S 4 SO 3716/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 3716/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bleibt bei der Verwertung einer Lebensversicherung der Rückkaufswert um ca 8,3 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurück, liegt keine Härte i.S. d. § 90 III 1 SGB XII vor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme und Rückforderung von Sozialhilfeleistungen.

Die 1953 geborene Klägerin war von Oktober 1994 bis Oktober 2002 verheiratet. Mit Urteil des Amtsgerichts ...- 1 F 179/02 - vom 22. Oktober 2002 wurde die Ehe der Klägerin geschieden. Das Scheidungsurteil wurde rechtskräftig.

Bereits am 6. Mai 2002 hatte die Klägerin beim Beklagten erstmals formblattgemäß Sozialhilfe beantragt. Im von ihr unter dem 3. Mai 2002 unterschriebenen Antrag hieß es unter V. zu Vermögen der Hilfesuchenden ausdrücklich handschriftlich "kein Vermögen".

Auch in einem weiteren Antrag auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 19. Oktober 2007, den die Klägerin eigenhändig unterschrieben hatte, hieß es unter Punkt 8. Vermögen - "ohne" -. Aufgrund des Antrags vom 19. Oktober 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt in der Zeit vom 19. Oktober 2007 bis zum 30. Juni 2008 in Höhe von insgesamt 5.671,22 EUR. Während der Zeit des Leistungsbezugs nach dem SGB XII litt die Klägerin an einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelschweren depressiven Episoden und Panikattacken. Deshalb war sie bis zum Jahr 2008 erwerbsgemindert. Entsprechend dem nervenärztlichen Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr ... vom 1. Juni 2009 trat aufgrund der der Klägerin gewährten ambulanten Verhaltenstherapie ab Frühjahr 2008 aber eine deutliche psychische Stabilisierung ein. Seither war die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für eine durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden arbeitstäglich belastbar und leistungsfähig.

Dementsprechend beantragte die Klägerin am 10. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Auf dem von ihr unterschriebenen An-tragsvordruck gab sie unter 2.5 Kapitallebensversicherungen/private Rentenversicherung an, eine VERSICHERUNG Lebensversicherung zu haben, deren Rückkaufswert 9.631,10 EUR betrage und auf die sie bisher 10.494,57 EUR eingezahlt habe. Aus einer beigefügten Information zur Überschussbeteili-gung der VERSICHERUNG Lebensversicherung, die auf den 10. Januar 2008 datiert, ergab sich, dass der Wert der Versicherung der Klägerin zum 1. März 2007 9.631,10 EUR (Rückkaufswert) betragen habe. Der aktuelle Wert der Versicherung (Rückkaufswert zuzüglich Überschussgutachten) betrage zum 1. März 2007 10.494,57 EUR.

Am 24. Juni 2008 erfuhr der Beklagte von der Agentur für Arbeit ..., dass die Klägerin eine Lebensversicherung - die VERSICHERUNG-Police - besitze.

Bereits unter dem 20. Juni 2008 hatte sich die Klägerin schriftlich an die ... Lebensversicherung AG gewandt und diese bis auf einen Freibetrag von 2.600,- EUR gekündigt. Außerdem teilte sie der Versicherung mit, demnächst keine regelmäßigen Leistungen mehr einzuzahlen und Beitragsfreiheit zu beantragen, bis sich ihre Einkommenssituation wieder geändert habe. Am 9. Juli 2008 erhielt die Klägerin die von begehrte Teilauszahlung der Versicherungs-Police.

In der Folge gab der Beklagte der Klägerin und ihren Bevollmächtigten unter dem 22. Juli 2008 und sodann abermals unter dem 7. Mai 2009 Gelegenheit zur beabsichtigten Rücknahme der der Kläge-rin ab dem 19. Oktober 2007 bis zum 31. Mai 2008 gewährten Sozialhilfe in Höhe von 5.671,22 EUR Stellung zu nehmen. Die Gewährung dieser Leistungen habe darauf beruht, dass die Klägerin wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Dabei sei zumindest von grober Fahrlässigkeit auszugehen, da in ihrem Antrag auf Hilfeleistungen keine Angaben zu einer Lebensversicherung gemacht worden seien, obwohl diese Versicherung bereits seit dem 1. März 1996 bestanden habe (so der Nachtrag zum Versicherungsschein vom 1. Juli 2008).

