L 3 AL 5053/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 4720/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 5053/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.09.2009 bis 16.12.2009 wegen der Gewährung einer Abfindung nach § 143 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruht.

Der 1976 geborene Kläger war seit dem 01.09.1998 als Anlagenbediener bei der Firma A. GmbH in B.-C. beschäftigt.

Im Hinblick auf eine beabsichtigte Umschulungsmaßnahme schlossen der Kläger und sein Arbeitgeber am 31.07.2009 einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis, für das zuletzt eine Kündigungsfrist von vier Monaten zum Ende des Vierteljahres galt, zum 31.08.2009 endete und der Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 20.000 EUR zu zahlen hatte.

Am 05.08.2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung hatte der Kläger in den zwölf letzten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgerechneten Monaten ein Arbeitsentgelt in Höhe von Brutto 29.153,67 EUR erzielt, worin 4.194,05 EUR beitragspflichtige Einmalzahlungen enthalten waren. In einer schriftlichen Erklärung vom 08.09.2009 gab der Arbeitgeber an, der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist sei nur zugestimmt worden, weil der Kläger zum 01.09.2009 eine Weiterbildungsmaßnahme erhalten habe.

Mit Bescheid vom 31.07.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Bildungsgutschein für die Kosten der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung bei einem nach § 85 SGB III zugelassenen Träger. Ab dem 01.09.2009 nahm der Kläger an einer 25-monatigen Umschulung zum Feinwerkmechaniker teil.

Mit Bescheid vom 14.10.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, für die Zeit vom 01.09.2009 bis 16.12.2009 könne er keine Leistung erhalten, da sein Anspruch wegen der Gewährung einer Abfindung und Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gemäß § 143 a SGB III ruhe. Mit weiterem Bescheid vom 14.10.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen ab dem 17.12.2009.

Den hiergegen am 23.11.2009 mit der Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers, es sei keine Sperrfrist eingetreten, zudem habe er aufgrund des Umschulungsangebots das Arbeitsverhältnis kurzfristig beenden müssen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück. Das Ruhen des Anspruchs beruhe nicht auf dem Eintritt einer Sperrzeit, sondern darauf, dass das Beschäftigungsverhältnis unter Gewährung einer Abfindung ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 28.12.2009 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und wiederum vorgetragen, es sei keine Sperrfrist eingetreten. Er hat den Entlassungsbericht vom 15.08.2008 über eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Rheumaklinik Bad Wurzach vom 18.07. bis 13.08.2008 vorgelegt, auf den Bezug genommen wird.

Mit Urteil vom 22.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ruhe in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 16.12.2009 wegen der Gewährung einer Entlassungsentschädigung gemäß § 143 a SGB III. Danach ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei und der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten habe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei, da eine ordentliche Kündigung nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Monaten zum Ende des Vierteljahres möglich gewesen sei. Weiter sei unstreitig, dass der Kläger "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" eine Abfindung in Höhe von 20.000 EUR brutto erhalten habe. Für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs genüge es, wenn der Arbeitnehmer die entsprechende Zahlung des Arbeitgebers ohne die Kündigung nicht erhalten hätte. Nicht erforderlich sei, dass die Entlassungsentschädigung gerade auf die Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuführen sei. Denn die an objektive Umstände anknüpfende Pauschalregelung des § 143 a SGB III solle einen Streit über Motive gerade ausschließen, es solle ein ggf. versteckter Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld verhindert werden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist begründe die unwiderlegliche Vermutung, dass die Abfindung nicht alleine eine Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes bedeute, sondern auch Arbeitsentgeltsansprüche abdecke, die bei regulärer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestünden. Hierbei reiche ein rein äußerlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Abfindung zur Begründung der gesetzlichen Vermutung nach § 143 a SGB III aus. Von der anzurechnenden Abfindung abzusetzen, seien ledig diejenigen Leistungen, die der Arbeitslose im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Erfüllung von Ansprüchen erhalte, die er bereits während seiner Beschäftigung erworben habe, da derartige Leistungen regelmäßig nur rein zeitlich, nicht jedoch kausal mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusammen fielen. Solche Bestandteile enthalte die Abfindung jedoch nicht.

Für das Ruhen des Anspruchs nach § 143 a SGB III komme es auch nicht auf ein etwaiges Fehlverhalten an, das hierdurch sanktioniert werden solle, es spiele deshalb keine Rolle, ob der Kläger einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 01.09.2009 gehabt habe. Dies sei allenfalls bei einer - hier nicht vorliegenden - Sperrzeit zu prüfen.

Die Beklagte habe schließlich den Ruhenszeitraum zutreffend berechnet. Bei einer Beschäftigungszeit von elf Jahren und einem Alter des Klägers von unter vierzig Jahren habe die Beklagte zutreffend 50 % der Abfindung, somit 10.000 EUR berücksichtigt. Nachdem der Kläger zuletzt 92,76 EUR pro Kalendertag verdient habe, ruhe sein Anspruch für die Dauer von 107 Tagen.

