L 5 SF 263/10 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 2360/08
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 SF 263/10 AB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Die Ablehnung der Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts München, Richterin am Sozialgericht Dr. K., wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.



Gründe:

I.
Die Klägerin führt vor dem Sozialgericht München einen Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund. Streitig ist zwischen den Beteiligten ein Anspruch auf Leistung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Beweisanordnung vom 15. April 2009 war die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. zur ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. In einem nervenfachärztlichen Gutachten vom 15. Juni 2009 hat die medizinische Sachverständige zu den Gesundheitsstörungen und dem daraus folgenden Leistungsbild der Klägerin Stellung genommen. Bereits mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. Juli 2009 hat die Klägerin die Sachverständige Dr. R. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgetragen, eine weitere Person mit dem Namen "F." habe das Gutachten ausgearbeitet und einen von ihr verfassten Text am Sonntag, den 14. Juni 2009, an die Sachverständige übermittelt. Auch erwecke das Gutachten den Anschein der Parteilichkeit zu Gunsten der Beklagten. Zu den Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens an das Sozialgericht vom 20. Juli 2009 verwiesen (Bl. 102 ff der Gerichtsakte)
Mit Schreiben vom 11. August 2009 hat die medizinische Sachverständige Dr. R. zu den Vorwürfen Stellung genommen und ausgeführt, das Gutachten sei von ihr selbst und eigenverantwortlich ausgearbeitet und erstellt worden. Das Gutachten sei von ihr diktiert und von der Schreibkraft F. geschrieben worden. Das Telefax vom 14. Juni 2009 sei eine Korrekturseite ihres Diktates gewesen. Eine Parteilichkeit zu Gunsten der Beklagten sah die Gutachterin nicht gegeben. Auf den Inhalt des Schreibens vom 11. August 2009 (Bl. 162 ff der Gerichtsakte) wird ebenfalls Bezug genommen.
Bereits mit Beweisanordnung vom 3. Juli 2009 war vom Gericht ein weiteres Gutachten auf orthopädischen Fachgebiet bei Dr. S. in Auftrag gegeben und aufgrund des Befangenheitsantrags der Klägerin von Seiten des Gerichts um einen Aufschub der Begutachtung gebeten worden (Schreiben an den Sachverständigen Dr. S. vom 30. Juli 2009). Das Gutachten von Dr. S. war nach einer Untersuchung der Klägerin am 24. Juli 2009 in der Zwischenzeit mit Datum vom 5. August 2009 bereits erstellt worden. Mit Schreiben an das Sozialgericht vom 16.11.2009 hat die Klägerin die Beauftragung des medizinischen Sachverständigen Dr. P. nach § 109 SGG beantragt. Auf die Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 12. April 2010 folgte das Gutachten von Dr. P. vom 31. Mai 2010. Auf eine daraufhin von der ärztlichen Sachverständigen Dr. R. eingeholte ergänzende Stellungnahme vom 9. Juli 2010 hat die Klägerin diese erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Klägerin hat auf den Inhalt ihres früheren Schreibens an das Sozialgericht vom 20. Juli 2009 verwiesen und mit einem "bewusst einseitigen Umgang mit dem Prozessstoff" begründet. Aus der Unvollkommenheit der Sachverhaltsdarstellung ließen sich Rückschlüsse auf die Parteilichkeit eines Gutachters ziehen. Zu den Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 27. Juli 2010 verwiesen (Bl. 405 ff der Gerichtsakte). Mit Schreiben an das Gericht vom 16. August 2010 hat Dr. R. nochmals ausgeführt, sie habe das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Vorübergehende Verschlechterungen, die postoperativ einträten, führten zur Arbeitsunfähigkeit, nicht aber zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Mit Beschluss vom 13. September 2010 hat das Sozialgericht den Antrag auf Ablehnung der ärztlichen Sachverständigen Dr. R. wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat darin unter anderem ausgeführt, es sei bei Dr. R. keine Festlegung auf ein Gutachtensergebnis zugunsten der Beklagten zu erkennen. Zudem findet sich im Beschluss vom 13. September 2010 folgender Text:
"Die Klägerin möge sich bewusst machen, dass ein vom Gericht nach § 106 SGG bestellter Sachverständiger grundsätzlich von Steuergeldern finanziert wird und in jeder Hinsicht neutral ist. Wenn ein gerichtlicher Sachverständiger, der über umfangreiche Erfahrung auf seinem Fachgebiet hinsichtlich der sozialmedizinischer Leistungseinschätzung verfügt, ein Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, rechtfertigt das nicht gewünschte Ergebnis die Besorgnis der Befangenheit nicht."
Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. September 2010 die Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Vorsitzende habe in ihrem Beschluss vom 13. September 2010 zum Ausdruck gebracht, dass sie einen vom Gericht bestellten Sachverständigen immer für neutral ansehe. Diese von der Vorsitzenden aufgestellte Prämisse richte sich ausdrücklich gegen die Klägerin. Die Klägerin misstraue deswegen der Unparteilichkeit der Richterin.
Die Vorsitzende hat sich zum Ablehnungsgesuch der Klägerin in einer dienstlichen Stellungnahme vom 22. September 2010 schriftlich geäußert. Die Beteiligten erhielten daraufhin Gelegenheit, sich zu äußern.

II.
Über Ablehnungsgesuche gegen Gerichtspersonen entscheidet das Landessozialgericht nach § 60 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob der Beteiligte von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leiterer, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdnr. 7).

Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, die in Anwendung dieses Maßstabes Zweifel an der Unparteilichkeit der Vorsitzenden begründen könnten. Die Äußerung, dass ein vom Gericht nach § 106 SGG bestellter Sachverständiger grundsätzlich von Steuergeldern finanziert werde und in jeder Hinsicht neutral sei, lässt Voreingenommenheit nicht begründen. Diese Aussage erfolgte zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs gegen die medizinische Sachverständige und war nicht Teil der Beweiswürdigung. Zudem ist die Aussage nur im Zusammenhang mit den umfangreichen weiteren Ausführungen im Beschluss vom 13. September 2010 zu würdigen. Die Vorsitzende hat sich darin sachlich mit den einzelnen von der Klägerin erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt. Die Gründe des Beschlusses vom 13. September 2010 sind daher in einer Gesamtschau zu sehen, deren Ergebnis kein Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richterin begründen kann.

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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