Daraufhin hat die Klägerin unter dem 20. Mai 2009 erwidern lassen, in der Vergangenheit wiederholt gegenüber Sozialstellen und im Rahmen von Prozesskostenhilfeanträgen angegeben zu haben, monatliche Beiträge in eine Altersvorsorge/Alterslebensversicherung zu bezahlen. Eine Empfehlung zur zusätzlichen Altersversorgung sei eine allgemeine Empfehlung (Riester-Rente). Wenn bei einem der Anträge die Angabe einer Altersversorgung unterblieben sei, so habe sie die erforderliche Sorgfalt unter keinen Umständen in besonders schwerem Maße verletzt. Wenn der Beklagte anrate, ein ärztliches Attest eines behandelnden Neurologen vorzulegen, um den gesundheitlichen Zustand der Klägerin zum Zeitpunkt der Hilfebeantragung zu prüfen, sei dies kein geeignetes Vorgehen. Sie sei auch unter Berücksichtigung ihres Krankheitszustandes jederzeit erkenntnisfähig gewesen.

Daraufhin erging unter dem 15. Juni 2006 ein Rücknahme- und Rückforderungsbescheid des Be-klagten im Hinblick auf zu Unrecht bezogene Hilfe zum Lebensunterhalt der Klägerin in der Zeit vom 19. Oktober 2007 bis zum 30. Juni 2008 in Höhe von 5.671,22 EUR. Zur Begründung hieß es, die Klägerin habe bei der Beantragung der Sozialhilfe am 19. Oktober 2007 den Besitz einer verwertbaren Lebensversicherung verschwiegen, indem sie angegeben habe, kein Vermögen zu haben. Hiervon habe der Beklagte erst durch die Mitteilung der Agentur für Arbeit ...am 24. Juni 2008 Kenntnis erlangt. Das vorhandene verwertbare Vermögen aus der Lebensversicherung übersteige den Freibetrag nach § 90 Abs. 2 SGB XII von 1.600,- EUR, wobei der Rückkaufswert der Lebensversicherung bereits am 1. März 2007 10.494,57 EUR betragen habe. Die Klägerin habe dieses Vermögen in Form einer Lebensversicherung in mehreren Anträgen gegenüber dem Beklagten (so am 6. Mai 2002 und am 19. Oktober 2007) nicht angegeben und damit die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Ärztliche Atteste, die belegen könnten, dass die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen sei, die Antragsvordrucke richtig zu erfassen und auszufüllen, seien trotz wiederholter Aufforderung nicht vorgelegt worden. Angesichts des in der öffentlichen Verwaltung geltenden Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung und der Tatsache, dass der vorliegende Sachverhalt und die persönliche Situation der Klägerin keine Anhaltspunkte erkennen ließen, die dafür sprechen würden von einer Rücknahme abzusehen, bestehe keine Möglichkeit, ihr die zu Unrecht gewährten Leistungen zu belassen. Der Erstattungsbetrag mache 5.671,22 EUR aus und sei zur sofortigen Rückzahlung fällig. Der Bescheid wurde der Klägerin am 17. Juni 2009 zugestellt.

Den dagegen am 16. Juli 2009 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchs-bescheid vom 24. Juli 2009 als unbegründet zurück.

Am 24. August 2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen.

