweils gesetzlichen Höhe nach § 20 SGB II umfasse ausweislich des klaren Gesetzeswortlauts insbesondere Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Höhe der Regelleistung sei in § 20 Abs. 1 und Abs. 4 SGB II gesetzlich festgelegt. Eine Anpassung an einen davon abweichenden Bedarf sehe das SGB II nicht vor. Bestehe in einer in der Regelleistung nach § 20 SGB II berücksichtigten Bedarfsgruppe ein Bedarf, der über den dort enthaltenen hinaus gehe, seien vom Hilfebedürftigen Einsparungen in anderen Bedarfsgruppen vorzunehmen. Der Hilfebedürftige habe die vorhandenen Mittel "umzuschichten". Ein Anspruch des Klägers auf darlehensweise Übernahme der (teilweisen) Stromkostenabschläge durch die Beklagte gestützt auf § 23 Abs. 1 SGB II komme ebenfalls nicht in Betracht. Zwar handle es sich bei den vom Kläger geltend gemachten monatlichen Aufwendungen für Haushaltsenergie um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf, jedoch liege keine Unabweisbarkeit in diesem Sinne vor. Unabweisbarkeit liege nur dann vor, wenn es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bedarfe komme, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw. aufgefangen werden könne. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, seine monatlichen Abschlagszahlungen für die Haushaltsenergie durch Umschichtungen selbst aufzubringen, womit die darlehensweise Übernahme dieses Bedarfs aufgrund einer anzunehmenden Unabweisbarkeit i.S. des § 23 Abs. 1 SGB II bereits aus systematischen Gründen nicht in Betracht komme. Die Höhe der monatlichen Regelleistung nach § 20 SG II zur Sicherung des Lebensunterhalts verstoße nicht gegen das Grundgesetz und das darin enthaltene Sozialstaatsgebot, sodass der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf eine höhere, seiner Ansicht nach verfassungskonforme Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II habe.
Gegen den dem Kläger am 07. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 02. September 2008 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Bemessung des Regelsatzes verfassungswidrig sei. Während seit Einführung von "Hartz IV" im Januar 2005 die Lebenshaltungskosten um schätzungsweise 9 % gestiegen seien, sei der Regelleistungssatz lediglich von 343,- EUR auf 347,- EUR angehoben worden, was zur einer Unterdeckung von rund 8 % und einem entsprechenden Kaufkraftverlust führe. Entscheidend sei, dass die Wirklichkeit für Leistungsempfänger viel schlimmer aussehe. In den untersten Einkommensschichten mache der Anteil für den Grundbedarf 80 % des zur Verfügung stehenden Einkommens aus, während sich dieser Anteil bei höheren Einkommensschichten kontinuierlich reduziere. Für Empfänger von Sozialleistungen gingen Einkünfte zu 100 % für die Grundsicherung drauf. Gerade bei den Gütern für den Grundbedarf, nämlich Lebensmitteln und Energie, sei die Teuerungsrate in den letzten 18 Monaten extrem hoch gewesen. Die Inflation bei den Lebenshaltungskosten sei stärker als die gesamte Inflation ausgefallen, sodass von einem Kaufkraftverlust von rund 11 % gegenüber Januar 2005 auszugehen sei. Um die gleiche Kaufkraft zu erhalten wie im ersten Halbjahr 2005, müsse der Regelsatz bei 380,- EUR liegen. Auch sei die Höhe der Grundsicherung bereits zum Zeitpunkt ihres Beginns Anfang 2005 zu niedrig gewesen, da auf die Einkommens- und Verbrauchsausgaben 2003 zurückgegriffen worden sei.
Schließlich richte sich die Berufung auch aus formalrechtlichen Gründen gegen den Gerichtsbescheid des SG. Er habe die Klage bereits Anfang Mai 2008 beim SG eingereicht. Erst fünf Wochen später, Anfang Juni 2008 sei der Widerspruchsbescheid erlassen worden. Damit sei ihm die Möglichkeit genommen worden, hiergegen Klage zu erheben. Die Beklagte habe nach Einreichung der Klage nicht den Widerspruchsbescheid zum Inhalt der Klage machen können. Das Gericht hätte die Auslassungen der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid nicht berücksichtigen dürfen. Ihm sei daher der vorgeschriebene Rechtsweg verbaut worden. Vielmehr hätten die Widerspruchsbescheide zeitlich vor seiner Klage erfolgen müssen oder das Gericht hätte den nach Klageerhebung eingereichten Widerspruchsbescheid nicht verwerten dürfen. Hätte die Beklagte den offiziellen Widerspruchsbescheid vor seiner Klage verfasst und zugestellt, dann wäre die Klage wesentlich anders ausgefallen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheids des SG Mannheim vom 06. August 2008 aufzuheben, 2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 zu verpflichten, die Bescheide vom 03. Mai 2006, vom 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006, vom 30. Oktober 2006, vom 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 sowie vom 29. Oktober 2007 zurückzunehmen und für die Zeit ab 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 höhere Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf den Gerichtsbescheid des SG sowie ihren Widerspruchsbescheid. Hinsichtlich der vom Kläger angeführten formalrechtlichen Gründe führt die Beklagte aus, dass die Klage wegen des fehlenden Vorverfahrens ursprünglich unzulässig gewesen sei. Der Kläger habe ausreichend Möglichkeit gehabt, sich im Rahmen der Klage vor dem SG zu den Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid zu äußern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten des SG Mannheim (S 7 AS 1397/09) und LSG Baden-Württemberg (L 12 AS 3884/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und der Kläger wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend macht (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008, mit dem die Beklagte die teilweise Rücknahme der bestandkräftigen Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 abgelehnt hat. Dabei bilden der angefochtene Ausgangsbescheid vom 27. Februar 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008 eine Einheit (§ 95 SGG), deren Aufhebung erforderlich ist, damit der Kläger sein Ziel erreichen kann. Demgegenüber enthält das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2008 keinen Widerspruchsbescheid, nämlich eine Entscheidung der Beklagten zur Regelung eines Einzelfalles auf der Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (vgl. §§ 85 Abs. 2 SGG, 31 S. 1 SGB X), sondern einen bloßen unverbindlichen Hinweis auf die Sach- und Rechtslage aus Sicht der Beklagten. In der Sache hat die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid