L 3 U 431/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 368/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 431/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hat eine Berufsgenossenschaft zu Unrecht Leistungen nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) erbracht, können diese nach Maßgabe von §§ 50 Abs. 2, 45 und 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zurückgefordert werden. Dies gilt auch für die Kosten einer stationären Behandlung und für Hilfsmittel.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beklagte begehrt von der Klägerin die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 2.258,09 EUR, die anlässlich der stationären Behandlung der Klägerin nach dem Unfall vom 11.09.2000 entstanden sind.

Die 1968 geborene Klägerin ist als selbständige Unternehmerin tätig. Sie ist am 11.09.2000 auf der Fahrt von I. nach M. mit dem Pkw verunglückt und hat sich unter anderem einen Bruch der Halswirbelsäule zugezogen. Die Klägerin ist deswegen im Klinikum I. der Technischen Universität M. aufgenommen worden, welches der Beklagten Anfang November 2000 für die stationäre Behandlung 4.242,00 DM und für Hilfsmittel 174,45 DM in Rechnung gestellt hat.

Die Beklagte hat die Forderung des Klinikums I. der Technischen Universität M. am 09.11.2000 beglichen und hat zeitlich überschneidend hierzu die Versicherteneigenschaft der Klägerin geprüft: Das Arbeitsverhältnis im Betrieb ihres Ehemannes (Hausmeister-Service C. A.) ist nicht sozialversicherungspflichtig. Auch eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten hat nicht bestanden und besteht nicht.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13.12.2000 hat die Beklagte festgestellt, dass mangels Unfallversicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung keine Leistungsansprüche bestünden. Die Rückforderung von Leistungen ist für den Fall ausdrücklich angekündigt worden, dass die übernommen Kosten nicht von der Krankenkasse erstattet würden.

Die Klägerin hat mit Nachricht vom 11.06.2001 gegenüber der Beklagten geltend gemacht, sie sei zum Zeitpunkt des Unfalles Mitglied der AOK I. gewesen. Bei dem Unfall vom 11.09.2000 habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt.

Die Beklagte hat sich wegen der Erstattung der bereits im November 2000 verauslagten Kosten an die AOK Bayern gewandt. In Hinblick auf das am Sozialgericht München anhängige Verfahren zur Klärung des versicherungsrechtlichen Status der Klägerin hat die Beklagte ihr Erstattungsbegehren zurückgestellt, nachdem die AOK Bayern auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat. Mit rechtskräftigem Urteil vom 20.10.2004 - S 19 KR 164/01 hat das Sozialgericht München festgestellt, dass die Klägerin bei ihrem Ehemann (wie bereits erwähnt) nicht abhängig beschäftigt gewesen ist.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30.12.2004 hat die Beklagte daraufhin von der Klägerin die übernommenen Kosten in Höhe von insgesamt 2.258,09 EUR zurückgefordert.

Die Klägerin hat mit Widerspruch vom 16.02.2005 erwidert, dass der Anspruch bereits verjährt sei.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2005 ausgeführt, die Rückforderung sei bereits mit Bescheid vom 13.12.2005 angekündigt worden. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Erst nach Klärung des versicherungsrechtlichen Status (Urteil des Sozialgerichts München vom 20.10.2004) habe man innerhalb der Fristen von §§ 50, 45 und 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) den verauslagten Betrag in Höhe von 2.258,09 EUR fristgerecht zurückgefordert.

Das Sozialgericht München hat die Klage gegen den Bescheid vom 30.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005 mit Urteil vom 24.09.2008 abgewiesen. Nach § 50 Abs. 2 SGB X seien Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien, zu erstatten. In Berücksichtigung des rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts München vom 20.10.2004 sei die Rückforderung mit Bescheid vom 30.12.2004 rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erfolgt. Eine Verjährung sei nach § 50 Abs. 4 SGB X und der dort normierten 4-Jahres-Frist ebenfalls nicht eingetreten. Denn maßgeblich sei der Bescheid vom 30.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005. Diese Entscheidungen seien jedoch aufgrund des anhängigen Klageverfahrens noch nicht unanfechtbar gewesen, sodass die Verjährungsfrist noch nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Forderung der Beklagten sei auch noch nicht "verwirkt", da die Klägerin mit Bescheid vom 13.12.2000 auf die Notwendigkeit der Rückforderung aufmerksam gemacht worden sei, sofern keine Erstattung von Seiten der AOK Bayern erfolge.

Die Klägerin hat mit Berufungsbegründung vom 20.04.2009 hervorgehoben, die Beklagte wäre unzuständig gewesen. Die AOK habe nachweislich Beiträge erhalten und habe auch bestätigt, leistungspflichtig zu sein. Von der Beklagten werde erwartet, dass sie nicht nur Beiträge erhebe, sondern auch Zahlungen dafür erbringe. Die Stellung eines Strafantrages bleibe vorbehalten.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2010 ist für die Klägerin niemand erschienen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2008 sowie den Bescheid der Beklagte vom 30.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005 aufzuheben.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage gegen den Bescheid vom 30.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005 mit Urteil vom 24.09.2008 zutreffend abgewiesen.