Die Klägerin trägt weiter vor, bei den Angaben über ihre Vermögenswerte in den Sozialhilfeanträgen nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Die 2002 und 2007 ausgefüllten Formblattanträge habe sie in ihrer Wohnortgemeinde, der Gemeinde ... , ausgefüllt. Der dortige Sachbearbeiter habe ihr bei dem Ausfüllen der Anträge geholfen. Hierbei sei auch über einzelne Fragenbereiche gesprochen worden. Nach ihrer Erinnerung sei dabei auch über ihre Vermögenswerte gesprochen worden. Sie habe dabei angegeben, dass sie in eine Versicherung für ihr Rentenalter einzahle. Diese Tatsache sei ihr in Erinnerung, auch wenn sie sie nicht beweisen könne. Der damalige Sachbearbeiter bei der Gemeinde ... habe aufgrund der Angaben der Klägerin in das Formular "kein Vermögen" eingetragen. Sie habe diesen Antrag unterschrieben. Maßgeblich für die Beurteilung des Falles sei jedoch, dass sie nachfolgend der Beklagten Kontoauszüge zur Verfügung gestellt habe, aus denen sich ergebe, dass sie laufende monatliche Leistungen in einen Lebensversicherungsvertrag mit monatlich 76,69 EUR an die Versicherung einbezahle. Die Versicherung sei, wie allgemein bekannt, eine Versicherungsgesellschaft, die Lebensversicherungen vertreibe. Sie trete als der Versorgungsberater des Öffentlichen Dienstes seit 1827 auf. Den Mitarbeitern des Beklagten sei daher die Versicherung auf jeden Fall bekannt. In der Verwaltungsakte befänden sich Kontoauszüge mit dem Nachweis für Überweisungen über den monatlichen Betrag von 76,69 EUR an die Versicherung mit folgenden Daten und Aktenseiten:

03.04.2002 AS 31 04.10.2002 AS 151 04.11.2002 AS 157 03.03.2003 AS 333 01.07.2003 AS 433 01.08.2003 AS 469 02.09.2003 AS 485 02.10.2003 AS 485 05.01.2004 AS 543

Sie habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte durch die Vorlage der Kontoauszüge habe nachvollziehen können, dass es sich um eine ergänzende Rentenversicherung handele. Sie habe zu keinem Zeitpunkt mit Verdeckungstendenz gehandelt. Sie habe auch darauf vertrauen dürfen, dass sie dann, wenn sie etwas übersehen oder fehlerhaft angegeben habe, von dem Beklagten infolge der eindeutigen Kenntnis über die laufenden monatlichen Zahlungen an die Versicherung gesondert befragt worden wäre. Damit könne von grober Fahrlässigkeit gänzlich kein Rede sein. Die Wahrhaftigkeit ihrer Angaben werde auch dadurch unterstrichen, dass sie dann erstmals auf eine entsprechende Frage der Agentur für Arbeit auch im Hinblick auf die Lebensversicherung und Rentenversicherung zutreffende Angaben gemacht und die entsprechenden Unterlagen vorgelegt habe. Darüber hinaus habe der Beklagte den ihr zustehenden Vermögensfreibetrag in den angefochtenen Bescheiden fehlerhaft auf 1.600,- EUR begrenzt. Im Rahmen seiner internen Vermögensüberprüfung am 1. Dezember 2008 habe der Beklagte selbst festgestellt, dass ihr Vermögensfreibetrag bei 8.850,- EUR liege.

Schließlich bedeute der Einsatz der Lebensversicherungspolice für sie eine besondere Härte, so dass Leistungen von Sozialhilfe nicht vom Einsatz und der Verwertung dieses Vermögens abhängig gemacht werden dürfen (§ 90 Abs. 3 SGB XII).

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, auch wenn ein Mitarbeiter der Gemeinde ...der Klägerin beim Ausfüllen der entsprechenden Sozialhilfeanträge geholfen habe, so habe die Klägerin durch ihre Unterschrift die Richtigkeit der Angaben doch bestätigt. Die Angabe "kein Vermögen" in sämtlichen Anträgen, die offensichtlich unrichtig sei, hätte der Klägerin selbst auffallen und bekannt sein müssen. Bei den klägerseitig benannten Kontoauszügen, aus welchen die Abbuchungen der Versicherung ersichtlich seien, handele es sich um Kontoauszüge aus den Jahren 2002 bis 2004. Hierbei handele es sich um eine Leistungsgewährung nach dem Bundessozialhilfegesetz. Es könne vom Sozialhilfeträger nicht erwartet werden, dass bei einem Antrag nach einer anderen Rechtsgrundlage, hier dem SGB XII - im Jahr 2007 - die kompletten Vorakten Blatt für Blatt durchstudiere, um möglichen Falschangaben in den Anträge nachzugehen. Generell werde vielmehr davon ausgegangen, dass die Antragsteller auf konkrete Vermögensfragen wahrheitsgemäße Angaben machten. Bezüglich der verschiedenen Grundfreibeträge sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin Leistungen nach unterschiedlichen Rechtsgrundlagen (SGB II und SGB XII) erhalten habe und daher auch die Vermögensfreibeträge entsprechend unterschiedlich seien. Bei dem genannten Schreiben der Agentur für Arbeit ... vom 24. Juni 2008 handele es sich um einen Vermögensfreibetrag für Leistungen nach dem SGB II. Bei der Anhörung des Beklagten vom 22. Juli 2008 handele es sich hingegen um den Vermögensfreibetrag nach dem SGB XII. Schließlich handele es sich bei der Lebensversicherungspolice der Klägerin auch nicht um sozi-alhilferechtlich geschütztes Riester-Rentenvermögen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakten (4 Bde.) und den Inhalt der Prozessakte (S 4 SO 3716/09) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die der Klägerin im Zeitraum vom 19. Oktober 2007 bis zum 31. Mai 2008 nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bewilligte Sozialhilfe in Höhe von 5.671,22 EUR zu Recht zurückgenommen und zurückgefordert.