Gegen das am 29.09.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.10.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, der Zusammenhang zwischen der Entlassungsentschädigung und der Kündigung (gemeint Aufhebungsvertrag) sei bereits dadurch widerlegt, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitgeber geltende ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, da er kurzfristig den Bildungsgutschein für die am 01.09.2009 beginnende Umschulungsmaßnahme erhalten habe. Die Abfindung beinhalte darüber hinaus lediglich eine Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes. Arbeitsentgeltsansprüche seien im Abfindungsbetrag ausdrücklich nicht enthalten, so dass die Entschädigung ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass während des gesamten Jahres 2009 Kurzarbeit geleistet worden sei und er, wie andere Mitarbeiter seiner Abteilung, mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses habe rechnen müssen. Mit Schreiben vom 15.03.201 hat er vorgetragen, das Gesetz verlange eine Art Entschädigung dafür, dass ein Arbeitnehmer unter Außerachtlassung der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis aufgebe. Zwischen der Gewährung der Abfindung und der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist habe jedoch keine Kausalität bestanden. Das rein subjektive Merkmal der auch mit Zustimmung des Arbeitnehmers zu treffenden Vereinbarung - die "normale" Gesetzesfolge sei ja bei Beendigung gerade nicht die Zahlung einer Abfindung und gerade eben nicht der Wegfall der Kündigungsfrist - sei daher unabdingbare Voraussetzung der Bewertung des Gesetzeswortlauts durch die Gerichte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. September 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Ruhensbescheides vom 14. Oktober 2009 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 14. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2009 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01. September 2009 bis 16. Dezember 2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten des Klägers sowie die Prozessakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen der Gewährung einer Abfindung in der Zeit vom 01.09.2009 bis 16.12.2009 festgestellt und dementsprechend dem Kläger Arbeitslosengeld erst ab dem 17.12.2009 gewährt. Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt hinreichend dargestellt, die rechtlichen Voraussetzungen für das Ruhen zutreffend wiedergegeben und auch die Berechnung des Ruhenszeitraums zutreffend gewürdigt. Der Senat schließt sich dem an und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab.

Ergänzend ist folgendes, insbesondere zum Vortrag in der Berufungsbegründung, auszuführen:

1. Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, der Zusammenhang zwischen Entlassungsentschädigung und Aufhebungsvertrag sei bereits dadurch widerlegt, dass er wegen der kurzfristig angebotenen Bildungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis habe auch kurzfristig beenden müssen. Dies betrifft nämlich lediglich den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht jedoch den Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Gewährung der Abfindung. Eine Kausalität zwischen Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zuwendung ist nicht erforderlich, so dass der Ursachenzusammenhang selbst dann nicht entfällt, wenn die Abfindung auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wäre (Düe in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 143 a Rn. 15 m.w.N.).

Der kausale Zusammenhang besteht allein darin, dass der Kläger die Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hat. Denn ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte der Kläger die Entlassungsentschädigung nicht erhalten. Hieran ändert der Umstand, dass wegen des Beginns der Umschulungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde, nichts. An der Kausalität fehlt es lediglich, wenn im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Leistungen gewährt werden, die während der Beschäftigung erworben worden sind, wie z.B. Gewinnausschüttungen, Prämien oder anteiliges zusätzliches Monatsgehalt (Düe, a.a.O., Rn. 14), deren Auszahlung also lediglich rein zeitlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusammenfällt. Solche Leistungen sind jedoch in der gewährten Entlassungsentschädigung nicht erhalten; der Kläger hat vielmehr selbst vorgetragen, die Abfindung stelle einen Ausgleich des Arbeitgebers für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.

2. Unbeachtlich ist auch der Vortrag des Klägers, im Abfindungsbetrag seien Arbeitsentgeltansprüche ausdrücklich nicht enthalten, die Abfindung sei ausschließlich als Entschädigung für den Verlust des Sozialbesitzstandes gewährt worden. Nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 143 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB III und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht gilt eine unwiderlegbare Vermutung, dass die Abfindung auch Arbeitsentgeltansprüche abdeckt (BSG, Urteil vom 20.01.2000 - B 7 AL 48/99 R, in juris; Due, a.a.O., Rn. 4). Der Zusammenhang zwischen Entlassungsentschädigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann damit, soweit keine während des Arbeitsverhältnisses erworbenen Ansprüche enthalten sind, aus Rechtsgründen nicht widerlegt werden.

3. Unbeachtlich ist schließlich, dass der Kläger zuvor in Kurzarbeit stand bzw. das eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedroht hätte. Diese Umstände sind nämlich allein bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit vorliegen, beachtlich.

4. Die Beklagte hat auch die Dauer des Ruhens zutreffend berechnet. Nach § 143 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 % der nach Abs. 1 zu berücksichtigende Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte. Dieser zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich nach § 143 a Abs. 2 Satz 3 SGB III sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in dem selben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 %. Die Beklagte hat danach unter Zugrundelegung einer elfjährigen Betriebszugehörigkeit und des Lebensalters des Klägers den zu berücksichtigenden Anteil der Entlassungsentschädigung um 10 % auf insgesamt 50 % gemindert.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass § 143 a SGB III auch bei einem Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung gem. § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III anzuwenden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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