Soweit hier die Beklagte Leistungen gegenüber dem Klinikum I. der Technischen Universität M. ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht hat, sind diese gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X von der Klägerin zu erstatten. §§ 45 und 48 SGB X gelten entsprechend (§ 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X).

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten von Anfang an keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung und die Hilfsmittelversorgung gehabt. Die Klägerin ist in ihrer Eigenschaft als selbständige Unternehmerin nicht versichert gewesen; auch eine freiwillige Versicherung ist von ihr nicht abgeschlossen worden. Das Sozialgericht München hat mit rechtskräftigem Urteil vom 20.10.2004 - S 19 KR 164/01 festgestellt, dass die Klägerin bei ihrem Ehemann nicht abhängig beschäftigt gewesen ist. Dementsprechend scheidet auch ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aus. Unabhängig davon hat auch die Klägerin selbst sowohl im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten wie auch im Verfahren gegenüber der Krankenkasse ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei dem Unfall vom 11.09.2000 um keinen Arbeits- oder Wegeunfall gehandelt hat.

Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist hier eine Rückforderung für die Vergangenheit möglich, weil sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Denn vorliegend ist die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag im Verwaltungsverfahren wie auch im sozialgerichtlichen Verfahren gegenüber der AOK Bayern zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass es sich bei dem Unfall vom 11.09.2000 um einen in die Zuständigkeit der Beklagten fallenden Arbeits- oder Wegeunfall handeln würde. Entsprechend ihrem Schreiben vom 11.06.2001 ist ihr bewusst gewesen, dass es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Zum damaligen Zeitpunkt ist die Klägerin vielmehr davon ausgegangen, dass die AOK I. (bzw. AOK Bayern) einstandspflichtig sei.

Letzteres ist jedoch ausweislich des rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts München vom 20.10.2004 - S 19 KR 164/01 nicht der Fall gewesen. Ausgehend von dem Zeitpunkt der Rechtskraft des vorstehend bezeichneten Urteils kann sich die Klägerin nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Denn nach § 50 Abs. 4 SGB X verjährt ein Erstattungsanspruch erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt, mit welchem die zu erstattende Leistung festgesetzt worden ist, unanfechtbar geworden ist. Maßgeblich ist hierbei der angefochtene Bescheid vom 30.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005. Diese Entscheidungen sind jedoch aufgrund des anhängigen Klage- bzw. Berufungsverfahrens noch nicht unanfechtbar geworden, sodass die Verjährungsfrist noch nicht in Gang gesetzt worden ist.

Auch die anzuwendende Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Danach muss die Rückforderung innerhalb eines Jahres bei Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rückforderung rechtfertigen. Auch insoweit ist auf die Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts München vom 20.10.2004 - S 19 KR 164/01 abzustellen. Vorliegend hat die Beklagte ab Kenntnis nur knapp zwei Monate benötigt, bis sie mit Bescheid vom 30.12.2004 die übernommenen Kosten in Höhe von insgesamt 2.258,09 EUR von der Klägerin zurückgefordert hat.

Die Beklagte hat auch das ihr nach § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 1 SGB X zustehende Ermessen im Hinblick auf die Ankündigung in dem rechtskräftigen Bescheid vom 13.12.2000, bereits erbrachte Sozialleistungen zurückzufordern, in nicht zu beanstandender Weise sachgerecht ausgeübt (Schütze in von Wulffen, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, 7. Auflage, RdZ 88 - 91 zu § 45 SGB X).

Die Klägerin kann sich weiterhin weder auf Vertrauensschutzgesichtspunkte noch auf die Grundsätze der Verwirkung berufen. Denn die Beklagte hat bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 13.12.2000 die Rückforderung von Leistungen für den Fall ausdrücklich angekündigt, dass die übernommenen Leistungen nicht von der Krankenkasse erstattet würden.

In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht darauf stützen, dass die AOK Bayern nach ihren Angaben Kassenbeiträge erhalten und bestätigt hat, dass eine Mitgliedschaft bei ihr bestehe. Denn eine etwaige Beitragsentrichtung an die AOK I. bzw. AOK Bayern zur Erlangung von Krankenversicherungsleistungen in der GKV und auch etwaige Begrüßungsschreiben derselben haben keine Leistungspflicht der Beklagten als Unfallversicherungsträger zur Folge. Vielmehr hat die Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung hier davon profitiert, dass die Beklagte gegenüber dem Klinikum I. der Technischen Universität M. in Vorleistung getreten ist und sich zunächst an die AOK Bayern wegen eines möglichen, aber letztendlich nicht gegebenen Erstattungsanspruches gewandt hat. Die hieraus resultierende nicht unerhebliche Zeitverzögerung begründet jedoch keine Verwirkung des Erstattungsanspruches der Beklagten. Es fehlt an weiteren besonderen Umständen, aufgrund derer die Klägerin hätte darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte ihren Erstattungsanspruch nicht mehr geltend machen werde.

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2008 zurückzuweisen. Die Anwesenheit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2010 ist hierbei nicht erforderlich gewesen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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