Der Beklagte stützt sich bei seinem Forderungsbegehren in Sachen des Rücknahme- und Er-stattungsbescheids auf § 50 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift können bereits erbrachte Leistungen dann zurückgefordert werden, wenn der der Leistungserbringung zugrunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Denn der die Leistungspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin konkretisierende Verwaltungsakt ist unmittelbar der Rechtsgrund für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt und damit für das Behaltendürfen der Leistungen gewesen. Damit eine Rückforderung der Leistungen geltend gemacht werden kann, muss zunächst die Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung in rechtswirksamer Weise beseitigt werden.

Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach dessen Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aber nicht berufen, soweit

1. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 2. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Ver-waltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Entscheidung über die rückwirkende Rücknahme ist durch das Merkmal "wird mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen" nicht binden vorgegeben. "Wird" bedeutet keine Verpflichtung zur Rücknahme, sodass die Beklagte Ermessen auszuüben hat (vgl. Schütze, in von Wulffen, SGB X, Kommentar, 2008, § 45 Rn. 79 m.w.N.).

An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, hat der Beklagte die der Klägerin im Zeitraum vom 19. Oktober 2007 bis zum 31. Mai 2008 gewährten Sozialhilfeleistungen zu Recht zurückgenommen und zurückgefordert. Denn die Klägerin hat während des Leistungszeitraums über Vermögen in einem Rückkaufswert von damals (1. März 2007) über 9.000,- EUR (Versicherungsspolice) verfügt. Die Lebensversicherung der Klägerin fällt unter keine der in § 90 Abs. 2 SGB XII aufgeführten Fallgruppen. Insbesondere sind die Voraussetzungen von § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII nicht erfüllt. Danach darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines Kapitals einschließlich seiner Erträge, dass der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde (vgl. hierzu: Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII (2. Aufl., 2008), § 90 SGB XII Rn. 18; Zeitler, in: Mergler/Zink, SGB XII (Stand: 12. Erg.-Lfg., September 2008), § 90 Rn. 30 f.; Brühl/Geiger, in: LPK-SGB XII (8. Aufl., 2008), § 90 Rn. 29 zu § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II: Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II (2. Aufl., 2008), § 12 Rn. 44). In der Begründung des Gesetzentwurfes zu der entsprechenden Vorschrift nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II wird insoweit ausdrücklich auf die "Riester-Anlageformen" (BT-Drucks. 15/1516 S. 53) hingewiesen. Ob auch andere Vorsorgeformen von der Regelung erfasst werden (vgl. hierzu: Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II (Stand: 23. Erg.-Lfg., September 2008), § 12 Rn. 143; Radüge, in: JURIS PK-SGB II (2. Aufl., 2007), § 12 Rn. 6), kann hier dahinstehen. Denn bei der von der Klägerin abgeschlossenen Lebensversicherung handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 des Gesetzes über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz – AltZertG) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I 1310, 1322; geändert durch Artikel 23 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794)) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zu Grunde liegt (ebenso: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Mai 2010, L 7 SO 78/06, JURIS, Rn. 24). Das ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin ist auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung im Hinblick auf die Lebensversi-cherung denjenigen Personen gleichzustellen, die über eine den Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII entsprechende Altersvorsorge verfügen. Die Privilegierung des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens gegenüber anderen Anlageformen wie der hier vereinbarten Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall stellt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar. Artikel 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dieses Grundrecht ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Verhältnis zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 – 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91BVerfGE 87, 1 (36) = SozR 3-5761 Allg. Nr. 1; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1998 – 1 BvL 16/90BVerfGE 98, 1 = SozR 3-5755 Art. 2 § 27 Nr. 1; Jarrass/Pieroth, GG (9. Aufl., 2007), Art. 3 Rn. 4 ff.). Derartige Unterschiede zwischen den aufgezeigten Gruppen von Normadressaten sind hier im Hinblick auf die gewählte Versicherungsform gegeben. Durch § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII soll das in die Altersvorsorge investierte Vermögen geschützt werden. In gewissen Grenzen soll daher weder ausdrücklich für die Altersvorsorge zweckgebundenes Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts herangezogen werden noch die Chance zum weiteren Aufbau einer bereits vorhandenen Alterssicherung verwehrt werden. Zur Wahrung dieses Gesetzeszwecks erfolgt die Anknüpfung des Schutzes des entsprechenden Vermögens an die gesetzlich vorgegebenen Fördervorschriften. Während der Abschluss dieser privaten Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall des Klägers insoweit an keinerlei zwingende Voraussetzungen geknüpft war, erfolgt die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII nur dann, wenn sie zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich überwacht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitalversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital grundsätzlich jederzeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs – wenn auch mit Verlust – herangezogen werden kann. Letzteres ist vorliegend im Juni/Juli 2008 dann ja auch geschehen.