über den Antrag des Klägers auf Überprüfung der bestandskräftigen und damit bindenden (§§ 39 Abs. 2 SGB X, 77 SGG) Bescheide vom 03. Mai 2006, 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006, 30. Oktober 2006, 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 sowie vom 29. Oktober 2007 und die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit ab 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 entschieden. Bei sachgerechter Auslegung des klägerischen Antrages (Schreiben vom 18. Oktober 2007, 07. März 2008 und 05. Mai 2008), die sich danach zu richten hat, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R-), war dieser auf die Überprüfung der zuvor ergangenen Bescheide gerichtet ist, nachdem das Begehren des Klägers auf höhere Leistungen und einen inflationsbedingten Ausgleich nur erfolgreich verfolgt werden kann, wenn die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide beseitigt wird. Dabei zielte der Antrag des Klägers auf eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide, die die Leistungsgewährung ab 01. Januar 2006 betreffen. Zwar beantragte der Kläger zunächst höhere Leistungen ab Januar 2008 (Schreiben vom 18. Oktober 2007), jedoch brachte er spätestens im Rahmen des Vorverfahrens (Schreiben vom 07. März 2008 und 05. Mai 2008) klar zum Ausdruck, dass er rückwirkend ab 01. Januar 2006 höhere Leistungen von der Beklagten begehrt. Über dieses Begehren hat die Beklagte in der Sache entschieden, indem sie die Gewährung höherer Leistungen ablehnte. Dagegen ist der Bescheid vom 13. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Mai 2008 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bewilligungsabschnitt vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008) nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Zwar mag die Beklagte für diesen Bewilligungszeitraum den klägerischen Antrag auf höhere Grundsicherungsleistungen abgelehnt haben, jedoch sind diese Bescheide mangels Widerspruchs bestandskräftig und damit bindend geworden. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte auf den Leistungsantrag des Klägers vom 06. Mai 2008 Leistungen ab 01. Juni 2008 bewilligt. Somit endete der Zeitraum, für den die Ablehnung der Leistungserbringung für die Vergangenheit durch Bescheid vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 ihre Wirkung entfaltet.
3. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide nach § 44 SGB X und auf Gewährung höherer Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG; vgl. bspw. Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. 2009, Rdnr. 100; Steinwedel in: KassKomm, § 44 SGB X Rdnr. 29).
4. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 03. Mai 2006, 30. Mai 2006 und 04. Oktober 2006, 30. Oktober 2006, 03. Mai 2007 und 02. Juni 2007 sowie vom 29. Oktober 2007 und auf die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008.
§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für ein Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die zu überprüfenden Bewilligungsbescheide der Beklagten waren anfänglich, d. h. nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Kläger in dem Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2008 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Zwar war der Kläger Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil er das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet hatte, erwerbsfähig und in dem streitigen Zeitraum auch durchgehend hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB II). Jedoch ist dem Kläger, wie die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 27. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 und das SG im Gerichtsbescheid vom 06. August 2008 zu Recht festgestellt haben, Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Höhe bewilligt worden. Insofern nimmt der Senat auf die Darlegungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist noch anzuführen, dass die Beklagte die Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II) vollständig übernommen hat, was auch der Kläger nicht in Abrede stellt. Die Regelleistung nach § 20 SGB II wurde in der jeweils gesetzlich festgeschriebenen Höhe erbracht. Eine darüberhinausgehende Übernahme von Stromkosten, hier für Haushaltsenergie, war nicht möglich. So hat das Bundessozialgericht (beispielsweise Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R -; Beschluss vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -) wiederholt festgestellt, dass die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile umfasst (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II in der seit 01. August 2006 geänderten Fassung). Bereits für die Rechtslage vor dieser Klarstellung in § 20 Abs. 1 SGB II kam nach der Rechtsprechung eine zusätzliche Übernahme von Stromkosten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über die in § 20 SGB II normierte Regelleistung hinaus nicht in Betracht. Auch ist nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 und vom 24. März 2010 eine Korrektur der Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II für die Vergangenheit weder zulässig noch veranlasst. Denn das Bundesverfassungsgericht konnte gerade nicht feststellen, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge unzureichend sind. Daher sah es den Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen als verpflichtet an, für die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II ab 01. Januar 2005 höhere Leistungen festzusetzen. Da die Vorschriften des SGB II weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Gründen des Urteils vom 09. Februar 2010 nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist, steht fest, dass es bei den im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II festgesetzten Regelleistungen bleiben wird und der Kläger mit seinem Begehren auf Gewährung höherer Leistungen nicht durchdringen kann. Schließlich scheidet § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II als Anspruchsgrundlage bereits deswegen aus, weil nach dieser Vorschrift keine dauerhaften, monatlich wiederkehrenden pauschalen Bedarfe, wie die vom Kläger geltend gemachte Übernahme der Aufwendungen für Haushaltsstrom und inflationsbedingte Anpassung der monatlichen Regelleistung, gedeckt werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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