Das Lebensversicherungsvermögen der Klägerin ist deshalb jenseits der nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom 15. Februar 1988 zu beachtenden Freibetragsgrenze von 1.600,- EUR vorrangig zum Lebensunterhalt einzusetzen gewesen ...

Bei dem zwischen den Beteiligten in Streit stehenden Vermögen handelt es sich - entgegen der Auf-fassung der Klägerin - schließlich auch nicht um härtefallgeschütztes Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies insbesondere für den, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Nach Satz 2 dieses Absatzes ist dies bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Diese Sonderregelung greift hier bereits deshalb nicht ein, weil vorliegend Leistungen nach dem Dritten Kapitel und nicht nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII in Streit stehen (vgl. auch Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. August 2009, L 8 B 4/07 SO, JURIS Rn. 24).

Es liegt aber auch keine allgemeine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII vor. Bereits aus dem systematischen Zusammenhang zwischen den beiden Sätzen des § 90 Abs. 3 SGB XII ist zu entnehmen, dass allein die von der Klägerin behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung keine Härte zu begründen vermag. Von einer Härte kann insoweit nicht schon dann ausgegangen werden, wenn eine angemessene Lebensführung oder eine angemessene Alterssicherung gefährdet ist, sondern erst, wenn nach Lage des Einzelfalls der Vermögenseinsatz unzumutbar erscheint, wobei auf den aktuellen und künftigen sozialhilferechtlichen Bedarf und nicht auf die bisherige Lebensführung abzustellen ist (Brühl/Geiger in LPKH-SGB XII, 8. Aufl., § 90 Rn. 69; Hessisches Landessozialgericht, a. a. O.). Zusammenfassend gesagt muss es sich um einen atypischen Lebenssachverhalt handeln, dem der Gesetzgeber mit den Regelvorschriften des § 90 Abs. 1 und 2 SGB XII nicht gerecht zu werden vermochte (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Januar 1966 – V C 88.64BVerwGE 23, 149, 158 f.). Ein solcher atypischer Lebenssachverhalt ist auch nach dem Klägervorbringen auch im Klageverfahren vorliegend nicht erkennbar.

Eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII liegt auch nicht deshalb vor, weil die Ver-wertung der Lebensversicherung unwirtschaftlich gewesen wäre, da der Rückkaufwert von 9.631,10 EUR hinter den bis zu diesem Zeitpunkt eingezahlten Beiträgen in Höhe von 10.494,57 EUR zurückgeblieben ist. Denn selbst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe und seit 2005 im Rahmen des SGB II wäre der wirtschaftliche Verlust nicht geeignet gewesen, den Verwertungszwang auszuschließen. So liegt nach dieser Rechtsprechung eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II erst dann vor, wenn der mit der Verwertung zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des Vermögensgegenstandes steht (Bundessozialgericht, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 66/06 R – BSGE 99, 77 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr. 5). Dabei hat es das Bundessozialgericht bisher vermieden, eine absolute Grenze für die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung einer Lebensversicherung festzulegen. Allerdings ist den bisherigen Entscheidungen einerseits zu entnehmen, dass diese Grenze jedenfalls dann noch nicht erreicht ist, wenn der Rückkaufwert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibt, und dass andererseits bei einem Verlust von 18,5 % Zweifel an der Wirtschaftlichkeit bestehen können (BSG, a.a.O., JURIS Rn. 23 m.w.N.; Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 68/06 R – JURIS Rn. 34). Da vorliegend der Rückkaufwert "nur" um knapp 8,23 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück geblieben ist, ist auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II noch nicht erreicht. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann diese Rechtsprechung nicht eins zu eins auf die Auslegung des Merkmals der Härte im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII übertragen werden (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Juni 2005 – L 11 B 206/05 SO ER – FEVS 57, 69 ff; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2008 – L 2 SO 233/08 ER-B – FEVS 59, 572 ff., jeweils m.w.N.; offengelassen Bundessozialgericht, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – SozR 4-3500 § 90 Nr. 3). Denn zum einen fehlt in § 90 Abs. 3 SGB XII das als Anknüpfungspunkt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II dienende Merkmal der "offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit". Zum anderen sollte bei Einführung des SGB XII die bisherige Regelung des § 88 BSHG im Wesentlichen inhaltsgleich in § 90 SGB XII übertragen werden (BT-Drucks. 15/1514 S. 66 zu § 85 des Entwurfs), was auch als Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung verstanden werden kann. Das Gericht kann dabei offen lassen, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verwertbarkeit von Kapital-lebensversicherungen, wonach eine Härte i.S. des § 88 Abs. 3 BSHG auch für den Fall abgelehnt wird, dass der Rückkaufwert um mehr als die Hälfte hinter den eingezahlten Beiträgen zurück bleibt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/96BVerwGE 106, 105 ff m.w.N.), uneingeschränkt auch für den Bereich des SGB XII zu übernehmen ist. Jedoch legen die aufgezeigten Gesichtspunkte eine vom SGB II abweichende, im SGB XII weitergehende Verwertungsobliegenheit nahe. Dies begründet in Anbetracht des dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Sozialleistungen zustehenden Gestaltungsspielraums auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz mit der Folge, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Schonung von Vermögen nach dem SGB II uneingeschränkt übertragen werden müsste (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 C 3/03BVerwGE 121, 34 ff.), zumal sich der Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und nach dem Vierten Kapitel SGB XII im Hinblick auf das das SGB II prägende (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II; BT-Drucks. 15/1516 S. 2, 44) Ziel der kurzfristigen Reintegration in den Arbeitsmarkt wesentlich unterscheidet.

Im Übrigen ergibt sich für das erkennende Gericht die wirtschaftliche Vertretbarkeit und Zu-mutbarkeit der Auflösung der Lebensversicherung vorliegend nicht zuletzt daraus, dass die Klägerin diese Versicherung im Juni 2008 aus eigenem Antrieb - insbesondere ohne jeden Hinweis oder Mitwirkung des Beklagten - teilgekündigt und sich hat auszahlen lassen (9. Juli 2008), um anderweitige Verpflichtungen zu bedienen.

Die Klägerin hat auch nicht auf den Bestand des sie rechtswidrig begünstigenden Bewilli-gungsbescheids vom 19. Oktober 2007 vertrauen dürfen, weil sie grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht hat. Grob fahrlässig handelt, wer objektiv und subjektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders krasser Art und Weise außer Acht lässt. Das Bundessozialgericht fordert für die Annahme von grober Fahrlässigkeit in Fällen der Nichtbeachtung von Belehrungen der Verwaltung über Anzeigepflichten (BSG 42, 184) und der Unterlassung der Mitteilung ent-scheidungserheblicher Tatsachen (BSG a. a. O., 47, 28, 33; 47, 180, 182), dass der Leistungsempfänger unter Berücksichtigung seiner individuellen Urteils- und Kritikfähigkeit seine Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich großem Maße, d. h. in einem das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit in erheblichem Umfang übersteigenden Ausmaß verletzt (Bundessozialgericht Urteil vom 14. Juni 1984, HV-Info 1984, Nr. 15, Seite 10 bis 17).

An diesem Maßstab orientiert, sieht das erkennende Gericht bei der Klägerin grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf das Verschweigen ihrer Lebensversicherung und deren Rückkaufswert im Antrag die Gewährung von Sozialhilfe vom 19. Oktober 2007 gegenüber dem Beklagte als erfüllt an. Darin hat die Klägerin nämlich auf ausdrückliche Frage nach Vermögen in Form einer Lebensversicherung und deren Rückkaufswert angegeben, gar kein Vermögen zu haben. Darin ist die Erklärung enthalten, sie habe auch keine Lebensversicherung, die einen Rückkaufswert hat. An dieser Angabe muss sich die Klägerin aufgrund ihrer Unterschriftsleistung vom 19. Oktober 2007 festhalten lassen, ohne dass es darauf ankommt, wer ihr beim Ausfüllen des Antrags geholfen hat. Im Antragsformular heißt es nämlich, dass der Antragsteller bestätigt, dass Änderungen und Ergänzungen, die der Mitarbeiter der Behörde vorgenommen hat mit dem Hilfebedürftigen besprochen worden sind und dieser die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Klägerin dem Beklagten für vorangegangene Bewilligung von Sozialhilfe nach Bundessozialhilfegesetz in der Zeit von April 2002 bis Januar 2004 Kontoauszüge vorgelegt hat, in denen sich u. a. Überweisungen von monatlich 76,69 EUR an die Versicherung befinden. Zum einen ersetzt die bloße Vorlage solcher Kontoauszüge nicht die erforderliche ordnungsgemäße und zutreffende Angabe von Einkommens- und Vermögensverhältnissen in den Antragsformularen. Zum anderen und vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin dem Beklagten vorgelegten Kontoauszüge vom 3. April 2002 bis zum 5. Januar 2004 einen Zeitraum betreffen, der dem hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum ab 19. Oktober 2007 lange vorausgegangen ist. Der beklagte Sozialhilfeträger muss sich aber, will er nicht zum Sozialdetektiv mutieren, der jedwede Angaben eines Hilfesuchenden in Zweifel zieht, auf die Richtigkeit der jeweils aktuellen Antragsangaben verlassen dürfen. Aktuell hat die Klägerin dem Beklagten unter dem 19. Oktober 2007 objektiv wahrheitswidrig erklärt, eine Lebensversicherung nicht zu besitzen. Daran muss sie sich festhalten lassen. Dieses Verhalten bewertet das Gericht in Anbetracht der Einfachheit der abgefragten Tatsache auch als grob fahrlässig. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund einer mittelschweren depressiven Episode im Jahre 2007, weil objektive Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin zum Antragszeitpunkt am 19. Oktober 2007 an der notwendigen Einsichts- und Willensfähigkeit gefehlt habe, nicht erkennbar sind. Solche werden von der Klägerin ausdrücklich in Abrede gestellt und bestritten. Deshalb ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht - wie bereits im Vorfeld dem Beklagten - von Amts wegen gegen den zuletzt während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen ausdrücklichen Willen der Klägerin insoweit nicht veranlasst gewesen.

Groß fahrlässiges Verhalten bedarf keiner Verdeckungstendenz. Der Klägerin ist einzuräumen, dass sie gegenüber dem Beklagten Vermögen nicht mit Verdeckungstendenz verschwiegen hat. Ein solches Verhalten wäre indes aber auch nicht als nur grob fahrlässig, sondern als vorsätzlich zu bewerten gewesen. Dies steht hier jedoch nicht zur Diskussion. Das Ermessen hat der Beklagte bei der Entscheidung über die Rücknahme und Rückforderung beanstandungsfrei ausgeübt. Auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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